antirassistische initiative berlin


CALL FOR PAPERS: ZAG_69 /2015
Thema_Polizei. Staat. Rassismus. (17. Februar 2015)

Zum Gedenken an den Nagelbombenanschlag in der Kölner Keupstraße vor zehn Jahren wurde in Berlin ein großes Transparent aufgehängt. Kurz darauf kam die Berliner Polizei und entfernte mit großem Aufwand einen Teil des Plakats. Der Spruch "Staat und Nazis Hand in Hand" hatte sie aufmerken lassen. Dieser Kommentar zum Umgang staatlicher Stellen mit den Verbrechen rechter TerroristInnen im Zusammenhang mit dem NSU-Komplex schien ihnen strafwürdig.

Dieses Ereignis ist Anlass für das Thema "Polizei. Staat. Rassismus." der ZAG 69. Wir möchten die verschiedenen Formen von Rassismus in Polizei und Staat auf personeller, institutioneller und struktureller Ebene beleuchten. Denn die Konsequenzen sind mörderisch! Doch trotz scheinbar eindeutiger Indizien, ist es schwierig, diesen Standpunkt zu vermitteln. Einzelne Polizeiskandale werden meist entweder auf "menschliches Versagen" beschränkt oder die Ermittlungen mangels an Beweisen eingestellt. Die Kolleg*innen weigern sich in der Regel, gegen die Kolleg*innen auszusagen und manchmal weigern sie sich sogar zu ermitteln.

Was heißt struktureller bzw. institutioneller Rassismus?

Was bedeutet das konkret in der Arbeit dieser Institutionen?

Weshalb gibt es diesen blinden Fleck des staatlichen Handelns?

Der NSU-Komplex scheint eindeutig in die Richtung strukturellen Rassismus zu weisen. Die polizeilichen Ermittlungen der NSU-Morde waren von Anfang an durch rassistische Vorurteile gekennzeichnet. Die Opfer wurden zu Täter*innen gemacht.

Werden die Ermittlungsbehörden nun weniger rassistische Vorannahmen in ihre Arbeit einfließen lassen?

Das aktuelle und traurige Beispiel der Nichtermittlung durch die Dresdner Polizei im Fall von Khaled Idris Bahray spricht dagegen. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei dem Blick auf die Statistiken und Chroniken zu Opfern rechter Gewalt und rechten Straftaten. Die Unterschiede zwischen den Zahlen staatlicher Stellen und engagierter Gruppen sind eklatant.

Wann gelten Straftaten als politisch motiviert oder als "Hasskriminalität"?

Was bedeutet diese scheinbare "Neutralität" staatlicher Institutionen gegenüber den Täter*innen und ihren Taten?

Offensichtlich muss man angesichts des NSA-Skandals die Frage stellen, ob der "freie Westen" zum Polizei- und Überwachungsstaat wird?

Die NSA und andere Geheimdienste fischen global E-mails und Mobilfunkdaten ab. Bei einer Blockade gegen Nazis in Dresden, wurden von der sächsischen Polizei Millionen Datensätze von 320.000 Bürger*innen durch Funkzellenabfragen erfasst und als Verdächtige behandelt.

Während an den Grenzen Frontex Flüchtlingsboote aufspürt und zurückschleppt, wird in Deutschland Aufstandsbekämpfung geübt. Tagelang wurden Wohngegenden durch die Polizei abgeriegelt und belagert, wie am Beispiel der Gerhard-Hauptmann-Schule in Berlin Kreuzberg oder der Ausrufung des "Gefahrengebiets" in Hamburg rund um die Davidwache zu erleben war.

Auf der kommunalen Ebene wird über das Ordnungsrecht das Betteln oder der Aufenthalt auf öffentlichen Plätzen verboten. "Nervwischer" titelte die Springerpresse und eröffnete den Reigen der Maßnahmen gegen Roma: "Armut wird strafbar".

Zeitgleich mit den zunehmenden Repressionen, beobachten wir die Privatisierung hoheitlichen Handelns und öffentlicher Daseinsvorsorge. Mit dieser Strategie der Privatisierung wird staatliches Handeln der demokratischen Kontrolle entzogen. So werden z.B. Flüchtlingsheime in private Regie etabliert. Dass es dann immer wieder zu solchen Szenen kommen kann wie in NRW, wo private Sicherheitsleute die Lagerbewohner*innen quälen und rassistisch beschimpfen, liegt dann "ausschließlich in der Verantwortung der privaten Träger".

Doch können sich die Verantwortlichen in den Ämtern so einfach davon stehlen?

Polizist*innen gehen häufiger straffrei aus als andere Berufsgruppen. So wurde zum Beispiel Oury Jalloh auf bestialische Weise in einer deutschen Polizeizelle verbrannt. Anschließend blockierten Polizei und Staatsanwaltschaft die Ermittlungen und behinderten das Einbringen von Gutachten durch die "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh". Die Bilder von den Protesten in Ferguson, Cleveland, zeigten eindrucksvoll die militärische Aufrüstung der dortigen Polizei. Dorfpolizist*innen fahren mit minensicheren Panzerwagen durch die Gegend. Rund 400 Unschuldige werden jedes Jahr legal von der Polizei getötet und Bürgerrechtler*innen zählten 5000 Todesfälle durch überzogene Polizeigewalt. Der Rassismus in den Institutionen führt dazu, dass die Opfer überwiegend "Nicht-Weiße" sind.

Für die nächste Ausgabe der ZAG wünschen wir uns deshalb von euch Artikel zum Thema Polizei und Staat, strukturellem und institutionellem Rassismus. Themen könnten sein:

- Racial Profiling: Wie kann man sich dagegen wehren, weshalb gibt es so etwas?

- Militarisierung von Polizei und neue Polizeistrategien: Welche Interessen stehen dahinter und gäbe es Alternativen?

- NSU-Komplex: Wie weit sind die Ermittlungsbehörden verstrickt und hat sich seit der Aufdeckung der NSU-Strukturen in der Arbeit der Ermittlungsbehörden etwas verändert?

- Überwachung, Kontrolle und Geheimdienste: Weshalb sind linke Initiativen immer noch so interessant für den Staatsschutz und VS, obwohl eine umfassende digitale Überwachung besteht und Linke ja bekanntlich "jeden Furz aufschreiben und öffentlich / im Netz / auf Facebook diskutieren"?

- Grenzschutz und Migration, was kommt nach Frontex?

Wir bitten um die Zusendung von Artikeln und Artikelvorschlägen zu dem von uns angerissenen Thema und unseren im obigen Text aufgeworfenen Fragen.

- - Artikel für den Schwerpunkt der ZAG sollten nicht mehr als 12.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) umfassen.

- - Hinweise zur Textgestaltung senden wir auf Wunsch gerne zu.

- - Geschlechtergerechte Sprache ist erwünscht.

- - Der Redaktionsschluss ist der 7. Juni 2015. Wir freuen uns aber auch über früher eingereichte Beiträge.

- - Infos, Nachfragen, Artikelvorschläge sowie Lob und Kritik an redaktion@zag-berlin.de.

- - Mehr Infos über die ZAG unter www.zag-berlin.de.

- - Wir freuen uns auch über Texte für alle anderen Rubriken des Heftes, die dann jedoch nur max. 8000 Zeichen haben sollten.

ZAG - antirassistische Zeitschrift -- c/o Netzwerk Selbsthilfe, Mehringhof -- Gneisenaustr. 2a -- 10961 Berlin -- Fax: +49/ (0)30/ 691 30 05 -- Email: redaktion@zag-berlin.de -- http://www.zag-berlin.de -- pgp: http://wwwkeys.de.pgp.net

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