antirassistische initiative berlin


Podcast: 'Wer hat Burak erschossen?'
Donnerstag, 15. Oktober - 10. Dezember 2015 | 9:10 (Radioeins) und 14.10 (Kulturradio) sowie online | 9 Folgen

Seit 10. Dezember 2015 die neunte und letzte Folge (34:33) im rbb podcast (11. Dezember 2015):

Die neun Folgen liefen vom 15. Oktober bis 10. Dezember 2015, immer donnerstags um 9.10 Uhr auf Radioeins und um 14.10 Uhr im Kulturradio. Im Internet sind alle Folgen als ungekürzter Podcast veröffentlicht.

Der letzte Podcast ist in weiten Teilen eine Zusammenfassung der Serie.

1. Darüber hinaus gibt es etwas Neues: ein ausführliches Interview mit Ryan, einem Freund des ermordeten Luke H.
Er schildert ausführlich wie Rolf Z. immer wieder zu Gast in seiner Bar war. Er hat den Eindruck, dass Rolf Z. erst am Tatabend realisiert habe, dass sich in seiner ehemaligen Rocker-Stammkneipe "Starkstrom" heute "Ausländer" treffen und dass Ryan, der Besitzer "homosexuell" ist. Am Tatabend sagt Rolf Z. in der Bar, es seien so viele Ausländer hier und niemand könne deutsch sprechen.
Ryan geht davon aus, dass Rolf Z. mit seiner Schrotflinte in die Bar gehen wollte, um ihn, Ryan, zu erschiessen, weil er homosexuell sei und einen "nicht-deutschen Ort" geschaffen habe. Ryan vermutet, Luke H. habe Rolf Z. beim Betreten der Bar gesehen und ihn daran gehindert. Deshalb habe Rolf Z. den ihm unbekannten Luke H. getötet.

2. Philip Meinhold zieht dann die Parallelen vom Mord an Luke H. zum Mord an Burak:
Ein einzelner Täter schießt auf offener Straße, in Neukölln, ohne eine Vorbeziehung; er passe in die Altersspanne von einem 40- bis 60 jährigen Täter; nach der Tat verlässt der Täter ganz gelassen und ruhig den Tatort.
Und in beiden Fällen, könne es sich um "Fremdenfeindlichkeit" handeln.

3. Und zum Abschluß des letzten Podcasts führt Meinhold die Ausweisungsbriefe der Reichsbewegung an. 2012 wurden isgesamt 52 Briefe mit der Aufforderung, das Land zu verlassen und der Androhung der Ermordung verteilt und verschickt: an Menschen und Organisationen, die nicht weiß deutsch zu sein scheinen. Meinhold vollzieht nach, dass diese Gruppierung noch heute existiere.

Kombiniert mit einem Zusammenschnitt des Originaltons vieler seiner Experten und mit deren Argumenten kommt Philip Meinhold zu dem Schluß, dass Burak wahrscheinlich von Rolf Z. oder einem ähnlichen Täter oder im Zusammenhang mit der Reichsbewegung (Neue Gemeinschaft der Philosophen) ermordet worden sei, von einem psychisch auffälligen Täter mit "fremdenfeindlicher" Motivation.
Oder aus ganz anderer Motivation, die sich ja täglich herausstellen könne.

Ja..... und? An dieser Stelle heißt es, Resümee zu ziehen:

Meine 3 positivsten Aspekte dieser Podcasts:
1. Der Mord an Burak Bektaş und der Angriff auf seine Freunde hat breitere Öffentlichkeit erhalten und wurde ausführlich dargestellt.
2. Philip Meinhold hat intensiv recherchiert und einige neue Perspektiven eröffnet, vor allem im Bezug auf den Mord an Luke H.
3. Rassistische Motivationen beim Mord an Luke H. werden klarer und der rechte Normalzustand in Teilen Süd-Neuköllns deutlicher.

Meine 3 negativsten Eindrücke:
1. Das auffallende Gefälle im respektvollen Umgang mit Gesprächspartnern entlang der Linien Geschlecht (Mann/Frau), Herkunft (weißdeutsch/anders) und Staatsnähe - Wer Polizist, weiß und Mann ist, der wird immer mit Namen benannt und hochachtungsvoll dargestellt.
2. Ich kann nicht einschätzen, wie aufwendig es ist, für die Themen Trauma und Rechte Gewalt hauptsächlich Experten aus den Bereichen "Staatschutz", "Polizei", "Bundeswehr" und "Unternehmenssicherheit" zu finden, wo es doch an zivilgesellschaftlichen Experten in diesem Bereich nicht mangelt.
3. Es gibt in der Serie nur wenige Thesen oder Erkenntnisse, die nicht schon lange vorher von der Initiative zur Aufklärung des Mordes an Burak B. in Erwägung gezogen und der Öffentlichkeit präsentiert worden sind.
Nur diese seit dem Mord arbeitende Initiative wird eigentlich nie erwähnt.

Und das Ergebnis?
Täter könnte ein Rassist, ein Rechter, ein Psychopath gewesen sein oder jemand Anderes. Auch dieses Ergebnis kommt mir bekannt vor.

Kommentar zur achten Folge (17:06) im rbb podcast (4. Dezember 2015):

Schwerpunkt des 8. Podcasts zum Mord an Burak Bektaş ist, wie Familie und Freunde heute mit der Tat leben und zurecht kommen.
Ausführlich kommen die Freunde zu Wort, auch Melek, die Mutter wird interviewt.
Ich erhalte einen Einblick in die Auswirkungen dieses unaufgeklärten Verbrechens, Auswirkungen auf das befinden, die Zukunftsperspektiven und die Schullaufbahn der Betroffenen.
Im Gegensatz zum 7. Podcast bewegt sich die Sendung auf einem einigermaßen "seriösen" Niveau, auch wenn für mich persönlich die Perspektive, die eingenommen wird etwa voyeuristisch wirkt.

Für Irritation sorgt wieder ein Experte, ein Bundeswehr-Psychologe, der über die wahrscheinlichen Auswirkungen auf die Familie redet, ohne sie zu kennen. Das klingt für mich nach Mutmaßungen. Dr. Norbert Kröger ist sonst mit den posttraumatischen Belastungsstörungen von Afghanistan-Veteranen befasst.
Die Auswahl der Experten beeindruckt mich immer wieder auf Neue. Nicht unbedingt im Positiven.

Am Rande ein Selbstverteidigungstrainer von Burak, dass es schon verwundert, dass der Mord nicht aufgeklärt wird, angesichts einer allgemeinen Aufklärungsquote bei Morden von 90-95 %.
Tatsächlich liegt die Quote in Deutschland von 2001 bis 2014 bei 95,3 %.
Nicht aufgeklärt werden regelmäßig Morde, bei denen kein Bezug zwischen Täter und Opfer zu erkennen ist. Dies ist ja eigentlich nur denkbar in Fällen, in den das Opfer durch Zufall ausgesucht wurde. Typisch sind dabei Morde aus Menschenfeindlichkeit, zum Beispiel aus rassistischer Motivation. Ist das eine Erklärung, warum in Deutschland über Jahre rassistische Morde nicht aufgeklärt werden?

Kommentar zur siebten Folge (17:56) im rbb podcast (28. November 2015):

Die siebte Folge des Podcasts hinterlässt mich sprachlos - Die ehemalige Freundin von Burak Bektaş wird dem Publikum präsentiert.
Nach den ersten Minuten denke ich noch: Ach, jetzt kommt ein bisschen Regenbogenpresse-Klatsch. Das intensive Nachfragen nach Affären und Verehrerinnen, nach Eifersucht und Streitigkeiten.
"Investigativer" Journalismus in der Privatsphäre der Opfer.

Wir erfahren ganz neue Erkenntnisse, die den Freunden, den Angehörigen und der Polizei schon Jahre bekannt waren:
Burak soll nicht nur 1a-Schüler gewesen sein und habe einen unorthodoxen Lebensweg gehabt. Er habe Verehrerinnen gehabt und habe sich am Wochenende mit seinen Freunden getroffen, statt mit seiner Freundin.
Und dann die große Enthüllung: Es habe einen Streit gegeben, 3 Wochen vor dem Mord, zwischen Buraks Freunden und anderen jüngeren Menschen.
Eine halbe Stunde habe man sich gestritten (und danach wieder vertragen). Auch dies war der Polizei bekannt und wurde von ihr intensiv untersucht.
Für Philip Meinhold reicht diese Erkenntnis, um sich zu fragen, ob er sich nicht zu viel mit Rassismus als Motiv beschäftigt habe.
Und so endet auch sein heutiger Podcast mit einem Satz von Burak Freundin Necky: Sie könne sich Rassismus als Motiv nicht vorstellen.
Zuvor erfahren wir erfahren wir ihre Begründung. Burak habe ja nicht südländisch ausgesehen.
Ach so.

Warum hinterlässt mich das Ganze sprachlos?
6 Folgen lang erfahren wir viele neue Aspekte zum Mord an Burak Bektaş.
Vieles, was der Polizei nicht bekannt war oder von ihr "übersehen" wurde, Puzzlesteine in einem nicht zu begreifenden Mordfall. Ein Gespräch mit seiner Ex-Freundin über recht gewöhnliche private Dinge, die der Polizei bekannt waren und die diese schon ausermittelt hat, wird uns hier als Enthüllung präsentiert und scheint alles Vorherige in Frage zu stellen.

In der nächsten Folge soll es dann intensiver um die Familie, die Überlebenden und das Leben nach dem Tod von Burak Bektaş gehen.

Kommentar zur sechsten Folge (24:03) im rbb podcast (19. November 2015):

In der sechsten Folge steht die Kritik an den polizeilichen Ermittlungen im Vordergrund.
Dass Kritik von der Familie und der Initiative zur Aufklärung des Mordes geäußert wird, erfahren wir nur indirekt.
Direkt thematisiert Philip Meinhold die Kritik des Anwalts Mehmet Daimagüler, der den Eindruck hat, es sei nur Pro-Forma nach rechts ermittelt worden und es gäbe keine Anhaltspunkte, dass es irgendwelche Befragungen oder Vernehmungen gegeben habe.

Die Antwort des Innensenators auf die parlamentarische Anfrage der Grünen-Abgeordneten Canan Bayram skandalisiert Meinhold.
Der Innensenator hatte verneint, dass das allgemein bekannte Reichbürgersprektrum polizeilich bekannt sei. Und er hatte bestritten, dass der Tatort in einem Schwerpunktgebiet rechter Gewalt liege, obwohl Britz und Neukölln-Süd Hochburg der NPD und Schwerpunkt rechter Anschläge und rechten Terrors sind.
Die Antwort hat vermutlich die "Fachabteilung", also der Polizeiliche Staatsschutz formuliert (Derselbe Berliner Staatsschutz, der über den V-Mann Thomas Starke Sprengstoff an den NSU geliefert hat).

Obwohl Meinhold diese parlamentarische Antwort so wahrnimmt, dass der Innensenator die Abgeordneten bewusst irregeführt habe, schließt der Kurzbeitrag mit dem Originalton des Kommissars Hübner, man habe sich nichts vorzuwerfen und alles getan.

Der Schluss der längeren Version offenbart, dass Meinhold sich trotz der skandalösen Recherche-Ergebnisse nicht sicher ist, ob die Polizei nicht doch genug ermittelt hat. Er fragt sich, wie viele Vernehmungen Rechter die Polizei denn hätte durchführen sollen: 20 oder 50. Diese Frage verwundert. Woher kommt das Verständnis für die Polizei und deren Überlastung durch 20, 50 Vernehmungen?
Keine einzige Vernehmung Rechter durch die Polizei ist belegt.

Nicht einmal Rolf Z. wurde angehört, der mutmaßliche Mörder von Luke H., obwohl es im Burak-Bektaş-Verfahren einen Hinweisgeber auf Rolf Z. gab, dass Rolf Z. über scharfe Waffen verfüge und mit sienem Bruder in der Nähe des Neuköllner Krankenhauses herumgeballert habe.

Wer also so etwas meldet: Er kenne einen Waffennarren, der eine scharfe Waffe habe und damit herumballere, der kann nicht davon ausgehen, dass die Polizei den Waffenbesitzer auch nur befragt.
Das schafft Vertrauen in die Berliner Polizei.

Würde sie und der Berliner Staatsschutz auch so handeln, wenn ich melde, ein vollbärtiger Nachbar vermutlich "südländischer Herkunft" habe seine scharfen Waffen erwähnt? Wieviele Minuten würde es dauern, bis das Mobile Einsatzkommando seine Wohnung stürmt?

Kommentar zur fünften Folge (22:24) im rbb podcast (12. November 2015):

Bei aller Kritik an den der vergangenen 4 Beiträgen halte ich den heutigen fünften Podcast für eine sehr gute Übersicht über die rechten Gewaltstrukturen in einem Berliner Stadteil.

"Normal" ist, dass Andersdenkende hier im südlichen Neukölln mit dem Tode bedroht werden.
Hinter der beschaulichen Atmosphäre von Britz und Umgebung finden sich organisierte Nazistrukturen, Anschläge, Bedrohungen, Menschen, die nur mit Angst auf die Straße gehen können.
Wer den Beitrag von Philipp Meinhold hört, wird das Geschilderte kaum anders als mit "Terror" bezeichnen können.

Spätestens seit dem Beginn der Pegida-Bewegung und der Formierung des rechten Mobs der vergangenen Monate in weiten Teilen Deutschlands gehört dieser Terror gegen Linke, gegen Engagierte Bürger_innen und gegen alle, die als fremd definiert werden, nicht nur in Neukölln-Süd zum deutschen Alltag.

Ein Alltag, der von der Mehrheit der Bürger dieses Landes ignoriert wird und von den vermeintlichen Sicherheitsbehörden hingenommen. Politik orientiert sich an den Bedürfnissen der Hassbewegung.
In Deutschland des Jahres 2015 ist Terror, sind Bedrohungen, Übergriffe, Brandanschläge und in der Konsequenz auch mögliche Morde zum akzeptierten Normalzustand geworden.

Gespannt warte ich auf die nächste Folge, die unter anderem der Frage nachgeht, ob die Behörden aus dem NSU "genug" gelernt haben.

Kommentar zur vierten Folge (18:44) im rbb podcast (6. November 2015):

In der vierten Folge des Burak-Podcasts beschäftigt sich Philipp Meinhold mit der Möglichkeit "rechten Terrors" im Falle der Ermordung von Burak Bektaş.

Meinhold erarbeitet einen Überblick über die Sichtweise von Mehmet Daimagüler, die Sichtweise des Apabiz und die eines vermeintlichen Amok-Experten.

Er stellt Bezüge zum führerlosen Widerstand her, zum lone-wulf-Konzept der Nazi-Szene, zur "Kein 10. Opfer-Demonstration" in Kassel, zum NSU, zum Kaindl-Tod.

Das Ganze wirkt auf mich informativ, nur setzt sich Eines fort: Meine Irritation darüber, ob die Beiträge nicht auch viel über den Autor offenbaren:

Obwohl es um "rechten Terror" geht und die ersten Folgen klar gemacht haben, dass es keinen persönlichen Hintergrund gibt, beginnt der Podcast mit einem kurzen Zusammenschnitt von Originaltönen:

"Probleme mit irgendwelchen Mädchen" "deren Vätern" "ob wir Schlägereien gehabt hätten" "Wir sind nicht in Amerika". In meinem Kopf formt sich ein Bild: Jugendliche mit "Migrationshintergrund", immer etwas mit Mädchen, Ehre, Schlägereien, Ghetto - ist das ein Zufall?

Philipp Meinhold führt seine Gesprächspartner als Person nicht ein, weder die Mitglieder des Apabiz, noch den "Amok-Experten". Nur über Mehmet Daimagüler erfahren wir gleich zu Beginn mehr: Er habe bei Anne Will gesagt, der Islam habe als Marke verschissen, der Spiegel werfe ihm Theatralik vor, er sei scharfzüngig und scharfsinnig, der Bekannteste der NSU-Nebenklageanwälte.

Wieso erfahre ich das? Welches Bild von Mehmet Daimagüler soll entstehen?

Wieso erfahre ich nicht mehr über den sogenannten Amok-Experten Jens Hoffmann, der in einem Satz rechte und "linke Sache" als Amokmotivation gleichsetzt, so als habe es schon einmal einen links motivierten Amoklauf gegeben. Der davon spricht, dass die Ideologien dahinter für die Täter austauschbar seien. In diesem Teil des Podcasts fällt kein Satz ohne die gleichzeitige Nennung von Rechtsextremen und Islamisten.

Dr. Jens Hoffmann ist Geschäftsführer eines Instituts für Bedrohungsmanagement (bei Wirtschaftsunternehmen). Er ist bei Europol eingetragener Experte, allerdings für Stalking. Über Amok oder Terror finde ich auf seinen Internteseiten fast nichts. Hätte er sich mit "rechtem Terror" beschäftigt, würde er wohl auch kaum wie in diesem Podcast von "die NSU" sprechen.

Es ist gut, im Radio so viel über Burak Bektaş und seine Ermordung zu hören - und ich vermute, jedes genauere Zuhören bei beliebigen anderen Radiosendungen würde mich ebenso ärgerlich zurücklassen wie dieser Podcast.

Kommentar zur dritten Folge (24:52) im rbb podcast (29. Oktober 2015):

Es geht im heutigen dritten Podcast also um die "heimliche Hauptperson" des Mordfalls Burak Bektaş, so zumindest die Einleitung von Philipp Meinhold zur Sendung über den ermittelnden Kommissar Alexander Hübner - diese Ankündigung überrascht, schwer kann ich mir den ermittelnden Kommissar als Hauptperson vorstellen.
Meinhold ermöglicht der Öffentlichkeit einen Eindruck vom Stand der Ermittlungen, sehr ausführlich, aber aus dem Blickwinkel der Polizei und erst beim genauen Zuhören tauchen Ungereintheiten auf: Angeblich gab es zum Beispiel keine Grundlage (Spuren, Infomationen) für eine Operative Fallanalyse - gab es denn den Versuch eines Profilings? Hierüber wie über die meisten Ermittlunsgergebnisse hält Kommissar Hübner sich völlig bedeckt.

Philipp Meinhold folgt dann den Spuren des kürzlich im Zusammenhang mit dem Mord an Luke H in Neukölln festgenommenen Rolf Z. Und an dieser Stelle stockt mir der Atem: Meinhold interviewt den Zeugen, der Rolf Z. vor Jahren in die Nähe des Tatorts gefahren hat, und dem Rolf Z. erzählt habe, er mache hier Schießübungen mit seinem Bruder. Dieser Zeuge meldete sich 2013 bei der Polizei und gibt diesen Hinweis bezogen auf Burak Bektaş. Alexander Hübner drückt sich im Interview dazu erstaunlich undeutlich aus: Es wird nicht klar, dass er und die sechste Mordkommission nach diesem Hinweis wohl nichts getan haben, außer in alten Akten zu lesen und die Meldedaten zu überprüfen. Dadurch, dass er die alten Ermittlungsergebnisse vorträgt (über frühere Hausdurchsuchungen wegen Waffenbesitzes bei Rolf Z.) erweckt er den Eindruck, aktiv gewesen zu sein. Erst auf Nachfrage erklärt er, es habe nicht einmal ein Gespräch mit dem Verdächtigen gegeben. Hübner findet aber im Rückblick, er habe alles richtig gemacht (das erinnert an die NSU-Ermittler).

Geradezu ein Spannungsbogen ergibt sich, wenn Meinhold danach die Kriminalpsychologin Birgitta Sticher interviewt - nur offenbart sich im Interview, dass sie als Expertin auftritt, jedoch kaum Kenntnisse von den beurteilten Fällen hat: Als Punkt, der gegen einen Täter in beiden Fällen spricht, führt sie an, Burak Bektaş sei in den frühen Morgenstunden getötet worden, Luke H. dagegen mitten in der Nacht. Diese völlig unterschiedlichen Zeiten der Tat passten nicht zusammen. Was soll man dazu sagen: Luke H wurde in den frühen Morgenstunden (kurz vor 6 Uhr) getötet. Also im selben Zeitraum.

Dann kommt Meinholds Finale: Er habe zwei Zeugen im Zusammenhang mit Rolf Z. gesprochen. Einer sei in Rolf Z.s Wohnung gewesen und habe dort NS-Devotionalien, Fahnen, Poster und ein Hitlerbild gesehen (könnte die Berliner Polizei dies bei der Durchsuchung nach dem Mord an Luke H. übersehen haben oder warum drang hiervon bisher nichts an die Öffentlichkeit?) Ein weiterer rassistischer Mord, der "versehentlich" nicht als solcher wahrgenommen wird? Und der zweite Zeuge, der Besitzer der Bar, in der Luke H. vor seinem Tod war, berichtete, dass Rolf Z. am Tatabend in der Bar gewesen sei und sich aufgeregt habe, dass hier so viel Englisch gesprochen werde. Rolf Z. also ein Faschist und der Mord an Luke H. ein rassistischer Mord? Und könnte es für den Mord an Burak Bektaş auch ein rassistisches Motiv geben?

Nein - egal wie es war: Zu Philipp Meinhold ist der Begriff Rassismus noch nicht durchgedrungen. Für Ihn könnte Burak Bektaş wegen seines "Migrationshintergrundes" Opfer von "Ausländerfeindlichkeit" geworden sein, so als lebten in diesem Land nicht über 80 Millionen "Inländer" verschiedenster Herkunftsgeschichte. Deutsche, Menschen die hier aufgewachsen sind - sie alle können auch noch heute, am 29. Oktober 2015, im wirklich gut gedachten Podcast auf Radio 1, vom RBB als Ausländer bezeichnet werden, wenn sie nicht der Vorstellung eines echten weißen Bio-Deutschen entsprechen. Irgendwie hinterlässt mich das fassungslos, dass sich nichts zu ändern scheint in diesem Land.

Essay zur zweiten Folge (21:57) im rbb podcast (22. Oktober 2015):

In der Radioversion auf Radio 1 wird der Tagesablauf von Burak Bektaş am Tag seiner Ermordung nachvollzogen, außerdem das Treffen mit seinen Freunden am Abend.
Der Mordanschlag wird durch den Originalton von Alex, Jamal und Ömer berichtet - dabei wirkt der hinterlegte Sondersignal-Ton etwas störend, der wohl das Eintreffen der Polizei symbolisieren soll. Es gelingt, eine gefühlte Nähe zur Gruppe zu entwickeln.
Obwohl ich mich mit dem Mordanschlag beschäftigt habe, sind mir die Abläufe nie so deutlich gewesen, vor allem was das ruhige, gelassene Vorgehen des Täters angeht.
Bei der Langversion auf radioeins.de beeindruckt mich, in welchem Umfang die Freunde Buraks zu Wort kommen. Detailliert wird der Abend und die Tat nachvollzogen. Auch das Vorgehen des Täters wird für mich klarer (so weit das möglich ist).
Es ist für mich aber schwer zu verstehen, dass bei solch klaren Aussagen und mehreren Zeugen die Ermittlungen im Mordfall über Jahre nicht zu Erfolgen geführt haben. Der Podcast 3 soll sich diesen Polizeiermittlungen zuwenden.

Essay zur ersten Folge (17:13) im rbb podcast (17. Oktober 2015):

Bis gestern morgen war es mir unklar, wie der Mord an Burak im öffentlich-rechtlichen Radio aufbereitet werden würde. Die Kurzversion auf Radio 1 begann mit einer Begrüßung der "Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş" zum 25. Geburtstag Buraks. Die Annäherung an Burak Bektaş war respektvoll und vorsichtig. Auch mit einem sehr kritischen Blick zeichnete die Langversion ein ähnlich respektvolles Bild.

Und Miriam Keuter vom RBB konnte ihre damaligen Assoziationen vom "arabisch-türkischen Bandenkrieg" wenigstens selbst als Klischees wahrnehmen.
Alles wäre überraschend gut, wenn nicht Philip Meinhold am Ende der Langversion seine Vorstellung von Menschen "mit Migrationshintergrund" präsentieren würde.
Die Opfer und Interviewpartner seien "ganz normale junge Männer", "aufgeschlossen", wenn sie sich 10 Minuten verspäteten, hätten sie immer Bescheid gesagt; sie seien weder polizeibekannt noch hätten sie etwas mit Drogen zu tun; Das Einzige woran man ihren Migrationshintergrund erkennen könne, sei, dass sie während der Interviews ins Türkische wechseln könnten.

Das mag gut gemeint sein, nur wieso muß das betont werden? Das ärgert und ich suche in meinem Kopf nach der Möglichkeit, eine Gruppe weißer deutscher Jugendlicher als "ganz normale junge Männer" zu beschreiben, "aufgeschlossen"; wenn sie sich 10 Minuten verspäteten, hätten sie immer Bescheid gesagt; sie seien weder polizeibekannt noch hätten sie etwas mit Drogen zu tun. Ich finde sie nicht.

Aber auch an Whiteness lässt sich arbeiten.

Interview mit Autor Philip Meinhold -- Video-Trailer (4:06)
Hinweise bitte auch an burak-initiative@web.de -- mehr Informationen: Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak B.

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