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Hungerstreik geht weiter

Vier Ukrainerinnen protestieren damit seit fünf Wochen gegen ihre monatelange Haft

Vier Frauen aus der Ukraine, die im Abschiebeknast in der Kruppstraße einsitzen, sind bereits seit Wochen im Hungerstreik. Nach Angaben der PDS-Abgeordneten Karin Hopfmann, die die Frauen am Mittwochabend besuchte, protestieren sie damit gegen die lange Inhaftierung. Die Frauen im Alter zwischen 19 und 36 Jahren sitzen zwischen drei und fünf Monaten ein, weil sich die Beschaffung von Personaldokumenten so lange hinzieht. Ohne gültige Dokumente können sie aber weder abgeschoben werden noch einen Aufenthaltstitel beantragen. Die fünfte Hungerstreikende wurde gestern auf richterliche Anordnung freigelassen.

Hopfmann: "Eine Frau will darüber hinaus Abschiebeschutz in Anspruch nehmen. Sie hat vor einem ukrainischen Gericht gegen eine Mafiagruppe ausgesagt und fühlt sich seitdem bedroht." Die Frauen seien infolge des langen Hungerstreikes körperlich geschwächt. Sie würden etwa über gelegentliche Ohnmachtsanfälle und Krämpfe berichten. Eine besondere Belastung für die Frauen sei, dass ihnen pro Hafttag 96 Mark in Rechnung gestellt werden. Somit seien sie bereits mit mehr als 10.000 Mark verschuldet. Das heißt, sie dürfen nicht mehr in die Bundesrepublik einreisen, weil man von ihnen vor der Einreise die Begleichung der Schuld fordern wird.

Auch im Abschiebeknast für Männer in Grünau stehen nach Angaben von Dieter Müller vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst fünf Männer aus den GUS-Staaten und der Türkei im Hungerstreik. Müller: "Die Motive sind unterschiedlich. Einige Männer wollen ihre Abschiebung verhindern, andere in Freiheit auf eine Möglichkeit der freiwilligen Ausreise warten."

Hungerstreiks im Abschiebegewahrsams kämen nach Angaben des Geistlichen, der Abschiebehäftlinge seelsorgerisch betreut, häufig vor und würden nicht immer an die Öffentlichkeit dringen. "Viele Gefangene sehen keine anderen Möglichkeit, um sich Gehör zu verschaffen." So fehle Abschiebehäftlingen in der Regel das Geld, um sich juristisch gegen ihre Inhaftierung zur Wehr zu setzen. Anders als Strafgefangene haben sie keinen Anspruch auf einen Anwalt auf Staatskosten. So sind sie auf Unterstützung von außen oder ehrenamtliches Engagement von Juristen angewiesen. Die Gefangenen sind zudem voneinander stark isoliert.

Karin Hopfmann fordert eine Debatte zum Thema Abschiebehaft im Innenausschuss. "Ein Antrag unserer Fraktion auf eine Anhörung mit Fachleuten wurde bereits vor eineinhalb Jahren gestellt." Nach Meinung von Hopfmann darf Abschiebehaft nicht als Beugehaft missbraucht werden. "Wenn die Ausländerbehörde die Ausreise nicht durchsetzen kann, darf sie Menschen nicht über Monate ihre Freiheit nehmen." MARINA MAI

taz Berlin lokal Nr. 6101 vom 24.3.2000 Seite 22 90 Zeilen
TAZ-Bericht MARINA MAI

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