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Flüchtlinge wehren sich:
 
BERLINER  BÜNDNIS
gegen das Asylbewerberleistungsgesetz

c/o Antirassistische Initiative - Yorckstraße 59 - 10965 - Fon 785 72 81- Fax 786 99 84

Berlin, den 21.07.1999


Pressemitteilung

Menschenunwürdige Zustände in drei Berliner DRK-Wohnheimen für Flüchtlinge

Nachdem schon seit 1998 im Flüchtlingswohnheim Streitstraße 5 in Spandau 400 Plätze mit Vollverpflegung (= Fremdverpflegung) eingerichtet wurden, werden jetzt auch in anderen Heimen die Standards und damit die Lebensbedingungen vieler Flüchtlinge auf Niedrigstniveau heruntergefahren. 
Ab 1. Juni 99 wurden auch in Pankow die DRK-Flüchtlingsheime Buchholzer Straße 34-35 (400 Plätze) und Blankenburger Weg 141 (150 Plätze) auf Fremdverpflegung umgestellt.
Dieses Vorgehen ist die - vor allem in Berlin - rigorose Umsetzung des im Herbst 98 verschärften "Asylbewerberleistungsgesetzes" (AsylbLG). Ziel des Gesetzes ist es, den Flüchtlingen den Aufenthalt so unerträglich wie möglich zu machen, damit sie möglichst bald gehen.
Ein Gesetz, das auf Kriegsflüchtlinge, AsylbewerberInnen und andere Flüchtlinge angewendet wird. So bekommen z.B. die Kosovo-Flüchtlinge, die vor Beginn der NATO-Bombardements nach Berlin flüchteten, in vielen Fällen keinen Pfennig Bargeld, einschließlich Kürzung oder Streichung des Taschengeldes von 80,- DM pro Monat. Sie erhalten meist keine Leistungen für Kleidung, keine Fahrscheine für die BVG, keine medizinische Versorgung. 
Sie werden in vielen Fällen von den Sozialämtern nach dem § 1a Nr. 1 AsylbLG als "Wirtschaftsflüchtlinge" bezeichnet und erhalten bzgl. des Essens und Trinkens Fremdversorgung.
Obwohl noch 1998 die Leitung des DRK sich selbst gegen eine Verschärfung des "Asylbewerberleistungsgesetzes" öffentlich ausgesprochen hatte, ist sie jetzt federführend für die rigide Umsetzung dieses rassistischen Gesetzes (Interview Klaus Schütz "Verhungere oder hau ab", taz 26.3.98).
Anfang Juni protestierten vor allem Flüchtlinge, die schon seit Jahren in der Stadt leben gegen die Einführung der Fremdverpflegung (= Wegnahme der Selbstversorgungsmöglichkeit). Menschen aus DRK-Wohnheim Buchholzer Straße 34-35 verweigerten demonstrativ die Essensannahme und versuchten durch eine Straßenblockade auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Polizei und Sozialarbeiter überredeten sie, die Blockade zu beenden.
Einige Familien wurden in andere Heime verlegt, während zwei Sozialämter entschieden, den Menschen die katastrophalen Lebensbedingungen weiterhin zuzumuten. (Zehlendorf, Reinickendorf). Gegen vier Familien wurde ein Heimverbot ausgesprochen - sie wurden in die Heime Blankenburger Weg und Streitstraße z.T. mit Polizeigewalt zwangsverlegt.
Wir besuchten alle drei Heime und sprachen mit vielen Menschen. Beispiel Buchholzer Straße:
Die Flüchtlinge bekommen seit dem 1.6.99 ein derart mangelhaftes Essen, daß einige der Flüchtlinge sehr stark abgenommen haben und die meisten krank geworden sind. Viele Menschen leiden unter Bauchschmerzen. Besonders die Kinder verweigern oft die Nahrungsaufnahme, weil sie das Essen nicht gewöhnt sind und es ihnen nicht schmeckt. Wir sahen mindestens fünf Kleinkinder mit Ausschlägen am Gesicht und an verschiedenen Körperstellen, darunter Kinder von neu aufgenommenen albanischen Kriegsflüchtlingen. Die Flüchtlinge sind vorwiegend muslimisch und essen demzufolge kein Schweinefleisch. Die Wurst- und Fleischangebote enthalten keinerlei Hinweis auf die Bestandteile, ebensowenig ist ein Haltbarkeitsdatum vermerkt. Außerdem gibt es kaum frische und vitaminhaltige Angebote, fast kein Obst, niemals Salate, das Mittagessen entspricht einer Kinderportion. Die Erwachsenen bekommen ½ Liter Mineralwasser am Tag. Kleinstkinder erhalten pro Tag ein Alete-Gläschen und eine kleine Flasche Saft. Ansonsten gibt es für Kinder (auch für Kleinkinder) bis auf ½ Liter H-Milch keine andere Verpflegung als für Erwachsene. 
Frühstück und Abendbrot bestehen aus einigen Scheiben Toast- und Mischbrot, halbfetter Margarine, Käse-Scheibletten und einigen fetten Wurstscheiben.
Auch in den anderen beiden Wohnheimen ist das Essen von ähnlich schlechter Qualität.
Die Gemeinschaftstoiletten und Duschen sind unhygienisch und für die Menschen eine Zumutung. Die Toilettenräume stinken, viele Duschen sind defekt, Waschbecken verstopft, Abflüsse nicht vorhanden oder Wasserhähne entfernt und Spiegel undurchsichtig oder kaputt. 
Die Familien - oder die zusammen in einem Raum lebenden jungen Männer - müssen alle Lebensbedürfnisse miteinander in einem einzigen Raum teilen: schlafen, essen, fernsehen, spielen, Schularbeiten machen etc. Das Leben wird so zum Dauerstress, führt zu Schaflosigkeit, Krankheiten, Streitereien, Lärm- und Geruchsbelästigungen. Kurz, es ist ein menschenunwürdiges Leben.

Die Flüchtlinge aus den drei DRK-Heimen wollen am Donnerstag den 22.07.99 ihren Protest gegen die Zustände mit einem öffentlichen Besuch bei den Verantwortlichen deutlich machen.
 

Das Berliner Bündnis gegen das "Asylbewerberleistungsgesetz" unterstützt die Flüchtlinge bei ihrem öffentlichen Besuch und bei ihren Forderungen.
Sie fordern vor allem eine sofortige Beendigung der zwangsweisen, minderwertigen Fremdverpflegung und die Wiedereinführung der Selbstverpflegung. 
Die Flüchtlinge protestieren gegen die unhygienischen Bedingungen.
Sie fordern uneingeschränkte medizinische Versorgung.

Wir fordern darüberhinaus:

- Bargeld für alle Flüchtlinge 
- Freie Wahl der Unterkünfte und das Recht auf Anmietung einer Wohnung 
- Uneingeschränkter Zugang zu medizinischer Versorgung 
- Aufhebung des Arbeitsverbots 
- Abschaffung des "Asylbewerberleistungsgesetzes"

Anbei eine Pressemappe mit Beschreibungen der Zustände, wie wir sie bei unseren Besuchen in den Heimen vorfanden