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Tod in Kongo löst Debatte über Abschiebestopp aus
Schwangere starb nach Zwangsrückkehr in das zentralafrikanische Land / Niedersachsen bittet Auswärtiges Amt um Prüfung
Nach dem ungeklärten Tod einer nach Kongo abgeschobenen Frau fordern Flüchtlingsrat und Grüne in Niedersachsen einen Abschiebestopp für das afrikanische Land. Das niedersächsische Innenministerium dringt beim Auswärtigen Amt (AA) auf Aufklärung.
Hannover In mehreren Emails, die der FR vorliegen, bittet das Haus von Innenminister Uwe Schünemann (CDU) das Außenministerium in Berlin sowie das Bundesamt für Migration dringend, die Umstände des Todes einer schwangeren 33-Jährigen zu überprüfen. Gefragt wird insbesondere, ob der Tod "dem Verhalten der Behörden und Dienste im Kongo zuzurechnen ist und ob aus diesem Grunde eine andere Lageeinschätzung für die Rückführung von ausreisepflichtigen kongolesischen Staatsangehörigen vorgenommen wird". Im Klartext: ob für das zentralafrikanische Land ein Abschiebehindernis besteht. Zwar stünden akut keine zwangsweisen Ausreisen nach Kongo an, sagte ein Ministeriumssprecher; aber vor der nächsten Abschiebung wolle man Gewissheit haben. Die Antwort des AA stehe noch aus. Doch man gehe davon aus, dass Berlin nach wie vor keine Notwendigkeit für einen Abschiebestopp sehe.

2005 hatte Niedersachsen sieben Kongolesen in ihre Heimat zurückgeschickt. Für Aufsehen sorgt jetzt jedoch ein Fall aus dem Vorjahr. Am 26. August 2004 hatte der Landkreis Hameln-Pyrmont die schwangere Tshiana Nguya mit zwei Kindern im Alter von zehn und zwei Jahren in ihr Heimatland abgeschoben. Dort wurde sie nach Angaben des Niedersächsischen Flüchtlingsrates, der sich auf Angaben eines Pfarrers in Kongo beruft, in einem Militärcamp inhaftiert, geschlagen, gequält und mehrfach vergewaltigt. Bei der Geburt ihres Kindes am 7. Dezember 2004 sei die 33-Jährige an den Folgen der Misshandlungen gestorben. Auch der Säugling habe nicht überlebt.

Tshiana Nguya und ihr Ehemann Freddy waren 1995 mit ihren Söhnen Fabrice (geboren 1989) und Josephat (geboren 1994) aus Kongo nach Deutschland eingereist. Hier kam in Emmerthal bei Hameln 2002 ihre Tochter Priscilla zur Welt. Sämtliche Asylanträge wurden abgelehnt. Ehemann Freddy und Sohn Fabrice sind untergetaucht und halten sich vermutlich in Frankreich auf. Die beiden jüngeren Kinder leben bei dem Pfarrer in Kongo. Ihre Tante in Berlin ist bereit, Josephat und Priscilla bei sich auszunehmen. Trotz der auch aus seiner Sicht nicht ganz geklärten Umstände im Fall Nguya fordert der Flüchtlingsrat zumindest für schwangere Frauen und Kinder einen generellen Abschiebestopp. Die Gesundheitsversorgung in Kongo sei katastrophal, Medikamente seien unbezahlbar, sagte Kai Weber von der Migrantenorganisation.

Auch die niedersächsische Grünenfraktion verweist auf das Elend in dem zentralafrikanischen Land und setzt sich in einem parlamentarischen Antrag für einen Abschiebestopp ein. Der jüngste Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Dezember, der am Mittwoch dem Innenausschuss des Landtages zugeleitet wurde, habe seine Auffassung voll bestätigt, sagte der grüne Innen-Experte Hans-Albert Lennartz der FR: "Danach ist die Menschenrechtslage im Kongo nach wie vor schlecht, die politische Lage instabil, und es gibt häufige Übergriffe auf die Zivilbevölkerung." Der Innenausschuss vertagte die Debatte zunächst. Peter Mlodoch


 
 
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Dokument erstellt am 10.05.2006 um 17:29:18 Uhr
Erscheinungsdatum 11.05.2006