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Mnister Erbarmungslos will er nicht sein
Die Debatte um die Flüchtlingspolitik macht auch einem
Hartgesottenen wie Uwe Schünemann zu schaffen.
Hannover. „Solange
ich Innenminister bin, habe ich so etwas noch nicht erlebt”, sagt Uwe
Schünemann. Er erhält Briefe und Emails haufenweise. „Bleiben Sie bei
ihrem Kurs, knicken Sie nicht ein”, heißt es in dem Schreiben. Doch neben
der Ermunterung hagelt es auch harsche Kritik. Im Landtag wird der
Christdemokrat seit Wochen von der Opposition und Wohlfahrtsverbänden als
„erbarmungslos” in der Flüchtlingspolitik attackiert. In der Tat hält
Schünemann nichts von einer Bleiberechtsregelung für lang hier lebende
Ausländer, die die Kirchen wünschen. Doch seit die Kritik der Kirchen
sogar in den eigenen Reihen Nahrung findet, wird selbst einem hart
gesottenen Rationalisten wie Schünemann ein wenig mulmig. Das Stigma
„unchristlich” zu handeln, will er nicht angeheftet bekommen. Als Minister
Erbarmungslos will der gelernte Industriekaufmann nicht gelten, auch wenn
es eine Zeit lang sogar den Ruf genossen hat, ein harter Hund zu sein, der
er eigentlich nicht ist. „Den Ruf, ein Weichei zu sein, kann man sich als
Innenminister nicht leisten”, sagt Schünemann und lacht knurrig. „Die
Kritik, ich sei erbarmungslos, geht aber schon unter die Haut”, schiebt
der 41-Jährige nach. Am Montag hat der Innenminister, dessen
Flüchtlingspolitik die Leserbriefspalten füllt, den Versuch einer
Gegenoffensive angetreten. Sein allmonatliches Frühstück mit
Pressevertretern wird zu einem langen Plädoyer, für eine
Flüchtlingspolitik, die „berechenbar” bleiben müsse. Berechenbar heißt,
dass der Staat jetzt nicht alle 23000 Altflüchtlinge einfach aufnimmt.
Als „Abschiebeminister” sieht er sich aber nicht. Schließlich seien die
Abschiebungszahlen rückläufig, sagt Schünemann – 1336 Flüchtlinge seien im
vergangenen Jahr abgeschoben worden. Ein Jahr zuvor waren es noch 1847, im
Jahr 2003 noch 2091 Menschen. „Wenn man sich die reinen Zahlen anschaut,
müsste der frühere niedersächsische Bundesratsminister Jürgen Trittin als
größter Abschieber gelten. Unter Rot-Grün wurden 1993 nämlich 4720
Menschen abgeschoben”, sagt Schünemann. Was er nicht sagt: 1993 war die
Zahl der Asylbewerber zehnmal so hoch wie heute – entsprechend hoch die
Abschiebungsquote. Und dennoch betont der Christdemokrat, in der
Flüchtlingspolitik nur die Linie seiner sozialdemokratischen Vorgänger zu
verfolgen. „Ich habe nur einen einzigen Punkt geändert: Die
Ausländerbehörden müssen heute nicht mehr den Abschiebungstermin
ankündigen.” Er habe den Behörden freigestellt, ob sie den Termin
ankündigten oder nicht. Nun kommen die Beamten in der Regel unangemeldet.
Für Klagen darüber, dass die Polizei nun in Nacht-und-Nebel-Aktionen bei
mehrmals abgelehnten Asylbewerbern erscheinen, hat Schünemann indes kein
Verständnis. „70 Prozent aller Fälle tauchen unter, wenn sie von einer
geplanten Abschiebung erfahren.” Dies könne sich der Staat nicht leisten.
Abschiebungen seien sehr teuer – „20000 Euro kann das kosten.” Überhaupt
die Kosten. Penibel hat das Innenministerium, das sich in der strengen
Flüchtlingspolitik sehr eng an den Minister schmiedet, aufgelistet, wie
viel zwölf strittige „Fälle” bislang den Staat gekostet haben: Gut drei
Millionen Euro. Es sind kinderreiche Ausländerfamilien, deren Schicksal
strittig zwischen dem Staat und Unterstützergruppen verhandelt wird. Sie
kommen aus dem Kosovo, aus Pakistan, aus der Türkei, aus Afrika. „Nur wer
seinen eigenen Lebensunterhalt dauerhaft selbst bestreiten, kann hier als
Härtefall akzeptiert werden”, sagt Schünemann. Und legt selbst diesen
Maßstab noch streng aus. Jemand, der zwanzig Jahre einen Niedriglohnjob
mit 1500 Euro im Monat ausübe, sei im Alter auch auf soziale Leistungen
angewiesen. Auch wegen dieser Kostenberechnungen hat Schünemann den Ruf
eines Hardliners. Er selbst versteht es nicht, auch wenn er Verständnis
dafür zeigt, dass die Kirchen sich um hier aufgewachsene Flüchtlingskinder
sorgten. „Nur Staat und Kirche sind zweierlei. Die Kirchen sehen den
Einzelfall, ich sehe als Innenminister das Recht.” Da hätten Staat und
Kirche unterschiedliche Aufträge. Emotionslos sieht er zu, wie jetzt die
Regierungsfraktionen darüber diskutieren, eine besondere
Härtefallkommission einzurichten, wie sie in anderen Bundesländern üblich
ist. FDP-Generalsekretär Stefan Birkner hat gestern die Einrichtung einer
solchen Kommission angekündigt. Schünemann glaubt nicht, dass schon durch
die Einrichtung einer solchen Kommission mehr Menschen als Härtefälle
akzeptiert werden können. Aber vielleicht bekommt man dadurch etwas
Frieden im Parlament. Von Michael B. Berger
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