zur Hauptseite Zusammenfassung 2005
Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und 1. Januar
05 Mettmann in Nordrhein-Westfalen.
Um 0.21 Uhr wird die Feuerwehr Erkrath zu einem Brand im Flüchtlingsheim
Thekhaus in Hochdahl gerufen. In dem Heim brennt ein Zimmer im Obergeschoß.
Da der Bewohner des Zimmers zur Zeit des Brandes nicht Zuhause ist, das
Oberlicht des Zimmerfensters auf Kipp steht und Reste einer Feuerwerksrakete
gefunden werden, vermuten die Ermittlungsbehörden, daß der Brand durch eine
verirrte Rakete entstanden ist. Der
Gebäudetrakt ist nach dem Brand zunächst unbe-wohnbar, so daß zwölf
afrikanische Flüchtlinge andernorts untergebracht werden müssen. Zwei
Bewohner kommen ins Klinikum Niederberg. Polizei Mettmann 2.1.05; Yahoo!Nachrichten 2.1.05; WZ 4.1.05 5.
Januar 05 Abschiebegefängnis
Köpenick in Berlin. Der 45 Jahre alte Gefangene N. Z. mit ungeklärter
Staatsangehörigkeit schneidet sich in der Nacht beide Unterarme auf. Nach
einer medizinischen Versorgung der Wunden im Krankenhaus kommt er zurück ins
Abschiebegefängnis. BM 6.1.05; JWB 12.1.05; BT DS 16/9142 6. Januar 05 Bundesland Sachsen. Bei einem
Brand im Flüchtlingsheim Porschendorf in der Sächsischen Schweiz erleiden
drei Bewohner im Alter von 25, 31 und 34 Jahren und ein 42-jähriger Wachmann
Rauchgasvergiftungen. Sie werden in die Klinik eingeliefert. In einem
unbenutzten Zimmer im ersten Stock des Gebäudes war das Feuer auf einer Liege
entstanden und hatte sich über ein Nachbarzimmer ins Treppenhaus
ausgebreitet. Der Sachschaden wird auf 120.000 Euro geschätzt. Obwohl ein
Spürhund Spuren eines Brandbeschleunigers findet, schließt die Polizei einen
"ausländerfeindlichen Hintergrund" aus. Dies bestätigt auch die
Staatsanwaltschaft im Dezember 2005, obwohl das Ermittlungsverfahren noch
nicht abgeschlossen ist. SäZ 7.1.05; SäZ 8.1.05; StA Dresden 19.12.05 7. Januar 05 Dessau in Sachsen-Anhalt. Die
Polizei wird in die Turmstraße gerufen, weil Frauen der Stadtreinigung sich
durch einen unentwegt auf sie einredenden alkoholisierten Mann gestört
fühlen, der sie bittet, ihr Handy benutzen zu dürfen. Obwohl er sich
ausweisen kann, muß er von den Polizisten erfahren, daß er vorläufig
festgenommen ist – vorgeblich können sie seine Papiere nicht lesen. Es ist
Oury Jalloh, abgelehnter Asylbewerber aus Sierra Leone. Um
8.30 Uhr treffen die Beamten mit ihm im Revier ein, wo ihm Hand- und
Fußschellen angelegt werden. Zur Blutentnahme durch einen gerufenen Arzt wird
er zusätzlich auf der Untersuchungsliege fixiert. Dann bringen die Beamten
ihn in die im Keller gelegene Zelle 5 und befestigen die Arme und Beine mit
Handschellen an Metallgriffen, die seitlich der Matratze in Wand und Boden
eingelassen sind. Der
Festgenommene sei zu seinem "eigenen
Schutz" so fixiert worden, wird es später heißen. Da bei einem mit 2,68
‰ im Blut (im Urin 3,42 ‰) stark betrunkenen und in Rückenlage fixierten Mann
die Gefahr besteht, an Erbrochenem zu ersticken, stellt diese
Fesselungsart eher eine Gefährdung als einen Schutz dar. Nach vorläufigen
Untersuchungsergebnissen der Staatsanwaltschaft Dessau stellt sich der Ablauf
der nun eintretenden Geschehnisse folgendermaßen dar: Um 12.00 Uhr stellt der Dienstgruppenleiter
Andreas S. die Wechselsprechanlage zur Zelle 5 leise, weil er sich durch Rufe
aus der Zelle beim Telefonieren gestört fühlt. Eine Kollegin dreht den
Schalter jedoch wieder auf "laut", so daß die akustische Verbindung
zwischen Dienstzimmer und Zelle nur kurz unterbrochen ist. Zwischen 12.04 Uhr
und 12.09 Uhr nehmen sowohl Andreas S. als auch seine Kollegin
"plätschernde" Geräusche wahr und hören den Alarm vom Rauchmelder.
Der Dienstgruppenleiter schaltet diesen Alarm aus. Das
"plätschernde" Geräusch im Lautsprecher der Gegensprechanlage wird
lauter, der Rauchmelder schlägt erneut an, und die Rufe von Oury Jalloh sind
deutlich zu hören. Während der Dienststellenleiter den Alarmknopf zum zweiten
Mal ausstellt, informiert seine Kollegin die Verwaltung über den Alarm. Erst
als auch der Rauchmelder im Lüftungsschacht Alarm
schlägt, verläßt Andreas S. sein Dienstzimmer, sucht sich im Pausenraum noch
Kollegen und begibt sich dann in den Kellerbereich. Seine Kollegin,
die an der Wechselsprechanlage bleibt, hört jetzt deutlich aus der Zelle die
Rufe "Mach mich los, Feuer" und das klappernde Geräusch von
Schlüsseln, die das Zellenschloß öffnen. Die Polizisten betreten die Zelle
allerdings nicht, weil – wie sie später aussagen – die Rauchentwicklung zu
stark war. Den
Feuerwehrleuten, die durch den Notruf "Brand im Zellentrakt – eine
Person vermißt" alarmiert wurden, wird weder die Zellennummer mitgeteilt
noch wird ihnen gesagt, daß Oury Jalloh an die Pritsche gefesselt ist. Und so
kommt es, daß sie nach intensiver minutenlanger Suche im schwarzen Qualm des
Zellentraktes niemanden finden – und erst bei der wiederholten Suche den
brennenden Leichnam Oury Jallohs ausmachen können – 15 Minuten nach dem
Eintreffen. Auszüge
aus Telefonmitschnitten auf dem Polizeirevier Dessau am
7. Januar 05: Gespräch vom
Dienststellenleiter Andreas S. und dem Arzt Dr. B.: "Pikste mal 'nen
Schwarzafrikaner?" Antwort des Arztes: "Ach du Scheiße".
"Da finde ich immer keine Vene bei den Dunkelhäutigen", Lachen. Der
Polizist: "Na, bring doch 'ne Spezialkanüle mit." "Mach
ich", sagt der Arzt. Gespräch
zwischen zwei Polizeibeamten, als bekannt ist, daß Feueralarm ausgelöst ist: "Hat er
sich aufgehangen, oder was?" "Nee, da brennt's."
"Wieso?" "Weiß ich nicht. Die sind da runtergekommen, da war
alles schwarzer Qualm." "Ja, ich hätte fast gesagt gut. Alles klar,
schönes Wochenende, ciao, ciao." Oury
Jalloh hatte als Asylbewerber in dem 5 km von Dessau entfernt liegenden
Flüchtlingsheim in Roßlau gelebt. Er wurde Vater eines Sohnes, den er
allerdings nur am Tag der Geburt in den Arm nehmen konnte, weil seine
deutsche Freundin auf Druck der Eltern das Kind zur Adoption freigeben mußte.
Seither hatte Oury Jalloh um sein Kind gekämpft. Ein Freund sagte gegenüber
Journalisten: "Oury ist dreimal gestorben. Im Bürgerkrieg in Sierra
Leone starb seine Vergangenheit. Als Asylbewerber in Deutschland starb seine
Zukunft, und in einer Zelle in Dessau kam er ums Leben." Der
Verbrennungstod des 24-jährigen Oury Jalloh wirft viele Fragen auf, und die
Brandursache sowie die weiteren Umstände sind auch ein Jahr später nicht
aufgeklärt. Die von Anfang an durch die Polizei proklamierte Selbsttötungstheorie
wird durch viele auftretende Widersprüche zerrüttet. Oury Jalloh war von zwei
Polizisten gründlich durchsucht worden – sie hatten ein Handy, eine
Brieftasche und ein gebrauchtes Papiertaschentuch sichergestellt. Sie sagten
auch aus, daß die Durchsuchung so gründlich war, daß sie ein Feuerzeug nicht
hätten übersehen können. Ein Feuerzeug oder Reste davon, das in einer
Asservatenliste am 11. Januar verzeichnet ist – in der Liste vom Vortag
allerdings noch nicht. Dieses Feuerzeug, so die Polizei und
Staatsanwaltschaft im Februar, soll der eng gefesselte und stark betrunkene
Mann irgendwo aus seiner Kleidung gefingert haben, dann die mit feuerfestem
Kunstleder überzogene Matratze angezündet, dann aufgerissen und die Innereien
herausgeholt haben, um letztlich alles zu entflammen. Die
Obduktion am 10. Januar durch das Institut für Rechtsmedizin in Halle ergibt,
daß Oury Jalloh einem Hitzeschock erlegen ist: ein schlagartiger
Atemstillstand infolge der Einatmung heißer Dämpfe mit anschließendem Herzstillstand,
bei dem der Körper nach 2,5 Minuten auf bis zu 345 Grad Celsius erhitzt
wurde. Anzeichen äußerer Verletzungen werden bei dieser Untersuchung nicht
erkannt. Eine von den AnwältInnen geforderte Röntgenuntersuchung lehnt die
Staatsanwaltschaft als "nicht erforderlich" ab. Eine
zweite Obduktion, die von UnterstützerInnen und AnwältInnen der Familie in
Auftrag gegeben wird, bestätigt die Todesursache. Jedoch wird hier – aufgrund
röntgenologischer Untersuchungen – zudem ein Nasenbeinbruch bei Herrn Jalloh
festgestellt. Am
22. Januar organisieren Freunde und Freundinnen von Oury Jalloh eine
Trauerfeier und fordern durch eine Demonstration die restlose Aufklärung der
Vorgänge des 7. Januar. Allein durch den andauernden öffentlichen Druck sieht
sich die Staatsanwaltschaft genötigt, Widersprüche zuzugeben und die
Untersuchungen fortzuführen. So geschieht es, daß erst vier Wochen nach dem
Feuertod Jallohs bekannt wird, daß er in oben beschriebener Weise fixiert
war. Bei
einer Dienststellenbesprechung der Polizeidirektion von Halle im Februar
kommentiert ein hochrangiger Beamter den Tod Oury Jallohs mit "Schwarze
brennen eben mal länger". Ein einziger Kollege nimmt Anstoß an der
Äußerung und meldet sie dem Polizeipräsidenten. Mit dem Ausspruch eines Verweises
endet das eingeleitete Disziplinarverfahren gegen den Urheber des
rassistischen Kommentars. Der Beamte, der den Vorfall meldete, sieht sich
hingegen durch Kollegen und Kolleginnen derart heftigen Anfeindungen
ausgesetzt, daß er seine Versetzung beantragt. Erst im Februar 2008 wird
dieser Fall bekannt. Obwohl
die Stadt Dessau die Kosten der Überführung des Leichnams nach Guinea
übernimmt, damit Oury Jalloh in der Nähe der Eltern beigesetzt werden kann,
erhebt die Staatsanwaltschaft plötzlich Zweifel an der wahren Elternschaft.
Sollte diese nicht einwandfrei nachgewiesen werden können, dann wäre eine
Nebenklage nicht zulässig und die RechtsanwältInnen vom weiteren Verfahren
ausgeschlossen. Mouctar Bah, ein enger Freund Oury Jallohs, fliegt nach Guinea
und sucht die Eltern auf, die – obwohl durch den Bürgerkrieg in Sierra Leone vertrieben und in
weit auseinander liegenden Dörfern getrennt lebend – die Geburtsurkunde Oury
Jallohs finden und Mouctar Bah mitgeben können. Anfang
Juni hat die Staatsanwaltschaft Dessau das gegen zwei am 7. Januar
diensthabende Polizisten geführte Ermittlungsverfahren mit der Erhebung einer
Anklageschrift wegen fahrlässiger Tötung, beziehungsweise Körperverletzung
mit Todesfolge abgeschlossen. Im Oktober 2005 lehnt das Gericht jedoch den
Prozeß-Start ab und fordert stichhaltigere Beweise für die Schuld der zwei
Polizeibeamten. Die
Staatsanwaltschaft gibt ein Brandgutachten beim Feuertechnischen Institut in
Heyrothsberge bei Magdeburg in Auftrag. Dieses Gutachten, das am 30. Juli
2006 dem Landgericht Dessau vorgelegt wird, kommt zu dem Schluß, daß vom
Ausbruch des Feuers bis zum Tod Oury Jallohs etwa sechs Minuten Zeit
verstrichen. Genügend Zeit, das Leben des Gefangenen zu retten, wenn die
Beamten richtig gehandelt hätten. Im
November 2006 lehnt das Landgericht Dessau den Prozeß gegen die beiden
Polizeibeamten wiederum ab. Begründung: fehlender hinreichender Tatverdacht.
Bezüglich des Verfahrens gegen den Dienstgruppenführer sollen noch
"ergänzende Fragen" durch die Brandgutachter beantwortet werden. Im
Januar 2007, fast auf den Tag zwei Jahre nach dem Tod von Oury Jalloh, läßt
die 6. Strafkammer des Landgerichtes Dessau die Anklage gegen den 46-jährigen
Dienstgruppenleiter schließlich zu. Ausschlaggebend dafür sind die Ergebnisse
der Nachermittlungen der Staatsanwaltschaft. Am
27. März 07 wird der Prozeß gegen die beiden Beamten eröffnet. Während dem
Dienstgruppenleiter Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen wird, sieht
sich sein Kollege der Anklage wegen fahrlässiger Tötung gegenüber, weil er
bei der Durchsuchung Oury Jallohs das Feuerzeug übersehen haben soll. Die
Polizistin, deren Aussage den Dienstgruppenleiter Andereas S. maßgeblich
belastet hatte, wurde nach dem 7. Januar 2005 aus "Fürsorgepflicht"
(psychische Probleme) zwangsversetzt. Vor Gericht relativiert sie nun ihre
ursprüngliche Aussage. Ihrer Beschreibung nach sei ihr Kollege und
Vorgesetzter nach dem ersten Alarm schon "auf dem Sprung" gewesen;
beim zweiten Alarm habe sie ihn im Raum "definitiv nicht gesehen".
Sie räumt allerdings ein, daß sie mit dem "Rücken zur Tür" gesessen
habe und es "unmöglich zu sehen" gewesen sei, "wann er rein
und raus gegangen ist". Gegen die Beamtin wird ein Ermittlungsverfahren
wegen Falschaussage eingeleitet. Am
10. Verhandlungstag äußert der Vorsitzende Richter Manfred Steinhoff
deutliche Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen der BeamtInnen: Zumindest
einer der ZeugInnen müsse bewußt falsch ausgesagt haben, um den
Hauptangeklagten zu schützen. "Ich werde den Prozeß in Grund und Boden
verhandeln, ich werde notfalls jeden Zeugen zehnmal vorladen." Ein
Beamter, der sich bisher nicht erinnern konnte, macht daraufhin
detailliertere Angaben, die im deutlichen Widerspruch zu den Aussagen des
Hauptangeklagten stehen. Durch
anhaltende Proteste, Demonstrationen, Info- und Gedenkveranstaltungen sind
die Geschehnisse um den Tod von Oury Jalloh international bekannt geworden.
Eine Gruppe von ProzeßbeobachterInnen aus verschiedenen Ländern begleitet das
Verfahren. Nach
58 Verhandlungstagen ergeht am 8. Dezember 2008 ein Urteil, in dem die beiden
angeklagten Polizeibeamten freigesprochen werden. "Trotz aller
Bemühungen ist dieses Verfahren gescheitert", stellt der Vorsitzende
Richter fest. Die Polizei von Dessau habe durch ihr Versteckspiel und ihre
schlampigen Ermittlungen die Offenlegung der tatsächlichen Geschehnisse vom
7. Januar 05 unmöglich gemacht und "dem Rechtsstaat geschadet".
Nach der Urteilsverkündung kommt es zu Tumulten im Gerichtssaal. Kurz darauf
legen Staatsanwaltschaft und die Vertreter der Nebenklage Revision beim
Bundesgerichtshof ein. Am
7. Januar 2010, dem fünften Todestag von Oury Jalloh, hebt der Strafsenat des
Bundesgerichtshofes in Karlsruhe das Dessauer Urteil auf und verweist das
Verfahren zur Neuverhandlung an das Landgericht Magdeburg. Die Vorsitzende
Richterin Ingeborg Tepperwien mahnte im Wesentlichen vier Lücken und
Ungereimtheiten an, die in einem neuen Verfahren aufzuklären seien. Neben den
Fragen, wann der Rauchmelder Alarm schlug, warum die Schmerzensschreie von
Oury Jalloh nicht gehört wurden, wann der Dienststellenleiter wirklich in den
Kellertrakt hinuntergegangen ist, stellt das Gericht die wesentliche Frage,
"ob und wie es Jalloh möglich gewesen sein soll, den Brand zu legen". Bemerkenswert
ist das Verhalten der Dessauer Polizei Mouctar Bah, dem Freund Oury Jallohs,
gegenüber. Dieser Mann hat sich seit dem 7. Januar 05 für die Aufklärung der
Geschehnisse im Dessauer Polizeikeller eingesetzt und Gerechtigkeit und
Entschädigung gefordert. Er hatte die Initiative zum Gedenken an Oury Jalloh
mitgegründet und geriet zunehmend unter behördlichen Druck. Mehrere
Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Beleidigung wurden geführt und wieder
eingestellt. Ende 2005 wurde ihm unter fadenscheinigen Gründen die
Gewerbelizenz für seinen Telefonladen entzogen. Er konnte fortan nur noch als
Angestellter in seinem eigenen Laden arbeiten. Am 21. Juli 09 muß er eine
großangelegte Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen. Im Laden finden
zunehmend häufiger Razzien und Kontrollen statt. So
auch gezielt am 16. Dezember 09, als sich Herr Bah mit Freunden in
Vorbereitung zur Fahrt nach Karlsruhe befindet, wo am nächsten Tag der
Bundesgerichtshof über die Zulassung der Revision im Verfahren Oury Jalloh
entscheiden soll. Gegen 14.00 Uhr stürmen Polizisten den Laden, kontrollieren
die anwesenden Personen – auch alle Angestellten – durchsuchen vier Stunden
lang ohne richterlichen Beschluß die Räumlichkeiten und verschwinden wieder,
ohne ein Durchsuchungsprotokoll zu hinterlassen. Begründet wird diese
Polizei-Aktion von einem der Beamten, der meint, daß nach dem neuen
Polizeigesetz "verrufene und verruchte Orte" auch ohne
richterlichen Beschluß durchsucht werden dürfen. Der Einsatzleiter war für
Mouctar Bah nicht erreichbar – er saß in seiner Dienststelle. Federführend
bei der Aktion war der Staatsanwalt Christian Preissner, der im Fall Oury
Jalloh die Anklage erhoben hat und nur in Richtung Selbsttötung ermitteln
ließ. Die Polizei läßt verlauten, daß die Durchsuchung des Ladens im Rahmen
einer Aktion wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz
stattgefunden habe. Drei
Tage zuvor war Mouctar Bah von der Internationalen Liga für Menschenrechte
die Carl-von-Ossietzky-Medaille für sein couragiertes Handeln verliehen
worden. Im
Februar 2010 entschuldigt sich der Präsident der Polizeidirektion
Sachsen-Anhalt Ost für die Razzia im Tele-Café, die er mittlerweile als
rechtswidrig bezeichnet. Am
8. Oktober 10 werden zwei schwarze Aktivisten der Initiative zum Gedenken an
Oury Jalloh unmittelbar nach einer Informationsveranstaltung in Magdeburg von
der Polizei "kontrolliert". Das Auto, das sie zum Bahnhof bringt,
wird gestoppt, und sie werden durch die Taschenlampen der Beamten
ausgeleuchtet und in barschem Ton aufgefordert, sich auszuweisen. Die weiße
Fahrerin des Wagens, die auch Mitglied in der Initiative ist, bleibt völlig
unbehelligt. Im Hinblick auf den Oury-Jalloh-Prozeß äußern die beiden
Beamten, daß ihre "beiden Kollegen" sowieso nie verurteilt würden.
Als nach ihren Dienstnummern gefragt wird, lügen sie, indem sie behaupten,
daß Beamte in der Bundesrepublik gar keine Dienstnummern hätten. Am
12. Januar 11 beginnt das Verfahren auf Weisung des Bundesgerichtshofes vor
der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Magdeburg. 21 Verhandlungstage
sind geplant. Während
einer Demonstration von ca. 80 Personen im Anschluß an die
Gerichtsverhandlung am 19. Mai 11 wird der Aktivist der Initiative in
Gedenken an Oury Jalloh, Komi E., von der Beifahrerin eines vorbeifahrenden
Autos bespuckt. Gegen Ende der Demonstration wird eine Anzeige gegen die
Täterin erstattet. (siehe auch 30. November 04) Am
11. August 11 kommt es im Gerichtssaal zu einer Festnahme von drei
Prozeßbeobachtern – unter ihnen auch Mouctar Bah. Nach der Abspielung einer
Videoaufnahme, auf der mit Mühen und Nachhelfen die
"Selbstmordthese" nachgestellt wurde, haben die Drei spontane
Unmutsbekundungen geäußert, so daß die Richterin umgehend und unter
Polizeiverstärkung deren Personalien feststellen lassen will. Als diese sich
weigern, werden sie mit Gewalt in Handschellen gelegt – Mouctar Bah von sechs
bis acht Beamten zu Boden gedrückt – und festgenommen. Herr Bah erleidet
durch das Gewicht der auf ihm knieenden Beamten eine schwere Prellung am
Oberschenkel. Am Vorabend der Gedenk-Demonstration zum 7.
Todestag Oury Jallohs erscheinen Polizeibeamte bei dem Anmelder der
Demonstration, Mouctar Bah, und weisen ihn darauf hin, daß der Ausspruch
"Oury Jalloh – Das war Mord" auf Transparenten nicht zugelassen
sei. Unter diesem Vorwand werden am nächsten Tag ankommende DemonstrantInnen
bereits am Bahnhof von den in Kampfmontur auftretenden Staatsdienern
schikaniert, geschubst und geschlagen. Auch während der Demonstration, an der
250 Demonstrierende 200 Polizisten gegenüberstehen, versuchen die Beamten
immer wieder mit Gewalt, Transparente mit angeblich verbotenen Parolen zu
beschlagnahmen. Vor allem Sprecher der schwarzen Community sind Ziele der
Gewaltattacken. Nach der Abschlußkundgebung am Dessauer Bahnhof
versucht die Polizei erneut, Transparente zu beschlagnahmen, und geht dabei
mit brutalen Methoden gegen die DemonstrationsteilnehmerInnen vor. Durch
den beabsichtigten Kopfstoß eines behelmten Beamten und eine
Pfefferspray-Attacke direkt ins Gesicht bricht Mouctar Bah bewußtlos
zusammen. Auch Komi Edzo, ein Aktivist der Initiative zum Gedenken an
Oury-Jalloh, wird durch das Reizgas in akute Atemnot versetzt und bewußtlos.
Beide kommen mit Notarztwagen ins Krankenhaus. Insgesamt werden ca. 30
Verletzte gezählt – unter ihnen auch ein Arzt und ein Fotograf. Im
Januar 2012 – nach über 40 Gerichtstagen – wird deutlich, daß auch diese
Kammer die "Selbstentzündungshypothese" einseitig verfolgt, obwohl
inzwischen nicht wenige Zeugenaussagen als Lügen nachgewiesen wurden, obwohl
nachgewiesen ist, daß entscheidende Beweismittel vernichtet wurden, obwohl
wichtige Dokumente, die die Staatsanwaltschaft hätte sichern müssen,
unwiederbringlich verschwanden. So z.B. Protokolle der Vernehmung von
Polizeibeamten des Dessauer Reviers, das Fahrtenbuch der Beamten, die Oury
Jalloh festnahmen, Dienstbuch- und Journaleinträge, Video-Dokumentationen des
toten Oury Jalloh und anderes. So
öffnete der Hausmeister des Reviers widerrechtlich die von der
Spurensicherung versiegelte Zelle Nr. 5, löste die Fessel, an der Oury Jalloh
mit der rechten Hand fixiert war, mit einem Bolzenschneider von der Wand und
entsorgte sie. Dabei handelte er auf Anweisung seines Vorgesetzten – dieser
wurde aber zu diesem Vorgang nicht mehr vernommen. So
ist die Wahrscheinlichkeit hoch, daß die ursprünglich luftdicht
verschlossenen Aluminiumtüten mit Ascheresten wieder geöffnet wurden, so daß
Reste eines möglichen Brandbeschleunigers nicht mehr zu finden sind. BelastungszeugInnen
wurden ausgegrenzt, gemobbt, dienstlich versetzt oder öffentlich als
unglaubwürdig erklärt. Es ist auch bekannt, daß Oberregierungsrat Georg
Findeisen Polizeiangehörige vor Zeugenvernehmungen auf Versammlungen und bei
Einzelberatungen auf ihre Aufgabe "vorbereitete". Als
die Richterin Claudia Methling im März 2012 versucht, den Prozeß mit der
Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflagen vorfristig zu beenden, stellt
die Nebenklage wegen Untätigkeit und mangelnden Aufklärungswillens einen
Befangenheitsantrag gegen die gesamte Kammer. Dieser wird zwar abgelehnt,
jedoch ein neues Brandschutz-Gutachten in Auftrag gegeben. Das
Feuerzeug, mit dem sich Oury Jalloh angeblich selbst angezündet haben soll,
wird auf DNA- und Textilspuren untersucht. Die Sachverständige Jana
Schmechtig vom Landeskriminalamt (LKA) findet Spuren von Polyesterfasern, die
weder mit der Kleidung von Oury Jalloh, noch mit denen der Matratze
übereinstimmen. Zum wiederholten Male wird die Selbstmordthese selbst
innerhalb des Gerichts in Frage gestellt. Zu
diesem Zeitpunkt ist die Mutter von Oury Jalloh, Mariama Djombo Dialla, im
Prozess anwesend. Besonders bemerkenswert ist der Auftritt der
ehemaligen Polizeipräsidentin
der Dessauer Polizeidirektion Ost, Brigitte Scherber-Schmidt, als Zeugin der
Nebenklage, die sich nicht erinnern kann oder sich nicht verantwortlich
fühlt. Sie bestreitet auch ihre Verantwortung unter anderem für einen
internen Brief an alle MitarbeiterInnen der Polizeistation kurz nach den
Ereignissen am 7. Januar, der den chronologischen Ablauf des Tages als
Selbstmord darstellte. Dieser Bericht war vor Veröffentlichung an ihre
Faxadresse gesendet und abgezeichnet worden. Am
letzten Prozeßtag, an dem Mariama Djombo Dialla teilnimmt, gibt sie eine
Erklärung ab. In dieser vergleicht sie den Prozeß mit den bunten Perlen, die
seinerzeit die weißen Kolonialisten den afrikanischen Menschen schenkten, um
sie und ihr Land für ihre Interessen zu kaufen. Die Weißen hätten ihr Land
genommen, den Krieg gebracht und jetzt ihren Sohn getötet. Sie aber möchte
nicht Rache, sondern nicht mehr als die Wahrheit. Nur wenige Tage nach ihrer
Rückkehr nach Guinea stirbt Mariama Djombo Dialla am 23. Juli 2013 an
Herzversagen. Am
13. Dezember 2012 – nach 66 Verhandlungstagen und fast 2 Jahren Prozeßdauer –
wird der damalige Dienstgruppenleiter Andreas Schubert vom Landgericht
Magdeburg wegen fahrlässiger Tötung zu 120 Tagessätzen à 90 Euro verurteilt.
Beide Seiten legen Revision ein. Damit
sind die tatsächlichen Umstände des Todes von Oury Jalloh weiterhin nicht
aufgeklärt. Am
10. Dezember 13 soll der Prozeß gegen Mouctar Bah wegen Widerstands gegen
Vollstreckungsbeamte stattfinden. Es geht um die Beamten, die ihn auf der
Demonstration vom 7. Januar 12 bewußtlos und krankenhausreif geschlagen
hatten. Nach seinem Einspruch gegen den Strafbefehl über die Summe von 50
Tagessätzen sollte das Verfahren vor Gericht verhandelt werden. Das
Amtsgericht Dessau vertagt auf unbestimmte Zeit, weil die von der
Staatsanwaltschaft eingereichten Unterlagen völlig unzureichend sind, denn sie
enthalten ausschließlich belastendes Material – obwohl ermittelnde Behörden
natürlich selbstverständlich auch entlastende Belege einreichen müssen (z.B.
Videoaufnahmen). Aufgrund
eigenständiger Recherchearbeiten der Initiative ergeben sich schon im Frühjahr
2013 ganz konkrete Hinweise auf einen der Tatbeteiligten. Diese Informationen
werden an eine Journalistin weitergegeben, die sich nach Rücksprache mit
ihrem Anwalt im April 2013 dazu entscheidet, die Bundesanwaltschaft in
Karlsruhe einzuschalten. Doch die Bundesanwälte erklären sich abermals für
nicht zuständig und übermittelten die neuen Anhaltspunkte an den
Generalstaatsanwalt von Sachsen–Anhalt. Dieser wiederum informiert am 24.
Oktober 2013 die Dessauer Staatsanwaltschaft und betraut sie mit weiteren
Ermittlungsschritten. Was dann folgt ist mehr als fragwürdig: Nicht der
mögliche Täter wird Ziel der staatsanwaltlichen Ermittlungen, sondern die
Person, die auf den Täter zeigte. Der zuständige Oberstaatsanwalt Christian
Preissner veranlaßt am 5. Dezember 2013 sogar eine Hausdurchsuchung bei dem
Hinweisgeber und beschlagnahmt sämtliche Datenträger. Hingegen wird der
Tatverdächtige selbst nicht einmal befragt. Ähnlich ergeht es einem
Justizvollzugsbeamten aus Dessau, der sich Ende 2013 an die Anwälte der Familie
von Oury Jalloh gewandt hat. Er sagt ihnen, daß in der Dessauer Polizei alle
wissen würden, wer zu den Mördern von Oury Jalloh gehöre. Nachdem er sein
Wissen auch den Dessauer Behörden mitgeteilt hat, wird er sofort vom Dienst
suspendiert, ein Disziplinarverfahren wird gegen ihn eingeleitet, und
letztlich wird er als alkoholkrank diffamiert. Da
die Gerichte die bisherigen Brandgutachten immer sehr eng formuliert
vorgegeben hatten (Fragestellung in etwa: "Wie war es möglich, daß Oury
Jalloh sich selbst anzünden konnte?"), beschießt die "Initiative in
Gedenken an Oury Jalloh" ein umfassenderes und unabhängiges
Brandgutachten erstellen zu lassen. Durch Spenden finanziert wird schließlich
der Brandsachverständige und Thermophysiker Maksim Smirnou aus Waterford
(Irland) beauftragt, Brandversuche nicht nur zur Brandentstehung, sondern vor
allem auch zum Brandverlauf durchzuführen und die Ergebnisse mit dem
Brandbild in der Dessauer Zelle zu vergleichen. Ein
Polizeivideo, das kurz nach dem Feuer aufgenommen wurde, zeigt den Leichnam
von Oury Jalloh auf dem Rücken liegend bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Die
weißen Kacheln der Zelle sind durch schwarzen Ruß dunkel gefärbt – eine
Kachel ist geborsten. Die
Fragestellung ist also: Was muß geschehen sein, damit ein menschlicher Körper
und eine feuerfeste Matratze nach einem Feuer so aussehen wie auf dem
dokumentierten Brandbild der Zelle 5 vom 7. Januar 2005? In
einem Nachbau der Dessauer Zelle werden Schweinekadaver, die mit T-Shirts und
Jeans bekleidet sind, auf einer Matratze mit feuerfester PVC-Hülle
positioniert. Dann führt der Sachverständige Smirnou die unterschiedlichen
Brandversuche durch. Der
Thermophysiker kommt zu dem Ergebnis, daß ausschließlich unter der Verwendung
von mindestens fünf Litern Benzin (Kanister?) und der großflächigen
Entfernung der feuerfesten Matratzenoberseite eine derartig explosive
Feuerentwicklung entstehen kann, die zu den schweren Verbrennungszeichen am
Opfer und im Raum geführt hat. Diese
Tatsache und die sonstigen massenhaften Manipulationen an den Beweismitteln,
die gravierenden Ermittlungsfehler und Unterlassungen und die vielen
Widersprüche bei den Aussagen der BeamtInnen veranlassen einige
Einzelpersonen der "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh" und
einige Einzelpersonen dazu, am 12. November eine Strafanzeige wegen
Totschlags oder Mordes gegen unbekannte Polizeibeamte im Todesfall Oury
Jalloh beim Generalbundesanwalt Harald Range zu stellen. In
der Begründung heißt es unter anderem: "Wir wenden uns ..... an Sie,
weil es sich im vorliegenden Fall um eine besonders schwere Straftat mit
Bezug zur inneren Sicherheit und Verfaßtheit der Bundesrepublik Deutschland
handelt, da die zu ermittelnden Täter notwendigerweise exekutive Amtsträger
des Bundeslandes Sachsen-Anhalt sein müssen." Am
11. Februar 14 weist der Generalbundesanwalt die Anzeige wegen
Nicht-Zuständigkeit an die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau zurück.
Strafverfolgung sei Sache der Bundesländer – Ausnahmen bestünden nur, wenn
die Tat den Bestand und die Sicherheit des Staates beeinträchtige. Am
29. April 14 muß sich Mbolo Yufanyi vor dem Dessauer Amtsgericht wegen
angeblicher Körperverletzung gegen Polizeibeamte während der Demonstration am
7. Januar 12 verantworten. Er ist Mitglied von The Voice Refugee Forum of
Germany und wurde auf der Demonstration selbst Opfer der Polizeigewalt. Der
Staatsanwalt Blasczyk erklärt am ersten Prozeßtag, daß er das Verfahren auf
keinen Fall einstellen wolle und kommentiert dieses Vorgehen mit den
zynischen Worten: "Nicht, daß es hinterher heißt, wir hätten nicht alles
für die Aufklärung getan." Im
April 2014 teilt die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau mit, daß sich aufgrund
des von der Initiative zum Gedenken an Oury Jalloh in Auftrag gegebenen
Gutachtens weiterer "Klärungsbedarf" ergibt und beginnt ein
gesondertes Tötungsermittlungsverfahren in Verbindung mit der
Ursachenforschung zum Ausbruch des Feuers. Der Aufklärungsbedarf der Behörde
umfaßt jetzt die Überprüfung der bereits vorliegenden Gutachten durch jene
Sachverständigen, die diese Gutachten im Rahmen des Prozesses gegen Andreas
Schubert selbst erstellt hatten. Sie sollen aber auch, diesmal unabhängig von
der Selbsttötungsthese, Vorschläge für entsprechende Brandversuche machen,
die in den Gerichtsverfahren von den NebenklagevertreterInnen zwar mehrfach
beantragt, damals aber kategorisch abgelehnt worden waren. Am
19. August 14 bestätigt eine weitere Untersuchung des Feuerzeugs durch das
LKA Baden-Württemberg, daß sich daran Fasern befinden, die nicht mit der
Kleidung des Gestorbenen oder mit der Matratze übereinstimmen, daß also das
Feuerzeug offensichtlich nie in der Nähe von Oury Jalloh lag. Zudem werden
zwei Tierhaare an dem Plastikrest identifiziert. Am
5. September 14 lehnt der Bundesgerichtshof die Revisionsanträge im Prozeß
gegen Andreas Schubert ab. Die
Initiative zum Gedenken an Oury Jalloh hatte nach der
Oury-Jalloh-Gedenk-Demonstration 2012 eine Reihe von Anzeigen gegen
Polizeibeamte wegen Körperverletzung im Amt, gegen den verantwortlichen
Polizeipräsidenten Kurt Schnieder und den Justitiar der Polizei Georg
Findeisen gestellt. Alle Anzeigen von seiten der Initiative werden von
Staatsanwalt Blasczyk eingestellt, die Ermittlungen gegen die Demonstranten
allerdings führen zur Anklageerhebung. So
findet ab 27. November 14 ein weiterer Prozeß gegen zwei Mitglieder der
Initiative vor dem Amtsgericht Dessau statt. Sowohl außerhalb als auch im
Gerichtsgebäude sind die ca. 30 ProzeßbeobachterInnen unter ständiger
Beobachtung und Überwachung durch die Polizei. Sie müssen durch ein Spalier
von Uniformierten, um in den Saal 224 zu gelangen. Im Saal befinden sich auch
zwei Personen vom Dessauer Staatsschutz, die mit dem Wissen des Richters
heimlich Fotos von den Angeklagten und BeobachterInnen machen und die beide
unter ihrer Zivilkleidung Pistolen tragen. Proteste gegen die Anwesenheit
dieser Personen werden vom Richter mit der Androhung hoher Geld- bzw.
Haftstrafen zum Verstummen gebracht. Initiative zum
Gedenken an Oury Jalloh; Antirassistische
Initiative Berlin; Staatsanwaltschaft
Dessau; VM 20.2.06; BeZ 31.3.06; MDZ 5.6.06; VM
19.7.06; MDZ 28.7.06; VM 29.7.06; VM 31.7.06; VM 8.9.06; AP
10.11.06; VM 20.11.06; VM 3.1.07; taz 3.1.07; LVZ 3.1.07; pr-inside.de 1.2.07; mdr.de
5.2.07; jW 28.3.07; TS 29.7.07; WDR 28.8.07; ap 31.10.07; ap 16.4.08; BM 29.5.08; Spiegel 8.12.08;
SZ 8.12.08; jW 10.12.08; ddp 11.12.08; VM
13.12.08; MDZ 13.12.08; ND 2.1.09; jW 8.1.09; jW 5.3.09; jW 8.7.09; mdr 17.7.09; taz 19.7.09; ND 24.7.09; MDZ 10.11.09;
ddp 16.12.09; FR 17.12.09; ndr 7.1.10; dw
7.1.10; Pro Asyl 7.1.10; VM 11.1.10; WSWS.org.de 14.1.10; jW
25.1.10;MDZ 16.2.10; Pro Asyl März
2010; afp 5.10.10; TS 7.1.11; MDZ
7.1.11; LVZ 11.1.11; Spiegel 21.1.11;
SD 21.1.11; MDZ 11.2.11; MDZ
4.5.11; taz 4.5.11; jW 13.8.11; MDZ
25.8.11; BeZ 4.9.11; Newsletter No.3 Januar 2012; jW 9.1.12; dpa 9.1.12; MDZ 10.1.12;
Umbruch Bildarchiv 11.1.12; ND 12.1.12; jW 16.1.12; GWR 384 Dez.2013; jW 7.12.13; MDZ 10.12.13; jW 15.2.14; StA Dessau-Roßlau 3.4.14; The Voice 22.4.14; SZ 24.8.14; jW 27.8.14;
Kritische Juristinnen 4.9.14; jW 15.10.14; jW 24.10.14; jW 25.10.14; Internationale
Liga für Menschenrechte; Komitee für
Grundrechte und Demokratie 7. Januar 05 Fröndenberg in
Nordrhein-Westfalen. In der Flüchtlingsunterkunft an der Wernher-von-Braun-Straße
im Ortsteil Neimen entsteht um 5 Uhr morgens ein Brand in einem Badezimmer
des Erdgeschosses. Die Feuerwehr bringt den Brand rechtzeitig unter
Kontrolle, bevor das Feuer auf das gesamte Gebäude übergreifen kann. Eine
Bewohnerin erleidet eine Rauchgasvergiftung und muß von Rettungskräften
medizinisch behandelt werden. Als Ursache des Feuers wird ein
durchgeschmortes Elektrogerät ermittelt. WAZ 8.1.05 8. Januar 05 Bundesland Sachsen-Anhalt. In einem
Magdeburger Linienbus wird ein 22 Jahre alter Flüchtling aus Burkina Faso von
zwei deutschen Jugendlichen zunächst rassistisch beleidigt und bedroht. Als
der Mann sich zum Busfahrer begeben will, beginnen die Deutschen, ihn zu
schlagen und zu treten. Als
der Bus an der nächsten Haltestelle stoppt, steigen die Täter aus, können
aber dann von der Polizei festgenommen werden. Sie sind der Polizei aufgrund
von Eigentumsdelikten bekannt – einen "rechtsradikalen Hintergrund"
schließt die Polizeisprecherin aus. Der
angegriffene Afrikaner muß eine Platzwunde am Kopf im Krankenhaus versorgen
lassen. Neben starken Kopfschmerzen leidet er in der Folgezeit auch unter
Schlafstörungen. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 10. Januar 05 Bundesland Sachsen. In der JVA
Görlitz versuchen die Abschiebegefangenen P. S. und J. S. und R. S. sich zu
töten. BT DS 16/9142 10. Januar 05 Waren in Mecklenburg-Vorpommern.
Ein 32 Jahre alter Flüchtling aus Togo wird auf dem Bahnhof von 14
Jugendlichen angegriffen. Auf dem Weg zum Zug beleidigen ihn Frauen wie
Männer mit "Scheißnigger", und als er unbeirrt weitergeht, beginnen
mindestens vier Männer, ihn zu schlagen und auf ihn einzutreten. Erst nach
dem Eintreffen der Polizei lassen die Täter von ihm ab. Der Togoer bleibt
verletzt zurück – er hat Prellungen am ganzen Körper. Drei
der Täter kommen vor Gericht und werden für den rassistischen Angriff
verurteilt. taz 27.1.05; JWB 3.2.05; LOBBI 14. Januar 05 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Der Abschiebegefangene V. S. versucht sich zu töten. BT DS 16/9142 18. Januar 05 Außenstelle des Zentrums für
Psychiatrie Weißenau in Baden-Württemberg. Dem 20 Jahre alten Albaner Fatmir
Krasniqi, Flüchtling aus dem Kosovo, werden morgens um 1.00 Uhr in seinem
Krankenzimmer Handschellen angelegt, und er wird über Reutlingen
(Asyl-Bezirksstelle) nach Frankfurt am Main gebracht. Um 9.45 Uhr hebt die
Maschine in Richtung Norwegen ab. Mit
im Flugzeug ist eine "Sicherheits- und ärztliche Begleitung", sagt
Wolfgang Wenzel, Pressesprecher vom Regierungspräsidium in Tübingen.
"Alles ist rechtlich korrekt und perfekt gelaufen." Zudem sei
Fatmir Krasniqi in "entsprechender Obhut". Was genau das bedeutet,
kann er nicht sagen. Drei Tage nach der Rückführung fehlt von ihm immer noch
jede Spur. Später erfährt die Familie über Kontakte, die die Psychologen
aufbauen, daß Fatmir Krasniqi vorübergehend in einer Flüchtlingsunterkunft in
Sanvika lebte, aus der er im Februar spurlos verschwand. Auch ein Jahr später
– im Februar 2006 – hat seine Familie kein Lebenszeichen von ihm. Sein Handy
ist ausgeschaltet. Im
Januar 2004 war Fatmir Krasniqi in die BRD eingereist und hatte Asyl
beantragt. Da allerdings festgestellt wurde, daß er gleiches bereits in
Norwegen getan hatte, wurde Ende August 2004 seine "Rückführung"
nach Norwegen entschieden. Aufgrund
des Miterlebens von Massakern gegen die albanische Bevölkerung im Kosovo
leidet Fatmir Krasniqi unter einer schweren post-traumatischen
Belastungsstörung. Er ist "wie ein kleines Kind und nicht mehr in der
Lage, seine Sachen selber zu ordnen", sagt seine 16-jährige, selbst
traumatisierte Schwester. Sie kümmerte sich um ihn, dolmetschte und
organisierte seine Behandlung. Im
Januar 2003 (Niederlande), Juli 2004 und Dezember 2004 hatte Fatmir Krasniqi
versucht, sich das Leben zu nehmen. (siehe hierzu Juli 04 und 16. Dezember
04) SchwZ 21.1.05; AK
Asyl BaWü 9.3.05; AK für Asylbewerber Wangen; Petra Brennenstuhl-Haug – Rechtsanwältin 19. Januar 05 Leichingen im Bundesland
Nordrhein-Westfalen. In den frühen Abendstunden steckt ein 14-jähriger
Deutscher einen Kinderwagen im Flüchtlingsheim an. Das Feuer geht auf die
Haustür und auf die Starkstromverkabelung an der Decke über, bis es von den
BewohnerInnen gelöscht werden kann. GA Bonn 8.8.06; RP 16.3.07; VS-Bericht NRW 2005 19. Januar 05 Neuruppin in Brandenburg. Die 30
Jahre alte Jubiline G. aus Kamerun steht vor dem Amtsgericht Neuruppin, weil
sie im Sommer letzten Jahres bei einem gewaltsamen Abschiebeversuch in ihrer
Angst einen der Beamten gebissen hatte. Das Gericht hält die HIV-Infizierte
aufgrund einer paranoiden Schizophrenie für schuldunfähig und spricht sie
frei. Im
gleichen Moment schlägt allerdings die Ausländerbehörde Ostprignitz-Ruppin
zu. Es erfolgt noch im Gerichtssaal ihre Festnahme, und sie kommt in
Abschiebehaft. MAZ 20.1.05; BM 20.1.05 22. Januar 05 Stadtallendorf in Hessen. Als
die Polizisten um 7.30 Uhr ein Zimmer in der Flüchtlingsunterkunft an der
Niederrheinischen Straße betreten, springt ein Mann aus dem Fenster auf den fünf
Meter tiefer gelegenen Hof, verletzt sich dabei und wird von einem Wachmann
festgehalten. Es
stellt sich heraus, daß die Beamten eine andere Person zur Abschiebung
festnehmen wollten, dieser Mann aber, ein 33 Jahre alter Algerier, durch die
Ausländerbehörde Schwalmstedt ebenfalls zur Abschiebung gesucht wird. Nach
der richterlichen Vorführung kommt er in stationäre Behandlung in die
Universitätsklinik Marburg. Am nächsten Tag erfolgt seine Überführung in die
Krankenabteilung der JVA Kassel. Polizei Mittelhessen 24.1.05; MNZ 25.1.05 22. Januar 05 Bundesland Bayern. Der Kurde Dr.
Remzi Kartal wird in Würzburg festgenommen und in Auslieferungshaft genommen.
Der frühere Abgeordnete der Demokratiepartei (DEP) war 1994 wegen politischer
Verfolgung aus der Türkei geflohen und hatte Anfang 1995 in Belgien Asyl
bekommen. Die
Richter des Oberlandesgerichtes Bamberg werten die von der Türkei vorgelegten
Auslieferungsunterlagen als "in einem solchen Maße unzureichend und
widersprüchlich", daß sie der Auslieferung nicht zustimmen. Dr. R.
Kartal wird am 1. März aus der Haft entlassen. Anerkannte Flüchtlinge in Auslieferungshaft – AZADI 23. Januar 05 Schwedt in Brandenburg. Der 25
Jahre alte Peter Lawson, Flüchtling aus Sierra Leone, ein Freund aus
Afghanistan und der Nigerianer Joseph O. verlassen gegen vier Uhr morgens die
Gaststätte "Appelboom", in der sie die Geburt des Kindes von Joseph
O. gefeiert haben. Draußen auf der Straße werden sie von zwei Nazi-Rockern
angeschrieen: "Hey, Nigger, hau ab!" und "Hey Nigger, willst
du dich schlagen?" Dann schlägt ein Angreifer Joseph O. ins Gesicht. Als
Peter Lawson dazwischengeht, erhält er einen heftigen Schlag gegen den
Kiefer, so daß er bewußtlos zu Boden geht. Auch jetzt treten die Rassisten
noch auf ihn und Joseph O. ein. Trotz des schweren Angriffs
können ihre Prellungen, Schürf-und Platzwunden ambulant behandelt werden. Die
Täter flüchten zunächst, einer von ihnen kann aber fünf Tage später
festgenommen werden. Der 27-Jährige ist der Polizei durch verschiedene Körperverletzungsdelikte
bereits bekannt. Für
Peter Lawson ist dies nicht der erste rassistische Überfall. Er wohnt seit
vier Jahren in einer ehemaligen russischen Kaserne im Wald bei Crussow. Nach
Angermünde sind es zehn Kilometer durch den Wald. Er wurde schon öfter in
Angermünde und in Schwedt von deutschen Rassisten beleidigt, bedroht und
verfolgt, so daß er sich nicht mehr traute, allein in die größeren
Ortschaften zu gehen. Die
medizinische Behandlung von Peter Lawson wird nach der ersten Versorgung im
Krankenhaus von einem Hausarzt und dann von einem Neurologen fortgesetzt.
Monate nach diesem vorerst letzten Überfall leidet er weiter unter
anhaltenden Kopfschmerzen und einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Sein
Antrag auf Umzug nach Prenzlau wird von der Ausländerbehörde Uckermark
abgelehnt. Auch
im Januar 2006 hat Peter Lawson noch keine psychotherapeutische Behandlung
bewilligt bekommen. e110 24.1.05; BM 25.1.05; MAZ
25.1.05; e110 29.1.05; BZ 29.1.05; JWB 3.2.05; Schattenberichte April
2005; taz 25.6.05; jW 5.9.05; Opferperspektive 24. Januar 05 Höxter in Niedersachsen. In
einem Zimmer am Eingangsbereich der Flüchlingsunterkunft, Grüne Mühle 1,
entsteht am Abend ein Brand. Aufgrund der dunklen Rauchschwaden, die durch
das langgezogene Gebäude ziehen, muß die Feuerwehr mit schwerem Atemschutz in
das Haus eindringen. Von den 31 hier gemeldeten BewohnerInnen befinden sich
zur Zeit des Brandes 15 im Gebäude. Sie kommen alle unverletzt ins Freie. Der
Sachschaden wird auf 70.000 Euro geschätzt. Stromleitungen,
die zu einem Herd und einem Boiler führten, hatten das Feuer verursacht.
Hinweise auf ein menschliches Verschulden werden nicht festgestellt. NW 26.1.05; Polizei Höxter; Höxtersche Ztg 13.9.05 24. Januar 05 Ravensburg in Baden-Württemberg.
Morgens um neun Uhr klettert Ümit Ceren, ein abgelehnter Asylbewerber aus der
Türkei, in der Schützenstraße auf einen Strommast. Der 26-Jährige hat ein
Messer dabei und droht, sich zu töten. Nachdem die Feuerwehr mehrere
Sprungpolster ausgelegt hat, kann der Mann von seinem Vorhaben abgebracht
werden und klettert wieder herunter. Er wird in die Psychiatrie eingeliefert.
(siehe auch: 8. März 05) SchwZ 9.3.05 3. Februar 05 Ganderkesee in Niedersachsen.
Morgens um drei Uhr erscheint im Ortsteil Heide im Hermann-Allmers-Weg ein
großes Aufgebot an Polizei und Ordnungskräften, um die achtköpfige Familie
Kadrija zur Abschiebung abzuholen. Dabei bricht die Mutter der sechs Töchter
zusammen, so daß sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden muß. Die
Abschiebung der Familie – unter anderem mit den Schülerinnen Liridona (10
Jahre alt) und Skurthe (7 Jahre alt) – erfolgt unverzüglich über den
Flughafen Düsseldorf nach Prishtina. Frau
Kadrija, die vor 13 Jahren in die BRD geflohen war, wird ins Haftkrankenhaus
verlegt, von wo aus einige Tage später auch ihre "freiwillige"
Ausreise erfolgt. DKB 5,2,05; DKB 10.2.05, FRat NieSa 4. Februar 05 Kurz nach Mitternacht klingelt
es um 1.30 Uhr an der Wohnungstür der Familie S. in Hamburg-Harburg. "Ein
Stoßtrupp der Behörde mit Unterstützung einer Sicherheitsfirma" (so der
Anwalt) dringt in die Wohnung ein, um die Familie nach 13-jährigem Aufenthalt
in der BRD – davon 12 Jahre lang mit dem Status einer Duldung – nach Lettland
abzuschieben. In
der Küche schneidet sich Frau Julia S. die Pulsadern auf und muß von den
Beamten ins Krankenhaus gebracht werden. Ihr Mann Stephan S. wehrt sich
heftig, schlägt sich den Kopf blutig und wird von den Beamten vor der
Wohnungstür am Boden fixiert. Er kommt in Abschiebehaft. Weil
die Mutter im Krankenhaus ist, darf der jüngere, noch minderjährige Sohn
nicht abgeschoben werden, so daß die Beamten schließlich nur den 18-jährigen
Wadim S. in polizeilicher Begleitung nach Frankfurt am Main fahren, von wo
aus er um 7.00 Uhr mit einer Lufthansa-Maschine nach Riga ausgeflogen wird. Wadim S. ist völlig schockiert und verwirrt
und meldet sich in Riga bei der Deutschen Botschaft, deren MitarbeiterInnen
ihn zunächst für einen Deutschen halten, der Probleme hat. Als sie seine
Geschichte hören, weisen sie ihn hinaus – ein Angestellter gibt ihm die
Adresse einer Obdachlosenun-terkunft. Wadim S. versteht die Sprache nicht,
ist völlig ver-zweifelt, weint und schreit, so daß die Sozialarbeiterin der
Obdachlosenunterkunft eine Ärztin ruft, die ihm Beruhigungsmittel gibt. Erst
einer anderen Medizinerin, die mit ihm Englisch spricht, gelingt es etwas,
ihn zu beruhigen. Wadim
hat nur 10 Euro mitnehmen können und fährt am nächsten Tag zum Flughafen, um
sein Gepäck zu holen und vor allem, um auf seine Familie zu warten. Erst nach
6-stündigem Warten begreift er, daß er alleine abgeschoben wurde. Von dem
Rest der 10 Euro kauft er sich eine Telefonkarte und ruft seine Mutter an. Die
Eheleute S. waren mit ihren Kindern im Herbst 1992 aus Lettland in die BRD
gekommen, wo sie als sowjetische StaatsbürgerInnen gelebt hatten und nach der
Unabhängigkeit des Landes als "verhaßte Unterdrücker" immer mehr
isoliert und diskriminiert wurden. Ihr Asylantrag war von den deutschen
Behörden 1995 endgültig abgewiesen worden. (siehe auch: 20. Januar 10) ndr-info 12.3.10; Die Linke – LV Hamburg 17.4.10; Spiegel 20.4.10; Spiegel 13.12.11; Dokumentarfilm "Wadim" 2011 6. Februar 05 Im Bereich der Bundespolizei
Pirna, nahe der sächsisch-tschechischen Grenze, wird eine tote Frau aus
Moldawien aufgefunden. Sie starb an Unterkühlung. Es
stellt sich heraus, daß die Tote, eine 47 Jahre alte Moldawierin, zusammen
mit einem Mann und einer Frau die Grenze bereits überwunden hatte und dann
auf einem Feld nahe Zittau zurückgelassen wurde. Die
Staatsanwaltschaft Görlitz erhebt Anklage gegen die beiden Überlebenden wegen
Mord durch Unterlassen. Während die angeklagte Frau untertaucht, erscheint
der Moldawier Maxim L. zum Prozeß. Er wird schließlich wegen illegaler
Einreise und unerlaubten Aufenthaltes in der BRD zu dreieinhalb Jahren
Gefängnis verurteilt. BT-Drucksache 16/3768; 8. Februar 05 Nach einer Woche Abschiebehaft
in Berlin-Köpenick wird die 35 Jahre alte Romni Hanusa Vasić ohne ihre vier
Kinder nach Sarajewo abgeschoben. Die Kinder der Alleinerziehenden, Dusko
(7), Angelina (10), Milan (12) und Dajana (14), bleiben allein in Berlin
zurück und werden von ihrem Großvater betreut und versorgt. Damit
hat die Ausländerbehörde weder auf die Familiensituation noch auf die
Gesundheit von Hanusa Vasić Rücksicht genommen. Frau Vasić leidet an
Schizophrenie , war deshalb schon mehrmals stationär in Behandlung und ist
permanent auf Medikamente angewiesen. Medikamente, die sie in Sarajewo nicht
kostenlos erhalten kann. Auf
die Vorhaltungen des Anwalts Hartmut Beseler und des Flüchtlingsrates Berlin,
daß eine Trennung der Familie gegen das Grundgesetz und die
Menschenrechtskonvention verstoße und daß eine alleinerziehende Mutter nicht
inhaftiert werden dürfe, antwortet eine Sprecherin des Innensenators: "Alleinerziehende dürfen
nicht inhaftiert werden, wenn die Kinder mindestens sieben Jahre alt
sind." Hanusa
Vasić lebte – mit einer zweijährigen Unterbrechung – seit 1991 in Berlin.
Zwei der Kinder wurden in Deutschland geboren. Die Heirat mit ihrem deutschen
Verlobten scheiterte, weil die Ausländerbehörde eine
"Scheinpartnerschaft" unterstellte. Nach
der Abschiebung erreicht ihren Schwiegervater und ihre Kinder ein Fax aus
Sarajewo, daß Hanusa Vasić in Bosnien-Herzegowina angekommen ist. Dies ist
das letzte Lebenszeichen von ihr – auch eineinhalb Jahre nach der Abschiebung
ist es ihrer Familie in Deutschland nicht gelungen, Kontakt zu ihr
aufzunehmen. Sie ist verschwunden. (siehe auch: 18. April 06) Im
August 2006 bestätigt der Berliner Senator für Inneres das positive Votum der
Härtefallkommission, die sich für ein Bleiberecht der vier Kinder
ausgesprochen hat. FRat Berlin 18.2.05; taz 19.2.05; TS 19.2.05; JWB 2.3.05; taz 23.8.06 9. Februar 05 Abschiebegefängnis JVA Büren in
Nordrhein-Westfalen. Der 30 Jahre alte kurdische Gefangene Dogan Güven
versucht, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Mitgefangene finden ihn und
können Schlimmeres verhindern. Die Schnittverletzungen müssen genäht werden,
und Dogan Güven wird in eine Einzelzelle verlegt. Dies
geschieht einen Tag vor einer angekündigten Zwangsvorführung beim Türkischen
Konsulat, wo ihm zur Vorbereitung seiner Abschiebung Paßersatzpapiere
ausgestellt werden sollten. Dogan
Güven, dessen Asylantrag abgelehnt wurde, befindet sich seit 27. Dezember
2004 in Abschiebehaft und hatte am 1. Januar einen Hungerstreik aus Protest
gegen seine geplante Abschiebung begonnen. Bei
einer Abschiebung drohen dem Kurden wegen seiner journalistischen Tätigkeit
insgesamt 15 Jahre Haft. Er hatte sich in der Zeitung "Alintermiz"
für ein autonomes kurdisches Gebiet innerhalb der Türkei ausgesprochen. Er
war in der Türkei festgenommen und schwer gefoltert worden (Elektroschocks,
Schläge, Kreuzigungen). Nach
seiner Flucht aus der Türkei hatte er bereits im Jahre 1995 einen Asylantrag
gestellt, der als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden war. Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren 20.2.05; NW 22.2.05; WebWecker Bielefeld 23.2.05; Frat NRW 7.4.05 9. Februar 05 Paderborn in
Nordrhein-Westfalen. Der 34 Jahre alte Mekhman Ramazonov, abgelehnter
Asylbewerber aus Aserbaidschan, erscheint mit seinem Bruder Akif in der
Ausländerbehörde. Bereits bei seinen Besuchen zuvor hatte er einmal eine
Rasierklinge, ein anderes Mal ein Messer dabei und gedroht, sich bei einer
Festnahme umzubringen. Als
er jetzt festgenommen werden soll, zieht Mekhman Ramazonov ein Küchenmesser,
hält es sich an die Kehle und droht, sich umzubringen. Dann verläßt der beidseitig
beinamputierte Sportler seinen Rollstuhl, entwindet sich den fünf Beamten und
zwei Männern des Sicherheitsdienstes, zieht eine Rasierklinge, verschanzt
sich im Nebenzimmer und droht immer wieder, sich zu töten. Ein
Sondereinsatzkommando, psychologisch geschulte BeamtInnen, Krankenwagen und
Feuerwehr treffen ein. Nach zwei Stunden und 15 Minuten gelingt es einer
Ärztin des Gesundheitsamtes, den Verzweifelten zur Aufgabe zu bewegen. Er
kommt ins Abschiebegefängnis Stöckerbusch bei Büren. Mekhman
Ramazonov ist ein international bekannter Sportler. Er hatte bei den
Paralympics 2000 eine Goldmedaille beim Gewichtheben gewonnen und auch in der
BRD mehrere sportliche Auszeichnungen erworben. Sein Anwalt Gerhard Bauer
prangert die Anwendung von zweierlei Maß im Sport an, wenn es um die
Einbürgerung in der BRD geht. Während nicht-behinderte Profi-Fußball- oder
Eishockey-Spieler quasi "über Nacht" eingebürgert werden, ist das
beim Behindertensport nicht der Fall. Am
16. Februar wird Mekhman Ramazonov aus dem Abschiebegefängnis Büren abgeholt
und von Frankfurt aus abgeschoben. Radio Hochstift 9.2.05; WDR-Nachrichten 9.2.05; WDR-Nachrichten 10.2.05; NW 10.2.05; WV 10.2.05; NW 15.2.05; WV
15.2.05; NW 16.2.05; WV 16.2.05; NW 17.2.05; WV 21.2.05 10. Februar 05 Landkreis Schönebeck in
Sachsen-Anhalt. Vor dem Flüchtlingsheim von Calbe hält morgens um 2.20 Uhr
ein weißer Pkw, aus dem vier maskierte Personen aussteigen. Sie schlagen eine
Glasscheibe ein und verschaffen sich so Zugang in das Innere des Gebäudes. Hier
nehmen sie einen Feuerlöscher aus der Halterung und versprühen den Inhalt in
einem Flur. Dann flüchten sie. Polizei Magdeburg 10.2.05; taz 11.2.05 10. Februar 05 Flughafen Frankfurt am Main. Die
24 Jahre alte Iranerin Zahra Kameli aus Goslar soll abgeschoben werden. Sie
wehrt sich verzweifelt und kollabiert dann infolge eines
Nervenzusammenbruchs. Der Pilot der Lufthansa-Maschine weigert sich
daraufhin, Zahra Kameli mitzunehmen. Zahra
Kameli, die laut Gutachten suizidgefährdet ist, kommt in ein Krankenhaus und
muß dort – haft- und transportunfähig – vorerst einige Wochen behandelt
werden. Am
8. Februar hat das Landgericht Braunschweig den Haftbefehl der in
Abschiebehaft sitzenden Frau wegen eines Formfehlers aufgehoben – unmittelbar
danach wurde vom Landkreis Goslar jedoch ein neuer Haftantrag gestellt, so
daß Frau Kameli gar nicht erst das Abschiebegefängnis Hannover-Langenhagen
verlassen kann. Zahra
Kameli, die als 16-Jährige zwangsverheiratet worden war, hatte sich in
Niedersachsen von ihrem Mann getrennt und einen neuen Partner gefunden. Weil
ihr Freund christlichen Glaubens ist, konvertierte auch sie zum Christentum.
Aufgrund dieser Tatsache und aufgrund des Ehebruchs droht ihr im Iran der Tod
durch Steinigung. Zudem droht ihr die Verfolgung und die
Gewalt ihres Noch-Ehemannes, der im Mai 2004 mit der gemeinsamen Tochter in
den Iran zurückgekehrt war. Auf
dem Flughafen-Terminal demonstrieren während der geplanten Abschiebung über
200 Menschen unter dem Motto "Abschiebemaschinerie stoppen!" Fluggäste
und Crew werden über das Schicksal der Iranerin informiert und aufgefordert,
die Abschiebung nicht zuzulassen. Nach
dem Abbruch der Abschiebung jagen Bereitschaftspolizisten Menschen durch den
Flughafen, schlagen, treten und fesseln Protestierende. Sie kesseln über 60
DemonstrantInnen ein, die über Nacht in Gewahrsam genommen werden. Die
Gefangenen werden erkennungsdienstlich behandelt und gezwungen – obwohl sie
höchstens gegen Hausrecht ver stoßen haben – Speichelproben
für DNA-Analysen abzuzugeben. Auch Minderjährige sind festgenommen; einer
alleinerziehenden Mutter wird ein Telefonat mit dem Babysitter verweigert. Unter
den Betroffenen waren viele iranische Menschen im Exil, die zusätzlich mit
Ordnungsgeldern wegen des Verstoßes gegen die Residenzpflicht zu rechnen
haben. Flüchtlinge,
Bekannte und FreundInnen von Zahra Kameli aus dem Landkreis Goslar erhalten
zwei Wochen später Briefe von der Ausländerbehörde Goslar, in denen ihnen
Bußgeld angedroht wird, weil sie sich – ohne behördliche Erlaubnis – zu einer
Protestkundgebung gegen die Abschiebung Zahra Kamelis in Braunschweig
aufgehalten haben. Während
Zahra Kameli selbst noch im Frankfurter Krankenhaus liegt und sich nicht von
dem neuen Trauma der versuchten Abschiebung erholen kann, entwickelt sich ein
Zuständigkeits-Gerangel innerhalb der Landespolitik und auch zwischen dem
Bundesinnenminister und seinem niedersächsischen Kollegen. Am
23. Februar verabschiedet der Niedersächsische Landtag mit den Stimmen aller
Fraktionen eine Empfehlung an den Innenminister, Zahra Kameli ein dauerhaftes
Bleiberecht einzuräumen. Damit wird erstmals in Niedersachsen die sogenannte
Härtefallregelung nach § 25.4 ZuwG angewandt. Eine zunächst auf drei Monate
befristete Aufenthaltsgenehmigung soll dann durch ein dauerhaftes Bleiberecht
gefestigt werden. Die
Entscheidung basiert nicht auf der Anerkennung der frauenspezifischen
Verfolgung, sondern auf der aktuellen Erkrankung von Zahra Kameli. Da die
CDU/FDP-Mehrheit im Petitionsausschuß der Härtefallregelung nur unter der
Bedingung zustimmen wollte, daß für das Land Niedersachsen keine
Unterhaltskosten entstehen, hat Zahra Kameli fortan dauerhaft keinen Anspruch
auf soziale Rechte. GoZ 5.2.05; FR 8.2.05; HAZ 10.2.05; BrZ 10.2.05; HAZ 11.2.05;FNP 12.2.05; HAZ 15.2.05; taz 15.2.05; AK Asyl Göttingen 16.2.05; taz 16.2.05; AK Asyl
Göttingen 18.2.05; FR 19.2.05; taz 19.2.05; jW 21.2.05; ddp 21.2.05;
taz 21.2.05; taz 23.2.05; ddp23.2.05; AK Asyl Göttingen 24.2.05; Kehrwieder am Sonntag 8.3.09; taz 25.2.05; WtzK 1.3.05 10. Februar 05 Die 24 Jahre alte Gazale Salame
aus Niedersachsen wird zusammen mit ihrer 1-jährigen Tochter Schams unter dem
Namen Gasali Önder in die Türkei abgeschoben. Gazale Salame, die im dritten
Monat schwanger ist, wird damit gewaltsam von ihrem Mann Ahmed Siala und
ihren sieben- und 8-jährigen Töchtern Amine und Nura getrennt, die in
Deutschland bleiben dürfen. Gazale Salame spricht aus- schließlich Arabisch und
Deutsch, denn sie war als 7-Jährige, also vor 17 Jahren, mit ihrer Familie
während des libanesischen Bürgerkrieges in die BRD gekommen. Die
Familie Salame/Siala gehört der arabischen Minderheit der Mahalmi im Libanon
an, die in den 20er Jahren aus der Türkei übergesiedelt waren. Diese Menschen
haben in der Regel keine libanesischen Papiere, können also nicht in den
Libanon abgeschoben werden. Aufgrund des türkischen Staatsbürgerrechts sind
sie jedoch in der Türkei registriert, so daß die deutschen Behörden sich
bemühen, für die libanesischen Flüchtlinge türkische Papiere zu beschaffen,
um sie dann in die Türkei abzuschieben. Nach
der Abschiebung wird Gazale Salame von einer arabisch sprechenden Familie
aufgenommen. Sie leben unter ärmlichsten Bedingungen im Armenviertel von
Izmir. Die Wände sind voller Schimmel, und es gibt nur einen beheizbaren
Raum, der aus Kostengründen nur ab und zu gewärmt wird. Eine eigene Matratze
in dem Schlafzimmer der Frauen hat sie nicht, und durch die schimmeligen
Wände verschlechtert sich der Gesundheitszustand der Tochter. Sie bekommt
Asthma. Da
Gazale Salame kein Türkisch spricht und zudem als alleinstehende Mutter in
einer traditionell streng patriarchalen Gesellschaft leben muß, ist es für
sie nicht möglich, ihr Leben selbständig zu organisieren. Sie ist auf die
Gastfamilie, die sie sozusagen als "Tochter" aufgenommen hat,
absolut angewiesen. Als
ihr Geld zu Ende geht, kann sie keine Medikamente für die Tochter und für
ihre eigene Schilddrüsenerkrankung mehr kaufen. Zudem leidet Gazale Salame
sehr unter der Trennung von ihren Kindern und ihrem Mann. Sie hat
Schwindelanfälle, chronische Kopfschmerzen, starke Depressionen und
Halluzinationen. Ende
August wird ihr kleiner Sohn geboren. Im September bekommt Frau Salame Besuch
von FreundInnen aus Deutschland. Diese finden sie in einer psychisch
schlechten Verfassung vor – auch ihre Lebensumstände sind eher schlechter
geworden. Sie hat immer noch keine Yesil-Card (Grüne Karte), mit der sie
wenigstens medizinische Untersuchungen kostenfrei bekommen würde. Am
21. Juli 2006 erklärt das Verwaltungsgericht Hannover die vom Landkreis
Hildesheim erhobenen Vorwürfe gegen die Familie Siala
bezüglich der Angabe eines falschen Herkunftslandes für unbegründet. Damit
wird auch die geplante Abschiebung des Vaters mit den beiden Kindern gestoppt
und vor allem eine Wiedereinreise von Gazale Salame und ihren Kindern
möglich. Ahmed
Siala war 1985 – also vor über 20 Jahren – als 6-Jähriger mit seinen Eltern
als Bürgerkriegsflüchting in die BRD eingereist. 1990 hatte er eine
Aufenthaltserlaubnis erhalten, die jetzt wieder mit dem Hinweis, es gebe
Hinweise auf türkische Vorfahren, aberkannt worden war. Obwohl seine Familie
bereits vor 1958, also fast zwanzig Jahre vor seiner Geburt, im Libanon
registriert worden war, sollte Ahmed Siala jetzt in die Türkei abgeschoben
werden. Aufgrund
des für die Familie Salame/Siala positiven Urteils weist das niedersächsische
Innenministerium den Landkreis Hildesheim an, Rechtsmittel gegen die
verwaltungsgerichtliche Entscheidung einzulegen. Im
Januar 2007 verneint das Oberverwaltungsgericht Lüneburg das Recht auf
Wiedereinreise der vor zwei Jahren abgeschobenen Gazale Salame und ihrer
Kinder mit der Begründung, daß ihr Mann und die beiden hier lebenden Kinder
keinen sicheren Aufenthaltsstatus haben. Damit
wird das Leiden der Abgeschobenen durch politischen Druck wieder einmal
verlängert. Eine Rückkehr und damit eine Familienzusammenführung ist weiter
unsicher. Ein
Besuch von Herrn Siala bei seiner Frau und den Kindern in der Türkei ist
nicht möglich, weil die BRD ihn nicht wieder einreisen lassen würde. Die
Erteilung eines Besuchsvisums für Frau Salame durch die deutsche Botschaft in
der Türkei wird vom Landkreis Hildesheim systematisch blokkiert. Eine
Entscheidung über eine Kürzung der vierjährigen Wiedereinreisesperre, die der
Landkreis fällen könnte, wird an das Innenministerium verwiesen und damit
verzögert. Die vom Landkreis erhobenen Abschiebekosten
in Höhe von 1878,47 Euro werden von UnterstützerInnen gesammelt und an die
ZAAB Braunschweig überwiesen. Daraufhin erfolgt eine neuerliche Geldforderung
in Höhe von 2485,04 Euro für die Kosten der Begleitung durch zwei
Bundespolizisten während der Abschiebung. Am
21. Dezember 2007 schreiben der evangelische Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt
und das katholische Dekanat Hildesheim eine Petition an den Niedersächsischen
Landtag, in der sie um die Rückkehr von Gazale Salame mit ihren Kindern
bitten. Am
2. Januar 2008 beginnt Andreas Vasterling, Mitglied der Flüchtlingsinitiative
"Menschen für Menschen", einen Hungerstreik, wodurch die Situation
der Familie noch einmal in die Öffentlichkeit kommt und Forderungen nach der
sofortigen Rückkehr von Gazale Salame unterstützt werden. Ende Februar
beendet er diese Protestaktion. Mit
Bescheid vom 30. Juli 2008 hat der Landkreis Hildesheim die Wiedereinreise
für Gazale Salame auf vier Jahre bis zum 10. Februar 2009 festgelegt. Im
Januar 2009 hebt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig das Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Lüneburg auf, das zuvor entschieden hatte, daß Ahmed Siala die
Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nicht erfülle. Dem Lüneburger
Gericht wird die Prüfung auferlegt, ob nicht doch ein Bleiberecht im Hinblick
auf humanitäre Gründe in Frage kommen könnte. Einem von der Richterin
vorgeschlagenen Vergleich wird von dem Vertreter des Landkreises nicht
zugestimmt, so daß sich aufenthaltsrechtliche Entscheidungen weiter
verzögern. Ein
von Gazale Salame gestellter Antrag auf ein Einreisevisum lehnt das
Generalkonsulat der BRD in Izmir unter anderem mit folgender Begründung ab:
"Die von Ihnen vorgelegten Unterlagen erlauben keine positiven
Rückschlüsse auf das Vorhandensein einer gesicherten Existenzgrundlage in der
Türkei." Auch
im Februar 2011 hat sich an der prekären Situation von Gazale Salame, ihrer
Tochter Schams und ihrem mittlerweile 5-jährigen Sohn Gazi nichts geändert.
Sie lebt in einem Armenviertel am Rande von Izmir, und ihr wird notdürftig
durch Spenden aus ihrem Unterstützungskreis geholfen. Indem
Ahmed Siala auf weitere Rechtsmittel gegen den Entzug seiner
Aufenthaltsgenehmigung aus dem Jahre 2001 verzichtet, wird ihm vom
Innenministerium die Möglichkeit angezeigt, die Härtefallkommission
anzurufen. Dies ist das Ergebnis der Verabredung zwischen dem Rechtsanwalt
und dem Ministerium, um im günstigsten Falle die Rückkehr von Gazale Salame
und den kleinen Kindern zu erreichen. Aber
auch im Herbst 2011 hat sich die Situation der Familie nicht geändert, und
der Landkreis Hildesheim unterstreicht seine unnachgiebige Haltung in einer
Pressemitteilung vom 20. Oktober 11, die gespickt ist mit Halb- und
Unwahrheiten. Weiterhin
organisiert der UnterstützerInnen-Kreis Kundgebungen und Demonstrationen
unter dem Thema "Für eine Rückkehr von Gazale Salame". Am
7. Dezember 12 spricht sich der Niedersächsische Landtag einstimmig für eine
Rückkehr von Gazale Salame und ihrer Kindern aus. Damit haben die
Regierungsfraktionen CDU und FDP in der letzten Plenarsitzung vor der
Landtagswahl eine Wende in der jetzt acht Jahre währenden Familientrennung
eingeleitet. Über die Möglichkeit, daß die älteste Tochter Nura das
Bleiberecht für sogenannte gut integrierte Jugendliche erhält, kann dann auch
für die Mutter eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt werden, sofern sie sich
ohne Sozialleistungen finanzieren kann. Diesem
Plan steht die bittere Erfahrung des Unterstützungskreises und der
Betroffenen entgegen, daß auch zwei Monate nach der einstimmig
verabschiedeten Landtagsresolution nichts Positives geschehen ist.
Stattdessen stagniert der Vorgang durch unterschiedliche Strategien von
Innenministerium und Auswärtigem Amt. Während das Innenministerium von der
deutschen Botschaft die Ausstellung eines Touristenvisums fordert, weist die
Botschaft darauf hin, daß kein vorübergehender Aufenthalt geplant sei und
benennt § 22 Aufenthaltsgesetz, nach dem das Ministerium feststellen muß, daß
eine Aufnahme aus dem Ausland aus völkerrechtlichen oder dringenden
humanitären Gründen erforderlich ist. Diese Feststellung verweigert das
Niedersächsische Innenministerium im Februar 2013 weiterhin. Am
27. Februar 13 stellt das deutsche Konsulat in Izmir Gazale Salame ein Visum
für die Rückkehr in die Bundesrepublik aus. Nach über acht Jahren
Familientrennung kann sie am 3. März um 1.35 Uhr auf dem Flughafen Hannover
ihre inzwischen 14-jährige Tochter Amina und die 16 Jahre alte Nura in die
Arme schließen. Ihr Mann Ahmed trifft seine 9-jährige Tochter Schams, die
ihm als 1-Jährige entrissen worden war, seinen sieben Jahre alten Sohn Gazi
sieht er zum ersten Mal persönlich. Der
Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltsrechts von Ahmed Siala wird am 20.
November 13 von der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover negativ
entschieden. Damit hat der seit 30 Jahren in der Bundesrepublik
lebende Mann weiterhin nur eine Duldung. Er solle sich mal
"zusammenreißen", sagt dazu noch die Richterin und meint die
"Straffälligkeit" von Herrn Siala. Dabei geht es um drei
Vorkommnisse: Während seiner Tätigkeit auf einem kleinen Schlachthof hatte
Herr Siala Schafe nicht dem deutschem Recht entsprechend geschlachtet; dann
bekam er einen Strafbefehl wegen Bedrohung, weil er im Streit mit einer
Lehrerin seiner Tochter laut geworden war und schließlich habe er jüngst
gesagt, daß er das Haus und seine Familie "anzünden" werde. Seine
Frau Gazale Salame ist inzwischen in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. AK Asyl Göttingen 13.3.05; jW 22.3.05; IPPNW
3.10.05; HiZ 22.6.06; HiZ 24.6.06; HAZ 18.8.06; FRat NieSa
25.8.06; FRat NieSa 30.11.06; jW 6.12.06; Bernd Waldmann-Stocker – Rechtsanwalt; Landkreis Hildesheim 19.6.07; Silke Schäfer – Rechtsanwältin 22.6.07; Menschen für Menschen; Petition 21.12.07; ND 24.1.08;
jW 28.1.08; taz 1.2.08; FRat NieSa 18.8.08; FRat NieSa 23.1.09; jW 26.1.09; taz 28.1.09; HiZ
28.1.09; ND 10.2.09; FRat NieSa 9.2.10; HAZ 10.2.11; jW 10.2.11; Kehrwieder am Sonntag 13.2.11; Gisela Penteker – Ärztin; FRat NieSa 8.9.11; FRat NieSa
21.10.11; SZ 18.6.12; BeZ 11.9.12; Heft der Flüchtlingsräte 2012; FRat NieSa 3.12.12; taz
7.12.12; FRat NieSa 7.2.13; FRat NieSa
27.2.13; SZ 11.7.13, FRat NieSa 4.3.13; ndr 20.9.13; FRat NieSa 18.11.13; ndr 20.11.13; FRat NieSa 23.11.13; TS 24.11.13 16. Februar 05 Bundesland Sachsen. In einem
Chemnitzer Geschäft bezichtigt der Verkäufer einen tschetschenischer
Flüchtling des Diebstahls, versperrt ihm den Ausgang und ruft die Polizei.
Der Tschetschene, der nach eigenen Angaben leicht angetrunken aber ruhig
wartet, spürt plötzlich einen heftigen Schlag im Brustbereich und kommt erst
wieder zu sich, als er mit Handschellen auf dem Rücken über den Boden
geschleift wird. Er bekommt keine Luft, hat heftige Schmerzen im Brustbereich
und Verletzungen im Gesicht. Die Handschellen werden trotzdem nicht
abgenommen. Auf
der Polizeiwache wird ihm eine Blutprobe entnommen und die Beamten, die ihn
festnahmen, nehmen ihn wieder mit und drängen ihn 50 bis 100 Meter vom
Flüchtlingsheim entfernt aus dem Wagen. Mit größten Schwierigkeiten gelingt
es ihm, das Heim zu erreichen. Die
anwesende Ärztin ruft den Notarztwagen, der den Verletzten ins Krankenhaus
bringt. Hier werden Rippenbrüche und ein Hämatom am Brustkorb festgestellt.
Aufgrund der Verletzungen muß eine Thorax-Drainage gelegt werden. Auf
eigenen Wunsch kann der Mann das Krankenhaus erst nach sieben Tagen wieder
verlassen. Der Flüchtling, der in Tschetschenien verhaftet und gefoltert
wurde, fühlt sich in dem Krankenhaus nicht sicher. Die
Polizisten begründen später die Fixierung mit Handschellen damit, daß der
Mann sich mit Schlägen und Fußtritten gegen seine Durchsuchung zur Wehr
gesetzt habe. "Täter unbekannt" ai Juli 2010 20. Februar 05 Güstrow in
Mecklenburg-Vorpommern. Ein 29 Jahre alter Flüchtling aus Togo steht in der
Innenstadt vor einem Geschäft, als er von zwei Deutschen mit "Scheiß
Neger!" und anderen rassistischen Sprüchen beleidigt wird. Als sich eine
ältere Passantin einmischt und die Deutschen zur Rede stellen will, wird auch
sie beleidigt. Der
Togoer läuft weg, wird jedoch von den Verfolgern eingeholt. Einer der
Angreifer tritt ihm mit Stiefeln in den Bauch und gegen ein Knie – der andere
schlägt ihm eine volle Cola-Flasche auf den Kopf. Der Verletzte versucht, die
Polizei zu rufen, wird jedoch immer wieder geschlagen und getreten. Erst
nachdem ihm erneut die Flucht gelingt, kann er die Polizei rufen. Als diese
eintrifft, flüchten die Gewalttäter. Die
zahlreichen Verletzungen des Afrikaners müssen ärztlich behandelt werden.
Schwerer als die körperliche Schädigung leidet er jedoch psychisch unter dem
Angriff: "Warum hat mir niemand geholfen? Es haben doch so viele
gesehen." LOBBI 25.2.05; JWB 2.3.05 22. Februar 05 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Der Abschiebegefangene L. S. aus Aserbaidschan fügt sich
Schnittverletzungen am Unterarm zu. Er wird ins Krankenhaus gebracht und
anschließend in die Abschiebehaft zurückverlegt. Nachdem er Anfang März einen
erneuten Suizidversuch unternimmt, wird er Ende März schließlich in die
Psychiatrie verlegt. Jesuiten-Flüchtlingsdienst; BT DS 16/9142 24. Februar 05 Zentrum für Soziale Psychiatrie
Bergstraße in Heppenheim im Bundesland Hessen. Gegen 7 Uhr fährt ein
Polizeiauto bei der Mutter-und-Kind-Station vor. Dort befindet sich eine
traumatisierte Serbin mit ihrem knapp 3-jährigen Sohn seit Herbst 2004 in
stationärer Behandlung. Eine Polizeibeamtin, ein Polizeibeamter und ein
Polizeiarzt zeigen der diensthabenden Krankenschwester einen Beschluß des
Amtsgerichts Bensheim mit der Anordnung, Frau A. in Polizeigewahrsam zu
nehmen. Sie fordern die Patientin auf, ihre Sachen zu packen und mitzukommen.
Die
schwer kranke und suizidale Frau erklärt auf diese Aufforderung, "wenn
sie abgeschoben werden solle, brauche sie ihre Sachen nicht zu packen, wenn
nur ihr Kind versorgt würde". Eine Krankenschwester schließt sich mit
Frau A. ein, andere teilen den BeamtInnen mit, daß die Patientin schwer krank
sei und nicht mitgehen könne; Mitglieder der Arbeitsgruppe Asyl kommen dazu –
der Rechtsanwalt stellt einen Eilantrag. Die Auseinandersetzungen ziehen sich
über zwei Stunden hin. Schließlich teilt der Polizeibeamte mit, daß die
Festnahme nicht mehr durchgeführt wird, weil er für den Transport nach
Düsseldorf nicht die Verantwortung übernehmen könne. Die
Zuständigkeiten sind unklar, und die Ausländerbehörde teilt mit, daß Frau A.
nach dem mißglückten Abschiebeversuch in die forensische Klinik nach Kassel
gebracht werden solle (Unterbringung von psychisch kranken StraftäterInnen).
Deshalb empfehlen die Mitglieder der Arbeitsgruppe Asyl der Kranken ein Kirchenasyl
in der Christuskirche in Heppenheim. Am nächsten Tag haben ihr Rechtsanwalt
und der Direktor der Klinik dahingehende Zusagen, daß die Patientin mit ihrem
Kind in die Psychiatrie zurückgebracht werden kann. Nach
der Abweisung einer Klage im Asylfolgeverfahren wird ein weiterer
Asylfolgeantrag mit umfangreichen medizinischen Gutachten gestellt. Dieser
Antrag wird am 25. August 06 abgelehnt, jedoch wird ein Abschiebeschutz für
Frau A. ausgesprochen. Damit ist knapp eineinhalb Jahre nach dem gescheiterten
Abschiebeversuch ein Aufenthaltsrecht erstritten. Danach
verbessert sich der Gesundheitszustand von Frau A. langsam. Mehrere Anträge
auf Arbeitserlaubnis werden abgelehnt, doch nach einer Bescheinigung des
behandelnden Arztes, daß Frau A. eine Arbeitstherapie benötige, erhält sie
eine Arbeitserlaubnis. Anfang 2008 hat Frau A. zwei gesicherte Arbeitsplätze
und verdient den Lebensunterhalt für sich und ihr Kind überwiegend selbst.
Kriegstraumata und Ängste sind weiterhin latent vorhanden, aber nicht mehr dominierend.
Das Kind besucht einen Ganztagskindergarten und kommt dieses Jahr zur Schule. Gegenwehr Heft 1/2005; Arbeitsgruppe Asyl der Christuskirchengemeinde
Heppenheim 25. Februar 05 Berliner Bezirk Kreuzberg. Ramazan
Kaya raucht morgens um vier Uhr eine Zigarette, verabschiedet sich von seiner
im Bett liegenden Mutter und wirft
sich geräuschlos aus dem Fenster. Nach dem Sturz aus dem dritten Stock und
dem Aufprall auf dem Asphalt lebt er noch – die Notoperationen im
Urban-Krankenhaus können ihn jedoch nicht mehr retten. Ramazan Kaya stirbt
mit 26 Jahren. Familie
Kaya war vor über 14 Jahren aus dem anatolischen Samsun nach Berlin gekommen
und lebt jetzt seit über zehn Jahren ohne sicheren Aufenthaltsstatus. Die
aufenthaltsrechtliche Unsicherheit und die immer wieder fehlgeschlagenen
Versuche der Kinder, berufliche Ausbildungen behördlicherseits gestattet zu
bekommen, haben die Familie erschüttert und traumatisiert. Fast allen
Familienmitgliedern bescheinigen mittlerweile ärztliche Atteste
verschiedenste psychische Störungen zu haben. Ramazan
Kaya selbst war zuletzt am 12. Februar wegen akuter schwerer Depressionen im
Urban-Krankenhaus behandelt worden. taz 5.3.05 26. Februar 05 Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Ein
33 Jahre alter Flüchtling aus Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) wird in einer
Straßenbahn von zwei deutschen Männern mit dem "Hitler-Gruß"
provoziert, dann rassistisch beleidigt und mit einer leeren Bierflasche und
Fußtritten angegriffen. Er erleidet Prellungen am Kopf und Brustkorb, wird
durch den Angriff aber vor allem psychisch verletzt. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 3. März 05 Offenburg in Baden-Württemberg.
Der 41 Jahre alte Celal Mutlutürk, abgelehnter kurdischer Asylbewerber, wird morgens
um 4.15 Uhr unter Protest der Ärzte aus der Klinik an der Lindenhöhe
(Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik) von vier Polizisten abgeholt
und um 11.05 Uhr – in Begleitung eines Arztes – nach Istanbul ausgeflogen. Celal
Mutlutürk leidet unter einer schweren chronifizierten Posttraumatischen
Belastungsstörung, schweren depressiven Episoden und akuter Suizidgefahr. Er
ist schwer krank. Von Februar bis Oktober 2004 befand er sich in stationärer
Behandlung in einer Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und
Psychosomatik – danach wurde die Behandlung ambulant weitergeführt. Celal
Mutlutürk war als 16-Jähriger verfolgt, festgenommen und gefoltert worden.
Ein gegen ihn verhängtes Todesurteil wurde zunächst ausgesetzt, weil er noch
keine 18 Jahre alt war. Ihm gelang die Flucht, und 1990 stellte er in der BRD
einen Asylantrag. Nachdem dieser abgelehnt worden war, wurde er 1998 in die
Türkei abgeschoben. In der Türkei lebte er als Illegaler, bis ihm 2003 erneut
die Flucht in die BRD gelang. Nach
seiner Abschiebung geht es ihm erneut extrem schlecht. Er hat bereits dreimal
versucht, sich umzubringen. Er lebt bei seiner Familie, die ihn intensiv
beobachtet aus Angst, daß er sich wieder etwas antut. AK Asyl BaWü 9.3.05; AK Asyl Ravensburg-Weingarten 4. März 05 Neuwied in Rheinland-Pfalz. Um
13.04 Uhr geht bei der Polizeiinspektion ein Notruf ein, der Rauchentwicklung
in einem Gebäude des Flüchtlingsheim-Komplexes in der Hafenstraße meldet.
Durch das schnelle Eingreifen der Feuerwehr kann ein Zimmerbrand im ersten
Obergeschoß des Gebäudes 3 frühzeitig unter Kontrolle gebracht werden. Von
den 50 BewohnerInnen müssen 20 Personen evakuiert werden. Drei Personen
kommen mit leichteren Rauchgasvergiftungen ins Krankenhaus. Ein Mann erleidet
eine schwere Rauchgasvergiftung. Polizei Koblenz 4.3.05 5. März 05 Brandenburg an der Havel im
Bundesland Brandenburg. In der Diskothek "Manhattan" wird ein 20
Jahre alter Flüchtling aus Kamerun von einer Frau und einem Mann rassistisch beschimpft, ins Gesicht geschlagen
und mit einem Glas am linken Auge verletzt. Prellungen
an der Nasenwurzel und der linken Wange werden ambulant behandelt – wegen
eines abgebrochenen oberen Backenzahns muß sich der Kameruner in
zahnärztliche Behandlung begeben. Opferperspektive 7. März 05 Der 29 Jahre alte abgelehnte
Asylbewerber Jiang Renzheng wird – zusammen mit seiner Frau und zwei kleinen
Kindern – aus der Unterkunft bei Würzburg abgeholt und nach China
abgeschoben. Jiang ist ein Anhänger der in China verfolgten Falun-Gong-Bewegung,
gilt allerdings bei deutschen Behörden und Gerichten als unglaubwürdig. Unmittelbar
nach der Ankunft besucht ihn die Staatssicherheit, und einen Monat später
erfolgt seine Festnahme – er verschwindet in einem Arbeits- und
Umerziehungslager. Was Jiang Renzheng dort in Benxi in der nordchinesischen
Provinz Liaoning persönlich passiert, ist nicht bekannt. Die Erfahrungen der
Falun Gong Human Rights Working Group zeigen, daß Falun-Gong-Anhänger in den
Umerziehungslagern Psychoterror und einer Gehirnwäsche unterzogen werden.
Stundenlanges Hocken, Schlafentzug, erzwungene Reueerklärungen, zwangsweise
Vorführung von Videofilmen, stundenlanges Einreden durch Gefängnispersonal
oder zu diesem Zwecke engagierte Mitgefangene sollen die Menschen brechen. Nach
der Festnahme ihres Mannes übergibt Frau Jiang die 1- und 2-jährigen Kinder
den Großeltern und taucht unter. Aber auch die Großeltern werden von der
Staatssicherheit bedroht. Im August befindet sich Jiang Renzheng immer noch
in einer Drei-Mann-Zelle in dem Arbeitslager Neun
Monate nach der Abschiebung wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
in Zirndorf durch das Urteil des Verwaltungsgerichtes Würzburg vom 26.10.05
verpflichtet, Jiang Renzheng als Asylberechtigten anzuerkennen. Damit
könnte er mit seiner Familie theoretisch wieder nach Deutschland einreisen.
Jiang Renzheng, der inzwischen ohne jegliches Gerichtsverfahren zu drei
Jahren Zwangsarbeit in Benxi verurteilt ist, muß aufgrund einer schweren
Lebererkrankung frühzeitig aus dem Arbeitslager entlassen werden. Er steht
allerdings unter behördlich verordnetem Hausarrest und wird somit an der
Ausreise gehindert. FrT 10.8.05; br 28.11.05; AZM 29.11.05; MDZ
29.11.05; Marin Scheid – Rechtsanwalt http://clearharmony.net 8. März 05 Ravensburg in Baden-Württemberg.
Der 26 Jahre alte Ümit Ceren aus der Türkei betritt gegen 13.30 Uhr den
Weingartener Hof, in dessen zweitem Obergeschoß sich das Ausländeramt
befindet. Die Büros haben geschlossen,und der Mann hat keinen
Gesprächstermin. Der
abgelehnte Asylbewerber setzt sich im Flur auf den Boden, holt aus einer
Plastik-Tragetasche einen Kanister heraus und übergießt sich mit Benzin. Als
die Polizei eintrifft, hat der Mann in der einen Hand den Benzinkanister, in
der anderen ein Feuerzeug und droht, sich in Brand zu setzen. Nach
langem verbalen Einwirken auf den Mann gibt er um 14.45 Uhr auf und läßt sich
ins Zentrum für Psychiatrie (ZfP) Weißenau bringen. (siehe auch: 24. Januar
05) Am
14. April wird der unter starken Psychopharmaka stehende Ümit Ceren morgens
um 6.30 Uhr von Angehörigen der "Bezirksstelle für Asyl" in der
Klinik aufgesucht, gefesselt und in die Türkei abgeschoben. Ein Brief der
behandelnden ÄrztInnen, die vor Retraumatisierung, Eigen- und Fremdgefährdung
im Falle einer Abschiebung warnen, wird ignoriert – im Gegenteil, die Behörde
äußert öffentlich, daß "Diese abschiebbaren Ausländer .... in enger
Abstimmung und Zustimmung des ärztlichen Dienstes des ZfP abgeschoben"
werden. Die Abschiebung hätten die Ärzte als "medizinisch verantwortbar"
betrachtet, so die Behörde. SchwZ 9.3.05; SchwZ 10.3.05; SchwZ 21.5.05; AK Asyl Ravensburg-Weingarten 14. März 05 Fürstenwalde in Brandenburg. An
einer Telefonzelle in der Jahnstraße wird ein 28 Jahre alter Flüchtling aus
Kamerun mittags um 14.40 Uhr von einem Rechtsradikalen rassistisch beleidigt
und bedroht, und ihm wird mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. Opferperspektive (Internetwache 15.3.05) 15. März 05 Essen in Nordrhein-Westfalen. Um
0.10 Uhr entdeckt ein 44 Jahre alter Bewohner des Flüchtlingsheimes an der
Altendorfer Straße Ecke Wüstenhöferstraße ein Feuer an der Außenfront an
einem der zwei Gebäudekomplexe. Es gelingt ihm, mit einem Eimer Wasser das
Feuer zu löschen. Polizisten
finden später Reste eines Molotow-Cocktails und finden auch eine zweite
Flasche mit Brandbeschleuniger, an der nur die Lunte verbrannt ist. Der
Sachschaden an der Außenwand ist gering, und die 24 BewohnerInnen kommen mit
dem Schrecken davon. Der Staatsschutz übernimmt die Ermittlungen, weil von
einer "gezielten Aktion gegen das Heim oder dessen Bewohner"
ausgegangen wird. Täter
dieser versuchten Brandstiftung können – trotz Öffentlichkeitsfahndung –
nicht ermittelt werden. Polizei Essen 15.3.05; taz 16.3.05; JWB 23.3.05; Polizei Essen 23.1.06 16. März 05 Abschiebegefängnis JVA Büren in
Nordrhein-Westfalen. Der 30 Jahre alte kurdische Gefangene Dogan Güven wird
nach 75 Tagen Hungerstreik aus der Haft entlassen, weil das
Verwaltungsgericht – aufgrund eines noch nicht entschiedenen Asylfolgeantrags
– die geplante Abschiebung
stoppt. Es gelang Herrn Güven, Beweise dafür vorzulegen, daß er
"aufgrund politischer Äußerungen in Zeitschriften (in der Türkei, ARI)
mit Verfolgung wegen seiner politischen Überzeugung zu rechnen hat". Der
durch den langen Hungerstreik gesundheitlich schwer angeschlagene Dogan Güven
kommt umgehend in ein Krankenhaus. (siehe auch: 9. Februar 05) Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren 22.3.05; 22. März 05 Abschiebelager Bramsche-Hesepe
bei Osnabrück in Niedersachsen. Am frühen Morgen brennt es in einem auf dem
Gelände befindlichen Bürogebäude (Ausländerbehörde), wodurch ein Sachschaden
von 50.000 Euro entsteht. Ein zweiter Brand, der kurze Zeit später in einer
Bürohalle des Bundesverwaltungsamtes entsteht,
wird frühzeitig entdeckt und kann schnell gelöscht werden. Die
Flüchtlinge aus Aserbaidschan, die traditionell zu dieser Zeit jeden Dienstag
bis zum Neujahrsfest im Rahmen einer kleinen – auch genehmigten – Feier ein Feuer
machen, stehen augenblicklich unter Generalverdacht als potentielle
Brandstifter. Die Gruppe der AserbaidschanerInnen wird geschlossen zur
Sozialbehörde bestellt, und den Menschen wird gesagt, daß – wenn sich der
oder die Täter melden würden – keine Anzeige erstattet werden würde. Die
Kripo erscheint und nimmt einen 15-jährigen Flüchtling fest und wenig später
auch einen 25-jährigen Aserbaidschaner, die beide nach Aussagen vieler
Menschen bei dem Fest anwesend waren und somit die Feuer nicht gelegt haben
können. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück erläßt Haftbefehle, und die beiden
Flüchtlinge kommen in Untersuchungshaft. Bericht des Betroffenen 25.3.05; NOZ 25.3.05 22. März 05 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Auf der Etage 3.1 wird eine Razzia mit einer Hundestaffel
durchgeführt. Offenbar besteht der Verdacht, daß sich Drogen auf der Etage
befinden. Ein Häftling aus Moldawien beschreibt den Zustand der Zellen nach
dem Einsatz als “einen Schweinestall”. Außerdem hätten nach der Durchsuchung
40 Euro, die er in seinem Spind aufbewahrte, gefehlt. Jesuiten-Flüchtlingsdienst 28. März 05 Northeim in Niedersachsen. An
diesem Ostermontag bricht in einem Wohnhaus in der Innenstadt ein Feuer aus.
16 Personen, darunter elf Kinder, können wegen der starken Rauchentwicklung
das Gebäude nicht mehr rechtzeitig verlassen und müssen von der Feuerwehr
über eine Drehleiter und Fluchthauben in Sicherheit gebracht werden. Zwei
31-jährige Frauen kommen mit dem Verdacht auf Rauchvergiftung stationär ins
Northeimer Krankenhaus. Die
Polizei geht von vorsätzlicher Brandstiftung aus, hält andererseits einen
ausländerfeindlichen Hintergrund für "eher unwahrscheinlich". In
dem Haus sind fünf Staatenlose aus dem Libanon, fünf Armenier und vier
Personen türkischer Herkunft gemeldet – dazu zählen elf Kinder von ein bis
zehn Jahren. Polizei Niedersachsen 29.3.05; BrZ 30.3.05 31. März 05 Mühlhausen in Thüringen. Ein 25
Jahre alter irakischer Flüchtling übergießt sich im Flüchtlingsheim mit Brennspiritus
und zündet sich an. Mitbewohner finden um 20 Uhr den brennenden Mann auf
seinem Gebetsteppich und versuchen, mit Decken und Feuerlöschern die Flammen
zu ersticken. Mit schweren Brandverletzungen wird der Iraker in eine
Spezialklinik nach Halle geflogen. Dem
Iraker war am Tag vor seiner Verzweiflungstat in der Ausländerbehörde
mitgeteilt worden, daß ihm aufgrund seines abgelehnten Asylantrages keine
Arbeitserlaubnis zustehe. Er hatte dann geäußert, daß er sich selbst und das
Flüchtlingsheim in Brand stecken würde. Nach
einer langwierigen Behandlung seiner schweren Brandverletzungen werden
mehrere Anträge von ihm, zu seinen Verwandten nach Stuttgart ziehen zu können
abgelehnt. Die Betreuung durch seine Familie wäre auch aus medizinischer
Sicht wichtig für ihn gewesen. So müssen die großflächigen Narben seiner Haut
mehrmals täglich eingecremt werden, was er alleine nicht bewerkstelligen
kann. TA 2.4.05; TLZ 2.4.05; Antirassistische Initiative Berlin März 05 Eisenhüttenstadt in Brandenburg.
An einer Bushaltestelle erscheinen Polizeibeamte und beginnen damit,
ausschließlich vier schwarzen Personen zu kontrollieren. Als diese nach dem
Grund fragen, weshalb nicht auch die weißen Wartenden kontrolliert würden,
bekommen sie zur Antwort: "... weil Ihr illegal ausseht". Die
Betroffenen bezeichnen dieses als eine rassistische Maßnahme und fragen nach
den Namen der Beamten – bekommen aber keine Antworten. Es
erscheinen jetzt noch mehr Beamte, es sind schließlich 16 – die Situation
eskaliert, als den Flüchtlingen die Busfahrt verweigert wird. Zwei
Männern werden die Hände gefesselt, ein 32 Jahre alter Kameruner bekommt
Pfefferspray in die Augen. Er kann nichts mehr sehen. Als er spürt, daß ein
Beamter seinen Mund öffnen will, versucht er instinktiv, diesen zu schließen.
Er bekommt einen Schlag mit einem Walkie-Talkie. Er hat große Angst, denn er
versteht die ganze Aktion nicht. Alle vier Personen müssen sich ausziehen und
werden dann vorläufig mitgenommen. Der Kameruner wird acht Stunden lang
festgehalten und in dieser Zeit weder verarztet noch bekommt er Wasser, um
die Augen zu spülen. Der
HIV-positive Mann muß sich später wegen Widerstands gegen Polizeibeamte und
gefährliche Körperverletzung vor Gericht verantworten, denn ihm wird
vorgeworfen, einen Beamten gebissen zu haben (siehe oben). Am 11. Oktober 07
wird das Verfahren gegen ihn vom Amtsgericht Eisenhüttenstadt eingestellt. Er
erhält die Auflage, 100 Arbeitsstunden zu leisten. TS
17.10.10; FRat Brbg 16.10.07 2. April 05 Cottbus in Brandenburg. Ein 16
Jahre alter Flüchtling aus Afghanistan wird in einem Nachtbus von vier
Männern beschimpft und dann mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Er erleidet
eine Prellung des rechten Auges und eine schwere Prellung des Nasenbeines,
die ihm auch Wochen nach dem Angriff noch Schmerzen bereitet. Opferperspektive (ap 4.4.05); jW 5.4.05; taz 5.4.05 4. April 05 Der Flüchtling Momodou Barrow
aus Gambia tritt eine dreimonatige Haftstrafe in der JVA Rottenburg an. Sein
"Vergehen": er hat mehrmals die Residenzpflicht verletzt. Das
heißt, er hat mehrmals den ihm zugewiesenen Landkreis ohne Erlaubnis der
Ausländerbehörde verlassen – das ist eine Ordnungswidrigkeit, die bei
Nicht-Zahlung der Geldstrafen in Haftstrafen umgewandelt wird. indymedia 6.4.05 6. April 05 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Der Abschiebegefangene E. K. versucht sich zu töten. BT DS 16/9142 12. April 05 Ennepetal in
Nordrhein-Westfalen. Der 50 Jahre alte iranische Flüchtling Noureddin T. entführt
vier Mädchen im Alter von 11 bis 16 Jahren aus einem Bus. Dann verschanzt er
sich mit den Geiseln im Keller eines Wohnhauses im Stadtteil Voerde. Bei der
Befreiung der Mädchen durch ein Sondereinsatzkommando der Polizei erleiden
das 16-jährige Mädchen und der Täter leichte Schnittverletzungen. Mit
dieser Tat will Noureddin T. auf die Tatsache aufmerksam machen, daß er seit
zehn Jahren in der BRD ist und seine Frau und seine Kinder nicht nachkommen
dürfen. Die
Situation der etwa 1000 Flüchtlinge, die in NRW kein Asyl bekommen, sei
unerträglich, sagt Mojtaba Sahikibapour vom Verein für politische Flüchtlinge
in Münster. Er wolle nicht die Tat des Geiselnehmers rechtfertigen,
"aber der Nervenkrieg macht die Menschen kaputt". Auch
Noureddin T. hat eine psychiatrische Therapie hinter sich. Bei seiner
Vernehmung nach der Festnahme weist er immer wieder auf den Streß mit
deutschen Behörden und der Bürokratie hin und betont, daß er mit seiner Tat
den Behörden zeigen wollte, wie es ist, von seinen Kindern getrennt zu sein. Wegen
Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung steht Noureddin T. im
Dezember 2005 vor dem Landgericht Hagen. Nachdem Gutachter eine verminderte Schuldfähigkeit
attestieren, wird der Mann freigesprochen und kommt umgehend in die
geschlossene Psychiatrie. Die Aufenthaltsdauer in der Klinik wird jährlich
überprüft und entsprechend dem Gesundheitszustand entschieden werden. taz 13.4.05; taz 14.4.05; Bocholter-Borkener Volksblatt 19.12.05; RP 19.12.05; e 110 21.12.05; FAZ 23.12.05; Pressestelle LG Hagen 14. April 05 Schönebeck in Sachsen-Anhalt.
Zwei Kriegsflüchtlinge aus Jugoslawien, Vater (46) und Sohn (19), werden beim
Einkaufen von einem rechtsradikalen Mann rassistisch beleidigt. Vor dem
Supermarkt werden sie dann von vier Männern, unter ihnen erkennen sie den
Mann von vorher, angegriffen. Die Täter schlagen auf sie ein und werfen
Flaschen auf sie. Als der 19-jährige Flüchtling zu entkommen versucht,
schießt der Deutsche zweimal mit einer Schreckschußpistole auf sie. Der 19-Jährige wird dabei leicht verletzt.
Während die körperlichen Verletzungen ausheilen, bleiben die psychischen
Schäden dieses Angriffs, die sich in Schlafstörungen und Ängsten zeigen. Die
Polizei nimmt die Täter vorläufig fest und ermittelt wegen gefährlicher
Körperverletzung. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 15. April 05 Winterberg in
Nordrhein-Westfalen. In der Nacht wird eine mit Schießpulver und Metallteilen
gefüllte Flasche durch die Fensterscheibe der Flüchtlingsunterkunft geworfen.
Die Flasche explodiert nicht – niemand wird verletzt. VS-Bericht NRW 2005 16. April
05 Abschiebegefängnis
Köpenick in Berlin – Haus II in der 6. Etage. Ohne Vorankündigung verschließen
Wachleute morgens um 9.30 Uhr die Zellen einiger Häftlinge, um eine
Ver-legung "reibungslos" durchführen zu können. Der Palästinenser
M. Q., Flüchtling aus dem Libanon, erwacht auf seiner Pritsche, fragt, was
los sei, und bittet die Beamten, sich das Gesicht waschen zu dürfen. Eine
Waschgelegenheit gibt es nur außerhalb der Zelle. Daraufhin öffnet ein Wärter
die Tür, zieht Herrn Q. auf den Flur, dreht ihm die Hand auf den Rükken und
stößt ihn mit dem Kopf gegen die Zellentür. Dann wird er auf den Boden
geworfen und weiter mit Tritten traktiert. Anschließend legen die Beamten ihn
in Handschellen, obwohl die verletzte Hand stark schmerzt. Im DRK-Krankenhaus Köpenick
müssen eine 2 cm lange Wunde am Kopf, die Verletzung der rechten Hand und ein
verletzter Fuß medizinisch versorgt werden. Am 27. April wird Herr Q.
nach sechsmonatiger Gefangenschaft aus der Haft entlassen. Von den sieben
Augenzeugen der Mißhandlung sind kurze Zeit später bereits zwei Männer
abgeschoben. Antirassistische Initiative Berlin; Pfarrer D. Ziebarth 17. April 05 Hildesheim in Niedersachsen. Die
17-jährige G. Ismaillat vergiftet sich in Selbsttötungsabsicht mit einer
großen Menge verschiedenartiger Tabletten. Sie wird ohnmächtig ins Krankenhaus
eingeliefert und nach einer Notfallbehandlung erfolgt die stationäre Behandlung für
die nächsten fünf Wochen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie des
Krankenhauses Hildesheim. G.
Ismaillat und ihre Familie gehören der Ethnie Mahalmi im Libanon an und ihnen
droht nach 15 Jahren Deutschland-Aufenthalt seit langem die Abschiebung in
die Türkei. Nach einer erneuten Ankündigung der Abschiebung wird G. wegen
schwerer Depressionen und Suizidalität am 23. Juni erneut ins
Landeskrankenhaus eingeliefert. Die Abschiebung ihrer Mutter und ihrer
Geschwister in die Türkei erfolgt am FRat NieSa 17. April 05 Bundesland Bayern. Der
abgelehnte Asylbewerber Alemayehu Lemma Tulu aus Äthiopien tötet sich selbst
in seiner Unterkunft, einem Heim bei Uffenheim. Nach zehnjährigem
Deutschland-Aufenthalt sind seine Kräfte und Hoffnungen erschöpft, und er hat
den Kampf um ein sicheres Leben aufgegeben. Er tötet sich durch Erhängen. Er
hatte in Moskau studiert und ein Diplom als Eisenbahningenieur, als er wegen
zunehmender Fremdenfeindlichkeit Rußland verlassen mußte und aufgrund des
Krieges in Äthiopien beschloß, nicht zurück in sein Her kunftsland, sondern nach
Deutschland zu gehen. Da sein Asylantrag von Anfang an abgelehnt worden war
(Drittstaaten-Regelung), mußte er mit einer Duldung leben, zunächst in der
Zentralen Aufnahmestelle Zirndorf (ZASt), später in einem Heim in Marktbergel
bei Neustadt an der Aisch. Nach
fünf Jahren der Depression bekam Alemayehu Lemma Tulu eine Arbeitserlaubnis,
begann eine Arbeit am Schlachthof Uffenheim und zog in eine eigene Wohnung. Als
ihm dann aber nach dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes und Änderungen
der Zuständigkeit vom Arbeitsamt zur Ausländerbehörde die Arbeitserlaubnis
wegen "fehlender Mitwirkung" entzogen wurde, er wieder auf
Sozialhilfe angewiesen war, mit 40 Euro Taschengeld auskommen mußte und in
ein Sieben-Bett-Zimmer in eine Flüchtlingsunterkunft ziehen mußte, sah er für
sich keine Zukunft mehr. Alemayehu Lemma Tulu wurde 36 Jahre alt. Karawane – Nürnberg 17. April 05 Magdeburg in Sachsen-Anhalt. An
einer Straßenbahn-Haltestelle wird ein 22-jähriger Flüchtling aus Eritrea von
einem alkoholisierten Deutschen als "Nigger" beleidigt und dann mit
einem Faustschlag aufs Auge und Fußtritten angegriffen. Der Flüchtling trägt
leichte Verletzungen davon. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 18. April 05 Flüchtlingsheim Freienbessingen
in Thüringen. Als eine Flüchtlingsfamilie aus dem Kosovo am Abend erfährt, daß
sie unmittelbar abgeschoben werden soll, bricht die Mutter der drei Kinder
ohnmächtig zusammen. Eine Notärztin leistet erste Hilfe, die Abschiebung wird
vorerst gestoppt. TA 23.4.05 21. April 05 Abschiebegefängnis
Köpenick in Berlin. Ein kurdischer Gefangener, dem die Abschiebung in die
Türkei droht, verletzt sich durch Einschnitte an den Armen und Beinen. Er
kommt zur medizinischen Versorgung ins DRK-Krankenhaus Köpenick – danach
zurück in die Abschiebehaft. Antirassistische Initiative Berlin: Pfarrer D. Ziebarth 21. April 05 Abschiebegefängnis
Köpenick in Berlin. Ein Gefangener aus dem Libanon verletzt sich durch
Schnitte und verschluckt einen Gegenstand. Antirassistische Initiative Berlin; Pfarrer D. Ziebarth 21. April 05 Bundesland Brandenburg. Das
Schöffengericht in Fürstenwalde eröffnet die Hauptverhandlung gegen einen
Kreisinspektor des Landkreises Oder-Spree. Dem Angeklagten wird schwere
Freiheitsberaubung und Vollstreckung gegen Unschuldige vorgeworfen. Aufgrund
schriftlicher Manipulation des Beamten in den Akten eines Vietnamesen und
mehrmals bei gerichtlichen Anhörungen geäußerten falschen
Tatsachenbehauptungen hatte Anfang 2002 ein Amtsrichter die Abschiebehaft
gegen den 44-jährigen Betroffenen angeordnet. Der Vietnamese war erst nach siebenwöchiger
Haft und aufgrund des Nachweises der Fälschungen wieder entlassen worden. Das Gericht wertet die Angaben des Beamten
der Ausländerbehörde dahingehend, daß ihm wohl kein Vorsatz bezüglich der
(schweren) Freiheitsberaubung nachgewiesen werden könne. Seine (angebliche)
Unbedarftheit und die rechtlich mindestens zweifelhafte Behördenpraxis wirken
bezüglich des angeklagten Verbrechens quasi strafbefreiend. Als
alleiniges strafrechtlich relevantes Delikt sah die Staatsanwaltschaft
letztlich nur noch die stattgefundene "Spontanfestnahme" (ohne
vorherige richterliche Anordnung) des Vietnamesen, die die Freiheitsberaubung
eingeleitet hatte. Da dies aber "übliche Behördenpraxis" war, wäre
es unangemessen, den Beamten zu bestrafen. Das Verfahren wurde wegen geringer
Schuld des Angeklagten und fehlenden öffentlichen Interesses eingestellt. Anja Lederer – Rechtsanwältin 26. April 05 Als die 34 Jahre alte Libanesin
Sawsan B. in der Berliner Ausländerbehörde vorspricht, wird sie umgehend festgenommen
und ins Abschiebegefängnis gebracht. Die drei Kinder der Alleinerziehenden im
Alter von drei, fünf und sieben Jahren werden sofort von ihr getrennt und zum
Kindernotdienst gebracht. Erst nach achttägiger Trennung sehen sich die
Mutter und ihre total verunsicherten und verstörten Kinder wieder. Frau
B. ist auf der Flucht vor ihrem geschiedenen Mann, der gewalttätig ist, ihr
die Kinder wegnehmen und von seiner Familie erziehen lassen will. Auch
drei Wochen später befindet sie sich noch im Abschiebegefängnis Köpenick,
obwohl laut Weisungslage in Berlin Alleinerziehende mit Rücksicht auf das
Kindeswohl in der Regel nicht inhaftiert werden sollen. Die
Kinder von Frau B. leiden sehr unter der Trennung. Der 5-jährige Ali läuft
orientierungslos in der Einrichtung herum, und seine Stimmung ist sehr
gedrückt, so der Kindernotdienst. Aber auch als der an Asthma leidende Junge
Mitte Mai erheblich erkrankt und unter anderem aufgrund sehr hohen Fiebers in
die Notaufnahme des St.-Joseph-Krankenhauses gebracht werden muß, entscheiden
Amtsgericht und Ausländerbehörde gegen eine Haftentlassung der Mutter. Nach
sechs Wochen Abschiebehaft wird Sawsan B. mit ihren Kindern – im Rahmen der
Schengenregelung – nach London abgeschoben. FRat Berlin 13.5.05; BM 14.5.5; taz 15.5.05; taz 25.5.05; BM 27.5.05; Christoph van Planta – Rechtsanwalt 26. April 05 Abschiebegefängnis
Köpenick in Berlin. Der Übergriff von den Bewachern auf einen Mitgefangenen
(16. April) und die alltäglichen Demütigungen – gepaart mit der Rechtlosigkeit
der Gefangenen und der Unsicherheit über die Dauer der Inhaftierung – waren
der Anlaß, am 18. April einen Hungerstreik zu beginnen. Zur Zeit streiken 16
Männer – vor allem arabische und kurdische Gefangene. Auf der Etage 3/1 wird
von 20.00 Uhr bis 22.30 Uhr ein Exempel statuiert. Ein Trupp von 15 Bewachern
erscheint und fordert die 35 Gefangenen auf, die Zellen zu verlassen und in
den Aufenthaltsort oder in die Küche zu gehen, wo die Männer eingeschlossen
werden. Während die nicht am Hungerstreik Beteiligten und nicht arabisch
sprechenden Männer kurz durchgetastet werden, müssen sich alle arabisch
sprechenden und die hungerstreikenden Männer nackt ausziehen und werden
untersucht – auch und speziell die Körperöffnungen – mit der Begründung, es werde
nach Gegenständen gesucht, mit denen Selbstverlet-zungen durchgeführt werden
könnten. Vor allem die Tatsache, daß auch ein 57-Jähriger nicht verschont
wird, empört die Gefangenen besonders ("Keine Ehrfurcht vor
niemand", "Was ist das für ein Land"). Als die Männer dann einzeln
in die Zellen zurückkommen, finden sie diese total verwüstet vor. Bettbezüge
sind abgezogen und auf den Boden geworfen, private Bilder von den Wänden
gerissen, persönliche Gegenstände auf den Boden geworfen – auf Lebensmittel wurde
Duschgel ausgegossen. Ein Gefangener ruft über
sein Handy die Nummer 110 – woraufhin die externen Polizisten auch
tatsächlich erscheinen und den Tatbestand protokollieren. Ein anderer Gefangener
nimmt eine Rasierklinge in den Mund und sagt zu den Bewachern, daß er sie
schlucken würde, wenn sie nicht gehen würden. Mitgefangenen gelingt es dann,
ihn zu überreden, die Klinge herauszugeben. Die Bedingung, daß er
anschließend nicht geschlagen werde, sicherte ihm der anwesende Leiter des
Abschiebegefängnisses zu. Trotzdem schleppten sie ihn in den Keller,
schubsten ihn heftig hin und her – wohl in der Absicht, ihn zu provozieren.
Ein Mitgefangener, dem es gelingt mitzugehen, erlebt ähnliches. Nachdem der Mitgefangene in
den Zellentrakt zurückgebracht wird, bleibt der psychisch schwer
Angeschlagene in einer Einzelzelle im Keller. Hinter offener Zellentür – von
drei Beamten bewacht. Antirassistische Initiative Berlin 26. April 05 Pasewalk in
Mecklenburg-Vorpommern. Ein 25 Jahre alter Flüchtling aus Algerien wird von
einem Deutschen unter "Heil Hitler"-Rufen getreten und dabei leicht
verletzt. LOBBI 30. April 05 Am Ortseingang des
brandenburgischen Waßmannsdorf wird ein algerischer Flüchtling morgens um 4.30
Uhr von drei jungen Deutschen angehalten und nach Zigaretten gefragt. Nachdem
der Mann dem dritten Deutschen keine Zigarette mehr geben will, wird er vom
Fahrrad gestoßen und auf dem Boden liegend zusammengetreten. Mit
einem Schädelhirntrauma und Rippenprellungen kommt er ins Krankenhaus, wo er
stationär behandelt werden muß. Opferperspektive April 05 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
In der Flüchtlingsunterkunft in Löhne zetteln drei Deutsche einen Streit mit
anschließender Schlägerei an. Dabei erleidet Hasan K. schwere Verletzungen am
Hinterkopf und im Mundbereich. Er muß sich mehrere Wochen lang stationär im
Krankenhaus behandeln lassen. Die
Täter werden strafrechtlich verfolgt und müssen sich zudem wegen weiterer
Taten vor Gericht verantworten. LöN 1.6.06 Frühjahr 05 Abschiebehaft in der JVA
Ingelheim in Rheinland-Pfalz. Bei einem Abschiebeversuch fügt sich die
Asylbewerberin Frau A. mit einer Rasierklinge mehrere Schnittverletzungen am
Unterarm und an den Beinen zu. Dies ist bereits der dritte Abschiebeversuch,
der abgebrochen werden muß, und Frau A. kommt in eine psychiatrische Klinik. Die
abgelehnte Asylbewerberin hat vier Monate Abschiebehaft hinter sich. Zunächst
saß sie drei Monate in der JVA Zweibrücken und seit vier Wochen in Ingelheim.
Ein
vorheriger Versuch, Frau A. abzuschieben, war gescheitert, weil sie zu dem
Termin akut erkrankt war. Das nächste Mal hatte sie vor Panik
so geschrien, daß sie nicht ausgeflogen wurde. Nach
der heutigen Selbstverletzung stellt ihre Rechtsanwältin einen Antrag auf
Wiederaufnahme des Verfahrens zur Feststellung von Abschiebehindernissen
gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 7. Im
Klageverfahren stellt dann das VG Mainz fest, daß ein Abschiebeverbot nach §
60 Abs. 7 AufenthG vorliegt. Frau A. erhält deshalb eine Aufenthaltserlaubnis
nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Bündnis Abschiebehaft Ingelheim; Demo-Vorbereitungsgruppe Ingelheim 4. Mai 05 n Bundesland Bayern. In der JVA
München-Stadelheim nimmt sich der Abschiebegefangene K. P. das Leben. BT DS 16/9142 5. Mai 05 Bundesland Sachsen-Anhalt –
sogenannter Herrentag. Der 36 Jahre alte liberianische Flüchtling James
Billey wird am späten Nachmittag am Halberstädter Bahnhof von einer Horde
stark angetrunkener glatzköpfiger Rechter angegriffen. James Billey flieht
und versucht, sich zunächst bei einem Dönerstand und dann bei einem
Taxifahrer in Sicherheit zu bringen. Beide weisen ihn ab, obwohl inzwischen
eine Meute von ca. zehn Kurzgeschorenen hinter ihm her ist. Sie traktieren
ihn mit Faustschlägen, reißen ihn zu Boden und schlagen ihm Bierflaschen auf
den Kopf. Der BGS-Beamte Dennis Bohnstedt, der auf dem Weg zur Arbeit ist,
greift jetzt ein, stellt sich zwischen Angreifer und Opfer und versucht, die
Situation verbal zu deeskalieren. Jetzt wird der Beamte mit Faustschlägen
attackiert, zu Boden gerissen, getreten und mit Bier- und Sektflaschen
gezielt auf den Kopf geschlagen. Auch sein Diensthund wird durch Tritte gegen
die Rippen verletzt – sogar sein Auto wird demoliert. Minutenlang
stehen Schaulustige dabei, und erst nach "energischen
Aufforderungen" des uniformierten Dennis Bohnstedt wird die Polizei
gerufen. Nicht sie, sondern hinzukommende Straßenbahn-Passagiere greifen dann
tätlich ein und halten drei der Kahlgeschorenen fest, bis die Polizei
eintrifft. Bei den drei Gewalttätern handelt es sich um polizeibekannte
Rechtsextremisten im Alter von 24, 27 und 29 Jahren aus der Gegend. Einer von
ihnen ist am gleichen Tag wieder auf freiem Fuß. Gegen zwei Schläger wird
Haftbefehl erlassen. Fünf Tätern gelang beim Eintreffen der Polizei die
Flucht. Die
beiden Verletzten müssen mit Platzwunden am Kopf und zahlreichen Prellungen
medizinisch behandelt werden. Dem BGS-Beamten wurden zwei Schneidezähne
ausgeschlagen. Am
5. Februar 2006 müssen sich drei Täter vor dem Schöffengericht in Halberstadt
wegen gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte
verantworten. Sie können sich angeblich an die Hetzjagd auf den Liberianer
nicht mehr erinnern. Ein
26 Jahre alter Angeklagter wird zu einer Haftstrafe von 3 Jahren verurteilt –
die zwei Mittäter (29 und 31 Jahre alt) bekommen Haftstrafen von zwei Jahren
mit dreijährigen Bewährungsfristen. Während der Richter den Überfall hier
noch als "ganz normale Herrentagstour" verharmlost, spricht der
Vorsitzende des Landgerichtes Magdeburg in der Berufungsverhandlung am 6.
Juli 2007 von einer "eindeutig ras sistisch und
zielgerichteten" Tat und erhöht die Urteile auf dreieinhalb Jahre
Gefängnis für den 26-Jährigen und auf zweieinhalb Jahre ohne Bewährung für seine
rechtsradikalen Kumpane. Yahoo!Nachrichten 6.5.05; ap 7.5.05; MDZ 7.5.05; JWB 13.5.05; VM 15.7.05; MDZ 3.2.06; mdr 6.2.06; MDZ 6.2.06; MVZ 6.2.06; FR 7.2.06; JWB 15.2.06; VM 30.5.06; VM 13.6.06; Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt; ad-hoc-news.de
15.6.07; dpa 15.6.07; ad-hoc-news.de
6.7.07; mut-gegen-rechte-gewalt.de 6.7.07 5. Mai 05 Bundesland Brandenburg. Am
Hauptstrand des Helenesees bei Frankfurt (Oder) geraten fünf Asylbewerber im
Alter zwischen 13 und 22 Jahren in eine tätliche Auseinandersetzung mit einer
Gruppe von 15 bis 20 Deutschen. Bei dieser Prügelei erleidet einer der
Deutschen eine Stichverletzung im Brustbereich und muß ins Krankenhaus. Strafverfahren
werden sowohl gegen zwei Iraker, zwei Rumänen und einen 13-jährigen Afghanen
wegen gefährlicher Körperverletzung als auch gegen die Deutschen eingeleitet.
Letztendlich soll eine DNA-Analyse bei der Suche nach dem Messerstecher
weiterhelfen. Laut Auskunft der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) sind im
Februar 2006 die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen und ein Ende der
Verfahren nicht absehbar. Am 6. Dezember 2006 teilt die Staatsanwaltschaft
mit, daß die Verfahren gegen alle Beteiligten eingestellt wurden, weil der
Tatverdächtige (Tatwerkzeug: Messer) nicht ermittelt werden konnte. Polizei Frankfurt (Oder) 5.5.05; StA Frankfurt (Oder) 7. Mai 05 Bundesland Brandenburg. Im
Bereich des Bundespolizeiamtes Frankfurt / Oder wird ein ertrunkener
vietnamesischer Staatsbürger aufgefunden. BT-Drucksache 16/3768 13. Mai 05 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Eine 37 Jahre alte Gefangene aus Nigeria wird mitten in der Nacht von
der Polizei abgeholt und nach Bremen gefahren. Sie ist von ihrem deutschen
Freund schwanger – jetzt im sechsten Monat – und hat die letzten drei Monate
im Abschiebegefängnis verbringen müssen. Ihr Asylfolgeantrag ist noch nicht
rechtskräftig entschieden. Als
sie sich auf dem Bremer Flughafen zu wehren beginnt, wird sie an Händen und
Füßen gefesselt und von neun Polizisten gewaltsam ins Flugzeug gebracht. Sie
wird geschlagen und ihr Kopf wird gegen die Tür des Flugzeugs gestoßen.
Während des gesamten Fluges bleibt sie gefesselt. Erst als ihr schwindelig
wird, werden ihre Fesseln an den Füßen etwas gelockert. Nach
der Ankunft in Lagos kann sie aufgrund der Verletzungen durch die Fesselung
nicht mehr laufen. Sie muß ihre Wunden an den Füßen und am Kopf und die
Prellungen und Schürfwunden am ganzen Körper vier Tage lang im Krankenhaus
behandeln lassen. Sie steht auch hier noch unter Schock. Initiative gegen Abschiebehaft Berlin 13. Mai 05 Braunschweig in Niedersachsen.
Kurz nach Mitternacht wird ein 23 Jahre alter Flüchtling aus Sierra Leone in
der Friedrich-Wilhelm-Straße liegend aufgefunden. Er kommt mit einer
lebensgefährlichen Stichverletzung im Brustkorb im Bereich des Herzens ins
Krankenhaus und kann durch eine Notoperation gerettet werden. Zwei
Wochen später wird ein 26 Jahre alter Tatverdächtiger in seiner Wohnung
verhaftet und gesteht die Tat. Im Zusammenhang mit Drogenhandel hatte er im
Streit auf den Afrikaner eingestochen. Polizei Braunschweig 13.5.05; JWB 18.5.05; Polizei Braunschweig 26.5.05; BrZ 26.5.05 19. Mai 05 Neustadt in Rheinland-Pfalz. Die
Ablehnung der Asylfolgeanträge der in Ludwigshafen lebenden kurdischen
Familie Y. soll vor dem Verwaltungsgericht verhandelt werden. Seit
längerer Zeit liegen mehrere fachärztliche und klinische Gutachten vor –
unter anderem vom Zentrum für Folteropfer Ulm, Außenstelle Karlsruhe –, die eine
schwere Traumatisierung von Herrn Y. belegen. Herr Y. ist inzwischen acht
Monate lang in stationärer psychiatrischer Behandlung gewesen und muß auch
weiterhin ärztlich behandelt werden. Schon
nach dem ersten Satz bei der Beschreibung der erlittenen Folter durch
sogenannte Antiterror-Einheiten in der Türkei sagt Herr Y., daß er nichts
mehr sehen kann, rennt in Panik vor die Tür und bricht auf dem Flur zusammen.
Er erleidet eine schwere Retraumatisierung. Der an Diabetes leidende Mann hat
zudem eine akute Überzuckerung und kommt nach einer Notfall-Behandlung für
die nächsten zwei Tage ins Krankenhaus. Auch
die 28 Jahre alte Tochter H. ist krank und war bereits vier Wochen lang in
stationärer Behandlung. Sie leidet unter einer schweren Posttraumatischen
Belastungsstörung, deren Behandelbarkeit in der Türkei nicht sichergestellt
ist. Die Familie war
vor neun Jahren in die BRD geflohen, und bereits vor zwei Jahren hatten
Unterstützerinnen und Unterstützer mit Unterschriften-Sammlungen ein
Bleiberecht gefordert, um der Familie die Fortdauer der Angst vor der
Abschiebung nicht länger zuzumuten. Während
Herr Y. und seine Tochter im August 2005 Bleiberecht erhalten, ist der heute
24-jährige Sohn im Februar 2006 akut von Abschiebung bedroht. (siehe auch: Januar 97 und 27.
März 03) Bündnis gegen Abschiebungen Mannheim 22.5.05 20. Mai 05 Nachdem der 22 Jahre alte
Afghane Daved M. – zusammen mit seinem Anwalt – einen Asylfolgeantrag
gestellt hat, wird er unerwartet vor der Hamburger Ausländerbehörde in der
Amsinckstraße festgenommen. Dann bricht er zusammen. Notarztwagen und
Rettungshubschrauber werden vor die Behörde geordert. Im Notarztwagen zittert
er heftig am ganzen Körper, Kopf und Arme fliegen hin und her, das Gesicht
ist verzerrt. Er kommt in die psychiatrische Abteilung des Krankenhauses
Harburg. Als
seine Mutter, die im Flur der Ausländerbehörde auf ihn wartet, von seiner
Festnahme erfährt, fällt sie in Ohnmacht, schreit nach dem Erwachen und ist
nicht zu beruhigen. Der Notarztwagen bringt auch sie in ein Krankenhaus. Noch
am nächsten Tag hat Daved M. Weinkrämpfe, er gestikuliert mit einem Arm
ununterbrochen, hat die Augen zusammengekniffen – er ist nicht ansprechbar.
"Helf mir, helf mir!" ruft er leise – und immer wieder die gleichen
Worte: "Ich bin gestorben, ich bin gestorben, ich bin tot." Doch
auch der Schutzraum Krankenhaus gilt für die Behörden nicht mehr. An zwei
aufeinander folgenden Tagen
dringt die Polizei in sein Krankenzimmer ein, nur "um zu gucken,
ob der Mann noch da ist", sagt ein Sprecher der Ausländerbehörde. Daved
M. erlebt diese Kontrollen als akute Bedrohung, weil er davon ausgeht, daß er
umgehend festgenommen werden soll. Daved
M. hat in Afghanistan Morddrohungen bekommen; bei einer Rückkehr fürchtet er
den Tod. "Lieber mach ich es selbst." Anfang Juni wird bekannt, daß
er nach einem Spaziergang nicht mehr ins Krankenhaus zurückgekehrt ist. Monate
später wird er in Oslo festgenommen und über Hamburg – entsprechend dem Dublin-II-Abkommen – direkt nach Kabul
abgeschoben. Inzwischen
hat die Ausländerbehörde Hamburg die bundesweit erste Abschiebung nach
Afghanistan vollzogen. Berichte von AugenzeugInnen 20.5.05 und 21.5.05; FRat HH; taz 26.5.05; Café Exil 2.6.05; HA 3.6.05;
Café Exil 3.6.05; taz 4.6.05; Berufsverband Deutscher Psychologinnen und
Psychologen 13.6.05; Report Psychologie 7/8/2005; Antirassistische Initiative Berlin 22. Mai 05 Chemnitz in Sachsen. In der
Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber im Adalbert-Stifter-Weg zünden Unbekannte
um 14.15 Uhr eine Matratze und Bettwäsche an. Aufgrund
der starken Verrußung müssen 50 Personen vorübergehend evakuiert werden. Die
Kriminalpolizei nimmt Ermittlungen wegen des Verdachtes der Brandstiftung
auf. Polizei Chemnitz 23.5.05; Sachsen Fernsehen 23.5.05 25. Mai 05 Norderstedt in
Schleswig-Holstein. Morgens um 4.00 Uhr dringen Vertreter der
Ausländerbehörde und Polizeibeamte in die Flüchtlingsunterkunft am Buchenweg
ein, wecken die Familie Özdemir und kündigen die Abschiebung an. Die
40-jährige Kurdin Besime Özdemir erleidet einen Nervenzusammenbruch – der
gerufene Notarzt verabreicht Beruhigungsmittel. Ihr 16-jähriger Sohn Hadin
ergreift die Flucht. Ihr Ehemann Akif leistet heftigen Widerstand,
verbarrikadiert sich mit einem Messer in einem Zimmer. Einer inzwischen
eingetroffenen Betreuerin von der Migrationsberatung der Diakonie verweigert
die Polizei das Gespräch mit Akif Özdemir. Stattdessen kommt ein
Sondereinsatzkommando, nimmt den 40-Jährigen fest und bringt ihn ins
Abschiebegefängnis nach Rendsburg. Frau
Özdemir wird mit ihren noch anwesenden Kindern, den Töchtern Tulay (4 Jahre),
Canan (15 Jahre ) und dem 10-jährigen Sohn Asil zum Flughafen Düsseldorf
gebracht. Einige von ihnen tragen noch Hausschuhe – Geld haben sie nicht dabei;
Gepäck sinnvoll zu packen, dazu war Frau Özdemir nicht in der Lage gewesen.
Auf Bitte von UnterstützerInnen bekommt sie vom Flughafensozialdienst ein
Handgeld, damit sie nicht vollkommen mittellos in Istanbul ankommt. Die
Özdemirs, die in Türkisch-Kurdistan von der Viehzucht gelebt hatten, hatten
ihren Ort verlassen müssen, nachdem sie als potentielle PKK-KämpferInnen
unter Druck gesetzt, bedroht, geschlagen und mißhandelt worden waren. 1999
flohen sie in die BRD und stellten Anträge auf Asyl. Besime
Özdemir ist aufgrund von Folter und Vergewaltigung in türkischer
Gefangenschaft psychisch schwer traumatisiert. In Folge der Posttraumatischen
Belastungsstörung mußte sie mehrmals ins Krankenhaus. Ihre Panikattacken,
Krampf- und Ohnmachtsanfälle, die in Streßsituationen auftreten und auf die
sie keinen Einfluß hat, wurden nicht weniger. Trotz
der schweren Symptomatik bereitet die Ausländerbehörde die Abschiebung der
Familie vor. Durch eine Zwangsvorführung im türkischen Konsulat in Hamburg
wird eine nachhaltige Retraumatisierung eingeleitet und Frau Özdemir muß sich
wieder im Krankenhaus behandeln lassen. Ihre
Abschiebung erfolgt während der laufenden Behandlung. Da sie viele Gutachten
vorlegen kann, die ihre schwere Erkrankung belegen und in denen vor einer
Retraumatisierung nach einer Abschiebung gewarnt wird, erfolgt die
Abschiebung in Begleitung eines Amtsarztes. Doch entgegen der Ankündigungen
der Ausländerbehörde, dieser Arzt würde für eine fachärztliche
Weiterbehandlung in der Türkei sorgen und sie in die Obhut eines Arztes
übergeben, wird Besime Özdemir noch auf dem Flughafen Istanbul von Militärs
abgeführt und neun Stunden lang verhört – dann nachts um 2.00 Uhr frei
gelassen. Sie
kommt für die nächsten Tage bei einer Cousine unter. Nicht nur durch die
Unterbrechung der Therapie, auch durch den abrupten Entzug der Medikamente
besteht jetzt die Gefahr einer Lebensgefährdung durch Dekompensation. 12 Tage
später untersucht sie Dr. Ülgen, Arzt und Koordinator einer Stiftung für
Gesellschafts- und Rechtsstudien mit einer Abteilung für
Trauma-Rehabilitätion. Er kritisiert das Verhalten der deutschen Behörden als
unverantwortlich, weil die Behandlung abgebrochen wurde und Frau Özdemir
keine Medikamente mitbekam. Die Therapie könne nur in Istanbul fortgesetzt
werden, was aber nicht möglich ist, weil die Familie aus finanziellen Gründen
bei ihren Verwandten in Elazig in der Ost-Türkei unterkommen müsse. Der
während der Abschiebung geflohene Sohn Hadin wird zur Fahndung
ausgeschrieben, erhält dann aber doch eine kurzfristige Duldungsverlängerung.
Herr Özdemir sitzt in Abschiebehaft, ist nach Aussage des Anstaltsarztes
"suizidal und bedarf dringend einer fachärztlichen Behandlung". Die
Abschiebung von Akif und Hadin erfolgt am 24. Juni. Die
Geburtsurkunde der in Deutschland geborenen Tochter wird nicht anerkannt, so
daß sie nicht angemeldet werden kann. Der Antrag auf eine Yesil-Card, die
ihnen eine medizinische Grundversorgung ermöglicht hätte, wird abgelehnt. Als
KurdInnen, die im Verdacht stehen, die PKK unterstützt zu haben, haben sie
keine Chance. Im
Jahre 2007 ist Frau Özedmir wieder schwanger und es geht ihr körperlich und
seelisch sehr schlecht. Die Psychotherapie hat sie bisher nicht fortsetzen
können. FRat SH 27.5.05; jW
28.5.05; FRat SH 8.6.05; NoZ 14.6.05; jW 27.6.05; NoZ
28.6.05; LN 5.7.05; taz
11.7.05; Der Schlepper Nr. 40/41 Oktober 2007 25. Mai 05 Massenabschiebung von kurdischen
Flüchtlingen über den Flughafen Düsseldorf. Unter den 15 Familien und einigen
alleinstehenden KurdInnen, die aus verschiedensten Orten des gesamten
Bundesgebietes abgeholt wurden, befindet sich eine Frau, die liegend
transportiert wird. Sie sollte eigentlich an diesem Tag operiert werden. kmii 29.5.05 25. Mai 05 Wahlstedt in Schleswig-Holstein.
Der 24 Jahre alte Nigerianer Robert Nwanna kommt vom Einkaufen und ist auf
dem Weg zu der Wohnung seiner Verlobten in den Sudetenweg 9. Ca. 50 Meter vor
dem Wohnhaus muß er an einer Gruppe alkoholisierter Jugendlicher vorbei. Sie
haben kurze Haare oder Glatzen - einer hält einen Golfschläger in der Hand,
ein anderer ein Messer und ein dritter eine Kehrschaufel. Zwei Brüder haben
ihre Kampfhunde, einen Bullmastiff und einen Pitbull, dabei. Als
Robert Nwanna an ihnen vorbei gehen will, wird er von einer Frau als
"Scheißneger" und "Nigger" beleidigt, und ihr Kumpane
rammt ihm seine rechte Faust ins Gesicht, was lautes Gejohle in der Gruppe
hervorruft. In Panik flieht der Angegriffene, verfolgt von drei Männern.
Seine Verlobte öffnet ihm die Tür der im Erdgeschoß liegenden Wohnung. Ihre
eineinhalb Jahre alte Tochter ist durch den Krach vor der Haustür völlig
verstört und schreit. Dann treten die Verfolger die Wohnungstür ein - Robert
Nwanna springt mit einem Messer in der Hand aus dem Fenster. Draußen
sieht er sich einer Gruppe von inzwischen zehn Menschen gegenüber. Der Mann,
der ihn schon zuvor geschlagen hat, hält jetzt ein Messer in der Hand. Mit
den Worten "Das Ding ist viel zu kurz" wirft er es weg und läßt
sich von seinem Kumpanen den Golfschläger geben. Mit diesem Sportgerät aus
Metall schlägt er zu und trifft Robert Nwanna am Oberkörper. Dieser sticht
jetzt mit seinem Messer zu und trifft den 30-jährigen Angreifer an der linken
Halsseite. Die dadurch entstehende heftige
Blutung kommt zum Stehen – der Verletzte kommt ins Krankenhaus, das er nach
zwei Tagen wieder verlassen kann. Robert
Nwanna, der an der Stirn und auf seiner Brust Prellungen, Blutergüsse und
blutende Wunden hat, wird von der gerufenen Polizei in Handschellen gelegt
und zur Wache nach Bad Segeberg mitgenommen. Dort bleibt er bis zum nächsten
Morgen in einer Zelle. Die
polizeilichen Ermittlungen richten sich von Anfang an gegen ihn, und die
Beweisführung und –sicherung ist entsprechend einseitig. Die AngreiferInnen
werden keinerlei Blutuntersuchung unterzogen, um ihre Glaubwürdigkeit
einzuschätzen – ihre Tatwerkzeuge, das Messer und der Golfschläger, werden
nicht sichergestellt und bleiben verschwunden. Auch finden sich bezeichnende
Eintragungen im polizeilichen Protokoll: so wird festgehalten, daß Robert
Nwanna in Begleitung seiner "Verlobten" (in Anführungsstrichen)
gewesen sei, und ihre gemeinsame Tochter wird als "augenscheinlich
Mulattin" bezeichnet. Erst
nach einer Anzeige der Rechtsanwältin von Robert Nwanna wird gegen sechs
Gruppenmitglieder wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung
ermittelt. Alle Verfahren werden eingestellt, weil die Staatsanwältin Silke
Füßinger bei ihnen kein strafbares Verhalten erkennen kann. Stattdessen ermittelt sie gegen das Opfer des
rassistischen Angriffs. Im Juni 2008 klagt sie Robert Nwanna an,
"mittels eines gefährlichen Werkzeugs und einer das Leben gefährdenden
Behandlung eine andere Person körperlich mißhandelt und an der Gesundheit
geschädigt zu haben". Da sich das Amtsgericht Bad Segeberg jedoch
weigert, das Verfahren zu eröffnen, weil es von einer Notwehrsituation des
Angeschuldigten ausgeht, verzögert sich die Prozeßeröffnung noch um ein Jahr. Am
24. Juni 2009 wird Robert Nwanna nach vier Prozeßtagen zu einer
Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Richter
Wüllenkemper rät dem Angeklagten am Ende der Urteilsbegründung, doch besser
Deutsch zu lernen, damit er sich besser integrieren könne. Und weiter: Auch
wenn es schwer falle, sich "in die Lebenswirklichkeit eines Menschen mit
schwarzer Hautfarbe zu versetzen", so gebe es in Deutschland doch
eigentlich nur sehr wenige Rassisten, so sein Resumee. Spiegel 30.6.08; infoarchiv-norderstedt.org 5.7.08; JuSe 25.6.09; Gegenwind Nr. 251 – August 2009 27. Mai 05 Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern. In der Ortschaft Krugsdorf werden zwei Flüchtlinge
von vier Männern und zwei Frauen unter anderem mit Sprüchen wie "Scheiß
Ausländer!" beleidigt. Dann zieht einer der Deutschen einen Schraubenzieher
und sticht einem Flüchtling in den Oberschenkel und dem anderen in die Hüfte.
Nach
ambulanter Behandlung können die Verletzten das Krankenhaus wieder verlassen. LOBBI 28. Mai 05 Abschiebegefängnis
Köpenick in Berlin – Haus 3/1. Der 27 Jahre alte Algerier Boutouchent A.
leidet am Abend unter zunehmend stärker werdenden Schmerzen im Brustbereich.
Als die Mitgefangenen das Wachpersonal darauf aufmerksam machen, bekommen sie
zur Antwort: "Ihr seid doch alle krank!" – dann essen die
Wachmänner weiter. Der zunehmend schlechter werdende Gesundheitszustand des
Algeriers veranlaßt die Mitgefangenen immer wieder, sich beim Wachper-sonal
zu melden und Druck zu machen. Zwei Stunden später –um 22 Uhr – wird der
Kranke dann nach unten in den Sanitätsbereich gebracht. Ärzte sind am
Wochenende nicht im Dienst, und es wird auch keiner wegen dieses Notfalls
geru-fen. Ein Sanitäter vermutet, da es an diesem Tag sehr heiß ist, daß
Boutouchent A. eventuell an einem Hitzschlag leidet – er solle viel trinken.
Der Gefangene bekommt eine Tablette und muß dann zurück in den Zellentrakt. Dem Patienten geht es immer
schlechter, er wird dann ein zweites Mal in den Sanitätsbereich gebracht.
Dieses Mal im Rollstuhl, weil er vor Schmerzen fast nicht mehr laufen kann.
Offensichtlich aufgrund eines Verdachtes versucht der zuständige Sanitäter,
ein Elektrokardiogramm anzufertigen. Weil das EKG-Gerät nicht funktioniert,
probiert er es mit dem Defribrillator, doch auch dies klappt nicht. Der
Sanitäter gibt dem Kranken eine Magnesium Tablette und schickt ihn zurück in
die Zelle. Mitgefangene helfen ihm, sich auf die Pritsche zu legen. Als sein
Gesicht blau anläuft, rufen die Mitgefangenen um Hilfe und trommeln gegen die
Zellentüren. Erst als sie drohen, "Probleme" zu machen, wenn
niemand helfen würde, erklärt sich einer der Bewacher bereit, einen
Krankenwagen zu ordern. Ein Krankenwagen kommt nicht, stattdessen wird der
Kranke mit Handschellen gefesselt und um 0.30 Uhr – vier Stunden nach der
ersten Meldung – mit einem Polizeitransporter ins DRK-Krankenhaus Köpenick
gefahren. Die Ärzte stellen bei
Boutouchent A. einen akuten Herzinfarkt fest und führen umgehend eine
zweistündige Herzkatheter-Behandlung durch. Er habe großes Glück, daß er
überlebte, sagt ihm später einer der behandelnden Ärzte. Von den sechs Zeugen dieses
Vorfalles wird ein Gefangener abgeschoben, zwei Gefangene werden
entlassen,und einem Mann droht die Abschiebung in die Türkei, wo er von
Folter bedroht ist. Die Abschiebung von Boutouchent A. ist vorerst
ausgesetzt, und nach Beendigung des Krankenhausaufenthaltes wird ihm ein
Platz im Asylerstaufnahmelager in der Motardstrasse in Berlin-Spandau
zugewiesen. Dieses Heim wird von der Senatsverwaltung faktisch als
Ausreisezentrum für Flüchtlinge genutzt. Die BewohnerInnen bekommen hier
statt der üblichen abgesenkten Geldleistungen lediglich Unterkunft und
Vollverpflegung mangelnder Qualität. Unter diesen Lebensumständen ist eine
Heilung des schwer herzkranken Boutouchent A. schlichtweg ausgeschlossen Boutouchent A., der erst im
Februar in die BRD eingereist war und zwei Wochen später ohne jegliche
Papiere festge-nommen und inhaftiert wurde, bekommt aufgrund seiner schweren
Erkrankung zunächst eine Duldung. Die Strafanzeige, die Herr
A. gegen den Sanitäter und das Wachpersonal wegen unterlassener Hilfeleistung
stellt, wird von der Staatsanwaltschaft nach kurzer Zeit eingestellt. Erst
auf die Beschwerde des Rechtsanwaltes hin wird das Ermittlungsverfahren
wieder aufgenommen. Durch die Presse erfahren
Herr A. und sein Rechtsanwalt, daß der Sanitäter wegen Fehlverhaltens einen
Strafbefehl über 900 Euro bekommen hat und eine Anklage gegen das
Wachpersonal noch nicht erhoben ist. Auf den Antrag des Rechtsanwaltes auf
Akteneinsicht ist auch im Februar 2006 noch nicht eingegangen worden
Am 9. November steht
Boutouchent A. selbst wegen illegaler Einreise und illegalen Aufenthalts über
einen Zeitraum von 14 Tagen vor dem Amtsgericht Moabit. Mit Hinweis auf das,
was dem Angeklagten im Abschiebegefängnis widerfahren ist, urteilt der
Richter "ausgesprochen milde" und verhängt eine "symbolische
Strafe", indem er den Algerier verwarnt. Sollte dieser allerdings wieder
straffällig (!) werden, dann müsse er 150 Euro Geldstrafe zahlen. Der Prozeß gegen den
Polizeisanitäter vor dem Amtsgericht Tiergarten endet am 21. November 2007
mit der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen
wegen fahrlässiger Körperverletzung. Damit ist der Polizeiangestellte, der im
Februar 2008 altersbedingt den Dienst beendet, nicht vorbestraft und behält
seine volle Pension. Das Urteil gründet sich auf der Tatsache, daß der
Sanitäter den Gefangenen mit den typischen Herzinfarkt-Symptomen in die Zelle
zurückgeschickt hatte, weil das EKG-Gerät nicht funktionierte. Anfang des Jahres 2008 ist
es Boutouchentr A. immer noch nicht erlaubt worden, in eine private Wohnung
zu ziehen – er befindet sich weiterhin in der Motardstraße. Seine
Herzleistung ist inzwischen auf 50% reduziert. Berichte der
Mitgefangenen 29.5.05; Pfarrer D.
Ziebarth; Polizei Berlin 31.5.05; BeZ
1.6.05; taz 3.6.05; jW 8.6.05; FRat Berlin 12.10.05; BeZ
5.11.05; BeZ 10.11.05; Welt 23.11.07; FRat Berlin
28.11.07; Freitag
15.2.08, Rüdiger Jung – Rechtsanwalt Mai 05 Bundesland Thüringen. Ein ca. 30
Jahre altes Ehepaar aus Ghana bringt seinen 3-monatigen Säugling ins
Krankenhaus, weil das kleine Mädchen seit Tagen nichts mehr zu sich nehmen
will und krank ist. Auf die Frage, was dem Kind zu Trinken gegeben wurde,
geht der Vater ins Heim zurück und bringt eine leere Packung Milch, die dem
Kind gegeben wurde. Die Ärztin stellt fest, daß das Verfallsdatum der Milch
vor acht Monaten abgelaufen ist. Die Familie lebt mit Heimverpflegung in
der Erstaufnahmeeinrichtung Eisenberg
in Thüringen. The VOICE Jena 2. Juni 05 Mohammad A., ein ca. 20 Jahre
alter Flüchtling und abgelehnter
Asylbewerber aus Afghanistan, wird auf der Straße unweit der Hamburger
S-Bahnstation Rübenkamp blutüberströmt und bewußtlos aufgefunden. Neben ihm
liegt ein Messer. In
seiner Tasche befindet sich die Vorladung der Ausländerbehörde, sich heute
zwecks Abschiebung am folgenden Tag mit maximal 24 kg Gepäck in der Behörde
Amsinckstraße einzufinden. Nach
notärztlicher Versorgung kommt er in das Krankenhaus Rissen und wird später
von dort aus in die Psychiatrie ins Klinikum Nord verlegt. FRat HH; Café Exil 3.6.05; taz
4.6.05 2. Juni 05 Hamburg. Der 22-jährige Feridun
Z., Flüchtling aus Afghanistan und abgelehnter Asylbewerber, wird in der Hamburger
Ausländerbehörde wegen angeblicher Fluchtgefahr festgenommen. Seine Mutter,
die ihn begleitet, bricht im Schock zusammen und kommt zur stationären
Behandlung ins Krankenhaus. Feridun
Z. lebt seit zwei Jahren mit seiner Mutter und seinem Bruder in Hamburg. Auch
der Bruder hat bereits eine Abschiebeankündigung erhalten. Am Nachmittag wird
er nach Frankfurt am Main gebracht – um 23.59 Uhr des nächsten Tages startet
die Maschine über Islamabad nach Kabul. Feridun Z. kommt in ein Land zurück,
mit dem er ausschließlich Mord und Elend verbindet. Angehörige hat er hier
nicht – sein Vater wurde vor zwei Jahren im afghanischen Herat ermordet. FRat HH; Café Exil 3.6.05; taz 4.6.05 8. Juni 05 Sachsen-Anhalt. Aus dem Zimmer
eines türkischen Bewohners des Flüchtlingsheimes in Weferlingen dringt
starker Brandgeruch. Als die von innen verschlossene Tür von der Feuerwehr
aufgebrochen ist, kann der 33-Jährige ohnmächtig geborgen werden. Er kommt
mit einer Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus. Es
stellt sich heraus, daß der Mann mit einer in einer Zimmerecke ausgegossenen
brennbaren Flüssigkeit den Brand wahrscheinlich selber gelegt hat. Die
Brandlegung wird als Verzweiflungstat eingeschätzt. Im Januar 2006 befindet
sich der Mann in einer psychiatrischen Klinik. ddp 9.6.05; Polizei Haldensleben 8. Juni 05 Ossenfeld bei Göttingen in
Niedersachsen. In der Göttinger Straße fahren Polizeiautos vor, und zwölf
Beamte verschaffen sich ohne Hausdurchsuchungsbefehl Zugang zu den Wohnräumen
der libanesischen Familie Saado. Unter dem Vorwand, nach einer gestohlenen
Kamera in seinem Auto suchen zu wollen, nötigen die Beamten einen Sohn der
Familie, zu seinem Auto zu gehen, und durchsuchen dann die Wohnung gezielt
nach dem Vater. Der 43 Jahre alte Ahmed Saado, Vater von sieben Kindern, ist
suizidgefährdet und schwer herzkrank. Er verschanzt sich im Schlafzimmer,
hält sich ein Messer an den Hals und droht, sich zu töten, wenn die Polizei
das Haus nicht verlassen würde. Dem
massiven Drängen der Söhne geben die Beamten schießlich nach, verlassen das
Haus und belagern es nun von außen. Ein Sondereinsatzkommando trifft ein und
droht, das Haus zu stürmen. Aber es kommen auch ca. 70 UnterstützerInnen, die
einen Abbruch der Festnahme von Ahmed Saado und Bleiberecht für die Familie fordern.
Inzwischen ist das ganze Dorf für den Verkehr gesperrt. Nach der angeblich
gestohlenen Kamera wird nie gesucht. Daß sie der eigentliche Grund für den
Polizeieinsatz sein soll, dagegen spricht alleine der Personaleinsatz an
Beamten. Als
ein 3-jähriger Enkel Saados durch die Absperrung zu dem Gebäude läuft, seine
Mutter ihm folgt und die beiden dann von der Polizei festgehalten werden,
gehen zwei Söhne von Ahmed Saado dazwischen. Bei der sich entwickelnden
körperlichen Auseinandersetzung werden sowohl Polizisten als auch
Familienangehörige verletzt. Nach
stundenlangem Nervenkrieg legt Ahmed Saado das Messer aus der Hand und begibt
sich in die Hände der Polizei. Ohne
seine gesundheitliche Situation zu berücksichtigen, wird beim Haftprüfungstermin
Abschiebehaft angeordnet. Danach bricht Ahmed Saado auf der Polizeiwache
Groner Landstraße zusammen, so daß er ins Universitätsklinikum gebracht
werden muß. Hier wird eine Selbst- und Fremdgefährdung (PsychKG)
festgestellt. Wegen Platzmangel im Klinikum kommt Saado dann in das
Landeskrankenhaus, wo am nächsten Tag weitere Untersuchungen stattfinden
sollen. Diese werden nicht abgewartet, und die Polizei holt den Kranken ab
und bringt ihn in das Abschiebehaftgefängnis nach Hannover-Langenhagen. Am
15. Juni, morgens um 6.30 Uhr, erscheint abermals ein Großaufgebot der
Polizei vor dem Haus in Ossenfeld, bricht die Haustür auf und nimmt – ohne
weitere Erklärungen – fünf Söhne fest. Sie werden gefesselt und geschlagen.
Einrichtungsgegenstände werden zerstört. Zeitgleich wird ein weiterer Sohn in
seiner Wohnung in Göttingen festgenommen. Frau
Saado erleidet einen Zusammenbruch und muß mit dem Rettungswagen in das
Klinikum Göttingen gebracht werden. Ein Sohn zieht sich eine Beinverletzung
zu, als er aus dem Fenster des ersten Obergeschosses springt, um einer
vermuteten Abschiebung zu entgehen. Der
zuständige JVA-Arzt in Hannover-Langenhagen stellt bei Ahmed Saado eine
Suizidgefährung fest und rät von einer Abschiebung ab. Die Ausländerbehörde
reagiert auf die Diagnosen mit der Ankündigung, für die Abschiebung mit
ärztlicher und "Sicherheits"-Begleitung zu sorgen. Der
Suizidgefährdung will die Behörde mit der Einweisung in eine geschlossene
psychiatrische Anstalt in der Türkei (!) begegnen. Am
29. Juni beginnt Ahmed Saado mit einem Hungerstreik, um gegen seine drohende
Abschiebung zu protestieren. Auch öffentliche Proteste und Demonstrationen –
von einem breiten UnterstützerInnenspektrum getragen – helfen ihm nicht. Seine
Abschiebung nach Istanbul erfolgt am 24. August in einer Maschine mit ca. 120
weiteren Flüchtlingen vom Flughafen Düsseldorf. In Deutschland zurück bleiben
seine Frau, seine sieben Kinder und Enkelkinder. Weil weder sie noch der
Anwalt von den Behörden über die Abschiebung informiert worden waren, konnten
sie sich nicht von Ahmed Saado verabschieden. Ahmed
Saado, der in der Türkei geboren wurde und als Kleinkind und Vollwaise im
Libanon adoptiert worden war, war 1985 mit seinen Adoptiveltern vor den
Kriegshandlungen im Libanon in die BRD geflüchtet. Er hat dann 20 (!) Jahre
lang in der BRD gelebt und spricht nur Arabisch und Deutsch. (siehe auch:
Sommer 04). In
der Türkei wird er zum Militär eingezogen. Um die Altersgrenze einzuhalten,
machen ihn die Behörden kurzerhand um sieben Jahre jünger. Im
Februar 2006 verurteilt die Jugendstrafkammer des Amtsgerichtes Hannoversch
Münden die beiden Söhne von Ahmed Saado wegen Körperverletzung und
Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Der 19-jährige Kodor Saado bekommt
drei Wochen Jugendarrest und 80 Stunden gemeinnützige Arbeit, sein ein Jahr
jüngerer Bruder Mahmoud eine Woche Arrest und 50 Sozialstunden. AK Asyl Göttingen; Polizei Göttingen 8.6.05; GT 27.6.05; FRat NieSa 4.7.05; taz 9.2.06 9. Juni 05 Zwei Asylbewerber aus
Jugoslawien und der Türkei befinden sich in Dortmund-Wickede auf dem Heimweg
zu ihrer Unterkunft, als sie in von zwei kahlgeschorenen Deutschen zunächst
verbal attackiert werden. Als sich die Flüchtlinge zu wehren beginnen,
hantiert plötzlich einer der Deutschen mit einem Baseballschläger. Als sein
Begleiter ein Messer zieht, flüchten die Angegriffenen – die Deutschen
hinterher. Der
22-jährige Jugoslawe und sein türkischer Begleiter laufen zu ihrer Unterkunft
in der Gudrunstraße in Unna. Hier kommen zu ihrer Unterstützung einige
BewohnerInnen heraus und versuchen, mit Knüppeln, einem Besenstiel und einer
Lampe die Angreifer abzuwehren. Dabei wird sowohl ein Bewohner, aber auch
einer der Angreifer leicht verletzt. Polizei Dortmund 9.6.05; Polizei Dortmund 10.6.05; BKZ 10.6.05; OffP 10.6.05; Standard 13.6.05 11. Juni 05 Bundesland Bayern. Die 39 Jahre
alte Eljheme Avdija, die aufgrund ihrer Verfolgungsgeschichte schwer
traumatisiert ist, bekommt nach einem Besuch ihres in Abschiebehaft sitzenden
Mannes einen schweren Anfall, starke Erregungszustände und Wahnvorstellungen.
Sie greift ihre Tochter tätlich an und will sich anschließend aus dem Fenster
stürzen, "um zu ihrem Mann zu gehen". Nur mit Mühe können andere
Flüchtlinge der Unterkunft die Frau festhalten. Mit dem Krankenwagen wird sie
ins Bezirkskrankenhaus Erlangen eingeliefert und kommt dort in die
geschlossene Station der Psychiatrie. Zwei
Tage zuvor waren ihr Mann Aziz und dessen 19-jähriger Bruder vor ihren Augen
und in Gegenwart der vier minderjährigen Kinder in Handschellen abgeführt und
in die JVA Nürnberg gebracht worden. Nach
der Einlieferung der Mutter ins Krankenhaus bleiben die Kinder Lumruije (9
Jahre), Florim (11 Jahre), Idriz (14 Jahre) und Zehnepe (16 Jahre) in
Zirndorf zunächst sich selbst überlassen, bis das Jugendamt nach zwei Tagen
eine Einweisung in die Clearingstelle in Nürnberg veranlaßt. Der
psychische Gesundheitszustand von Frau Avdija ist auch nach Wochen
stationärer Behandlung instabil. Am 27. Juni erfolgt ihre Entlassung aus dem
Krankenhaus, und schon auf der Rückfahrt nach Zirndorf fällt sie in eine
kurze Bewußtlosigkeit. Als Frau Avdija erfährt, daß die Abschiebung der
Familie für den 1. Juli vorgesehen ist, bricht sie erneut zusammen,
unternimmt einen zweiten Selbsttötungsversuch und kommt erneut in die
Psychiatrie des Bezirkskrankenhauses Erlangen. Die behandelnde Ärztin
schreibt in einer Stellungnahme zur drohenden Abschiebung: "Eine
ärztliche Begleitung während des Transportes ist unabdingbar. Bei Auftreten
eines Erregungszustandes ist das Eingreifen von mehreren Hilfspersonen zum
Festhalten notwendig, sowie eine ärztliche Intervention (Gabe einer massiv
sedierenden Medikation). Es ist auch
dringend dafür Sorge zu tragen, daß die Patientin in Slowenien in eine
ärztliche Weiterbehandlung übergeben wird." Am
1. Juli morgens um ca. 4.00 Uhr wird Frau Avdija von der Polizei aus dem
Krankenhaus herausgeholt und Richtung München gefahren. An der
Autobahnraststätte Allersdorf darf sie in den Wagen umsteigen, in dem sich
ihre Kinder und ihr Mann befinden. Als
Frau Avdija auf dem Flughafen München erneut einen kollapsartigen
Zusammenbruch erleidet, weigert sich der Pilot der Adria Airways, die Familie
auf seinem Linienflug mitzunehmen, weil er das Sicherheitsrisiko nicht auf
sich und die Verantwortung nicht übernehmen will. Die
Behörden chartern daraufhin ein Flugzeug in Ingolstadt, so daß Familie Avdija
noch am selben Abend nach Slowenien ausgeflogen wird. Ein von den Behörden
abgestellter Arzt begleitet sie nach Ljubljana und übergibt sie den dortigen
Behörden. Da
Frau Avdija sich geweigert hatte, die Chartermaschine zu besteigen, mußte
"unmittelbarer Zwang" angewendet werden. Dabei wurde ihr ein Arm
von einem Polizisten so schwer verletzt, daß er nach ihrer Ankunft in
Slowenien geschient und in Gips gelegt werden muß. Nach
zunehmenden Übergriffen von albanischen Nationalisten war die Ashkali-Familie
erst im Februar dieses Jahres aus dem Kosovo nach Slowenien geflohen und
hatte dort Asyl beantragt. In dem Flüchtlingslager, in dem sie zusammen mit
albanischen Asylsuchenden untergebracht waren, verschärfte sich die Stimmung
gegen die Familie erneut, so daß sie – wiederum aus Angst vor Diskriminierung
und Unterdrückung – weitergeflohen waren. Auf ihrem Weg nach Norwegen waren
sie dann in der BRD aufgrund ungültiger Papiere festgenommen worden. Nach
ihrer Abschiebung aus Ingolstadt kommt die ganze Familie für fünf Tage in die
Strafanstalt in Postojna, einem ehemaligen Militärgelände in dem Dorf Veliki
Otok, bis sie in einem Heim bei Ljubljana unterkommen. Hier leben sie –
zusammen mit einer anderen fünfköpfigen Familie – in einem Zimmer. Frau
Avdija muß wegen ihres verletzten Armes weiter im Krankenhaus behandelt
werden. Ihr im Februar 2006 gestellter Antrag auf Asyl ist inzwischen
abgelehnt worden. Im
Mai 2007 ist es der Familie gelungen, eine kleine Dachgeschoß-Wohnung zu
mieten. Da Herr Avdija allerdings keine Arbeitserlaubnis bekommt und
sämtliche Zahlungen von Seiten des Staates eingestellt sind, lebt die Familie
von Essenpaketen der Caritas und ist mehrere Monate mit der Miete im
Rückstand. Wenn sie die Wohnung wieder verlieren, dann besteht auch die
Gefahr, daß sie keinen Platz mehr im Asylzentrum bekommen. Im
Jahre 2010 erhält der bayerische Flüchtlingsrat die Nachricht, daß die
Familie überraschend eine Anerkennung und einen Aufenthalt bekommen haben. FRat Bayern; JWB 26.6.05; FüN 27.6.05; NN 30.6.05; jW 2.7.05; MM 2.7.05;
FrT 2.7.05; NN 5.7.05; JWB 6.7.05; FüN 6.7.05; Asylgruppe St. Rochus Zirndorf 12.7.05; FüN 13.7.05; Hinterland Mai 2007; Heft der Flüchtlingsräte 2012 14. Juni 05 Abschiebegefängnis
Köpenick in Berlin. Ein 40 Jahre alter Gefangener aus Serbien-Montenegro
versucht, sich gegen 18 Uhr durch Erhängen das Leben zu nehmen. Aus einem
Laken hatte er eine Schlinge geknüpft und an einem Balken der Toilettentür
befestigt. Mitgefangene finden den Aufgehängten, alarmieren das Wachpersonal,
das mit einem Messer die Schlinge öffnet, so daß er rechtzeitig gerettet
werden kann. Der gerufene Notarzt
entscheidet, daß eine Verlegung in ein Krankenhaus aus medizinischer Sicht
nicht erforderlich ist, so daß der Mann in den Isolationstrakt verlegt wird,
wo er dem sozialpsychiatrischen Dienst vorgestellt wird. Polizei Berlin 16.6.05; BeZ
17.6.05; JWB 26.6.05; taz 5.7.05 16. Juni 05 Düsseldorf in
Nordrhein-Westfalen. Im Rahmen einer Polizeiaktion gegen Drogenhändler im
Bereich Kölner Straße und Leopoldstraße soll ein 18-jähriger Asylbewerber aus
Nigeria festgenommen werden. Dieser wehrt sich heftig und verschluckt einige
mit Drogen gefüllte Plastikpäckchen. Dann kollabiert er. Noch
vor Ort gelingt es einem Notarzt, den Mann zu reanimieren, so daß er ins
Krankenhaus gebracht werden kann. Im Magen des 18-Jährigen werden etwa 20
Päckchen Rauschmittel ("Bubbles") gefunden, von denen einige
geplatzt sind. Die durch die Überdosis entstandenen Hirnschäden sind so groß,
daß der junge Mann dauerhaft pflegebedürftig bleiben wird und in einem
Pflegeheim versorgt werden muß. AaZ 10.6.05; StA Düsseldorf 16. Juni 05 Abschiebegefängnis
Köpenick in Berlin. Um 11.15 Uhr versucht sich ein Mann aus
Serbien-Montenegro mit einem Bettlaken an einem Holm der Toilettentür zu
erhängen. Wachmänner können den Mann rechtzeitig aus der Schlinge befreien.
Nach medizinischer Erstversorgung durch eine Ärztin kommt er in die
psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses. Noch am selben Tag erfolgt die
Rückverlegung ins Gefängnis, wo er "zur Beobachtung" vorerst in den
Isolationstrakt kommt. Polizei Berlin 16.6.05 16. Juni 05 Abschiebegefängnis
Köpenick in Berlin. Der kurdische Gefangene S. U., der seit 50 Tagen im
Hungerstreik aus Protest gegen seine drohende Abschiebung ist, wird aufgrund einer
plötzlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes in das
Haftkrankenhaus der JVA Moabit verlegt. Nach 14 Tagen weiteren Hungerstreiks,
während der der Gefangene gegebenenfalls Infusionen zuließ, erfolgt seine
Rückverlegung nach Köpenick. Zwei Tage später bricht er dann allerdings den
Hungerstreik ab. Damit ist Herr U. derjenige, der den am 18. April begonnenen
kollektiven Hungerstreik am längsten durchgehalten hat. An diesem
Hungerstreik hatten sich bis zu 14 arabische und kurdische Gefangene
beteiligt. (siehe auch: 26. April 05) Anfang Juli erfolgt seine
Abschiebung in die Türkei, wo er schon am Flughafen festgenommen wird. Nur
durch gute Beziehungen seiner Familie zu verantwortlichen Leuten kam er nach
fünf Tagen frei. Die Verhöre, denen er unterzogen wurde, drehten sich vor
allem um Unterstützung der PKK. Herr U. erzählt später, daß die Menschen, die
ihn verhörten, offensichtlich sehr gut über ihn informiert waren. Pfarrer D. Ziebarth; Initiative gegen Abschiebehaft
Berlin; taz 17.6.05 21. Juni 05 Ellwangen in Baden-Württemberg. Mitten in der Nacht werden
Frau Neziri, ihre 14 und 15 Jahre alten Töchter und ihr 17-jähriger Sohn aus
ihrer Wohnung abgeholt und nach Heilbronn verfrachtet. Sie sollen in den
Kosovo abgeschoben werden. Nach 15 Jahren Jahrzehnten Deutschland-Aufenthalt
bekommen sie nur wenig Zeit, um zwei Koffer zu packen. Da der Mann und Vater
nicht anwesend ist, ist die Familie jetzt getrennt. Mutter
und Kinder kommen nach Heilbronn, wo im Laufe des Tages in einem
abgeschlossenen Raum immer mehr Flüchtlinge aus verschiedenen Orten
versammelt werden. Die 14-jährige Minire Neziri beschreibt den Vorgang der
erkennungsdienstlichen Maßnahmen und vor allem die Aufforderung, sich vor
einer Beamtin nackt auszuziehen, auch 9 Jahre später noch als unerträglich
demütigend. Nach
Stunden werden die Menschen mit
Bussen zum Flughafen Baden-Baden gebracht. Hier hört Minire Neziri die
Schilderung einer Frau, die beschreibt, daß sie von Beamten an den Haaren aus
der Wohnung geschleift wurde – und sie sieht die blutigen Schürfverletzungen
an deren Knie. Mit
einer Chartermaschine erfolgt die Massenabschiebung in den Kosovo. Familie
Neziri kommt zunächst bei Verwandtschaft in der Nähe von Pej unter. Herr
Neziri folgt seiner Familie eine Woche später in einem LKW, in dem er die
Habe der Familie aus Deutschland mitbringt. Bericht von
Minire Nezir;i Pro Asyl News 25.11.14 22. Juni 05 Wesel in Nordrhein-Westfalen.
Die 31 Jahre alte Kurdin Sabahat Erkil hat gerade eine von der Stadt
angeordnete Untersuchung auf Reisefähigkeit beim Kreisgesundheitsamt hinter sich,
als sie im Fernsehen einen Bericht über türkische Soldaten sieht, die in der
Nähe ihres Heimatortes in eine Menschenmenge schießen. Sabahat Erkil
versucht, sich mit 15 bis 20 Tabletten unterschiedlichster Art das Leben zu
nehmen. Allein durch die schnelle Reaktion ihrer Angehörigen kommt sie
frühzeitig ins Krankenhaus, wird dort notärztlich behandelt und anschließend
intensiv-medizinisch überwacht. Am nächsten Tag erfolgt ihre Überweisung in
die psychiatrische Abteilung des St.-Vinzenz-Hospitals in Dinslaken. Frau
Erkil hat bereits in der Vergangenheit mehrere Selbsttötungsversuche
unternommen. Aufgrund
der jahrelangen Verfolgungs- und Kriegserlebnisse in Nusaybin in
Türkisch-Kurdistan leidet Frau Erkil unter einer Posttraumatischen
Belastungsstörung. Mitte der 90er Jahre war sie mit ihrem Mann Mehmet Emin
und zwei ihrer Kinder in die BRD geflohen. Seit Oktober 2004 droht der
inzwischen sechsköpfigen Familie, die Kinder sind zwischen sechs und dreizehn
Jahre alt, die Abschiebung. Bemerkenswert
ist der amtsärztliche Bericht über den Gesundheitszustand und die
Reisefähigkeit von Frau Erkil. Die Amtsärztin zweifelt nicht an den zuvor
gestellten Diagnosen, die eine Posttraumatische Belastungsstörung, eine
Somatisierungsstörung und eine depressive Symptomatik beschreiben. Sie
schreibt zudem, daß im Falle einer Rückführung mit einer erheblichen
Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu rechnen ist, die mit ernst zu
nehmenden Suizidalhandlungen ("mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit") einhergehen. Aus diesem Grund äußert sie sich
bezüglich einer Abschiebung wie folgt: "... bei der Betroffenen besteht
insofern Flugtauglichkeit, daß ein mehrstündiger Flug unbeschadet überstanden
werden kann. Das Abschiebeverfahren muß ab Ankündigung in Begleitung stattfinden,
welche beruhigend auf Frau E. einwirken und einen Suizidversuch verhindern
kann." Dem
Ehemann Mehmet Emin Erkil, der in Wesel als Vorsitzender des lokalen
"Kurdischen Kulturvereins Wesel e.V." politisch aktiv ist, droht
bei einer Abschiebung abermals Verfolgung, Gefangenschaft und Folter. Die
Entscheidung der Härtefallkommission zur Familie Erkil steht im Januar 2006
noch aus. Initiativkreis "Bleiberecht für Familie
Erkil"; Initiativ e.V. 1.12.04; jW 20.12.04; jW 15.1.05; jW 28.6.05; Sezgin Isimer – Rechtsanwalt 24. Juni 05 Bundsland Baden-Württemberg. Am
Abend wird Sittara Tabassum mit ihren minderjährigen Kindern nach 14-jährigem
Deutschland-Aufenthalt nach Pakistan abgeschoben. Damit ist die Familie
getrennt, denn der Ehemann, der von der Polizei zum Zeitpunkt der Abholung
nicht angetroffen wurde, bleibt vorerst in Deutschland. Die
Kinder, die alle in Deutschland geboren wurden, sprechen vor allem Deutsch.
Aufgrund ihrer fehlenden Sprachkenntnisse (Urdu) wird ihnen in Pakistan die
Aufnahme in Schulen verweigert. Xclusiv nr.2 26. Juni 05 Meschede in Nordrhein-Westfalen.
Morgens um 2.20 Uhr klopft es an der Tür eines Containers der
Flüchtlingsunterkunft in der Rosenstraße. Als die Tür geöffnet wird, dringen
fünf Männer ein und schlagen auf einen 16 Jahre alten und einen 17 Jahre
alten Bewohner aus Guinea ein. Die Angreifer sind bewaffnet mit
Schlagstöcken, Baseballschlägern und zwei ziehen Messer aus der Tasche. Ein
31-jähriger Iraker, der bei den beiden Jugendlichen zu Besuch ist, flieht aus
dem Fenster und verletzt sich dabei leicht. Auch die Angreifer verschwinden
nach der Attacke – ihre Opfer bleiben verletzt zurück. Wie
einfach aus Opfern Täter werden, belegt eine Äußerung des
Polizei-Pressesprechers Udo Heppe. "Vielleicht ergibt sich ein
Anhaltspunkt, vielleicht gibt es jemand, den die beiden besonders verärgert
haben", und schließt damit ein rassistisches Tatmotiv aus. WP 28.6.05; Polizei Hochsauerlandkreis – Meschede 27. Juni 05 Neuss in Nordrhein-Westfalen. Es
ist ein sonniger Tag, als auf dem Marktplatz zwischen Café Oebel und dem
Eiscafé Roma ein iranischer Asylbewerber Benzin aus drei
1,5-Liter-Cola-Flaschen über sich selbst – aber auch über seine 33-jährige
Frau und seinen 8-jährigen Sohn gießt. PassantInnen werden aufmerksam, und
einem Mann gelingt es, ihm ein Feuerzeug aus der Hand zu nehmen. Der
34 Jahre alte Iraner hatte am Vormittag in der Ausländerbehörde erfahren, daß
sein Antrag auf eine Arbeitserlaubnis abgelehnt sei. Nach seiner
Verzweiflungstat kommt er ins Neusser St.-Alexius-Krankenhaus für Psychiatrie
und Psy-chotherapie. Seine Frau und sein Sohn werden nach einigen Stunden
psychologischer Beobachtung aus einem Krankenhaus wieder entlassen. Die
Kriminalpolizei ermittelt wegen eines versuchten Tötungsdeliktes. taz 28.6.05; NGZ 28.6.05; Aachener Ztg 28.6.05; WZ 28.6.05; Polizei Neuss 18.7.05 28. Juni 05 Hildesheim in Niedersachsen. Nach 17 Jahren
Deutschland-Aufenthalt wird die libanesische Familie Ismaillat aus
Schellerten durch die Abschiebung von Seyri Ismaillat mit ihren drei Kindern
Isidin (9), Ali (14) und Liebhaniehe (21) ausein-ander gerissen. Ohne
Terminankündigung werden sie nachts um 2.00 Uhr zur Abschiebung aus der
Wohnung geholt. Dies geschieht aufgrund der Festlegung der Ausländerbehörde,
daß sie als Angehörige der im Libanon lebenden Ethnie der Mahalmi türkische
Staatsangehörige mit Namen Ökmen sind. Sie
werden zum Flughafen Düsseldorf gebracht und mit einem Charterflug im Rahmen
einer bundesweiten Massenabschiebung von kurdischen Flüchtlingen um 8.45 Uhr
in die Türkei ausgeflogen. Zurück
bleibt Kidir Ismaillat, der aufgrund seiner multiplen Erkrankungen nicht ohne
die Hilfe seiner Frau leben kann, und zurück bleibt ihre 17-jährige Tochter
Warde, die wegen akuter Suizidalität in die geschlossene Abteilung der
Psychiatrie eingewiesen wurde. Die Tochter hat bereits einmal versucht, sich
das Leben zu nehmen. (siehe auch: 17. April 05) Vater
und Tochter erhalten nach einigen Tagen Besuch von Angestellten der Ausländerbehörde,
die ihnen ihre ausweglose Situation deutlich machen und damit Unterschriften
zur ihrer "freiwilligen Ausreise" erwirken. Die beiden werden dann
am 11. Juli ebenfalls in die Türkei ausgeflogen. Im
September 2004 war noch zum Schutz der Familie Ismaillat eine Petition mit
670 Unterschriften an den Niedersächsischen Landtag eingereicht worden. FRat NieSa 28.6.05; jW 15.7.05; FRat NRW 15.7.05; FRat NieSa Heft 113 März 2006 28. Juni 05 Bestwig im
nordrhein-westfälischen Hochsauerlandkreis. Als Mitarbeiter der
Ausländerbehörde und der Polizei die kurdischen Eheleute E. und ihre drei
Kinder im Flüchtlingsheim Bestwig nachts zur Abschiebung abholen wollen,
finden sie nur den 31 Jahre alten Herrn E. vor. Dieser flieht in Panik und
Verzweiflung auf den Balkon und klettert über die Brüstung. Als eine
Polizistin nach ihm greifen will, läßt er sich fallen, stürzt vier Meter
herunter und bleibt bewußtlos und schwer verletzt liegen. Er kommt ins
Walpurga-Krankenhaus Meschede, das er erst nach drei Wochen verlassen kann. Aufgrund
ihrer politischen Arbeit in der Türkei sind die Eheleute dort verfolgt und
gefoltert worden. Noch vor ihrer Flucht in die BRD vor zwölf Jahren unternahm
Frau E. einen Selbsttötungsversuch. In
der BRD muß sie sich wegen des schweren Folter- und Verfolgungstraumas immer
wieder in ambulante und stationäre Behandlung begeben. Die
drei Kinder des Ehepaares im Alter von einem, drei und fünf Jahren sind alle
in Deutschland geboren, und Herr E. hat jetzt seit fünf Jahren eine feste Arbeit.
Ein
Antrag bei der Härtefallkommission wird negativ entschieden. Am 1. August
2006 beschließt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, daß Frau E.
aufgrund ihrer Erkrankung nicht abgeschoben werden darf. Da die Familie nicht
sozialhilfeabhängig ist, ist damit auch der Aufenthalt von Herrn E.
gesichert. Damit endet der jahrelange und krankmachende Nervenkrieg für die
Familie um ein Bleiberecht in der BRD. WR 29.6.05; taz
6.7.05; WP 6.7.05; WR 6.7.05; taz 9.7.05; taz 11.7.05; FRat NRW 15.7.05; taz 19.9.05; FRat NRW; Radio Sauerland 1.8.06; WDR-nachrichten Siegen
2.8.06; WR Arnsberg 2.8.06; taz 3.8.06; kirchenkreis-arnsberg.de 28. Juni 05 Lotte im Kreis Steinfurt in
Nordrhein-Westfalen. Die kurdische Familie T. soll abgeschoben werden. Herr T.,
der sich massiv zur Wehr setzt, wird von vier SEK-Beamten überwältigt und –
zusammen mit den drei Kindern – hinausgeführt. Frau T. erleidet einen
Nervenzusammenbruch. Die anwesende Ärztin gibt ihr eine Valium-Injektion,
entscheidet, daß sie jetzt nicht reisefähig ist, und veranlaßt die Einweisung
in die Psychiatrie in Lengerich. Die dort behandelnde Kollegin stellt schon
eine halbe Stunde später eine Abschiebung im Liegen in Aussicht. Da im
gebuchten Flugzeug jedoch keine entsprechenden Plätze zur Verfügung stehen,
wird von der Möglichkeit der "Liegendabschiebung" Abstand genommen. Um
5.00 Uhr morgens kommen Herr T. und die Kinder in getrennten Bussen am
Flughafen Düsseldorf an. Herr T. ist barfuß und trägt nur ein Unterhemd und
eine Hose. Er ist so stark gefesselt, daß er beim Abnehmen der Handschellen
vor Schmerzen schreit. Die Handfesseln hinterlassen tiefe Einschnitte an den
Gelenken. Seine Augenbraue ist verletzt. Ihm wird erlaubt, sich aus den am
Morgen in seiner Wohnung von den Angehörigen der Ausländerbehörde gepackten
Taschen einige Kleidungsstücke herauszunehmen und anzuziehen. Als
er um 8.00 Uhr erfährt, daß seine Frau nicht mitfliegen wird, beginnt er,
sich zu wehren, und schreit, daß er nicht ohne sie und die Kinder nicht ohne
ihre Mutter gehen werden. Er wird erneut von Beamten überwältigt und
gefesselt und dann ins Flugzeug gebracht. Im
Rahmen einer bundesweiten Massenabschiebung wird er mit den Kindern in die
Türkei ausgeflogen. Frau
T. hatte im Vorfeld der Abschiebung eine Selbsttötungsabsicht geäußert, und
ihr Mann hatte gedroht, den Kindern "etwas anzutun". Aus diesem
Grunde habe der Landkreis ein Sondereinsatzkommando (!) der Polizei
eingeschaltet, das sehr "umsichtig und professionell" vorgegangen
sei, so der Ordnungsdezernent des Kreises Steinfurt, Dr. Martin Sommer. Frau
T. hatte sich erst sehr spät in Deutschland in psychotherapeutische
Behandlung begeben. Hier berichtete sie detailliert über massive
Gewaltübergriffe, die sie durch türkische Polzeikräfte erleiden mußte. Das
Zentrum für Folteropfer "Exilio" sprach sich in einem
25-Seiten-Gutachten für eine Aussetzung der Abschiebung wegen
Reiseunfähigkeit aus. Der
Rechtsanwalt der Familie wurde morgens um 8.00 Uhr von der Abschiebung
informiert. Als er um 8.30 Uhr seinen Antrag auf Rechtsschutz gestellt hat,
ist es bereits zu spät; Herr T. sitzt mit den Kindern bereits im Flugzeug. Am
6. Juli wird Frau T. aus dem Landeskrankenhaus entlassen, und am 15. Juli
erfolgt ihre "freiwillige" Ausreise in Begleitung einer Verwandten.
Die Kosten der "Ausreise" hat die Ausländerbehörde übernommen. Für
den Weiterflug von Istanbul nach Adana hat Frau T. ein Handgeld in Höhe von
50 Euro bekommen. Darüber hinaus bekommt Frau T. einen Drei-Monats-Vorrat des
vom Krankenhaus empfohlenen Medikamentes zur Behandlung der psychischen
Erkrankung. WN 29.6.05; MüZ 1.7.05; FRat NRW 15.7.05; taz NRW 25.8.05; Abschiebungsbeobachtung am Düsseldorfer Flughafen
31.8.05 28. Juni 05 Unna in Nordrhein-Westfalen.
Morgens zwischen 2.00 und 4.00 Uhr klopft es bei der kurdischen Familie S. an
der Wohnungstür. Da die Familie eine Woche zuvor einen Überfall von Neonazis
erleben mußte, bei dem Herr S. verletzt wurde, öffnet Frau S. die Tür aus
Angst jetzt nicht. Es
wird jetzt lauter gegen die Tür gehämmert, und schließlich dringen sechs bis
sieben Polizeibeamte über den Balkon in die Wohnung ein. Sie legen Herrn S.
umgehend in Handschellen und reißen die zehn Kinder im Alter von zwei bis 21
Jahren aus den Betten. Ohne Schuhe, ohne Wäsche werden sie alle zur
Abschiebung abtransportiert. Nicht einmal Windeln darf Frau S. für ihr
Kleinkind mitnehmen. Über
den Flughafen Düsseldorf wird die Familie im Rahmen einer bundesweiten
Massenabschiebung in die Türkei geflogen. Auf dem Flughafen Istanbul erfolgt
die umgehende Verhaftung des ältesten Sohnes, weil er seinen Militärdienst in
der türkischen Armee ableisten muß. Vor
ihrer Flucht in die BRD waren die Eheleute S. in der Türkei auf schlimmste
Weise gefoltert worden. Vor allem der heute 42 Jahre alte Herr S. wurde dabei
schwer verletzt und hat unter den psychischen Folgen der Mißhandlungen sehr
zu leiden. Seine seelische Gesundheit verschlechterte sich dramatisch, als er
erfuhr, daß sein Bruder am 16. Januar in Cizre erschossen wurde, weil dieser
sich geweigert hatte, für türkische Behörden zu arbeiten. FRat NRW 15.7.05 28. Juni 05 Psychiatrische Klinik in
Rickling in Schleswig-Holstein. Nachts erscheinen Polizisten, Beamte des
Landesamtes für Ausländerangelegenheiten aus Neumünster und eine
Begleitärztin, um den 32 Jahre alten Kurden Murat Savas zur Abschiebung
abzuholen. Durch den heftigen Protest der diensthabenden Stationsärztin kann
die Abschiebung leicht verzögert, aber nicht verhindert werden. Um
8.40 Uhr sitzt Murat Savas zusammen mit weiteren 70 kurdischen Flüchtlingen
in einer Chartermaschine, die in die Türkei fliegt. Murat
Savas leidet aufgrund von schwerer Folter in der Türkei unter einer
Posttraumatischen Belastungsstörung. Er befand sich jetzt vier Wochen in der
Klinik. Klinikleitung und ÄrztInnen hatten sich aus gesundheitlichen Gründen
mehrmals entschieden gegen eine Abschiebung ausgesprochen. Obwohl sie sich
einer "rechtmäßigen" Abschiebung nicht entgegenstellen können,
waren sie doch davon ausgegangen, daß ihr medizinisches Votum einen Aufschub
der Abschiebung herbeiführen könnte: "Wir haben klar gemacht, daß der
Mann in stationärer Behandlung bleiben sollte; wir wollten uns nicht an
Maßnahmen der Abschiebung beteiligen." Zurück
bleiben seine Frau Nurten Savas und seine beiden Kinder Nurullah und Rojhat,
die hier in der BRD geboren wurden. Ihre Duldung wird nicht mehr verlängert,
so daß sie sich fortan auch nicht mehr nach Hause trauen. Murat
Savas war vor 15 Jahren nach Deutschland geflohen, hatte mehrere Jahre lang eine
Vollzeitstelle, die er dann allerdings verlor, als sein Asylantrag abgelehnt
worden war. Als er am 20. Juni in Abschiebehaft genommen werden sollte,
beurteilten der Haftrichter und ein herbeigezogener Amtsarzt den
offensichtlich schwerkranken Mann als haftunfähig. Danach hatte sich Murat
Savas ins Ricklinger Krankenhaus begeben. FRat SH 15.6.05; FRat SH 1.7.05 LN 5.7.05; SeZ
6.7.05; NoZ (HA) 8.7.05; taz 11.7.05 28. Juni 05 Herne in Nordrhein-Westfalen.
Nachts gegen 3.00 Uhr klopfen Beamte an die Tür des kurdischen Ehepaares, um
es abzuschieben. Nachbarn, die dem Ehepaar helfen wollen, werden weggedrängt.
Als Frau B. die Situation begreift, beginnt sie laut und ununterbrochen zu
schreien. Daraufhin wird ihr von einem Arzt ein Beruhigungsmittel in den Oberschenkel
injiziert. Die Beamten überwältigen ihren Mann und stoßen ihn zu Boden. Dabei
erleidet er Verletzungen im Gesicht und an der Schulter. Dann legen ihn die
Beamten in Fuß- und Handschellen. Im
Transportbus – im Wartebereich des Flughafen Düsseldorf – wird Frau B.
gezwungen, eine Beruhigungs- tablette zu schlucken – und auch
ihr Mann schaut durch seine am Flughafen anwesende Rechtsanwältin schlichtweg
"hindurch". Frau
B. ist psychisch krank. Obwohl die vorgelegten Gutachten ausdrücklich auf
eine Verschlechterung des psychischen Zustandes und auf eine Erhöhung des
Risikos autoaggressiver Handlungen mit tödlichem Ausgang bei einer
Zwangsabschiebung hinweisen, wird keine amtsärztliche Untersuchung
durchgeführt. Auch ein Antrag an die Härtefallkommission wird schlichtweg
ignoriert. Der Amtsleiter selbst entscheidet nach Aktenlage, daß Frau B. in
Begleitung "flugtauglich" sei, "da den Attesten nicht zu
entnehmen sei, daß Frau B. nicht in der Lage sein soll, eine mehrstündige
Flugreise zu unternehmen". Auch
am Flughafen Düsseldorf ignoriert der dort verantwortliche Arzt Herr K.
sämtliche Atteste und Gutachten über Frau B.'s psychologische Situation. Die
medizinische Untersuchung am Flughafen Düsseldorf umfaßt eine
Blutdruckmessung und die Frage des Arztes, ob Frau B. denn Verwandte in der
Türkei hat. Dann
werden die Eheleute zusammen mit 70 weiteren Flüchtlingen nach Istanbul
ausgeflogen. FRat NRW 15.7.05; Abschiebungsbeobachtung am Düsseldorfer Flughafen
31.8.05 28. Juni 05 Sammelabschiebung von ca. 70
kurdischen und libanesischen Flüchtlingen morgens um 9 Uhr über den Flughafen
Düsseldorf. Viele Fahrzeuge mit Behördenzeichen, Reisebusse, Wagen der
Bundespolizei und Streifenwagen stauen sich vor der Flughafen-Zufahrt. Sie
werden einzeln auf das Gelände gelassen. Danach dauert es mehr als drei
Stunden, bis die Flüchtlinge – Männer, Frauen, Kinder und alte Menschen –
ausgeladen sind. Eine Rechtsanwältin, die die Szene vor Ort beobachtet:
"... zum Teil wie Gepäckstücke aus den Autos gezogen....". Aus einem
Krankenwagen heraus wird direkt an dem Flugzeug eine Person umgeladen. Viele
Menschen tragen Handschellen, einige sind zusätzlich an den Füße gebunden.
Kinder sind von ihren Eltern getrennt, einige sind in Decken gehüllt – andere
weinen. Eine Frau betreut sie. Später
wird bekannt, daß die erwachsenen Flüchtlinge in den Fahrzeugen gezwungen
worden waren, Psychopharmaka zu schlucken. Die
kurdischen Flüchtlinge, von denen viele seit Jahren in der BRD leben, einige
sogar seit 15 Jahren, müssen nach ihrer Abschiebung mit Gefängnis oder sogar
Folter rechnen. jW 30.6.05;
taz 12.7.05 Juni 05 Schleswig-Holstein. Die
Ausländerbehörde in Rendsburg will die Abschiebung der Familie Landu in den
Kongo durchset zen, weil zwei Tage später der Mutterschutz
für Frau Landu beginnen würde. Dies bedeutet für die hochschwangere 37-Jährige einen Schock. Es
kommt zu einem Zusammenbruch und zu einer Frühgeburt, wodurch das Kind fast
gestorben wäre. Nach
diesem Abschiebeversuch und mit einem Attest der Ärzte, daß Frau Landu wegen
einer Thrombose für die Zeit von zwei Jahren nicht flugfähig ist, erteilt die
Ausländerbehörde der Familie unter Auflagen eine Aufenthaltserlaubnis. Frau
Landu war im März 1995 vom Kongo über Angola in die BRD geflüchtet, nachdem
sie ihre beiden 1988 und 1989 geborenen Töchter Verwandten anvertraut hatte.
1995 heiratete sie einen 30-jährigen Kongolesen, den sie im Lübek-ker
Flüchtlingsheim kennengelernt hat. Nach der Heirat erfolgte eine Umverteilung
des Paares nach Rendsburg. Die Anträge auf die Erteilung von Visa für die
beiden Töchter in Afrika wurden abgelehnt. UnterstützerInnen
der Familie gelang es dann 1997, die Kinder zu ihrer Mutter zu bringen. Im
Jahre 2000 wurde ein gemeinsames Kind geboren. Jahrelang
drohte die Ausländerbehörde mit der Abschiebung, die wegen fehlender Papiere
jedoch noch nicht voll-zogen werden konnte. Als Frau Landu im Jahre 2005
wieder schwanger war, wurde die Härtefallkommission angerufen. Diese lehnte
einen Aufenthaltstitel ab, plädierte jedoch für die Aussetzung einer
Abschiebung wegen der fortgeschrittenen Schwangerschaft. Als
der Ausländerbehörde die erforderlichen Papiere vorlagen, kam es zu der
Entscheidung, die Abschiebung durchzusetzen. Reinhard Pohl – Journalist; Der Schlepper Nr. 36 Herbst 2006 Juni 05 Im Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick befanden sich ab 1. Januar 66 Minderjährige in Haft. davon 65
unter 18 Jahren und eine Person unter 16 Jahren. 35 der 66 Minderjährigen
befanden sich länger als 24 Stunden in Haft. Abgeordnetenhaus Berlin DS 15/12584 1. Juli 05 In der Zufahrt zum Lkw-Parkplatz
der Firma MAN in Ludwigsfeld bei München legen Unbekannte einen leblosen
Körper ab. Am Morgen darauf wird ein 41 Jahre alter Kurde aus dem Irak im
schwedischen Malmö angerufen. Eine ihm unbekannte Stimme teilt ihm mit, daß
sein Sohn die Fahrt durch Deutschland nicht überlebt habe. Ihm wird auch
gesagt, wo die Leiche sich befindet. Die
Polizei findet den Toten mithilfe von Wärmebildkameras. Die Obduktion ergibt,
daß der 22-Jährige offensichtlich durch die Einwirkung großer Hitze zu Tode
gekommen ist. Er
hatte sich, um zu seinem in Schweden lebenden Vater zu gelangen, für 5000
US-Dollar in die Hände von Fluchthelfern begeben, weil ihm eine legale
Einreise nicht gestattet wurde. SZ 4.7.05 1. Juli 05 Dessau in Sachsen-Anhalt.
Nachdem ein 28 Jahre alter Flüchtling aus Äthiopien in der Unterführung zum
Hauptbahnhof von rechtsextremistischen Schlägern angegriffen wird, gelingt
ihm die Flucht in den Bereich des Bahnhofskiosks, wo er lautstark auf den
Überfall aufmerksam macht. Als ein anderer Flüchtling versucht, in den
Bistrobereich zu gehen, um sich über den Vorfall zu informieren, stellt sich
ihm einer der Angreifer in den Weg, beleidigt ihn mit rassistischen Sprüchen
und wirft eine Flasche nach dem Afrikaner, die allerdings ihr Ziel verfehlt.
Der Angegriffene wehrt sich jetzt mit Reizgas und rettet sich so aus der
Situation. Da
der Angreifer gegen sein Opfer eine Strafanzeige wegen gefährlicher
Körperverletzungen stellt, ermittelt die Polizei zunächst gegen den
Flüchtling. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 4. Juli 05 Abschiebegefängnis
Köpenick in Berlin. Um 2.50 Uhr schneidet sich ein 23 Jahre alter Gefangener
aus Tunesien den linken Arm auf. Mitgefangene entdecken die Verletzungen und
verständigen das Anstaltspersonal. Nach medizinischer Versorgung der Wunden
im DRK-Krankenhaus kommt der Gefangene in den Isolationstrakt des
Abschiebegefängnisses. (siehe auch: 9. September 05) Polizei Berlin 4.7.05; taz 5.7.05; BM 5.7.05 4. Juli 05 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
In der Krankenabteilung der JVA Büren versucht der Abschiebegefangene D. M.
sich zu töten. BT DS 16/9142 7. Juli 05 Kamen in Nordrhein-Westfalen.
Aus Angst vor einer Rückführung nach Polen rammt sich die 39 Jahre alte Frau
A. ein Brotmesser in den Bauch. Sie kommt in die Westfälischen Kliniken
Dortmund, wo ihre Bauchverletzungen und auch ihr seelisches Leiden behandelt
werden. Frau
A., die erst seit dem 1. Mai dieses Jahres in Deutschland ist, war aus Angst
vor "Blutrache" mit ihrem Mann und drei Kindern aus Tschetschenien
geflohen. Sie leidet unter massiven psychischen Problemen. Die Ärzte
diagnostizieren eine "schwere depressive Episode" und eine
"andauernde schwere Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung".
Als sie nach drei Wochen das Krankenhaus verlassen kann und beim Sozialamt
einen Krankenschein abholen will, erfolgt ihre Festnahme. Mit
der Begründung "Fluchtgefahr", denn Frau A. hätte durch den
"Suizidversuch versucht, die Abschiebung zu verhindern" und es
bestände weiterhin der begründete Verdacht, daß Frau A. "sich erneut
selbst verletzt, um sich der Abschiebung nach Polen zu entziehen",
unterschreibt der zuständige Richter des Amtsgerichts Kamen den Haftbefehl,
ohne die Frau gesehen zu haben und ohne eine Haftfähigkeit prüfen zu lassen.
Frau A. kommt in das Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg. Am
17. August entscheidet das Landgericht Dortmund, daß sowohl der Haftantrag
der Ausländerbehörde Kreis Unna als auch der Beschluß des Amtsgerichts Kamen
offensichtlich rechtswidrig waren. Frau A. kommt nach 18 Tagen Gefangenschaft
frei. Der für Ende August geplante Flug nach Polen wird zunächst storniert. Pro Asyl 10.8.05; taz NRW
12.8.05; FR 15.8.05;HeA 16.8.05; Pro Asyl 17.8.05; HeA 18.8.05; FR 19.8.05 9. Juli 05 Halberstadt in Sachsen-Anhalt.
Ein 16 Jahre alter Flüchtling aus Niger wird auf einem Stadtfest von drei
deutschen Männern rassistisch beleidigt und bedroht. Sie schubsen und sto-ßen
ihn schließlich mit dem Kopf gegen eine Wand und schlagen auf ihn ein. Der
Jugendliche verliert das Bewußtsein und kommt erst im Krankenhaus wieder zu
sich. Seit
diesem Angriff leidet er unter Sehstörungen, Schlafstörungen und Albträumen. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 13. Juli 05 Berlin. Branislav Sain wird in
seiner Wohnung festgenommen und in das Abschiebegefängnis Köpenick
eingeliefert. Er ist Rom und hat eine serbisch-montenegrinische
Staatsangehörigkeit. Die beabsichtigte Abschiebung nach Belgrad kann nur
durch die Stellung eines Asylantrages gestoppt werden. Herr
Sain lebt seit über zwei Jahren mit Frau Emina F. und der gemeinsamen Tochter
Jovanka zusammen. Sie sind dringend auf seine Unterstützung angewiesen, denn der Vater
kann sich als Einziger intensiv um die 2-Jährige kümmern. Frau F. ist schwer
nierenkrank und muß dreimal in der Woche für jeweils 3 – 6 Stunden zur
Dialyse. Nach
seiner Inhaftierung verschlechtert sich der Gesundheitszustand von Frau F.
dramatisch, so daß sie sich in stationäre Behandlung begeben muß. Das Kind
wird auf Anweisung des Jugendamtes in einer Pflegefamilie untergebracht. Die
Familie ist jetzt völlig auseinandergerissen. Die
Berliner Ausländerbehörde behandelt die Betroffenen nicht als Familie und
beruft sich dabei auf die nicht vorliegende Anerkennung der Vaterschaft. Dies
kann jedoch Herrn Sain nicht angelastet werden, denn mit Billigung der
Senatsverwaltung für Inneres verweigern Berliner Standesämter die Ausstellung
einer Geburtsurkunde, wenn die Eltern ihre Identität nicht nachweisen können.
Dann ist das Kind für die Ausländerbehörde faktisch nicht vorhanden und eine
offizielle Anerkennung der Vaterschaft nicht ermöglicht. Vor
dem Verwaltungsgericht gelingt es, einen gerichtlichen Vergleich zu
schließen, daß bis zu der abschließenden Klärung der Vaterschaft keine
Abschiebung erfolgt. Daraufhin zieht die Ausländerbehörde den
Haftverlängerungsantrag am 12.08.05 zurück und entläßt Herrn Sain. Das
Amtsgericht Schöneberg verpflichtet schließlich das Standesamt, eine
Geburtsurkunde auszustellen. taz 23.7.05; ND 23./24.7.05; Flüchtlingsrat Berlin 1.8.05; Sven Hasse – Rechtsanwalt 21. Juli 05 Villingen-Schwenningen in
Baden-Württemberg. Bei einer Razzia gegen das Flüchtlingsheim in der
Obereschacher Straße 11 sind 210 Beamte beteiligt. Nach großräumiger
Absperrung des Geländes stürmen Beamte mit Sturmhauben und schußsicheren
Westen um 4 Uhr das vierstöckige Haus. Von
den 74 gemeldeten BewohnerInnen sind 39 Personen anwesend. Eine Frau erleidet
einen Kreislaufzusammenbruch – auch eine Hochschwangere wird vorsorglich ins
Krankenhaus gebracht. SK 22.7.05 21. Juli 05 Nordrhein-Westfalen. Im
Flüchtlingsheim der Ortschaft Plettenberg in der Ohler Straße 100 verschanzt sich
ein 23 Jahre alter Iraner in einem kleinen Büro der Stadtverwaltung und
protestiert laut gegen die Streichung seiner Sozialhilfe. Dann nimmt er ein
Rasiermesser und versucht, sich die Pulsadern auf zu schneiden. Die Klinge
ist jedoch zu stumpf, so daß der Iraner in seiner Verzweiflung seinen Kopf
mehrmals gegen eine Wand schlägt. Gerufene Polizei, Rettungskräfte und
Notarzt versorgen ihn notdürftig und bringen ihn dann ins Evangelische
Krankenhaus. Der
Mann habe sich, so heißt es von Seiten des Sozialamtes, nicht überwiegend in
Plettenberg aufgehalten, wozu er als Asylbewerber aber verpflichtet sei. Aus
diesem Grunde sei ihm die Zahlung von Sozialhilfe verweigert worden. WR 22.7.05; PR 23.7.05; PSS 23.7.05 22. Juli 05 Im brandenburgischen Lübben wird
zwei afrikanischen Flüchtlingen in einem Waldstück der Weg von zwei jungen
Männern versperrt. Als einer der Bedrohten mit seinem Handy die Polizei rufen
will, wird ihm das Telefon aus der Hand getreten. Opferperspektive 23. Juli 05 Sachsen-Anhalt. Ein vietnamesischer
Asylbewerber springt aus dem obersten Stockwerk des Asylbewerberwohnheims in
Möhlau, wo das kommerzielle Unternehmen "European Homecare" bis zu
550 Flüchtlinge unterbringt. Der Vietna-mese ist schwer verletzt und wird
nach Auskunft der Polizei mit einem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus
gebracht. Polizei Dessau 9.1.07 24. Juli 05 Möhlau in Sachsen-Anhalt. Aus
dem dritten oder vierten Stock des Asylbewerberwohnheims springt ein junger
Flüchtling aus Mali, der schon länger psychisch krank war. Er erleidet nur
Prellungen, wird aber vom Sozialpsychologischen Dienst in die Bosse-Klinik,
ein Krankenhaus in Wittenberg, eingeliefert. Dort wird eine paranoide
Schizophrenie festgestellt. Daraufhin bestellt das Amtsgericht Halle einen
Betreuer für ihn, der die Unterbringung in einer Einrichtung des Betreuten
Wohnens veranlaßt. Dort ist der Flüchtling nicht angekommen, sondern nach der
Krankenhausentlassung verschwunden. Diakonisches Werk Wittenberg 24. Juli 05 Im thüringischen Gera werden der
19 Jahre alte türkische Asylbewerber Mehmet Ocakci und der Betreiber des
Cafés des Türkischen Kulturvereins, Baskari Yildiray Koncan (31 Jahre alt), von mindestens
sechs stadtbekannten betrunkenen Neonazis mit Bierflaschen und Zaunlatten
angegriffen und zusammengeschlagen. Die großen blutenden Platzwunden an ihren
Köpfen müssen im Krankenhaus Gera genäht werden. Gegen den Rat der Ärzte
verlassen sie dann aus Angst vor weiterer Verfolgung am nächsten bzw.
übernächsten Tag vorzeitig das Krankenhaus. Noch Monate später leiden sie
unter Kopfschmerzen und Schwindelanfällen. Obwohl
mehrere AugenzeugInnen aussagen, obwohl in direkter Nähe eine Neonazi-Party
stattgefunden hat, obwohl kurz vorher in dem zwei Häuser weiter liegenden
Afro-Shop die Scheiben zum wiederholten Male eingeworfen wurden und das
Personal rassistisch bedroht wurde ("Du bist dran. Viele Grüße an deine
schwarzen Freunde"), leugnet die Polizei mehrmals einen rassistisch
motivierten Überfall. Erst als die Staatsanwaltschaft gegen sechs mutmaßliche
Täter Haftbefehle erlassen hat, räumt die Polizei fünf Tage nach der Tat
einen "ausländerfeindlichen Hintergrund" ein. TA 2.8.05; JWB 10.8.05; THO; "Netz" 25. Juli 05 Henningsdorf in Brandenburg.
Nachts wird ein afrikanischer Flüchtling von mindestens drei Deutschen
verfolgt, beleidigt und bedroht ("Wir bringen Dich um!"). Der
Afrikaner ergreift die Flucht, als er bemerkt, daß ihn zusätzlich ein PKW
verfolgt. Es gelingt ihm, sich in den Eingangsbereich seiner Unterkunft zu
retten und das dortige Wachpersonal um Unterstützung zu bitten. Opferperspektive 26. Juli 05 Halle in Sachsen-Anhalt. Um
13.30 Uhr wird ein 27-jähriger Mann aus Guinea in einer Filiale von Peek
& Cloppenburg in der Leipziger Straße von einem Ladendetektiv gebeten,
mit ins Büro zu kommen, weil er ihn beim Diebstahl von Kleidung beobachtet
habe. Als
hier die Personalien überprüft werden sollen, springt der Asylbewerber auf,
läuft zum Fenster und stürzt sich hin-unter. Aus dem zweiten Stock fällt der
Körper zunächst auf ein Vordach und schlägt dann auf dem Pflaster des
Gehweges auf. Mit schwersten, lebensgefährlichen Kopfverletzungen und vielen
Knochenbrüchen kommt der Mann ins Elisabeth-Krankenhaus. MDZ 26.7.05 26. Juli 05 Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern. Ein 25 Jahre alter Flüchtling aus Togo wird in
Ribnitz-Damgarten von einem Deutschen beschimpft und mit einer Pistole
bedroht. Dem Togoer gelingt die Flucht, und er ruft die Polizei. Der Täter
kann nicht ermittelt werden. LOBBI 28. Juli 05 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Die
36 Jahre alte Ana Maria Domingo wird aus der Abschiebehaft der JVA Frankfurt
II abgeholt und mit einem extra gecharterten Kleinflugzeug über den Flughafen
Düsseldorf nach Angola abgeschoben. Ihre
2-jährige Tochter Ernestina Jemima sollte eigentlich auch abgeschoben werden,
war aber für die Abschiebekräfte nicht greifbar. Bemerkenswert ist, daß die
zentrale Abschiebebehörde in Karlsruhe die geforderte Mitarbeit bei der
Überführung der Tochter zum Flughafen verweigert hatte und auf die
Strafbarkeit wegen Kindesentziehung bei Wegnahme des Kindes vom Vater
hingewiesen hatte. Außerdem erfolgte der Rat, von der Abschiebung abzusehen. An
Händen und Füßen gefesselt, wird Frau Domingo in Luanda der dortigen Polizei
übergeben. Bereits
am 1. Februar 05 hatte die Stadt Dorsten versucht, Mutter und Kind
abzuschieben. Dabei fühlte sich Frau Domingo durch die anwesenden Beamten
dermaßen in die Enge getrieben, daß sie versucht hatte, sich gemeinsam mit
ihrer Tochter aus dem Fenster zu stürzen. Nur mit Gewalt konnte sie davon
abgehalten werden. Über den Flughafen Frankfurt wurden die beiden dann
ausgeflogen. Bei einer Zwischenlandung in Lissabon jedoch entledigte sich Ana
Maria Domingo ihrer Kleidung, zerriß ihre Reisedokumente und weigerte sich
vehement, den Weiterflug nach Angola anzutreten. Die portugiesischen
Grenzbeamten schickten sie nach Frankfurt zurück. Ein
zweiter Abschiebeversuch am 18. Mai 05, bei dem Frau Domingo zunächst die
Tochter weggenommen und ihr erst auf dem Flughafen Frankfurt wiedergegeben
wurde, endete mit der Einweisung der Angolanerin in die Universitätsklinik
Frankfurt. Von dort aus wurde sie in die psychiatrische Klinik nach
Frankfurt-Höchst verlegt. Schon gegen die Festnahme zur Abschiebung – einige
Stunden zuvor - hatte sich Frau Domingo heftig gewehrt, so daß diese erst
durch "Hinzuziehung eines Krankentransportwagens und eines verstärkten
Polizeiaufgebotes gelang". Auch in den folgenden Stunden auf den
Transporten in den Polizeigewahrsam und zum Flughafen und auf dem Flughafengelände
wehrte Frau Domingo sich weiterhin heftig. Es gelang ihr mehrmals, die Hand-
und Fußfesseln wieder abzustreifen, sie schrie ununterbrochen und fiel
mehrmals in Ohnmacht. Ihre
Tochter wurde zunächst einer Nachbarin in Dorsten übergeben und danach dem
leiblichen Vater in Pforzheim. Noch
während ihres stationären Aufenthaltes in der Psychiatrie wurde Abschiebehaft
beantragt und angeordnet. Frau Domingo wurde dann in die JVA Frankfurt II
verlegt von wo aus jetzt die Abschiebung erfolgte. In
Luanda wird Frau Domingo noch auf dem Flughafen festgenommen und kommt – ohne
Anklage, Anhörung oder Prozeß – für die nächsten drei
Jahre in das Justizgefängnis "D.N.C." in Luanda. Sie wird hier
öfter geschlagen, wenn sie die ihr aufgetragene Arbeit nicht zur Zufriedenheit
der Wächter erledigt und auch, wenn sie den sexuellen Forderungen des
Bewachungspersonals nicht nachgeben will. Im
Jahre 2008 gelingt es Ana Maria Domingo erneut, in die Bundesrepublik
einzureisen. Die Ausländerbehörde Dorsten fordert von ihr jetzt die
Rückzahlung eines Teils der Abschiebekosten
in Höhe von 32.361,23 Euro (tatsächliche Kosten incl. Begleitung von sechs
Bundespolizisten und eines Arztes: 102.000 Euro). Im November 2010 bezeichnet die 11. Kammer
des Verwaltungsgerichtes Gelsenkirchen die Abschiebung der Mutter als
"eklatant rechtswidrig" und als Verstoß gegen den Art. 6 des
Grundgesetzes und die Europäische Menschenrechts-Konvention. Für die Tochter
bestand Abschiebestop, weil ihr in Angola, dem Land mit der zweithöchsten
Kindersterblichkeitsrate der Welt, "Gefahr für Leib und Leben"
gedroht hätte. Weil das Kind nicht abgeschoben werden durfte, galt Gleiches
für die Mutter. Die Abschiebekosten sind somit nicht von Frau Domingo
zurückzuzahlen. Ihr
Tübinger Rechtsanwalt Karl Joachim Hemeyer macht gegenüber der Stadt Dorsten
Schmerzensgeld-Anspüche geltend. Nachdem
ein ehemaliger Verwaltungsrichter im Auftrag der Stadt ein Gutachten über den
Fall erstellt hat, wird ein Disziplinarverfahren gegen zwei städtische
Mitarbeiterinnen eingeleitet. Nach
Einstellung des Verfahrens im Oktober 2011 bleiben beide Beamtinnen weiterhin
in der Ausländerbehörde beschäftigt. Die Begründung: Die Beamtinnen seien
fachlich sehr gut, und für eine Versetzung fehle das Personal. WAZ 13.11.10; WAZ 17.11.10; DoZ 17.11.10; WAZ
18.11.10; Bild 18.11.10; WAZ 13.2.11; derwesten.de 25.3.11; MARLlaktuell 5.4.11; radio vest 6.4.11; DoZ 6.4.11; Karl Joachim Hemeyer – Rechtsanwalt; radiovest.de 13.10.11 28. Juli 05 Seit sechs Tagen befindet sich
der 22 Jahre alte Farjad Sadavieyeh aus Protest gegen die geplante
Abschiebung im Hungerstreik, als er morgens um 5 Uhr aus der Abschiebehaft in
Chemnitz geholt und zum Flughafen Frankfurt am Main transportiert wird. Weder
seine Schwester noch FreundInnen bekommen hier die Erlaubnis, sich von ihm zu
verabschieden – geschweige denn, ihm etwas Geld zu übermitteln. Am frühen
Abend wird er – an Händen und Füßen gefesselt und in eine Decke eingehüllt –
von drei Bundespolizisten in eine Maschine der russischen Gesellschaft
Transaero airlines geschleppt und nach Moskau ausgeflogen. Hier bekommt er
seinen Paß ausgehändigt und ein Flugticket über Aserbaidschan (Baku) in den
Iran. Farjad
Sadavieyeh hatte aufgrund seiner politischen Aktivitäten den Iran verlassen
müssen. Der Antrag auf Asyl war mit der Begründung abgelehnt worden, da er
mit einem Visum, also legal (!) in die BRD eingereist sei, habe er bei einer
Abschiebung in den Iran nichts zu befürchten. Karawane – Hamburg 29.7.05 31. Juli 05 Tanja Pulovic, die seit 1989 in
Berlin lebt, wird zusammen mit ihren Kindern, der 7-jährigen Tijana und der
15-jährigen Jasmina (Sacipovic), festgenommen und in den Polizeigewahrsam
Tempelhofer Damm gebracht. Dem deutschen Lebensgefährten von Frau Pulovic
gelingt es, die Kinder aus der Haft herauszubekommen; doch seine Frau wird in
das Abschiebegefängnis Köpenick gebracht. Am 8. September wird sie nach
Serbien abgeschoben. Die
Kinder, die beide in Berlin geboren und aufgewachsen sind, müssen jetzt
versteckt werden, und der Freund der Mutter muß paradoxerweise Asylanträge
für sie stellen. Obwohl
Frau Pulovic ihren Freund am 3. Juli 2006 in Serbien heiratet und Anträge auf
ein Visum gestellt sind, wird die Abschiebung der Kinder weiter vorangetrieben.
Diese ist für den 13. August 2007 geplant. Bericht des Lebensgefährten Juli 05 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
Hals über Kopf wird die Roma-Familie Jahirovic aus dem Kreis Steinfurt
abgeschoben. Vier der sieben Kinder sind in Deutschland geboren. Nach
einem abenteuerlichen Weg wird die Familie im "Camp Osterode",
einer ehemaligen Kaserne französischer KFOR am Rande von Nord-Mitrovica,
einquartiert. Dieses Lager haben die Vereinten Nationen errichtet, und es war
eigentlich nur für Internally Displaced Persons (IDP) gedacht. Es befindet
sich auf den Halden einer ehemaligen Bleimine. Der deutsche Umweltmediziner
Dr. Klaus-Dietrich Runow nimmt
Haarproben von den BewohnerInnen und stellt Bleiwerte tausendfach über
der Norm fest. Auch
von Familie Jahirovic, die erst einige Monate dort lebt, werden Proben
genommen, und bei fast allen Familienmitgliedern wird eine
behandlungsbedürftige Vergiftung festgestellt. Zudem leidet Frau Jahirovic an
einer Darmerkrankung, die dringend operiert werden müßte. zdf – Mona Lisa 30.4.06; Kosovo Oktober 2009 3. August 05 Kreuztal-Littfeld in
Nordrhein-Westfalen. Um 13.30 Uhr halten sich auf dem Heimweg von ihrer
Arbeit drei nigerianische Flüchtlinge aus Siegen an einer Bushaltestelle in
der Hagener Straße auf, als sie von zwei Skinheads verbal beleidigt und
beschimpft werden. Ein 20-jähriger Deutscher hebt sogar den Arm zum
sogenannten Hitlergruß. Als
der Bus kommt, steigen die Flüchtlinge zunächst ein, besinnen sich aber und
steigen wieder aus. Ein weiterer Nigerianer hat sich ihnen angeschlossen,
denn sie wollen sich die Provokation nicht gefallen lassen. Sie gehen über
die Straße und fordern die inzwischen in einem Haus verschwundenen Deutschen
auf herauszukommen. Draußen
entwickelt sich ein Handgemenge, in dessen Verlauf der 20-Jährige einen
Nigerianer anspuckt und dann versucht die vier mit einem Multi-Tool (einer
Art Schweizer Messer) anzugreifen. Als es den Afrikanern gelingt, ihm das
Messer abzunehmen, zieht er eine Nagelschere aus der Tasche und sticht damit
in ihre Richtung. Dabei trifft er einen 28 Jahre alten Flüchtling am Arm und
fügt ihm eine stark blutende Fleischwunde zu. Der
Verletzte kommt ins Krankenhaus, das er allerdings nach Behandlung seiner
Wunden noch am selben Tag wieder verlassen kann. Gegen
die 19 und 20 Jahre alten Täter werden Strafverfahren wegen Volksverhetzung,
gefährlicher Körperverletzung, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger
Organisationen und Beleidigung eingeleitet. Dann kommen sie wieder auf freien
Fuß. Polizei Hagen 3.8.05; WP 4.8.05; WR 4.8.05; Polizei Hagen 4.8.05; SiZ 5.8.05; taz 5.8.05 5. August 05 Gera in Thüringen. In der Nacht
werden zwei türkische Männer – einer von ihnen ist Asylbewerber – von zwei
deutschen Männern beschimpft und dann ins Gesicht geschlagen. Einer der
Angegriffenen wird dadurch verletzt. taz 6.8.05; Ausländerbeauftragte der Stadt Gera 6. August 05 Potsdam-Nedlitz in Brandenburg.
Gegen 22.00 Uhr werden drei Flüchtlinge aus Kamerun, eine Frau aus Bosnien
und eine Deutsche an einer Bushaltestelle vor dem Flüchtlingsheim am
Lerchensteig aus einer Gruppe von Deutschen heraus rassistisch und sexistisch
beleidigt. "Ficke nicht mir Niggern, fick lieber einen Deutschen",
wird der deutschen Freundin gesagt. Um Schlimmerem auszuweichen, gehen die
Flüchtlinge auf das Gelände ihrer Unterkunft zurück, doch die Provokateure
verfolgen sie. Als Sarutin T. sich schützend vor die Deutsche stellt,
schlagen ihn die Rassisten zu Boden und treten ihn mit Füßen. Er versucht
sich zu erheben und wird weiter geschlagen. Eine Bierflasche fliegt in die
Richtung der Flüchtlinge – zerschellt aber am Boden. Der
gerufene Wachmann des Wohnheimes hört noch die Drohung: "Nur ein toter
Neger ist ein guter Neger!", bevor die fünf Männer und die Frau unter
den Rufen: "Scheiß Nigger!" in einen Bus der Linie 691 steigen. Die
Polizei stoppt den Bus und nimmt die gesuchten Personen fest. Sarutin
T. kommt mit Verletzungen an Schulter und Ellenbogen ins Krankenhaus. Nach
vorläufiger Freilassung der Täter und der Täterin werden einige Tage später
Haftbefehle gegen einen 26-jährigen und einen 33 Jahre alten Mann erlassen.
Sie sind beide vorbestraft und werden festgenommen. Der jüngere der Täter
verbüßt zur Zeit eine Bewährungsstrafe und bleibt in Haft. Der ältere
Angreifer kommt unter Auflagen wieder frei. Einer
der angegriffenen Flüchtlinge muß sich aufgrund der lang anhaltenden
schockierenden Wirkung des Überfalls in psychotherapeutische Behandlung
begeben. Am
29. Mai 2006 verurteilt das Amtsgericht Potsdam die Täter zu Haftstrafen von
einem Jahr und 10 Monaten bzw. einem Jahr und zwei Monaten und einem Jahr. Deutschlandradio 8.8.05; rbb Nachrichten 8.8.05; MAZ 8.8.05; BM 9.8.05; FR 9.8.05; MAZ 10.8.05; e110 11.8.05; MAZ 11.8.05; Opferperspektive; BeZ 28.4.06; PNN 5.5.06; taz 31.5.06 8. August 05 Großbrand in Berlin-Moabit.
Nachdem um 23.07 Uhr der Notruf bei der Berliner Feuerwehr eingegangen ist,
und fünf Minuten später die ersten Rettungskräfte vor der Ufnaustraße 8
eintreffen, ist noch nicht absehbar, zu welcher Katastrophe sich der Brand
entwickeln wird. Letztlich sind 150 Feuerwehrleute, 25 Rettungswagen und
sechs Notärzte im Einsatz. Acht
Menschen sterben durch Brand und Rauch; von den 15 Schwerverletzten, die in
Krankenhäuser kommen, haben sich einige durch Sprünge aus den Fenstern die
Knochen gebrochen. Zwei Tage später erliegt die 34 Jahre alte Ferdane L. aus
dem Kosovo ihren Brandverletzungen. Ihre Tochter Shkurte liegt zur gleichen
Zeit mit schweren Verletzungen im Krankenhaus. Sie war – vor Eintreffen der
Feuerwehr – aus einem Fenster des Treppenhauses gesprungen. Der
polnische Vater Marek F. (35) und seine drei Kinder Anita (17), Nicole (11)
und Alberto (7) sterben, und aus einer Flüchtlingsfamilie (Kosovo) kommen das
Ehepaar Bekim (28) und Violetta Q. (25), ihr 5-jähriger Sohn Besjan und die
2-jährige Lema um. Einziger Überlebender dieser Familie ist der 7-jährige
Besart, der mit einem Rauchgasinhalationstrauma und schweren
Hautverbrennungen, die über 45% seiner Körperoberfläche betreffen, auf die
Kinderintensiv-Station des Virchow-Klinikums kommt und ins künstliche Koma
gelegt werden muß. Schon
bald nach dem Brand mehren sich die kritischen Stimmen zum Rettungseinsatz
von Feuerwehr und Polizei. Die Feuerwehr war zwar ca. fünf Minuten nach dem
Notruf vor Ort, das Feuer soll nach ca. 20 Minuten gelöscht gewesen sein,
aber es dauerte ein bis eineinhalb Stunden, bis einige Menschen aus ihren
Wohnungen geholt wurden. Es waren weder Sprungtücher noch Drehleitern vor
Ort. Die Menschen im brennenden Haus haben zum Teil sehr lange auf den
Balkonen gestanden, um Hilfe geschrien und gestikuliert. Einige warfen in
ihrer Not vom vierten Stock Blumenkübel, Flaschen und andere Gegenstände auf
die Straße, weil sie sich von den Rettungskräften völlig ignoriert fühlten.
Andere Menschen sprangen aus den Fenstern und verletzten sich dabei schwer.
Durchsagen über Lautsprecher oder Megaphone haben sie zu keiner Zeit
wahrgenommen. Die
Erklärungen des Leiters der Berliner Feuerwehr, Albert Broemme, haben
aufgrund ihrer diskriminierenden und rassistischen Grundaussage dann auch
eher Rechtfertigungscharakter. So doziert Herr Broemme der Presse gegenüber:
"Sprach- und Mentalitätsprobleme" in dem unter anderem von
Albanern, Portugiesen, Arabern und Polen bewohnten Haus hätten zu der
ungewöhnlichen hohen Opferzahl geführt. Wären alle Bewohner den Anweisungen
der Feuerwehr gefolgt, "hätte niemand sterben müssen". Aber
offenbar seien einige der Opfer des Deutschen kaum mächtig gewesen. Broemme
weiter: "Es gab mit Sicherheit ein krasses Fehlverhalten der
Hausbewohner, weil sie die Sprache nicht verstanden haben ... Einige
Hausbewohner sind in ihr Verderben gerannt. Die Flucht ins Treppenhaus war
die Flucht in den Tod." Und weiter: ".... an dem Einsatz sei nichts
zu beanstanden". Der
CDU–Kreisverband von Berlin-Mitte, Ortsverein Beusselstraße (incl.
Ufnaustraße), erweitert die fragwürdigen Äußerungen und gibt zwölf Stunden
nach dem Brand folgende Fax-Mitteilung heraus: "Diese Katastrophe ist
allerdings auch der tragische Beweis dafür, wie wichtig das Erlernen
deutscher Sprachkenntnisse für hier lebende Ausländer ist ..... Es muß der
Grundsatz verwirklicht werden: Wer nicht bereit ist, die Sprache des Landes
zu lernen, in dem er sich auf Dauer aufhält, hat auch kein Anrecht, andere,
materielle Hilfe dieses Staates zu erhalten." Nicht
nur die Betroffenen selbst oder die NachbarInnen aus der Straße, auch die
Eigentümer des Brandhauses, Herr und Frau Brenning, widersprechen Broemmes
Äußerungen zu den fehlenden Deutschkenntnissen. Frau Brenning: "Alle
beherrschten genügend Deutsch, um kurze, präzise Anweisungen der Feuerwehr zu
verstehen. Zumindest die Kinder in den Familien sprachen perfekt Deutsch, oft
auch der Mann." Auch der Dezernatsleiter für Branddelikte, Michael
Havemann, schließt mangelnde Deutschkenntnisse als Grund für die hohe
Opferzahl aus, denn er berichtet, daß noch in der Nacht die Kripo mit allen
BewohnerInnen deutsch kommuniziert habe. Übereinstimmend
berichten Überlebende und NachbarInnen, daß sie keinerlei Warnungen gehört
hätten. Einige hätten beobachtet, wie kleine Haustiere (Kaninchen, Hund) von
Feuerwehrleuten aus dem Haus getragen worden wären – gleichzeitig auf die
panisch um Hilfe Rufenden aber nicht reagiert wurde. Am
16. August hat die Kripo den geständigen Brandstifter ermittelt. Es ist ein
12-jähriger Junge aus dem Hinterhaus, der mit Papier gekokelt hat, und als
dadurch ein im Treppenhaus abgestellter Kinderwagen Feuer fing, weggelaufen
ist. Vier von den Todesopfern des Brandes sind enge Verwandte von ihm. Besonders
unsensibel verhält sich die Berliner Ausländerbehörde in der Angelegenheit
des durch denBrand schwerst verletzten 7-jährigen Besart Q. Der Junge hat
seine Eltern und seine beiden Geschwister durch den Brand verloren. Deren
Leichen werden in den Kosovo überführt, damit ihre Verwandten sie begraben
können. Besart liegt noch in der Charité im künstlichen Koma, als sein
nächster Verwandter, der Bruder seines Vaters, nach Berlin reist, um auch ihn
abzuholen. Hier wird jedoch schnell deutlich, daß daran nicht zu denken ist.
Nach Angaben der behandelnden ÄrztInnen muß Besart noch mindestens bis zum
Sommer 2006 stationär behandelt werden. Er braucht intensive medizinische und
– nach seinem "Erwachen" – auch psychologische Betreuung. Noch
während Besart im Koma liegt, erteilt die Berliner Ausländerbehörde ihm zwar
eine Aufenthaltserlaubnis wegen eines "vorübergehenden"
Abschiebehindernisses, lehnt aber gleichzeitig die Verlängerung des Visums
seines Onkel ab. Diese sei nicht gerechtfertigt, weil der Onkel einen
längeren Aufenthalt beabsichtige, "um (seinen) Neffen hier in
Deutschland zu pflegen". "Humanitäre und schwerwiegende persönliche
Gründe" lägen somit nicht vor. Der Onkel bleibt, ist Besarts einzige Bezugsperson
und kümmert sich kontinuierlich und verantwortungsbewußt um den Jungen, was
im Krankenhaus sehr geschätzt wird. Seit Besarts "Erwachen" aus dem
Koma Ende Oktober wohnt der Onkel dann Tag und Nacht bei ihm in der Charité.
Von der Ausländerbehörde erhält der Onkel erst im Dezember eine
"Duldung", um den Jungen in eine Rehabilitätsklinik in Geesthacht
begleiten zu können. Das Sozialamt gewährt dem Onkel 40 Euro Taschengeld im
Monat, weil er im Krankenhaus wohnt und dort verpflegt werden kann. Die
Berliner Härtefallkommission lehnt es im Januar 2006 ab, den Innensenator um
ein Bleiberecht für den Onkel (und damit auch für den Jungen) zu ersuchen.
Empfohlen wird lediglich eine "vorübergehende"
Aufenthaltserlaubnis, die auch erteilt wird. Der Onkel bleibt auch während
der Rehabilitation von Besart bei ihm im Krankenhaus. In Attesten wird er als
"Ersatzvater" des Waisenkindes bezeichnet. Nach der Entlassung aus
der Klinik im Mai 2006 sind beide obdachlos. Sie müssen für einige Monate in
ein Wohnheim. Besart kommt, weil seine geistige Leistungsfähigkeit sich seit
dem Brand vermindert hat, in eine Behindertenschule in Berlin-Zehlendorf, in
der auch eine physiotherapeutische Versorgung erfolgt. Die Wohnungssuche ist
erschwert, weil der gerichtlich bestellte Vormund für Besart (AWO
Landesverband Berlin) weder einen Mietvertrag unterschreibt noch eine Kaution
oder Bürgschaft übernimmt. Im
Oktober 2006 bestätigt die Charité, daß Besart noch weitere fünf Jahre eine
intensive medizinische Behandlung braucht. Die Betreuung durch den Onkel sei
dabei "zwingend notwendig". Dieser muß unter anderem darauf achten,
daß Besart wegen der großflächigen Hautvernarbungen ständig seine
Gesichtsmaske und die Kompressionskleidung trägt. Im
Dezember 2006 teilt die Ausländerbehörde mit, für beide stehe die gemeinsame
Ausreise (bzw. Abschiebung) an, sobald die ärztliche Behandlung in
Deutschland abgeschlossen sei. Sie hat bereits das Bundesamt für Flüchtlinge
und Migration mit der Prüfung beauftragt, ob überhaupt noch eine Behandlung
in der BRD erforderlich ist. Im
Januar 2007 erfährt der Onkel, daß der Lebensunterhalt seiner Ehefrau und der
vier gemeinsamen Kinder im Kosovo äußerst gefährdet ist, weil seine
Arbeitskraft in einer kleinen Familienbäckerei nicht länger ersetzt werden
kann. Von Berlin aus kann er sie nicht unterstützen, weil er keine
Arbeitserlaubnis erhält. rbb-online 9.8.05; Welt 9.8.05; FR 9.8.05; TS
9.8.05; BeZ 10.8.05; BM 10.8.05; taz 10.8.05; BZ 10.8.05; rbb-online 11.8.05; BM 11.8.05; Welt 11.8.05; BeZ 11.8.05; BeZ 12.8.05; taz 17.8.05; SOS Human Rights
Berlin 9. August 05 Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern. In der JVA Bützow versucht der Abschiebegefangene M.
R. sich zu töten. BT DS 16/9142 12. August 05 Lübben in Brandenburg. Ein
Flüchtling aus Kamerun wird auf dem Weg zu seiner Flüchtlingsunterkunft in
einem Waldstück von sieben Personen an der Weiterfahrt mit seinem Fahrrad
gehindert. Er bremst, und als er zum Stehen kommt, beleidigen ihn die
Deutschen mit den Worten "Scheiß Neger" und "Was machst Du
hier?" Dann wird er durch einen Schlag auf das rechte Auge verletzt. MAZ 16.8.05; Opferperspektive 15. August 05 Der nigerianische Flüchtling
Sunny Pius Ebuleye befindet sich im Zug von München nach Ulm, als ihm eine
Fahrkartenkontrolle zum Verhängnis wird. Der Schaffner behauptet, daß sein
Bayernticket nicht gültig sei, zieht es – zusammen mit Personalpapieren –
ein, verlangt von Herrn Ebuleye eine Geldstrafe und verweist ihn des Zuges.
Als dieser sich weigert, ruft der Kontrolleur die Polizei. Der Zug hält in
Burgau und zwei Polizisten erscheinen. Sie schlagen ihn auf den Rücken und
gegen den Oberkörper, werfen ihn zu Boden und legen ihm Handschellen so fest
an, daß diese schmerzhaft und tief einschneiden. Seine Brille geht dabei
kaputt. Er wird in die Polizeistation gebracht und dort in einer Zelle –
immer noch in Handschellen – von 19.00 bis 21.00 Uhr festgehalten. Als seine
Verlobte übers Handy anruft, bittet Herr Ebuleye sie zu intervenieren. Ihr
wird von der Polizei mitgeteilt, daß ihr Verlobter bereits entlassen sei.
Aber erst eine halbe Stunde später wird Herr Ebuleye vor die Tür gestoßen.
Seine Bitten, ihm zu helfen, weil er jetzt weder Geld noch Bahnticket noch
Papiere hat, werden von den Polizisten ignoriert. Herr
Ebuleye besteigt den Zug in Richtung Augsburg und erklärt dem
Ticket-Kontrolleur seine Situation. Dieser telefoniert mit der Polizei in
Augsburg, die den von Herrn Ebuleye geschilderten Sachverhalt bestätigt.
Trotzdem erhält Herr Ebuleye auch von diesem Kontrolleur eine Geldstrafe
wegen Fahrens ohne gültigen Fahrschein. Erst
von der Augsburger Polizei bekommt Herr Ebuleye eine Kopie seiner Fahrkarte
und ein Freiticket, damit er die Fahrt fortsetzen kann. Die Polizisten raten
ihm zudem, sich an einen Anwalt zu wenden, weil auch sie offensichtlich die
Behandlung des Flüchtlings durch ihre Kollegen und durch Bahnangestellte
nicht in Ordnung finden. Kurze
Zeit später "erläßt" die Deutsche Bahn Herrn Ebuleye die Bezahlung
der von den Schaffnern geforderten Bußgelder. Ein
Jahr später stellt die Staatsanwaltschaft Memmingen das Strafverfahren wegen
Körperverletzung im Amt gegen die Burgauer Polizisten ein. Der Flüchtling
selbst kommt allerdings wegen Beleidigung (Rassismusvorwurf) und Widerstand
gegen Vollstreckungsbeamte vor Gericht, weil er gegen einen Strafbefehl von
50 Tagessätzen (750 Euro und Kosten des Verfahrens) Einspruch einlegte. Im
Oktober 2006 verurteilt das Amtsgericht München den Flüchtling. Der Richter
sieht die Mißhandlung in der Arrestzelle als mildernd an und setzt die
ursprünglich von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafe auf 40 Tagessätze
zu je 5 Euro herab, die Herr Ebuleye vom monatlichen Taschengeld von 40 Euro
bezahlen muß. Zudem fordert die Deutsche Bahn wegen der Verzögerung der
Zugfahrt in Burgau Schadens-ersatz in Höhe von 162,72 Euro. Kommentar von
Herrn Ebuleye: "Ich soll dafür bezahlen, daß ich entwürdigt und
diskriminiert wurde, das ist doch nicht fair." Bericht des Betroffenen; Rechtsanwalt Hasko Linnartz – München; jW 11.10.06 17. August 05 Bundesland Baden-Württemberg.
Als Herr D. von der Polizei zur Abschiebung nach Bosnien aus der Wohnung
geholt wird, bricht seine Frau zusammen und muß vom Notarzt ins Krankenhaus
eingewiesen werden. Die
Eheleute, die vor 14 bzw. 13 Jahren in die BRD geflohen waren, haben eine
lange Leidensgeschichte hinter sich. Frau A. ist Romni aus dem Kosovo und
Herr D. Rom aus Bosnien, und einen gemeinsamen Aufenthaltsort mit ihren vier
in Deutschland geborenen Kindern scheint es in Europa nicht zu geben. (siehe
vor allem auch 3. April 03) Einem
noch in der Nacht gestellten Eilantrag an das Verwaltungsgericht wird
stattgegeben, so daß Herr D. zehn Minuten vor Abflug der Maschine am
Flughafen Frankfurt seinen Sitzgurt wieder lösen und die Maschine verlassen kann. Eine Entscheidung des
Petitionsausschusses des Baden-Württembergischen Landtages steht zu diesem
Zeitpunkt noch aus. Xclusiv nr.2 22. August 05 Abschiebegefängnis Rottenburg in
Baden-Württemberg. Zwei Gefangene, die sich seit sieben Wochen im
Hungerstreik befinden und vor einigen Tagen zusätzlich in den Durststreik
getreten sind, werden morgens um 10.00 Uhr aus den Zellen geholt und dann per
Charterflug von Bremen aus nach Nigeria abgeschoben. Sie haben keinerlei
gültige Papiere, wurden auch nie der nigerianischen Botschaft vorgeführt. Einer
von ihnen erstattete Anzeige gegen die Botschaft und die zuständige Behörde,
weil er schon einmal ohne Papiere abgeschoben worden war. Obwohl
die zwei Gefangenen seit Tagen extrem geschwächt und ausgetrocknet sind, bescheinigte
ein Mediziner der Bundespolizei den beiden "Transport- und
Abschiebetauglichkeit". Bei Besuchen von Freunden in den letzten Tagen
waren sie abwesend, irritiert und sehr müde. Einer erlitt nach einem
Besuchstermin einen Ohnmachtsanfall in seiner Zelle. indymedia 27.8.05 22. August 05 Bundesland Baden-Württemberg. In
der JVA Mannheim versucht der Abschiebegefangene N. D. sich zu töten BT DS 16/9142 23. August 05 Derschen im Kreis Altenkirchen
in Rheinland-Pfalz. Morgens um 4.00 Uhr erscheinen sechs Nazis vor dem
Flüchtlings-heim, brüllen rassistische Parolen und attackieren es mit
Plastersteinen und Kanthölzern, so daß 16 Fensterscheiben zu Bruch gehen. Im
Heim leben derzeit sieben Flüchtlinge im Alter von 19 bis 40 Jahren. Die
beiden bei dem Angriff anwesenden Bewohner kommen mit dem Schrecken davon –
verletzt wird niemand. Im
Westerwald sei zwar eine rechtsextreme Kameradschaft aktiv, heißt es, im
Moment gebe es aber keine Anhaltspunkte, daß sie mit der Tat in Verbindung
stehe. Bereits
im März war es zu ähnlichen Angriffen in zwei aufeinanderfolgenden Nächten
gekommen. Auch damals wurde das Haus mit Steinen geworfen – von den Tätern,
damals wie heute, fehlt jede Spur. Im
September richten sich die Ermittlungen gegen mehrere Tatverdächtige aus der
rechtsextremen Szene. swr-Nachrichten 23.8.05; indymedia 24.8.05; e110 24.8.05; LT Rheinland-Pfalz DS 14/4524 23. August 05 Meschede in Nordrhein-Westfalen.
Als Herr K. nach der Arbeit gegen 17.30 Uhr nach Hause kommt, erwarten ihn
bereits zwei Polizisten in Uniform und einer in Zivil, der allerdings auch
eine Schußwaffe bei sich trägt. Das bereits vorbereitete Essen muß er stehen
lassen – stattdessen bietet ihm einer der zwei anwesenden Ärzte
Beruhigungstabletten an. Er lehnt sie ab. Das
Ehepaar hatte bereits vor zwei Jahren versucht, sich nach einer
Abschiebeankündigung gemeinsam das Leben zu nehmen. Seither befand es sich in
psychiatrischer Behandlung. Nach
14 Jahren Deutschland-Aufenthalt erfolgt jetzt ihre Abschiebung im Rahmen
einer bundesweiten Massenabschiebung über Düsseldorf und Istanbul nach Sri
Lanka. (siehe nächsten Abschnitt). FRat NRW 26.8.05; Karawane – Hamburg 29.4.06 24. August 05 120 tamilische Flüchtlinge aus
Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen, Rheinland-Pfalz,
Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein werden in der Nacht zur Abschiebung
nach Düsseldorf und Frankfurt gebracht. Das Einchecken beginnt um 4.00 Uhr –
die zwei gecharterten Maschinen starten gegen 8.00 Uhr und fliegen mit
Zwischenlandung in Istanbul nach Sri Lanka. Dabei
spielen sich erschütternde Szenen ab. Zum Beispiel wird eine Familie über
Düsseldorf abgeschoben, während sich die junge Tochter auf einem Schulausflug
befindet, und ein Mann wird direkt aus einem Krankenhaus geholt und in das
Flugzeug gesetzt. Diese
Massenabschiebung wird genau zu dem Zeitpunkt durchgeführt, an dem
Massenverhaftungen von TamilInnen in Sri Lanka stattfinden – aufgrund einer
nach der Ermordung des srilankischen Außenministers erneut eingeführten
Notstandsverordnung (ER). Begleitet von rassistischer Propaganda der beiden
singhalesisch-extremistischen Parteien JVP (Janatha Vimukti Peramuna) und JHU
(Jathika Hela Urumaya), die das Waffenstillstandsabkommen und den von
Norwegen initiierten Friedensprozeß strikt ablehnen, haben die willkürlichen
Verhaftungen und Mißhandlungen von TamilInnen bereits vor der Verhängung des
Notstandes beunruhigende Ausmaße angenommen. Nach einer
Pressemitteilung des North East Secretariat for Human Rights vom 22. 08. 05 sind seit Anfang
Juli 3000 TamilInnen aufgrund des "Prevention of Terrorism Act"
(PTA) im Süden der Insel verhaftet worden. IMRV 30.8.05 24. August 05 Meschede in Nordrhein-Westfalen.
Als die Tür der Flüchtlingsfamilie V. mitten in der Nacht nicht geöffnet
wird, läßt man sie durch einen Schlüsseldienst öffnen. Acht Beamte gehen ins
Schlafzimmer, wecken Frau V. und ihre beiden Kinder und fordern sie auf, die
Koffer zu packen. Die
drei werden zum Flughafen Düsseldorf gefahren und dann – zusammen mit ca. 117
anderen Flüchtlingen – über Istanbul (63 Abzuschiebende) nach Sri Lanka (57
Abgeschobene) abgeschoben. Frau
V. war vor 10 Jahren in die BRD gekommen. Eines ihrer Kinder ist schwer
geistig behindert. Ein Antrag an die Härtefallkommission ist noch nicht
entschieden. Als
ihr Mann von der Spätschicht nach Hause kommt, findet er die Wohnung leer
vor. FRat NRW 26.8.05; Karawane 29.4.06 24. August 05 Stuttgart. Das Ehepaar
Vasanthakumaran wird festgenommen, nach Frankfurt gebracht und nach Sri Lanka
abgeschoben. Weil die beiden Söhne Vitusan (17 Jahre alt) und Janesan (12
Jahre alt) beim Sport und die Tochter Niruyala (16 Jahre alt) auf einer Feier
sind, entgehen die Kinder der Abschiebung – allerdings unter dem bitteren
Verlust der Eltern. Die
Familie Vasanthakumaran reiste 1992 in die Bundesrepublik ein und stellte
Asylanträge, die mittlerweile abgewiesen wurden. Der
Sohn Janesan ist hier geboren, die beiden älteren Kinder waren bei ihrer
Einreise noch Kleinkinder. Vasanthakumarans hatten über ein Jahrzehnt in
Stuttgart gelebt und waren gut integriert. Der
Vater hat jahrelang geputzt und damit die Familie ernährt; die rheumakranke
Mutter hat sich um die Kinder gekümmert. Die
gewaltsame Trennung der Eltern von den Kindern geschieht einige Wochen vor
der Einrichtung einer Härtefallkommission. Durch diese Kommission hätte die
Familie mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Chance auf ein gemeinsames Leben in
Deutschland gehabt. (siehe auch: 28.April 06) IMRV Bremen; StZ 9.05.06 25. August 05 Im brandenburgischen Zeuthen
wird eine Vietnamesin auf dem Parkplatz vor dem Schleckermarkt – Forstallee –
von einem Mann geschlagen. Opferperspektive (MAZ 26.8.05) 28. August 05 Magdeburg in Sachsen-Anhalt.
Nachdem sie mit Pöbeleien bereits eine Frau aus der Straßenbahn der Linie 3
vertrieben haben, beginnen fünf deutsche Nazis, einen 31 Jahre alten
Flüchtling aus Benin rassistisch zu beleidigen und zu bedrohen. Einer der
Angreifer zeigt dem Afrikaner ein auf seinen Arm tätowiertes Hakenkreuz und
ruft "Deutschland den Deutschen!". Als
der Flüchtling die Beleidigungen zurückweist, beginnen die Männer auf ihn
einzutreten und ihn zu schlagen. Dem Beniner gelingt die Flucht. Als die von
Augenzeugen alar-mierte Polizei eintrifft, nimmt sie lediglich die
Personalien des Angegriffenen auf und läßt die Täter unbehelligt laufen. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 30. August 05 Bundesland Baden-Württemberg. In
der JVA Mannheim versucht der Abschiebegefangene H. Y. sich zu töten BT DS 16/9142 August 05 Bundesland Bayern. Frau S.
gelingt es durch Flucht mit ihren 14- und 15-jährigen Kindern, ihrem Ehemann
aus dem Irak in die BRD zu folgen. Der 43 Jahre alte Herr H. hatte bereits im
Dezember 2000 Asyl beantragt und war ein Jahr später als Flüchtling nach der
Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt worden. Obwohl jetzt die ganze Familie
in der BRD ist, wird es behördlicherseits verboten, daß sie zusammenlebt. Im
Jahre 2006 wird die Flüchtlingseigenschaft von Herrn H. rechtskräftig
widerrufen – im August wird sein jüngster Sohn geboren. Obwohl
Herr H. inzwischen mit dem jüngsten Sohn in einer Privatwohnung leben darf,
obwohl sein Sohn Kekschar sich im Berufsvorbereitungsjahr als Autolackierer
und die Tochter Kanal sich im Berufsvorbereitungsjahr zur Friseurin befindet,
ist ein Zusammenleben der Familie auch im November 2009 nicht in Sicht. Alternativer Menschenrechtsbericht 2009 1. September 05 Bad Doberan in
Mecklenburg-Vorpommern. Zwei afrikanische Flüchtling werden in der Innenstadt
aus einer fünfköpfigen Gruppe heraus mit rassistischen Beleidigungen wie
"Scheiß Nigger, verpißt Euch!" beschimpft. Sie ignorieren diese
Attacken zunächst, doch als sie zum dritten Mal beleidigt werden, spricht
einer der Afrikaner, ein 40 Jahre alter Beniner, die Deutschen an. Daraufhin
wird er von einem der Männer mit der Faust ins Gesicht geboxt, so daß er eine
Augenverletzung erleidet. Er muß sich in ambulante Behandlung begeben. Der
Täter wird zu einer Haftstrafe von 3 Monaten mit einer zweijährigen
Bewährungszeit verurteilt. Zudem muß er 400 Euro Entschädigung an den
Verletzten bezahlen. LOBBI (OZ) 6. September 05 In der Hamburger JVA Fuhlsbüttel
begeht ein 34 Jahre alter Abschiebegefangener aus Serbien einen
Suizidversuch. Hamburgische Bürgerschaft DS 20/469 7. September 05 Bundesland Hessen – Rüdesheim am
Rhein. Um 17.45 Uhr hat der 41-jährige Yusuf S. das Geländer der
Theodor-Heuss-Brücke bereits überwunden. Er steht mit dem Rücken zum Wasser
und läßt sich dann rückwärts fallen. Nach 20 Metern Fall schlägt er auf dem
Rhein auf. Erst
zwei Tage später bemerkt ein Angler den toten Körper, der sich in einer Kette
am Steiger 2 bei Rheinkilometer 525,75 verfangen hat. Zunächst
bleiben Identifizierungsversuche erfolglos. Erst als fünf Wochen später ein
afghanischer Freund eine Vermißtenanzeige erstattet und dann die
polizeilichen Ermittler Kontakt zu Bruder und Schwester des Vermißten
aufnehmen, kann über einen DNA-Vergleich Jusuf S. Mitte Januar 2006
identifiziert werden. Er
war vor 14 Jahren aus Afghanistan in die BRD gekommen, war erst im August aus
einer Klinik entlassen worden und hatte sich, da er ohne festen Wohnsitz war,
bis zum 5. September in einem Wiesbadener Männerwohnheim aufgehalten. Polizei Wiesbaden
9.9.05; Free Radio News
1.12.05; Free Radio News
26.1.06; Main-Rheiner 27.1.06; StA Wiesbaden 11.12.06 9. September 05 Es ist der zweite Versuch, einen
23 Jahre alten tunesischen Abschiebegefangenen auszufliegen. Schon auf dem
Weg zum Flughafen Schönefeld hatte er ein 2-Euro-Stück verschluckt. Als aber
beim Sicherheitscheck der Personenscanner kein Signal gibt, berichtet der
Tunesier dem Flughafenpersonal, daß er Geld verschluckt habe, und kommt
deshalb mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus. Nachdem die Münze aus dem
Körper entfernt ist, erfolgt der Transport des Tunesiers zurück in das
Abschiebegefängnis Köpenick, wo er direkt in den Isolationstrakt verlegt
wird. Erst am 22. September kommt er aus der Isolation wieder heraus und wird
in einem der üblichen Zellentrakte untergebracht. Er ist psychisch zerrüttet,
aber mehrere Anträge, eine externe Psychiaterin zu konsultieren, werden vom
Polizeiärztlichen Dienst abgelehnt. Vier
Tage nach seiner Rückverlegung geschieht es, daß ihn ein Sanitäter weckt und
ihn auffordert mitzukommen, weil Fotos von ihm gemacht werden sollten. Der
Tunesier versteht die Aufforderung und auch die Situation gar nicht, er
leistet Widerstand und kommt deshalb erneut in den Isolationstrakt, von wo
aus er am 30. September abgeschoben wird. Am
19. August war seine Abschiebung gescheitert, weil es ihm gelungen war, mit
dem Flugkapitän zu sprechen, der sich daraufhin geweigert hatte, ihn
mitzunehmen. (siehe auch: 4. Juli 05) Initiative gegen Abschiebehaft Berlin 14. September 05 JVA Fuhlsbüttel in Hamburg.
Polizisten betreten am Abend die Abschiebehaftzellen und befehlen, daß sich
alle Gefangenen auf den Boden legen sollen. Namen werden aufgerufen und die
Benannten sollen sich erheben und bekommen Handfesseln angelegt. Wer nicht
schnell genug ist, wird geschlagen. Mindestens acht Männer werden so abgeholt
und zum Flughafen gebracht. Vor
dem Einstieg in den Airbus werden allen Betroffenen US-amerikanische
Gurtfesselsysteme angelegt, bei denen durch Verkürzung der Verbindungsseile
Arme und Beine zum Körpermittelpunkt zusammengezogen werden (Body-Cuffs). Mit
Nachtflugerlaubnis startet die Maschine gegen 2.00 Uhr morgens mit 27
Afrikanern aus vier Bundesländern und sechs weiteren europäischen Ländern. 15
Männer werden aus Deutschland abgeschoben – davon acht aus Hamburg. HA 15.9.05; Karawane 29.4.06 20. September 05 Sachsen-Anhalt. In einer
Magdeburger Straßenbahn Linie 94 wird gegen 21.00 Uhr eine 27 Jahre alte Asylbewerberin
aus Burkina Faso von einem jungen Mann bedroht. Der Mann hatte zunächst in
der Sitzreihe vor ihr gesessen. An der Haltestelle Kastanienstraße, an der
die Frau aussteigen wollte, verließ auch der Mann die Bahn, zog eine Pistole
und bedrohte sie damit. ddp 27.9.05; Polizei Magdeburg 27.9.05; JWB
5.10.05; Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 20. September 05 Lippstadt in
Nordrhein-Westfalen. Der kurdische Flüchtling Mehmet Ali Azun wird mit sechs
Kindern in die Türkei abgeschoben. Bis auf Abdul-Rahman sind alle Geschwister
minderjährig. Da der 6-jährige Süleyman derzeit im Krankenhaus liegt, wird
die Mutter, Serife Azun, von der Abschiebung verschont. Ihre volljährige
Tochter hat aufgrund der Heirat mit einem Deutschen ein Aufenthaltsrecht. Die
Familie ist damit gewaltsam getrennt. Aufgrund
eines vorliegenden Haftbefehls gegen Herrn Azun, der von der 4.
Schwurgerichtskammer Diyarbakir wegen angeblicher Teilnahme an einer Aktion
der PKK am 12.10.1992 in Seyhan ausgestellt wurde, erfolgt die sofortige
Festnahme des abgelehnten Asylbewerbers noch auf dem Flughafen Istanbul. Eine
Rechtsanwältin berichtet später, daß bei Herrn Azun Verletzungsspuren
sichtbar sind, die auf Folter hindeuten. Bei der Verkündung des Haftbefehls
werden auch die Vorfälle vom 18. Mai 2004 beim türkischen Generalkonsulat in
Essen zur Sprache gebracht. (siehe dort) Mehmet
Ali Azun kommt zunächst in die Instanbuler JVA Metris und wird später nach
Diyarbakir gebracht. Nach sechs Monaten Haft wird er vom Vorwurf der
Mitgliedschaft in der PKK freigesprochen. Am
17. Mai 2006, so berichtet seine 15-jährige Tochter, klingelt es um 11.00 Uhr
an der Wohnungstür in der 5 Nisan Straße im Bezirk Baglar in Diyarbakir. Zwei
Männer in Zivil stehen vor der Tür. Außer dem Wort 'Polizist' versteht sie
die Fragen der Männer nicht, denn sie spricht kein Türkisch. Sie holt ihren
Vater an die Tür, der dann von den Männern mitgenommen wird. Dann verliert
sich seine Spur. Nachfragen
bei der Staatsanwaltschaft und dem Büro für Verschwundene im Polizeipräsidium
Diyarbakir bleiben erfolglos. Auch Anfang Juni hat die Familie noch kein
Lebenszeichen von Mehmet Ali Azun.
(siehe auch: 18. Mai 04) FRat NieSa September 05; Türkeiforum (Özgur Gündem 8.6.06); ICAD 29.5.06 22. September 05 In der Hamburger JVA Fuhlsbüttel
begeht ein 32 Jahre alter Abschiebegefangener aus der Türkei einen
Suizidversuch. Hamburgische Bürgerschaft DS 20/469 23. September 05 Bereich Neue Neustadt in
Magdeburg – Sachsen-Anhalt. In Höhe der Straßenbahn-Haltestelle Kastanienstraße
wird 17.25 Uhr ein 20 Jahre alter Flüchtling aus Burkina Faso von einem
26-jährigen Deutschen zunächst mit rassistischen Sprüchen beleidigt und dann
mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Danach zieht der Deutsche eine Pistole,
richtet sie gegen den Flüchtling und beschimpft ihn weiter. Dieser flüchtet
in die Polizeistation Nord. Der Angreifer kann schnell gestellt werden, und
die Waffe – eine Schreckschußpistole – wird sichergestellt. Der
Täter kommt nach vorläufiger Festnahme wieder auf freien Fuß und muß sich
wegen Körperverletzung, Bedrohung und Volksverhetzung verantworten. ddp 27.9.05; Polizei Magdeburg 27.9.05; JWB 5.10.05; Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 26. September 05 Lengerich im Bundesland Nordrhein-Westfalen.
Im Eingangsbereich der Flüchtlingsunterkunft wird ein Feuer gelegt.
Polizeibeamten gelingt es, das Feuer zu löschen – niemand wird verletzt. Der
oder die Täter werden nicht ermittelt. VS-Bericht NRW 2005 27. September 05 Landkreis Mansfelder Land in
Sachsen-Anhalt. Auf dem Busbahnhof in Hettstedt wird ein 33 Jahre alter
Flüchtling von mehreren alkoholisierten Jugendlichen rassistisch beleidigt
und bedroht. Eine Passantin, die sich der pöbelnden Meute in den Weg stellt,
kann einen körperlichen Angriff auf den Afrikaner verhindern. Die
über Notruf verständigte Polizei nimmt noch vor Ort die Personalien der
Angreifer auf – es sind Jugendliche im Alter von 16 bis 21 Jahren. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt (MDZ 28.9.05) 29. September 05 Märkisches Viertel in
Berlin-Reinickendorf. Die Polizeibeamten, die um 20.20 Uhr an eine
Wohnungstür in der Wesen-dorfer Straße klopfen, um aufgrund eines anonymen
Hinweises eine Identitätsprüfung vorzunehmen, hören zunächst Stimmen und müssen
dann doch eine Weile warten, bis die Tür geöffnet wird. Die Mieterin erzählt,
daß sich Zainul B. jetzt gerade aus dem Fenster gestürzt hat. Der
39 Jahre alte Ghanaer Zainul B. zieht sich bei dem Sturz aus dem vierten
Stock des Hauses schwere Brüche des Beckens und eines Oberschenkels zu. Durch
eine schnelle Erstversorgung und eine anschließende Notoperation kann er
gerettet werden. Da Zainul B. keine gültigen Aufenthaltspapiere für die BRD
hat, wird vermutet, daß er aus Angst vor Festnahme und Abschiebung sein Leben
riskierte, um der Polizei zu entgehen. Polizei Berlin 30.9.05; TS 30.9.05; TS 1.10.05; BM 1.10.05; Welt 1.10.05; BeZ 1.10.05 Herbst 05 Flüchtlingsunterkunft im
Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main in Cargo City Süd, Gebäude C 587.
Ein 25 Jahre alter tunesischer Flüchtling, der am 22. September ohne
Flugticket und Reisepaß im Flughafengelände aufgegriffen worden war und
dessen Asylantrag inzwischen abgelehnt wurde, fügt sich selbst Verletzungen
zu, so daß seine Einlieferung in die Psychiatrie erforderlich wird. Von hier
aus gelingt ihm zunächst die Flucht. Bei
einer Fahrzeugkontrolle auf der Bundesautobahn A 9 am Parkplatz Fürholzen
durch die Polizei Erding wird er jedoch wieder festgenommen. Er wollte mit Hilfe
seines Bruders in dessen Fahrzeug weiter nach Italien kommen. Gegen seinen
Bruder und einen weiteren Mitfahrer wird wegen Verdachts der
"Schleusung" ermittelt. Polizei Bayern 13.12.05; Polizei Erding 4. Oktober 05 Der 46 Jahre alte Kurde Ömer
Agirman wird nach abgelehntem Asylantrag mit seinem 4-jährigen Sohn Osman,
der 7-jährigen Leyla, der 13-jährigen Özlem und dem 15-jährigen Behrem in die
Türkei abgeschoben. Nach elf Jahren Deutschland-Aufenthalt – meist in der
nordhessischen Gemeinde Wabern – wird die Familie durch die Abschiebung
gewaltsam getrennt. Die
Mutter der Kinder, Emine Agirman, und die 10-jährige Eytan werden zunächst
verschont, weil Eytan sich heute einer Schilddrüsen-Operation unterziehen
muß. Die 19 Jahre alte Necima darf vorerst als Dolmetscherin bleiben. Ihr
20-jähriger Bruder Abdul ist nicht zu Hause – er taucht später unter. Nach
der Ankunft in Ankara werden alle Abgeschobenen durch die türkische Polizei
verhört. Anschließend geht Ömer Agirman in die Illegalität – aus Angst vor
den türkischen Behörden. Seine Kinder sind dadurch auf sich allein gestellt.
Ein Rechtsanwalt bringt sie dann nach Idil zur Großmutter. Sie
leben wenig später nahe der syrischen und iranischen Grenze in der Ortschaft
Idil (Provinz Sirnak) bei ihrer 85 Jahre alten Großmutter Fatma Agirman. Sie
wohnen mit einer anderen kurdischen Familie in einem Zwei-Zimmer-Haus. Da die
andere Familie fünf Kinder hat, sind die Lebensbedingungen extrem schlecht.
Sie leben mit 12 Personen in zwei Räumen. Die Großmutter – sie kann schlecht
sehen und hören – ist mit der Betreuung der Kinder völlig überfordert. Sie
muß von ihren 40 Euro Rente jetzt die vier Kinder mit ernähren. Das heißt,
daß sie alle wenig zu essen haben. Wasser wird in wöchentlichen Abständen in
einen auf dem Badehäuschen stehenden Behälter geleitet, es ist sehr knapp und
von minderer Qualität. Alle Kinder haben wochenlang Durchfall. Die
beiden kleinen Kinder, Leyla und besonders Osman, haben Hauterkrankungen.
Geld für eine medizinische Behandlung ist nicht da, und eine Yesil-Card
bekommen sie nicht, weil sie sich – aufgrund abwesender Eltern – nicht
anmelden können. Die
Kinder leiden unter der Trennung von ihren Eltern und Geschwistern, sind
traumatisiert und gehen nicht aus dem Haus. Mit Nachbarskindern können sie
sich auch ein Jahr nach der Abschiebung noch nicht unterhalten – einerseits,
weil sie durch ihre jetzige Situation verstummt sind – andererseits, weil sie
nur Deutsch verstehen. Ein
Jahr nach der Abschiebung werden die Kinder eingeschult und fangen an,
Türkisch zu lernen. Bis auf die 14-jährige Özlem, die praktisch die
Mutterrolle für ihre Geschwister übernommen hat, sind sie weiterhin depressiv
und antriebsarm. Sie sprechen fast nicht und haben keine Kontakte nach außen. Das
Dorf, in dem die Familie Agirman bis 1994 lebte, ist niedergebrannt worden.
Herr Agirman hatte vor seiner Flucht in die BRD ein kleines Fuhrunternehmen.
Als er den Aufenthaltsort seines für die PKK arbeitenden Bruders nicht
preisgeben wollte, wurde er mehrfach verhaftet und gefoltert. Auch seine Frau
Emine wurde von türkischen Polizisten schwer mißhandelt. Dies ist nach
Annahme des Rechtsanwaltes auch der Grund, weshalb Herr Agirman noch in
Ankara seine Kinder verließ. Als
seine alte Mutter in Idil aufgrund zunehmender Herz-Kreislauf-Schwäche
bettlägerig wird, kehrt er zu ihr und damit zu seinen Kindern zurück. Zwei
Jahre nach der Abschiebung, im Herbst 2007, hat sich die Situation der
Familie nur dahingehend geändert, daß Frau Agirman eine Bleiberechtsregelung
für Altfälle in Anspruch nehmen konnte. Sie befindet sich aufgrund ihrer
Posttraumatischen Belastungsstörung in psychotherapeutischer Behandlung und
hat eine Arbeit gefunden. Sie bemüht sich, so viel Geld zu verdienen, daß sie
die finanziellen Bedingungen für die Genehmigung, ihre Kinder aus der Türkei
zurückzuholen, erfüllen kann. Der
Sohn Abdul, der am Tage der Abschiebung zufällig nicht Zuhause war, fand
zunächst bei Verwandten in der Nähe von Wabern Unterschlupf. Da ihn dort
viele Menschen kennen und andere erkennen würden, holt ihn sein Cousin bald
ab und nimmt ihn mit nach Ribnitz-Damgarten an die Ostsee. Dort jobbt er ohne
jegliche Papiere einige Jahre in Eisdielen und Dönerläden. Als er hört, daß
es in Berlin "Asyl in der Kirche" gibt, fährt er dorthin und bittet
um Hilfe. Jörg Passoth, einer der Mitbegründer der Organisation, beschafft
ihm eine Wohnung, die von den Vereinsmitgliedern finanziert wird. Das Leben
als "Illegaler" in der Großstadt mit der ständigen Angst vor der
Festnahme und Abschiebung traumatisiert ihn – und auch die Beziehung zu
seiner Freundin Una ist durch seinen unsicheren Aufenthalt geprägt.
Schließlich beschließen sie zu heiraten, um die Angst und die Panikattacken
loszuwerden. Dafür ist es nötig, daß Abdul Agirman sich bei der Ausländerbehörde
in Hessen stellt. Jörg Passoth begleitet ihn dorthin – sie hoffen auf eine
Duldung, denn Abdul hat jetzt einen Ausbildungsplatz und wird eine Frau mit
sicherem Aufenthalt heiraten. Dort erfolgt jedoch umgehend die Verhaftung,
und ein Strafverfahren wegen "Illegalität" wird gegen den jetzt
28-jährigen Kurden eingeleitet. Er kommt in die JVA Gießen in Abschiebehaft,
später nach Frankfurt am Main. Mit
viel Glück findet seine Freundin Una eine Standesbeamtin in
Ribnitz-Damgarten, die bereit ist, die beiden zu trauen, und die ihnen den
Termin am 21. Mai 13 gibt. Dieser Termin ist jetzt die Voraussetzung für die
Freilassung von Abdul, so daß er kurz vor seiner geplanten Abschiebung
entlassen wird und in den Norden fahren kann, um Una zu heiraten. Rechtsanwälte des IHD 2.12.05; Unterstützerkreis der Familie Agirman; FR 8.4.06; FAZ.NET 18.4.06; Asylbeauftragter Harald Huber 9.7.06; Welt 9.10.06; ard-Kontraste 14.9.06; FR 16.9.06; Barbara Neppert – ai
Türkei-Kogruppe; TS 9.6.13 5. Oktober 05 Senden in Nordrhein-Westfalen.
Um 6 Uhr morgens klingelt es an der Wohnung der Familie Osman in der
Ostlandstraße. Als Frau Radmila schlaftrunken fragt, was denn los sei,
bekommt sie zur Antwort, daß die Polizei da sei, sie solle öffnen, ansonsten
würde die Tür gewaltsam geöffnet. Die Beamten dringen in die Wohnung ein und
nehmen den Vater Gynes Osman und den 14-jährigen Sohn Sado mit. Sie, die in
Mazedonien geboren wurden, werden nach 14 Jahren Deutschland-Aufenthalt nach
Mazedonien abgeschoben. Damit ist die Familie getrennt, denn Frau Radmila
Osman ist Serbin, und ihr und ihren beiden in Deutschland geborenen Kindern
Sabina und Senat droht die Abschiebung nach Serbien. Eine Chance auf ein
gemeinsames Leben mit Mann und ältestem Sohn werden sie – aufgrund der
unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten – nicht haben. Im
Februar hat der 14-jährige Sado 15 kg an Gewicht verloren und seit der
Abschiebung aufgehört zu sprechen. WN 6.10.05; WN 18.2.06 7. Oktober 05 Hittfeld im Bundesland
Niedersachsen. Morgens um 7.07 Uhr bricht in einem Zimmer des
Flüchtlingsheimes in der Straße Am Redder ein Feuer aus. Der 21-jährige
Bewohner aus Sierra Leone ist zu dieser Zeit nicht anwesend, aber die
MitbewohnerInnen werden durch das Geräusch des Feuers gewarnt und benachrichtigen
die Feuerwehr. Den Feuerwehrleuten, die schweres Atemschutzgerät anlegen
müssen, gelingt es, den Brand nach einer Stunde zu löschen. Verletzt wird
niemand. HA 8.10.05 15. Oktober 05 Unterweissach in Baden-Württemberg.
In der Kelterstraße wird ein Molotowcocktail gegen ein Mehrfamilienhaus
geschleudert. Gegen einen 17-Jährigen und zwei 15- und 18-jährige Schüler
wird ermittelt. Daß
der Anschlag einer Flüchtlingsfamilie aus dem Kosovo gilt, die in dem Haus
wohnt, kommt erst nach einem weiteren Brandanschlag ans Tageslicht, nachdem
die Polizei eine achtköpfige Ermittlungsgruppe gebildet hat, die die
rechtsradikalen Aktivitäten und Straftaten im Landkreis strafrechtlich
verfolgen soll. (siehe hierzu 6. November 05) BKZ 9.11.05; SinZ/BöZ 30.3.06; ap 27.6.06; SinZ 28.6.06; BKZ 30.6.06; BKZ 7.7.06 21. Oktober 05 Untersuchungshaftanstalt
Hamburg. Um 6.45 Uhr wird der 32 Jahre alte Gefangene Michail Sh. von einem
Beamten tot in seiner Zelle aufgefunden. Herr Sh. hat sich mit einem
Bettlaken stranguliert. Er war gestern aufgrund eines Haftbefehls des
Amtsgerichts Hamburg wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz in die
Haftanstalt gebracht worden. Er ist wahrscheinlich russischer oder
jugoslawischer Herkunft und konnte keine gültigen Aufenthaltspapiere
vorweisen. Justizbehörde Hamburg 21.10.05 21. Oktober 05 Der kurdische Flüchtling Herr
Bindal wird aus dem Abschiebegefängnis in Rottenburg nach Istanbul abgeschoben.
Dort wird er sofort verhaftet und ins Gefängnis von Diyarbakir gebracht.
Durch die Abschiebung wird er von seiner australischen Verlobten und ihrem
gemeinsamen Kind getrennt. Vor
seiner Flucht in die BRD war Herr Bindal in der Türkei wegen seiner
PKK-Aktivitäten zum Tode verurteilt worden. Dieses Urteil war in eine
20-jährige Gefängnisstrafe umgewandelt worden, wovon er 12 Jahre absaß. AK Asyl Stuttgart Dezember 2005 22. Oktober 05 Das Flüchtlingsheim im
sächsischen Helbigdorf brennt bis auf die Grundmauern nieder. Die 25
BewohnerInnen können sich unverletzt aus dem Gebäude des ehemaligen
Rittergutes retten. Sie werden evakuiert und in der Flüchtlingsunterkunft in
Radebeul untergebracht. Herr
Brahim Tahiri, der mit seiner Familie bei Freunden zu einem kurzen Besuch
war, fuhr – nachdem er von dem Brand erfahren hatte – zunächst alleine nach
Helbigsdorf. Die Heimleiterin sagte ihm, daß er wieder zurückfahren solle,
sie würde ihn anrufen. Herr
Tahiri bleibt mit seiner Frau und den vier Kindern im Alter von acht Monaten,
drei, sieben und acht Jahren noch zwei Tage dort. Die Situation ist für die
Freunde, die jetzt eine sechsköpfige Familie beherbergen müssen,
ausgesprochen problematisch. Als auch nach zwei Tagen der Anruf der
Heimleiterin ausbleibt, beschließen die Eheleute, mit den Kindern nach
Radebeul zu fahren, wo sie um 18 Uhr eintref-fen und nur notdürftig
untergebracht werden können. Denn alle Wohnräume sind belegt. Zu essen
bekommen die Tahiris nicht. Am
nächsten Tag fährt die Familie nach Freiberg und erfährt bei der
Ausländerbehörde, daß für den nächsten Tag in der Chemnitzer Straße 50 zwei
Zimmer frei werden würden. Als
die Tahiris dort am nächsten Tag um 14.30 Uhr ankommen, wird ihnen ein Zimmer
zugewiesen, in dem bereits zwei vietnamesische Flüchtlinge leben. Herr
Tahiri geht zum Heimleiter, verlangt Essen und bekommt zur Antwort:
"Deine Kinder sind noch nicht tot? Dann kannst Du noch bis Freitag
warten." Als
am Freitag zufällig eine Flüchtlingsberaterin vom Schicksal der Familie
erfährt, organisiert sie eine kleine Spendenaktion, weil die Familie weder
Geschirr noch Kleidung noch normale Schlafmöglichkeit hat. Erst
elf Tage nach dem Brand und vor allem aufgrund intensiver mehrmaliger
Anmahnungen von UnterstützerInnen bekommt die Familie die zugesagten Zimmer. mdr 22.10.05; sachsenspiegel 22.10.05; jW 24.12.05 25. Oktober 05 Schwäbisch Gmünd in
Baden-Württemberg. Mitten in der Nacht erscheint die Polizei in der Wohnung
der Familie Ismailji und nimmt Frau Ismailji und drei Kinder zur Abschiebung
mit. Diese erfolgt kurz darauf nach Skopje in Mazedonien. Da der Ehemann und
Vater, Emrus Ismailji, zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend ist, wird die
Familie durch die Abschiebung getrennt. Die
Eheleute waren mit dem ältesten Sohn vor 15 Jahren in die BRD geflohen,
konnten sich schnell einleben, so daß sie – sobald sie Arbeitserlaubnisse
hatten – auch beide arbeiteten und somit nicht mehr auf staatliche Gelder
angewiesen waren. Sie
haben viele Freundinnen, Freunde und UnterstützerInnen, die nach der
Abschiebung in kürzester Zeit 3000 Unterschriften sammeln, die dem
Innenminister Heribert Rech in
Stuttgart übergeben werden. Freunde der Kinder rufen zu Demonstrationen auf,
Schuldirektoren und Landtagsabgeordnete drücken öffentlich ihr Bedauern und
Unverständnis aus. Über
die Entscheidung der Härtefall-Kommission, die Emrus Ismailji als Härtefall
anerkennt, setzt sich Innenminister Rech hinweg und verfügt die Abschiebung. Frau
Ismailji und die Kinder leben in Skopje zunächst ausschließlich von Spenden.
Die Kinder, die in Baden-Württemberg aufgewachsen sind, sprechen weder
Mazedonisch noch Albanisch. Gränzbote-SchwZ 4.5.06 26. Oktober 05 Möhlau in Sachsen-Anhalt. Gegen 21
Uhr kommt eine Mitarbeiterin der Ausländerbehörde Gräfenhainichen mit ca. 20
Polizeibeamten in das dortige Asylbewerberheim, um eine junge
Kosovo-Albanerin mit ihren beiden in Deutschland geborenen Kindern
festzunehmen und nach Prishtina abzuschieben. Der 12-jährige Sohn wird unter
der Dusche verhaftet und halbnackt ins Polizeifahrzeug gebracht. Seiner
Mutter, die schwer traumatisiert ist und unter einer Posttraumatischen
Belastungsstörung leidet, droht die Beamtin an, daß der 12-Jährige alleine
abgeschoben wird für den Fall, daß sie selbst sich jetzt widersetzen würde.
Trotzdem gelingt es der Mutter, ihre Psychiaterin telefonisch zu erreichen –
dann flieht sie in den obersten Stock und droht, sich aus dem Fenster zu
stürzen. Als
die Psychiaterin eintrifft, muß sie sich den Zugang mit deutlichem Nachdruck
verschaffen, weil die Polizei ihn ihr verwehren will. Dann gelingt es ihr,
ihre Patientin zu beruhigen und sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Erst
aufgrund der massiven Intervention der Psychiaterin lassen die Polizeibeamten
von ihrem Vorhaben ab und verlassen das Flüchtlingsheim. Da mit einem
neuerlichen Abschiebeversuch gerechnet werden muß, tauchen Mutter und Söhne
am folgenden Tag unter. Bereits
1993 war die Frau mit ihrem Lebensgefährten aus dem Kosovo geflohen. Ende
1993 wurde der erste Sohn in Deutschland geboren – im März 2004 kam der
zweite Sohn zur Welt. Nach der Ablehnung der Asylanträge wurden die Eltern im
April 2005 – getrennt voneinander – nach Prishtina abgeschoben, die beiden
Söhne zusammen mit der Mutter. Auf dem Flughafen harrte die hilflose und
kranke Frau tagelang aus; die Medikamente, die ihr ihre Psychiaterin
mitgegeben hatte, waren schnell zu Ende. Bei der UNMIK hieß es, man könne ihr
nicht helfen. Der
Gesundheitszustand der Frau verschlechterte sich so dramatisch, daß sich ihr
12-jähriger Sohn verantwortlich um seinen kleinen Bruder und um sie selbst
kümmern mußte, bis durch einen glücklichen Zufall der Vater zu ihnen stieß. Ein
Pfarrer, der sie aus Möhlau kannte, setzte sich erfolgreich für die Rückkehr
der Familie ein. Ein
Asylfolgeantrag und ein Antrag bei der Härtefallkommission haben keinen
Erfolg. Aufgrund neuer umfangreicher Gutachten und aufgrund der mangelnden
Behandlungsmöglichkeit der akut suizidgefährdeten Frau im Kosovo wird im
Jahre 2006 ein weiterer Asylantrag gestellt. Anfang
2008 hat die Frau aufgrund einer positiven Entscheidung der
Härtefallkommission eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Christina Schmauch – Rechtsanwältin 28. Oktober 05 Adenbüttel in der
niedersächsischen Gemeinde Papenteich. Kurz nach Mitternacht entsteht ein
Feuer im Flüchtlingsheim in der Schulstraße 40. Die Feuerwehren Adenbüttel
und Rötgesbüttel, die innerhalb kurzer Zeit eintreffen, können den
Wohnungsbrand relativ zügig löschen. Zum Zeitpunkt des Brandes befindet sich
niemand im Hause, so daß es keinen Personenschaden gibt. Als Brandherd wird
ein defektes Heizkissen identifiziert. AlZ 28.10.05 29. Oktober
05 Abschiebegefängnis
Köpenick in Berlin. Ein 30 Jahre alter Gefangener aus Algerien verschluckt
eine Münze und eine 2 mal 6 Zentimeter große Befestigungsschelle eines
Heizungs-rohres. Als das Bewachungspersonal gegen 17.30 Uhr davon erfährt,
veranlassen sie die Einweisung ins Krankenhaus, wo die metallenen Gegenstände
aus dem Magen des Gefangenen wieder entfernt werden können. Nach Abklingen
der Narkose wird der Algerier ins Abschiebegefängnis zurückgebracht. Polizei Berlin 30.10.05; taz 16.11.05 29. Oktober 05 Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.
Beamte der Bundespolizeiinspektion Pasewalk und des Zolls (Mobile
Kontrollgruppe Linken) stoppen bei einer gemeinsamen Aktion einen Mercedes
Kleintransporter mit deutschem Kennzeichen, einige kleinere Ortschaften von
Berndshof entfernt. Die Beamten entdecken auf der Ladefläche acht männliche
und zwei weibliche Personen im Alter von 10 bis 30 Jahren – alle völlig
ungesichert. Sie kommen aus Vietnam und haben den Transporter erst besteigen,
nachdem sie die polnisch-deutsche Grenze zu Fuß überquert hatten. Eine
schwangere Frau, die über Schmerzen im Brustbereich klagt, muß in ein
Krankenhaus eingeliefert werden. In
der polizeilichen Vernehmung geben die Menschen an, daß sie mit der Bahn von
Hanoi über China nach Moskau gelangt sind. Von dort aus erfolgte die
Weiterfahrt in Transportern bis in die Nähe der polnisch-deutschen Grenze. Am
nächsten Tag ordnet das Amtsgericht Pasewalk die Haft zur Sicherung der
Zurückschiebung für alle Flüchtlinge an – zudem müssen sie sich wegen des
Verdachtes der unerlaubten Einreise, des unerlaubten Aufenthaltes im
Bundesgebiet und wegen Beihilfe zur unerlaubten Einreise verantworten. Der
polnische Fahrer kommt in Untersuchungshaft. BPol Rostock 2.11.05 1. November 05 Bundesland Niedersachsen. Der 35
Jahre alte Eyah Mbawah, abgelehnter Asylbewerber aus Sierra Leone, gerät in
Panik und versucht, sich im Göttinger Kreishaus aus dem Fenster zu stürzen,
als Polizisten auf ihn zugehen, um ihn in Abschiebehaft zu nehmen. Er wird
stattdessen in Polizeibegleitung ins Landeskrankenhaus im Rosdorfer Weg
gebracht. Die für den 3. November gebuchte Abschiebung nach Freetown muß
storniert werden. Eyah
Mbawah war 1993 mit seinem Bruder Kombo aus dem Bügerkriegsland Sierra Leone
geflohen, als Milizionäre ihr Elternhaus in der Stadt Kono zerstörten. Sie
waren Augenzeugen bei der Tötung ihrer zwei Brüder Saha und Tamba und
entgingen ihrer eigenen Tötung nur knapp. Ihre Mutter wurde verschleppt und
ist seither verschollen. Diese und andere Erlebnisse haben Eyah Mbawah traumatisiert,
und er befindet sich seit langem in psychiatrischer und psychotherapeutischer
Behandlung. Er hat mehrmals versucht, sich zu töten. Im
Jahre 1999 hatte Eyah Mbawah bereits ein halbes Jahr in Abschiebehaft
verbracht – auch hier hatte er einen Suizidversuch unternommen. Seine
Freilassung war schließlich aufgrund der Tatsache erfolgt, daß eine
Abschiebung in das Bürgerkriegsland Sierra Leone überhaupt nicht möglich war.
Im Jahre 2003 befand er sich stationär im Landeskrankenhaus Göttingen
aufgrund von mitteleren bis schweren depressiven Episoden. Insgesamt
sieben Monate – vom 17. März 05 bis zum 7. Oktober 05 – hat Eyah Mbawah
jetzt bereits in der JVA Kassel und in der JVA Hannover-Langenhagen in
Abschiebehaft gesessen. Er wurde schließlich freigelassen, weil seine
Abschiebung in Brüssel wegen Nebels abgebrochen werden mußte. Weil
er jedoch nach seiner Freilassung nicht in seine Wohnung in Obernjesa
(Gemeinde Rosdorf) zurückgekehrt war, sondern zu seinem Bruder nach Göttingen
ging, beantragte die Ausländerbehörde erneut Sicherungshaft gegen ihn. GT 2.5.05; 27.6.05; GT 2.11.05; GT 3.11.05; pogrom 255_4/2009; FRat NieSa Anfang November 05 Transitbereich des Flughafens in
München. Der Kurde Burhan Karim Zangana näht sich die Lippen zusammen und beginnt
mit einem Hungerstreik. Er befindet sich – mit Unterbrechungen
(Abschiebehaft, Vorführung bei der irakischen Botschaft in Berlin,
Krankenhaus-Aufenthalt) – seit nunmehr sieben Monaten im Transitbereich, weil
ihm die Einreise in die BRD aufgrund falscher Papiere nicht erlaubt wird. Seine
Familie hatte im Irak mit der Baath-Partei zusammengearbeitet und aus Angst
vor Verfolgung hatte er das Land verlassen. Dies sei keine Freiheitsberaubung, urteilt das
Amtsgericht Erding, obwohl Burhan Karim Zangana das eingezäunte und bewachte
Gelände nicht verlassen kann und die Abschiebehaft formal aufgehoben ist. Das
Gericht kommentiert, der Iraker könne das Land ja jederzeit auf dem Luftwege
verlassen. Auch wenn der Flüchtling es wollte – aufgrund fehlender gültiger
Papiere, wäre ihm dies gar nicht möglich. Am
12. Dezember brandmarkt das Münchner Oberlandesgericht das Festhalten des
Mannes als rechts- und verfassungswidrige Freiheitsentziehung. Trotz dieses
Urteils weigert sich die Bundespolizei weiterhin, Herrn Zangana die Einreise
zu gestatten, und beruft sich nunmehr auf einen vom Amtsgericht ergangenen
Beschluß zur Abschiebehaft. In
der Nacht zum 20. Dezember wird Herr Zangana mit einem großen Aufgebot der Bundespolizei
und ohne Informierung seines Rechtsanwaltes abgeschoben. Flugroute und
Zielort der Abschiebung sind unbekannt. Die
Bundespolizei hatte mit der Abschiebung so lange gewartet, bis die deutsche
Archäologin, Susanne Osthoff, aus der Geiselhaft im Irak frei kam, um die
Bemühungen des Auswärtigen Amtes um das Leben der Deutschen nicht zu
behindern. Nach
Angaben des UNHCR Berlin ist Burhan Karim Zangana der erste irakische
Flüchtling seit 15 Jahren, der aus Deutschland in den Irak abgeschoben wurde. jW 5.11.05; jW 15.12.05; FRat Bayern 21.12.05 3. November 05 Bundesland Hessen. Als ein 14
Jahre altes Mädchen in der Schule erfährt, daß die Polizei in der Schule
angerufen und erfragt hat, ob sie und ihre Geschwister anwesend seien,
bekommt es einen Nervenzusammenbruch und wird ohnmächtig. Dies
ist der vorläufige Höhepunkt einer unglaublichen Schikane, die die Behörden
seit Jahren und vor allem in den letzten Monaten gegen die gesamte kurdische
Familie Y. veranstaltet. Zwei
Tage zuvor hatten Polizisten drei der Kinder auf dem Weg zum
Nachmittagsunterricht und Sportverein abgepaßt und sie mehrere Stunden lang
getrennt voneinander in Polizeibussen gefangen gehalten. Als die 14-Jährige
entfliehen wollte, wurden ihr Handschellen angedroht. Sie wurde im Polizeiwagen
auch mit körperlicher Gewalt der Beamten festgehalten, wobei sie leicht
verletzt wurde. Als sie endlich freigelassen wird, fällt sie in Ohnmacht. Gleichzeitig
wurde die Wohnung der Familie gestürmt, in der sich lediglich die jüngsten
Kinder im Alter von vier und zehn Jahren aufhielten. Einer älteren Schwester
und einer Tante wurde der Zugang zu den Kindern verweigert. Die Kinder
andererseits durften die Wohnung nicht verlassen, und die Beamten erklärten
ihnen mehrmals, daß sie Deutschland zu verlassen haben – das Land, in dem sie
geboren und aufgewachsen sind. Bereits
am 19. Oktober hatte die Polizei die Wohnung der Familie Y. mit einem
Großaufgebot von Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen (ca. 50 Personen)
mehrere Stunden lang durchsucht. Zu diesem Zeitpunkt waren fünf minderjährige
Kinder und eine erwachsene Schwester anwesend. Offizieller Grund für diesen
Großeinsatz war die geplante Abschiebung von Frau Y. und ihren Kindern an
diesem Tag. Daß A. Y. sich jedoch in stationärer Behandlung befand, war den
Behörden durchaus bekannt. Die
Behörden wollen offensichtlich über die Kinder den Druck auf die Eltern
erhöhen, damit diese "freiwillig" ausreisen. Aufgrund des
politischen Engagements von Herrn G. Y. war die Familie jedoch vor zehn
Jahren in die BRD geflohen. Die Asylanträge wurden abgelehnt. Die
Mutter der Kinder mußte sich im Oktober einen Tag vor ihrer Entlassung aus
einer Klinik in Sicherheit bringen – sie tauchte unter. Sie leidet – genau
wie ihr Mann – an einer ausgeprägten Posttraumatischen Belastungsstörung mit
ständigen Retraumatisierungsschüben. Zwei volljährig gewordene Kinder sind
bereits seit längerer Zeit untergetaucht. Herr Y. befindet sich wegen
chronischer Suizidalität seit 15 Monaten stationär in einer psychiatrischen
Klinik. (siehe auch: 12. Dezember 06) FRat Hessen 7.11.05; Antirassistische Initiative Berlin 5. November 05 Magdeburg in Sachsen-Anhalt. In
einem Autobus der Linie 93 wird ein 28 Jahre alter nigerianischer Flüchtling
von einem Unbekannten beleidigt und bedroht. An der Haltestelle
Damaschkeplatz fordert der Mann den Nigerianer auf, den Bus zu verlassen,
tritt nach ihm und bedroht ihn mit einer zerbrochenen Bierflasche. Erst als
ein anderer Fahrgast des Busses einschreitet, flieht der Angreifer. Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 6. November 05 Unterweissach in
Baden-Württemberg. Drei Jugendliche stellen ein Holzkreuz auf, übergießen es
mit Benzin und zünden es an. Dann wirft ein Jugendlicher einen Brandsatz gegen
das Flüchtlingsheim in der Welzheimer Straße. Der Molotow-Cocktail prallt
gegen die Wand und erlischt. Von den zu dieser Zeit anwesenden elf Personen
wird niemand verletzt. Die
Korex (Koordinationsstelle Rechtsextremismus), eine aktuell zusammengestellte
Ermittlungsgruppe, recherchiert intensiv mit einem großen Aufgebot an
Personen und Material. Sogar ein Polizei-Hubschrauber mit Wärmebildkamera
kommt zum Einsatz. Vier
Tatverdächtige werden ermittelt, verhört und sind allesamt geständig. Unter
ihnen befindet sich ein 17-Jähriger, der den Brandsatz warf und der bereits
am 15. Oktober einen Brandanschlag verübte. (siehe dort) Die
Flüchtlinge – zu denen auch ein Baby gehört – werden von der Stadt "aus
Sicherheitsgründen" zunächst in andere Quartiere verlegt. Bei einer
Protest- und Solidaritätsveranstaltung am 13. November fordern die
Flüchtlinge und auch UnterstützerInnen vor den knapp 200 Anwesenden eine Rückkehr in die alte Unterkunft,
um deutlich zu machen, daß sich die Neonazis mit ihren menschenverachtenden
Aktionen in dieser Gegend nicht durchsetzen dürfen. Vor
Weihnachten überbringen Weissacher BürgerInnen den Flüchtlingen ein
Schreiben, das auch von fünf Gemeinderäten unterschrieben ist. Dort heißt es
unter anderem: "Wir gehören zusammen, und Euer Platz ist unter uns.
Trotz der Anschläge hoffen wir auf eine bessere Zukunft ... Wir unterstützen
Euch in Euren Bemühungen, nach Weissach im Tal zurückzukehren, Eurer zweiten
Heimat." Im
Juni 2006 stehen die fünf Täter im Alter von 15 bis 20 Jahren vor dem
Landgericht Stuttgart. Achtfacher versuchter Mord, versuchte schwere
Brandstiftung, Sachbeschädigung, Beihilfe und Nichtanzeigen einer geplanten
Straftat werden ihnen im Zusammenhang mit diesem Brandanschlag und dem
Angriff auf ein Wohnhaus am 15. Oktober (siehe dort) zur Last gelegt. Bei dem
17-jährigen Haupttäter, einem bekennenden Rechtsradikalen, kommen zudem
unerlaubter Waffenbesitz und die Verwendung von Kennzeichen
verfassungswidriger Organisationen dazu. Am 6. Juli wird der 17-Jährige zu drei
Jahren und acht Monaten Haft verurteilt, so daß er, der zur Zeit eine
Haftstrafe verbüßt, weiter in Haft bleibt. Zwei Mitangeklagte erhalten 18-
und 10-monatige Bewährungsstrafen. StZ 7.11.05; BKZ 8.11.05; BKZ 9.11.05; BKZ 11.11.05; BKZ 12.11.05; BKZ 14.11.05; BKZ 24.12.05; SinZ/BöZ 30.3.06; ap 27.6.06; SinZ 28.6.06; BKZ 30.6.06; BKZ 7.7.06 6. November 05 Holzgerlingen in
Baden-Württemberg. Im Obergeschoß der Flüchtlingsunterkunft in der Turmstraße
brennen am frühen Morgen ein Stromverteilerkasten und "Gerümpel". Die
Feuerwehr Holzgerlingen, die mit 44 Personen, vier Lösch- und einem
Einsatzleitwagen anrückt, kann den Brand schnell löschen. Mehrere schlafende
BewohnerInnen werden geweckt und in Sicherheit gebracht – ein Mann kommt mit
Verdacht auf eine Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus. Durch
den Rauch sind die Räume der ersten Etage derzeit unbewohnbar. Die
Brandursache ist vorerst unbekannt. SinZ 8.11.05; Polizei Sindelfingen 9. November 05 Flughafen Hamburg. Ein Ehepaar
aus Afghanistan soll als eines der ersten nach Kabul abgeschoben werden. Im
Flugzeug erleidet die 30 Jahre alte Frau einen Kollaps und muß notärztlich
versorgt werden. Während
ihr Mann alleine abgeschoben wird, nimmt die Ausländerbehörde die Frau in
Abschiebehaft und erwirkt Atteste, die ihre Reisefähigkeit bestätigen. Eine
Woche später wird auch sie abgeschoben. Das
Paar gehört zur Glaubensgemeinschaft der Hindu und war aus Angst vor
Verfolgung nach Deutschland geflohen. taz HH 11.11.05; HA 16.11.05 9. November 05 Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern. In einem studentischen Club in der Rostocker
Innenstadt wird ein 21 Jahre alter togoischer Flüchtling von einem Deutschen
beschimpft und attackiiert. Der Täter stößt den Togoer zu Boden und schlägt
dann auf ihn ein. Andere Gäste der Diskothek greifen ein und halten den
Angreifer fest, so daß er von den Türstehern vor die Tür gesetzt werden kann.
Draußen
ruft der Täter die Polizei und behauptet, daß er von dem Asylbewerber
angegriffen worden sei. In
einem Verfahren, in dem mehrere Straftaten des Täters verhandelt werden, wird
dieser zu acht Monaten Haft mit einer zweijährigen Bewährungszeit verurteilt. LOBBI 10. November 05 Singen in Baden-Württemberg. Das
kurdische Ehepaar B. wird nach abgelehnten Asylanträgen zusammen mit drei Kindern
(7, 11 und 12 Jahre alt) in die Türkei abgeschoben. Die
33 Jahre alte Frau B., die wegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung
sowohl stationär als auch ambulant behandelt wurde und wird, berichtet vier
Wochen später, wie die Abschiebung stattgefunden hat. Morgens um 4 Uhr seien
Polizeibeamte gekommen und hätten, da die Tür von ihr nicht geöffnet wurde,
das daneben befindliche Fenster von außen eingeschlagen, um hineinzukommen.
Dabei hatte sich Frau B., die in heller Panik neben dem Fenster harrte, tiefe
Schnittverletzungen an den Fingern und dem Gelenk der rechten Hand zugezogen.
Ein Suizidversuch von Frau B. – es wäre der dritte gewesen – kann verhindert
werden. Auf der Fahrt zum Flughafen Stuttgart werden den Eheleuten
Handschellen angelegt. Die Bitte der Frau am Flughafen, daß ihre Verletzungen
von einem Arzt angesehen und versorgt werden, wird abgelehnt. Weiterhin in
Handschellen wird sie ins Flugzeug gebracht. Erst als während des Fluges
Essen angeboten wird, werden Herrn und Frau B. die Handschellen entfernt. Am
Flughafen Istanbul erfolgt die Übergabe von Bundespolizisten an die
Flughafenpolizei – ohne ein Wort darüber, daß Frau B. psychisch schwer krank
ist. Sie wird dann – getrennt von Mann und Kindern – 24 Stunden von der
Polizei auf dem Flughafengelände festgehalten und kann erst am nächsten Tag
um 17 Uhr von einem Verwandten abgeholt werden. Trotz
ihrer Erschöpfung sucht sie ein Gesundheitszentrum auf, um ihre Hände
medizinisch versorgen zu lassen. Eine chirurgische Versorgung, die in
Deutschland hätte gemacht werden müssen, wird in Istanbul nachgeholt. Dafür
ist es jedoch offensichtlich zu spät. Durch die verstrichene Zeit sind die
Wunden infiziert und stark entzündet. Selbst
einen Monat nach der Abschiebung steht Frau B. noch unter psychischem Schock.
Da ihr Mann untergetaucht und verschwunden ist, kümmern sich vorübergehend
Verwandte um sie. Diese Situation hat sich auch im Januar 2006 nicht
verändert: Frau B. ist orientierungslos und unfähig, sich um ihre Kinder und
um sich selber zu kümmern. (siehe auch: Oktober 03 und
Oktober 04) Refugio Villingen-Schwenningen; Ernst-Ludwig Iskenius – Arzt 14. November 05 Der 22 Jahre alte
tschetschenische Flüchtling Herr A. wird von Sachsen aus nach Moskau
abgeschoben. Von da an endet der Kontakt zu ihm. Wochenlang versuchen
FlüchtlingsunterstützerInnen und seine Familienangehörigen aus Polen, seine
Spur zu finden. Erst als MitarbeiterInnen der Organisation Memorial bei
tschetschenischen Angehörigen nach ihm suchen, erfahren sie im nachhinein,
daß A. noch in Moskau auf dem Flughafen festgenommen, verhört und in eine
Haftanstalt gebracht worden war. Dann wurde er in ein Gefängnis in Grozny
verlegt, wo er sich auch noch im März 2006 befindet. Die
Deutsche Botschaft in Moskau hatte den nachfragenden
FlüchtlingsunterstützerInnen aus der BRD trotzdem mitgeteilt, daß Herr A.
noch am Tage seiner Abschiebung den Flughafen unbehelligt verlassen habe. A.
war mit 15 Jahren in die BRD geflohen und hatte drei Jahre lang im Bundesland
Nordrhein-Westfalen gelebt. GfbV März 2006; GfbV Dezember 2006 14. November 05 Bergheim-Kenten im
Rhein-Erft-Kreis – Nordrhein-Westfalen. Der 40 Jahre alte iranische Bewohner
Herr S. zerstört gegen 20.45 Uhr das Mobiliar in der Gemeinschaftsküche der
Flüchtlingsunterkunft in der Kentner Heide, verschüttet Grillanzünder und
entzündet ihn. Die
alarmierte Feuerwehr kann den Brand schnell löschen, und der Iraner wird von
Polizeikräften überwältigt und mitgenommen. Fälschlicherweise
hatte Herr S. kurz vorher erfahren, daß sein Sohn gestorben sei. Er hatte
dann die Kontrolle über sich verloren und kam mit der Diagnose einer schweren
depressiven Episode in die Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der
Rheinischen Kliniken Düren. Polizei Bergheim 15.11.05;StA Köln 15. November 05 Baden-Württemberg. Familie S.
aus dem Kosovo, die seit 13 Jahren in der BRD lebt, wird morgens um zwei Uhr
in ihrer Unterkunft geweckt. Die achtköpfige Roma-Familie bekommt eine halbe
Stunde Zeit, sich anzuziehen und die Sachen zu packen. Dies trifft die
Familie völlig unvorbereitet, denn nach den ethnischen Pogromen im März 2004
dürfen Angehörige der Roma und Ashkali zur Zeit nicht abgeschoben werden. Auf
dem Flughafen Baden-Baden werden allen Familienmitgliedern im Zuge der
Gepäckuntersuchung und Leibesvisitation die Papiere abgenommen, die sie als
Roma ausweisen. Dann erfolgt der Abflug mit ca. 140 weiteren Flüchtlingen
nach Prishtina. Bei der Ankunft fragen UNMIK-Mitarbeiter nach den ethnischen
Zugehörigkeiten, und es melden sich neben Familie S. sechs weitere Roma, eine
Mutter mit vier Kindern im Alter von 10 bis 15 Jahren, eine alleinstehende
Frau und zwanzig Personen, die den Ashkali angehören. Diese
Menschen müssen jetzt einige Stunden in Kälte und Regen im Freien verbringen,
bis ihnen ein Bus zur Verfügung gestellt wird, in dem sie sich aufhalten
dürfen. Dann werden sie per Flugzeug nach Skopje geflogen, wo sie die Nacht
im Flugzeug in ihren Sitzen verbringen müssen, bis sie über Zürich nach
Baden-Baden zurückgeflogen werden. Nach
einer fast 40-stündigen Odyssee kommt Familie S. wieder in ihrer Unterkunft
an. Ihr Zimmer ist inzwischen leergeräumt, Teppiche und Kühlschrank sind
verschwunden. FRat BaWü und Pro Asyl 25.11.05; DAMID 11/12 – 2005 17. November 05 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
In der JVA Büren versucht der Abschiebegefangene B. M. sich zu töten BT DS 16/9142 17. November 05 Die Ashkali-Familie Krasniqi,
die seit sieben Jahren in Deutschland lebt, wird aus ihrer Wohnung im niedersächsischen
Bersenbrück abgeholt und zum Flughafen Düsseldorf zur Abschiebung gebracht.
Eines ihrer vier kleinen Kinder, der 7-jährige Sohn, hatte vor drei Jahren
großflächige Verbrennungen erlitten, die in Münster behandelt worden waren.
Durch die Abschiebung und durch die damit verbundene Unterbrechung der
Behandlung, so bestätigt der behandelnde Arzt, entsteht das Risiko
lebensgefährlicher Entzündungen. Obwohl
die UNMIK (United Nation Administration Mission im Kosovo) aufgrund dieser
Informationen die Aufnahme der Familie ablehnt, wird die Abschiebung auf dem
Flughafen Düsseldorf mit Gewalt fortgesetzt und die Familie nach Prishtina
ausgeflogen. Der
zuständige Landkreis Osnabrück und das Innenministerium in Hannover begründen
die Abschiebung mit einem Verwaltungsgerichtsurteil, in dem die
Nachbehandlung des Jungen als "kosmetische Korrektur" bezeichnet
wird. Nach
der Abschiebung lebt die sechsköpfige Familie bei den Großeltern in einer
Einzimmerwohnung. JWB 30.11.05; FRat NieSa 23. November 05 Abschiebegefängnis Köpenick in
Berlin. Der Abschiebegefangene S. G. versucht sich zu töten. BT DS 16/9142 26. November 05 Bundesland Baden-Württemberg. In
der JVA Mannheim versucht der Abschiebegefangene S. H. sich zu töten. BT DS 16/9142 27. November 05 Flüchtlingsheim in Breitenworbis
im Bundesland Thüringen. Durch einen Zimmerbrand, der sich über weitere
Bereiche des Gebäudes ausbreitet, werden ein Bewohner schwer und drei weitere
leichter verletzt. Die
Ermittlungen ergeben, daß eine 36 Jahre alte Bewohnerin aus dem Iran ihr
Zimmer selbst entzündet hat. Durch die Trennung von ihrem 14 Jahre alten
Sohn, der bei den Großeltern im Iran lebt, ist die Frau psychisch schwer
erkrankt – sie kommt nach dem Brand umgehend in eine psychiatrische Klinik. ddp 28.11.05; taz 29.11.05; Polizei Nordhausen 29.11.05 30. November 05 Bundesland Hessen. Der 72 Jahre
alte Flüchtling Abdul K. wird aus der Abschiebehaft der JVA Offenbach nach
Afghanistan abgeschoben. Am 22. Januar 2006 stirbt er in einem Dorf nahe
Kabul. Seiner
Tochter, die in der BRD lebt, werden unterschiedliche Informationen über den
Tod des Vaters aus dem Dorf mitgeteilt: er sei erschlagen worden, er sei
gefesselt gewesen und er habe schwarze Beine gehabt. Einen gewaltsamen Tod
des Vaters schließt die Tochter damit nicht mehr aus. Im
Rahmen einer Familienzusammenführung war ihr Vater in die BRD gekommen –
seine Asylanträge waren alle abgelehnt worden. Pro Asyl November 05 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
Der Flüchtling Vlasta Idic wird nach 15-jährigem Deutschland-Aufenthalt nach
Serbien abgeschoben – damit ist er von seiner Familie getrennt. Da
auch seine Frau und die vier Kinder abgeschoben werden sollen, wird ihnen im
Kirchenasyl Schutz gewährt, bis sie nach eineinhalb Jahren ein Bleiberecht
erhalten. Fünf
Jahre später ist die Familie immer noch getrennt. Obwohl alle zusammen
Monatseinkünfte von 3000 Euro haben und keinerlei staatliche Unterstützung
benötigen, wird eine Rückkehr des Vaters nicht erlaubt. Allein
mit einem 3-Monats-Visum darf er im Jahre 2010 das erste Mal wieder zu seiner
Familie. RP 11.3.10 2. Dezember 05 Ludwigslust in
Mecklenburg-Vorpommern. Dem Togoer Alassane Moussbaou wird in der
Ausländerbehörde mitgeteilt, daß er jetzt in Abschiebehaft kommt und seine
Abschiebung nach Togo vorbereitet wird. Als Alassane Moussbaou noch mit den
beiden Polizisten verhandelt, weil er seine Anwältin informieren will, fällt
ihn ein Behördenmitarbeiter von hinten an und würgt ihn heftig. Reflexartig
versucht der Flüchtling, sich zu befreien, wird dann aber von den Polizisten
überwältigt und in die JVA Bützow gebracht. Am
10. Januar 2006 erfolgt sein Transport zum Flughafen Hamburg, doch als er
begleitenden Polizisten deutlich macht, daß er in die Maschine nach Lomé
nicht einsteigen könne, weigert sich schließlich auch der Pilot der Air
France-Maschine, ihn mitzunehmen. Zurück
in Bützow verlängert das Amtsgericht Güstrow die Abschiebehaft bis zum 1. Mai
2006. Die Begründung: Alassane Moussbaou habe sich bei der Festnahme in der
Ausländerbehörde aktiv zur Wehr gesetzt. Alassane
Moussbaou ist aktiver Regimegegner des diktatorischen RPT-Regimes in Togo
(Rassemblement du peuple togolais). Aufgrund seiner politischen Verfolgung in
Togo war er im Mai 2001 nach Deutschland geflohen. Weil er seinen politischen
Kampf in der BRD öffentlich fortgeführt hat, ist er im Falle einer
Abschiebung akut mit dem Tode bedroht. Am
16. Januar beginnt er – zusammen mit dem auch in Haft sitzenden togoischen
Oppositionellen Adzrakou Komi – einen unbefristeten Hungerstreik. Nach vier
Tagen kommen sie getrennt in Einzelhaft und wiederum einige Tage später in
die Krankenstation des Gefängnisses. Hier wird am 31. Januar morgens um 3 Uhr Alassane
Moussbaou aus dem Bett gerissen und in Bundespolizei-Begleitung zum Flughafen
Berlin-Tegel gebracht. Als die Anwältin von der Abschiebung erfährt, ist Herr
Moussbaou bereits in einer Air France-Maschine auf dem Weg nach Paris. Nach
Auskunft eines Beamten in der JVA Bützow hatte es schriftliche Anweisungen
gegeben, daß weder der Betroffene selbst noch seine Anwältin über die
geplante Abschiebung vorher informiert werden sollten, dies sicherlich
aufgrund der Öffentlichkeitsarbeit der UnterstützerInnen (Demonstration,
Brief-Kampagnen), die die Abschiebung verhindern sollte. Die
Abschiebung von Herrn Moussbaou erfolgt in Begleitung von drei Polizeibeamten
und einem Arzt. Auf dem Flughafen von Lomé wird er festgenommen und verhört.
Er wird mit Fotos der deutschen Exil-Opposition von Demonstrationen in
Berlin, an denen er teilgenommen hat, konfrontiert und bedroht. Allein der
Togoischen Menschenrechtsliga, die am Flughafen anwesend ist, ist es zu
verdanken, daß Alassane Moussbaou unter strengen Meldeauflagen frei gelassen
wird. Ein Freund, der ihn vom Flughafen abholt und bei dem er vorerst
unterkommen kann, muß eine Kopie seines Passes hinterlassen. Ein Soldat aus
seinem Geburtsort offenbart sich ihm gegenüber und erzählt ihm, daß seine
Einheit ihn "aus politischen Gründen eliminieren" solle. Schon am
nächsten Tag erscheinen Menschen in der Wohnung des Freundes und fragen nach
ihm und Alassane Moussbaou. Beide sind zu dem Zeitpunkt nicht anwesend –
beide tauchen jetzt unter, bis ihnen die Flucht nach Ghana gelingt. Im
August 2006 lehnt das Verwaltungsgericht Schwerin das Asylgesuch im Asylfolgeverfahren
ab – Alassane Mousbaou legt dagegen Berufung ein. Am
7. Februar beschließt das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns einen
sechsmonatigen Abschiebestopp für abgelehnte AsylbewerberInnen nach Togo. In Mecklenburg-Vorpommern
sind zur Zeit 323 Menschen aus Togo "ausreisepflichtig". Adzrakou
Komi wird am 22. Tag seines Hungerstreiks aus der Abschiebehaft entlassen,
befindet sich allerdings aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes noch
in stationärer Behandlung. Internationale Kampagne gegen die Diktatur in Togo und anderen afrikanischen Ländern; Karawane – Hamburg; SVZ 1.2.06; NK 1.2.06; Ärzte-Ztg 3.2.06; SVZ 8.2.06; Dr. Klaus Dienelt 9.2.06; ND 1.3.06 3. Dezember 05 Brandenburg. In der Fürstenwalder
Diskothek "Bananas" wird ein Flüchtling aus dem Iran von mehreren
Rechten angegriffen. Als er einen Schlag mit einer Bierflasche auf den Kopf
bekommt, geht er bewußtlos zu Boden. Mit einer Hirnblutung infolge eines
Schädel-Hirn-Traumas, einer Gehirnerschütterung, einer Kopfplatzwunde und
einer Verletzung an der rechten Lippe kommt der Iraner ins Krankenhaus, aus
dem er nach zwölf Tagen wieder entlassen werden kann. Die Polizei nimmt die
Ermittlungen auf. Opferperspektive; Polizei Fürstenwalde 8. Dezember 05 Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern. Ein 33 Jahre alter vietnamesischer Flüchtling wird in
den Abendstunden im Zug von Rostock nach Bad Doberan von drei jugendlichen
Deutschen rassistisch beschimpft und bedroht. Als er in Bad Doberan
aussteigt, um zu seiner Unterkunft zu gelangen, bemerkt er, daß er von einem
der Rassisten verfolgt wird. Er versucht zu fliehen, wird jedoch an der
Ampelkreuzung des Alexandrinenplatzes eingeholt und angegriffen. Der
glatzköpfige Verfolger schlägt ihm eine Bierflasche auf den Kopf, fordert
Bargeld und tritt auf den zu Boden gegangenen Vietnamesen mit Füßen ein. Der
Verletzte wird bewußtlos und kommt erst wieder zu sich, als sich ein Passant
um ihn kümmert. Er
kommt zur stationären Behandlung ins Krankenhaus von Bad Doberan. Neben der
Verletzung durch den Schlag hat er zahlreiche Schnittverletzungen im Gesicht,
die ihm der Täter während seiner Bewußtlosigkeit zugefügt haben muß. Diese
zum Teil sehr langen Schnittwunden am linken Augenlid und am Hinterkopf
müssen chirurgisch behandelt werden. Das
Kriminalkommissariat Bad Doberan ermittelt wegen versuchten schweren Raubes.
Da der Täter nicht ermittelt werden kann, wird das Verfahren eingestellt. Polizei Bad Doberan 13.12.05; JWB 21.12.05; LOBBI (OZ) 9. Dezember 05 Die Verwaltung und die
Hausmeister sammeln in den Unterkünften des Flüchtlingsheimes im bayerischen
Neuburg an der Donau Fertigessen der Sorte "Gourmet Pfanne" ein. Obwohl
in diesem Heim (sowie auch in dem Münchener Heim in der Emma-Ihrer-Straße, in
einer Unterkunft in Ingolstadt und offensichtlich in weiteren Heimen von
Oberbayern) seit Anfang Dezember gefrorenes Geflügelfleisch mit seit Oktober
abgelaufenen Verfallsdaten an die BewohnerInnen ausgegeben wird, müssen die
Flüchtlinge erst mit ihren "Gammel-Pfannen" direkt zur Polizei
gehen, damit die Verteilung verdorbener Lebensmittel gestoppt wird. Dem
Flüchtling Khan Gul wird von der Polizei empfohlen, das Krankenhaus
aufzusuchen. FRat Bayern infodienst 05 – nov./dez. 2005 9. Dezember 05 Bundesland Baden-Württemberg. In
der JVA Mannheim versucht der Abschiebegefangene B. B. sich zu töten. BT DS 16/9142 14. Dezember 05 Der 47 Jahre alte abgelehnte
Asylbewerber Jemal Ell Alli, der seit fünf Jahren in Halver lebt, wird im
Ausländeramt verhaftet und kommt in Abschiebehaft in die JVA Büren. Nach
zweitägiger Abschiebehaft soll der Kurde nach Syrien abgeschoben werden. Als
er in Düsseldorf in ein Flugzeug gebracht wird, sieht er eine Hülle mit
Unterlagen, die ihn schwer belasten könnten. In Amsterdam bricht der Mann
zusammen, so daß die Fluggesellschaft sich weigert, den Mann nach Syrien
auszufliegen. Jemal
Ell Alli kommt zurück nach Deutschland und wird in der JVA Münster
untergebracht. Entsprechend der Regeln des hier geltenden Strafvollzuges
beschränkt sich die Besuchszeit auf eineinhalb
Stunden pro Monat. Herr Ell Alli geht es hier – trotz medizinischer
Versorgung – gesundheitlich sehr schlecht. LüN 19.12.05; RM 12.1.06 21. Dezember 05 Abschiebegefängnis
Köpenick in Berlin. Ein 22-jähriger Moldawier, der sich bereits sieben Monate
in Abschiebehaft befindet, soll nach Rumänien abgeschoben werden. Er wehrt
sich. Darauf wird ihm – so seine Aussage – während man seine Hände hinter dem
Rücken festhält, sein Kopf von einem Polizisten gegen die Wand gedrückt und
die Stirn gegen die Wand geschlagen. Ein anderer Polizist, dem diese
Behandlung offenbar zu weit geht, ruft "Nein", worauf der Kollege
sich entfernt und am weiteren Einsatz nicht mehr beteiligt ist. Nachdem der Moldawier
schließlich überwältigt am Boden liegt, wird ihm von einem Polizisten der Fuß
auf das Gesicht gestellt, was für ihn sehr schmerzhaft ist. Seine Nase
beginnt zu bluten, wodurch er keine Luft bekommt. Die Jeansjacke wird
zerrissen. Die Fesselung der Hände ist so eng, daß Spuren an den Handgelenken
noch zwei Tage später sichtbar sind. Zudem hat er zu diesem Zeitpunkt noch
immer eine gerötete Stirn und eine Verletzung am Bein. Seine Anwältin erstattet
Anzeige wegen unverhältnismäßiger Gewaltausübung gegen die am Einsatz beteiligten
Polizisten. Am 3. Januar wird der Gefangene nach Bukarest abgeschoben. Jesuiten-Flüchtlingsdienst 22. Dezember 05 Fürstenwalde in Brandenburg. Um
16 Uhr wird ein 28 Jahre alter Flüchtling aus Kamerun in einer Unterführung rassistisch
angepöbelt. Drei Rassisten rufen: "Afrika den Affen, Deutschland den
Deutschen", "Geh zurück in Deinen Dschungel", stoßen dabei
Tierlaute aus und zeigen den "Hitlergruß". Als der Kameruner fragt,
was das soll, versetzt einer der Deutschen ihm einen Stoß gegen die Brust, so
daß er gegen ein Geländer stürzt und sich die linke Hand verstaucht. Unter
weiteren Beleidigungen und Bedrohungen "begleiten" die Rechten den
Flüchtling bis auf den Bahnhof. Opferperspektive; MAZ 23.2.05 25. Dezember 05 Offenburg in Baden-Württemberg.
In der staatlichen Unterkunft für Asylbewerber in der Eckener Straße brennt
es in mehreren Gebäuden morgens um 6.00 Uhr. Die Feuerwehr kommt mit zwei
Löschzügen und 50 Feuerwehrleuten, der Rettungsdienst mit 45 Helfern, und die
Polizei ist mit sechs Beamten im Einsatz. Eine Person muß mit einer
Rauchvergiftung ins Klinikum Offenburg eingeliefert werden. Die
Ermittler gehen von einer technischen Ursache des Brandes aus. Polizei Offenburg 25.12.05; BaZ 27.12.05 25. Dezember 05 Bundesland Baden-Württemberg. In
der JVA Mannheim versucht der Abschiebegefangene K. Z. sich zu töten. BT DS 16/9142 26. Dezember 05 Bundesland Baden-Württemberg. In
der JVA Mannheim versucht der Abschiebegefangene T. K. sich zu töten. BT DS 16/9142 28. Dezember 05 Bundesland Brandenburg –
Potsdamer Wohngebiet Am Schlaatz. An der Straßenbahn-Haltestelle
Magnus-Zeller-Platz werden um 14.30 Uhr zwei indische Flüchtlinge (33 und 43
Jahre alt) von zwei Rassisten beleidigt und anschließend getreten. Einer der
Inder wird dabei in der Magengegend getroffen. Als einer der Angegriffenen
ein Messer hervorholt, laufen die Täter weg. Sie alarmieren dann selbst die
Polizei, weil sie sich von dem Mann mit dem Messer angegriffen fühlen. Die
Beamten nehmen die alkoholisierten Angreifer vorübergehend in Gewahrsam und
ermitteln gegen sie wegen Beleidigung, Nötigung und Körperverletzung. Opferperspektive; Polizei Potsdam 4.1.06 29. Dezember 05 Berlin. Der 25 Jahre alte Kurde
Ömer M. wird in die Türkei abgeschoben. Als die türkischen Beamten
feststellen, daß er gar kein Türkisch spricht und daß er als türkischer
Staatsbürger in den Registerauszügen nicht existiert, wird er geohrfeigt und
in ein Flugzeug Richtung Berlin gesetzt. Nach
dem Rückflug kommt er erneut ins Abschiebegefängnis Köpenick, wo er auch im
Januar 2006 noch auf weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde wartet. Ömer
M. war mit seiner Mutter vor 24 Jahren nach Deutschland gekommen und hatte
sich wegen einer Falschaussage für einen Freund strafbar gemacht. Der
Innensenat hatte die Abschiebung durchgesetzt und dafür die aufschiebende
Wirkung des Antrags bei der Härtefallkommission außer Kraft gesetzt. TS 4.1.06; Rüdiger Jung – Rechtsanwalt 31. Dezember 05 In der Hamburger
Untersuchungshaftanstalt begeht ein 19 Jahre alter Abschiebegefangener aus
dem Irak einen Suizidversuch. Hamburgische Bürgerschaft DS 20/469 Im Jahre 2005 Bundesland Baden-Württemberg.
Die in Mannheim lebende Kurdin Sanije Gündüz wird während ihrer 2-monatigen
stationären Behandlung im Psychosozialen Zentrum in Wiesloch von Polizisten
aufgesucht, die sie und ihre Kinder zwangsweise in die Türkei abschieben
wollen. Dieses kann durch Einschreiten der Ärzte verhindert werden. Frau
Gündüz ist aufgrund ihrer Verfolgungsgeschichte krank und schwer
traumatisiert. Ihr Mann war wegen seiner politischen Aktivitäten mehrmals in
türkischer Haft, wurde mißhandelt, gefoltert und schließlich ermordet. Auch
sie selbst mußte mehrere Festnahmen und Mißhandlungen in der Türkei erleiden,
bevor sie mit ihren drei Kindern im Jahre 1999 in die BRD geflohen war. Am
2. August 06 werden Sanije Gündüz und ihre Kinder Murat (21), Dondü (20) und
Mirali (15) am frühen Morgen zwischen 4.00 Uhr und 6.00 Uhr abgeholt und in
Begleitung von Polizisten und einem Arzt abgeschoben. Dies
geschieht, obwohl in drei medizinischen Gutachten aus dem Ulmer Zentrum für
Folteropfer und dem Psychosozialen Zentrum Nordbaden beschrieben wird, daß eine
Genesung von Frau Gündüz nur in einer angstfreien Umgebung und mit einem
gesicherten Aufenthalt möglich ist. Asyl-AK ai Mannheim; Bündnis gegen Abschiebungen Mannheim 2.8.06 Im Jahre 2005 Hansestadt Hamburg. Ein
11-jähriger Junge will sich in seiner Verzweiflung aus dem zweiten Stock der
Wohnung seiner Eltern stürzen. Es kann verhindert werden. Sein
Vater war gerade – unmittelbar nach einer wichtigen Operation – abgeschoben
worden, und ihm, seinem Bruder und seiner Mutter droht die Abschiebung. Seine
Eltern sind Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, haben
unterschiedliche Nationalitäten und hatten demzufolge Probleme bei der
Paßbeschaffung, so daß sie in der BRD nicht heiraten konnten. Der Junge ist
in Deutschland geboren. Er
kommt nach seiner Verzweiflungstat für Monate in stationäre psychiatrische
Behandlung. Wegen
der im Herkunftsland fehlenden medizinischen Versorgung wird dem Vater die
Rückkehr in die BRD zugestanden. Allein aufgrund des Engagements vieler
Menschen und einer breiten Solidarität für die Familie gelingt es später,
einen gesicherten Aufenthalt zu erwirken. FRat NieSa Heft 109 August
2005; Flüchtlingsbeauftragte F.
Dethloff Im Jahre 2005 Im Abschiebegefängnis
Berlin-Köpenick gab es nach Auskunft des Senators für Inneres auf die Anfrage
der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen zehn Suizidversuche von männlichen
Gefangenen. Zu den hier dokumentierten Suizidversuchen von sechs Personen
werden die Selbsttötungsversuche eines Russen (Haftdauer 42 Tage), eines
Libyers (Haftdauer 165 Tage), eines Mazedoniers (Haftdauer 177 Tage) und
eines Ukrainers (Haftdauer 40 Tage) genannt. Abgeordnetenhaus Berlin DS 16/10839; Abgeordnetenhaus Berlin DS 16/11578 Im Jahre 2005 Im Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick
befanden sich 23 Minderjährige in Haft: zwei 15-Jährige (1 bzw. 82 Tage),
acht 16-Jährige (1 bis 167 Tage) und dreizehn 17-Jährige (1 bis 46 Tage). Diese Information steht im
Widerspruch zu der Antwort des Abgenordnetenhauses Berlin auf die Kleine
Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (DS 15/12584). (siehe auch: Juni 05) BT DS 16/9142 Im Jahre 2005 Bundesland Schleswig-Holstein.
In der Jugendstrafanstalt Neumünster befanden sich 19 Jugendliche (zwischen
16 und 18 Jahren) bei einer mittleren Haftdauer von 31,6 Tagen in
Abschiebehaft. Zum Jahreswechsel sitzt hier noch ein 16-Jähriger, der vor 13
Tagen inhaftiert wurde. Davon
abgesehen, daß der Landesbeirat für den Vollzug der Abschiebehaft die
Inhaftierung von jugendlichen Flüchtlingen generell für unverhältnismäßig und
rechtswidrig hält, kritisiert er auch die regelmäßige Unterbringung der
Jugendlichen in Strafhaftanstalten, wo die Jugendlichen mit jungen
Straftätern gemeinsam inhaftiert sind. Landesbeirat – Jahresbericht 2005 Im Jahre 2005 Bundesland Schleswig-Holstein.
Im Abschiebegefängnis Rendsburg versuchten zwei Gefangene sich zu töten. BT DS 16/9142 Im Jahre 2005 An den deutschen Grenzen haben
sich im Zusammenhang mit unerlaubtem Grenzübergang nach Auskunft der Bundesregierung
drei Personen durch Unterkühlung verletzt. Im Bereich des Bundespolizeiamtes
Chemnitz (sächsisch-tschechischer Grenzbereich) handelt es sich um einen
russischen Mann; im Bereich des Bundespolizieiamtes Rostock handelt es sich
um zwei indische Staatsangehörige. BT-Drucksache 16/3768 Im Jahre 2005 Bundesland Nordrhein-Westfalen.
In Abschiebehaft befanden sich 48 unbegleitete Minderjährige über eine
durchschnittliche Dauer von 32 Tagen. BT DS 16/9142 In den Jahren von 2001 bis
2005 Auf die Kleine Anfrage der
PDS-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern wird ein Suizidversuch in
Abschiebehaft in der JVA Bützow bekanntgegeben. LT Mecklenburg-Vorpommern DS 4/2359 In den Jahren von 2001 bis
2005 Auf die Kleine Anfrage der
PDS-Fraktion im Sächsischen Landtag wird bekanntgegeben, daß im oben
genannten Zeitraum zwei Abschiebegefangene versucht haben, sich zu töten, 20
Gefangene sich selbst verletzten und 21 "Nahrungsverweigerungen"
stattgefunden haben. (Sechs Suizidversuche bzw.
Selbstverletzungen sind in diesem Zeitraum hier dokumentiert) Sächsisches Staatsministerium des
Innern DS 4/5801
|