zur Hauptseite Zusammenfassung 2010
Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und 5. Januar 10 Brake an der Unterweser in Niedersachsen. Um 5.00 Uhr
morgens erscheinen Beamte von Polizei und Ausländerbehörde in der
Flüchtlingsunterkunft Friesenmoor und geben dem 48 Jahre alten kurdischen
Flüchtling Abdeloehab Hussein 30 Minuten Zeit, seine Habseligkeiten
einzupacken. Dann fahren sie ihn nach Frankfurt am Main und fordern ihn auf,
in ein Flugzeug nach Damaskus einzusteigen. Unmittelbar vor dem geplanten
Abflug der Maschine um 15.00 Uhr gelingt dem Rechtsanwalt des Kurden mit
einem Asylfolgeantrag die vorläufige Unterbrechung der Abschiebung.
Abdeloehab Hussein kommt zurück nach Friesenmoor und muß hier zunächst
medizinisch versorgt werden, weil er bei der Aktion verletzt wurde. Der
Versuch der Ausländerbehörde Wesermarsch, den politischen Flüchtling in sein
Verfolgerland abzuschieben, ist deshalb bemerkenswert, weil damit das
Abschiebemoratorium des Bundesinnenministeriums vom 16.12.2009 ignoriert
wurde. Aufgrund mehrerer Gefangennahmen von abgeschobenen Flüchtlingen in
Syrien hatte das Ministerium die Bundesländer gebeten, vorerst von
Abschiebungen nach Syrien abzusehen. BMI 16.12.09; NWZ 6.1.10; NWZ
8.1.10; FRat NieSa 12. Januar 10 Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Um 14.15 Uhr versucht
sich ein 28 Jahre alter Inhaftierter aus der Türkei durch das Trinken von
Haarshampoo zu vergiften. Er kommt ins Krankenhaus. Nach
Abschluß der Behandlung kommt der Mann in das Abschiebegefängnis zurück und
wird bis zu seiner Abschiebung zur ständigen Beobachtung in einer Einzelzelle
untergebracht. Nach insgesamt 80 Tagen Haft wird er abgeschoben. BeZ 14.1.10; jW 31.8.10; Initiative gegen
Abschiebehaft Berlin; Jesuiten-Flüchtlingsdienst; Ev. Seelsorge
in der Abschiebungshaft; BT DS 17/10596; BT DS 17/10597; Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577 12. Januar 10 Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Gegen 15.50 Uhr fügt
sich ein 27 Jahre alter Gefangener mit einer Rasierklinge schwere
Schnittverletzungen am ganzen Körper zu. Er muß mit einem
Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht werden. Nach
Abschluß der Behandlung kommt der Mann in das Abschiebegefängnis zurück und
wird die ersten Tage zur ständigen Beobachtung in einer Einzelzelle
untergebracht. Nach insgesamt 140 Tagen Haft wird er freigelassen. BeZ 14.1.10; jW 31.8.10; Initiative gegen
Abschiebehaft Berlin; Jesuiten-Flüchtlingsdienst; BT DS 17/10596; BT DS 17/10597; Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577 13. Januar 10 Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Um 1.00 Uhr versucht
der 28 Jahre alte Tunesier A.H., sich mit einem Antennenkabel zu erhängen.
Die Beamten greifen frühzeitig ein, und der Mann kommt ins Krankenhaus. Nach
Abschluß der Behandlung kommt er in das Abschiebegefängnis zurück und wird
die ersten Tage zur ständigen Beobachtung in einer Einzelzelle untergebracht.
Nach insgesamt 170 Tagen Haft wird er in die Türkei abgeschoben. BeZ 14.1.10; jW
31.8.10; Initiative gegen
Abschiebehaft Berlin; Jesuiten-Flüchtlingsdienst; BT DS 17/10596; BT DS 17/10597; Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/11577 13. Januar 10 Eine Chinesin aus Hessen wird über den Flughafen Frankfurt
am Main nach Peking abgeschoben. Sie ist unmittelbar vorher auf der
Ausländerbehörde festgenommen worden, als sie ihre Duldung verlängern lassen
wollte. Ihr
Mann, der keine Ausreisepapiere hat, bleibt in der Bundesrepublik. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010 13. Januar 10 Sulz am Neckar im Bundesland Baden-Württemberg. Morgens um
7.00 Uhr alarmiert ein Bewohner der Flüchtlingsunterkunft In der Vorstadt 20
die Feuerwehr, und als diese wenige Minuten später eintrifft, steht bereits
das Dach und ein Teil der ersten Etage in hellen Flammen. Den
insgesamt 40 Feuerwehrmännern, die mit acht Fahrzeugen, mit Drehleiter und
Atemschutz im Einsatz sind, gelingt es erst nach Stunden, den immer wieder
aufflammenden Brand zu löschen. Von
den zwei dort lebenden Asylbewerbern ist zur Zeit des Brandes nur ein Mann im
Haus – er kommt mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus. Das
im Stadtkern gelegene Haus ist nach dem Brand völlig zerstört und wegen
Einsturzgefahr nicht mehr zu bewohnen. Auch das linke Nachbargebäude hat
schweren Schaden durch das übergreifende Feuer und das Löschwasser erlitten.
Als Brandursache wird ein technischer Defekt vermutet. SchwT 13.1.10; SchwB 13.1.10;
SchB 18.1.10; neckar-chronik.de 16. Januar 10 Die 2. Kammer des Bundesverfassungsgerichts stellt fest,
daß die Auslieferung eines Menschen bei drohender Verurteilung zu einer
sogenannten "erschwerten" lebenslangen Freiheitsstrafe gegen Art. 1
Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik verstößt. Damit
wird eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm aufgehoben, und die
Behörden sind aufgerufen, neu zu entscheiden. Die
Verfassungsbeschwerde wurde von dem Rechtsanwalt des seit dem 2. April 09 in
Auslieferungshaft sitzenden Yildirim K. erhoben. Die türkische Regierung
begründet das Auslieferungsbegehren mit dem Vorwurf, er habe als Gebietsver- antwortlicher der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) für die
Region E. die Ausführung eines Bombenanschlags auf den Provinzgouverneur von
B. am 5. April 99 durch das PKK-Mitglied T. beschlossen und angeordnet. Dabei
seien der Gou verneur und T. getötet und 14 weitere Personen verletzt
worden. Aufgrund dieses Vorwurfes droht dem Kurden im Falle seiner
Verurteilung in der Türkei eine sogenannte erschwerte lebenslange
Freiheitsstrafe bis zum Tod, ohne daß eine Möglichkeit einer bedingten
Strafaussetzung beziehungsweise vorzeitigen Entlassung aus dem Strafvollzug
entstünde. Nachdem
das Bundesministerium der Justiz der Generalstaatsanwaltschaft Hamm am 27.
Januar mitteilt, daß die Auslieferung des Yildirim K. nicht bewilligt wird,
wird Herr K. am 28. Januar aus der Haft entlassen. BVG 20.1.10
Aktenzeichen 2 BvR 2299/09; Azadi 20.1.10; Barbara Neppert – ai Türkei-Kogruppe 20. Januar 10 Hamburg. Der 23 Jahre alte Wadim S. stellt sich zwischen
Harburg und Wilhelmsburg auf die Schienen der S-Bahnlinie 3 und läßt sich
dann vom Zug überfahren. Damit
beendet er selbst sein Leben, für das er keine Zukunft mehr sieht. Im
Alter von sechs Jahren war er 1992 mit seinen Eltern aus Lettland in die BRD
gekommen, fand sich schnell zurecht und nahm zusammen mit seinem jüngeren
Bruder am Gemeindeleben der katholischen Gemeinde Hamburg-Harburg aktiv teil.
Er besuchte das Gymnasium, mußte dann aber später auf die Hauptschule
zurückgehen. Mit seiner Clique brach er in ein Autohaus ein und wurde vom
Gericht zu fünf Sozialstunden verurteilt. Damit war er vorbestraft. Am
4. Februar 2005 wurde der 18-Jährige ohne seine Familie nach Lettland
abgeschoben. Er, der sich als Hamburger fühlte, war völlig verzweifelt. (siehe hierzu: 4. Februar 05) Eine
Zeitlang kam er provisorisch bei einer ehemaligen Kollegin seiner Mutter
unter. Um eine Perspektive entwickeln zu können, beantragte er die lettische
Staatsangehörigkeit. Wie alle 400.000 in Lettland lebenden Russen bekam er
diese nicht. Im
April 2006 gelang es ihm per Bus, Fähre und Bahn über Litauen und Dänemark
nach Hamburg zurückzukehren. Die Angst vor erneuter Abschiebung trieb ihn
dann nach Frankreich, in die Schweiz und nach Belgien. Hier wurde er - nach
erneutem Asylantrag – in Abschiebehaft genommen. Beim zweiten
Abschiebeversuch aus Brüssel wurde der sich Wehrende von belgischen
Polizisten geschlagen. Im
Dezember 2006 erfolgte tatsächlich seine Abschiebung aus Brüssel nach Riga.
Dort fand er für ein Jahr lang eine Anstellung als Hilfsarbeiter, bis die
Firma aufgrund der zunehmenden wirtschaftlichen Krise Entlassungen vornehmen
mußte. Bei seinem zweiten Aufenthalt in Hamburg war Wadim S. schon sehr
depressiv und angstvoll. Bei einem weiteren Versuch, mit dem Reisebus über
Polen nach Hamburg zu kommen, wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt, weil
er damit gegen das Einreiseverbot infolge der Abschiebung verstieß. Da er das
Geld nicht hatte, folgte die Verordnung der Strafhaft gegen ihn. Wadims
Mutter Viktoria hat sich vom Tod ihres Sohnes nie erholt. Sie quält sich Tag
für Tag durch ein Leben, das sie eigentlich nicht mehr leben will.
Gesundheitlich geht es ihr immer schlechter, sie wird schwächer und
schwächer, so daß sie schließlich am 8. Januar 14 im Alter von 49 Jahren
einer Lungenentzündung erliegt. ndr-info
12.3.10; Die Linke – LV
Hamburg 17.4.10; Spiegel 20.4.10;
Spiegel 13.12.11; Dokumentarfilm
"Wadim" 2011; PIER 53
Filmproduktion 14.1.14 5. Februar 10 Bundesland Bayern. Seit dem 23. Januar befinden sich die
BewohnerInnen der Flüchtlingsheime Hauzenberg und Breitenberg im
Hungerstreik. 19 Flüchtlinge protestieren gegen die unmenschlichen
Lebensbedingungen in den Lagern und fordern Bewegungsfreiheit, Recht auf
Arbeit und die Abschaffung der Lebensmittelpakete. Auch
Ahmed M., palästinensischer Flüchtling aus Israel, beteiligt sich an den
Protesten. Während ein Arzt die Hungerstreikenden untersucht, schließt sich
der 23-Jährige im Badezimmer ein und schneidet sich mit Messer und
Rasierklinge die Arme auf. Mit schweren Schnittverletzungen und hohem
Blutverlust kommt er ins Krankenhaus, wo er operiert wird. Zwei Tage später
erfolgt seine Überweisung in die Psychiatrie des Bezirkskrankenhauses
Mainhofen. Ahmed
M. muß seit zwei Jahren im Flüchtlingsheim Hauzenberg leben und teilt sich
ein kleines Zimmer mit drei weiteren Flüchtlingen. Kurz vor seinem
Suizidversuch hatte er die Ratschläge des Arztes, Wasser zu trinken und
Medikamente einzunehmen, abgelehnt. www.Bürgerblick.de
5.2.10; br-online
8.2.10; SZ 8.2.10; FRat Bayern
9.2.10; www.Bürgerblick.de
11.2.10 6. Februar 10 Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Auf dem Bahnhof von
Ludwigslust wird ein 43 Jahre alter Flüchtling aus Afrika von einem Deutschen
beschimpft und beleidigt. Dann greift der Angreifer den Rucksack des
Afrikaners und wirft ihn auf die Gleise. Als der Besitzer sich ihn
zurückholt, wird er mit voller Wucht vom Täter auf die Gleise zurückgestoßen.
Am Bein verletzt verläßt er dann das Gleisbett am gegenüberliegenden
Bahnsteig. Durch
die Überwachungskameras kann die Polizei den Täter ermitteln, nimmt ihn
vorübergehend zum Verhör fest und läßt ihn wieder auf freien Fuß. Der
Staatsschutz ermittelt wegen Beleidigung und Körperverletzung mit
"ausländischem Hintergrund". dpa 8.2.10; KrZ 8.2.10; HA 9.2.10; ND 10.2.10; JWB 18.2.10 13. Februar 10 Bundesland Baden-Württemberg. Morgens um 6.00 Uhr wird ein
34 Jahre alter Flüchtling zwischen Bretten und Dürrenbüchig von der Stadtbahn
der Linie S4 trotz Notbremsung erfaßt und getötet. Nach
Ermittlungen der Kriminalpolizei hatte der Mann wenige Tag zuvor in Stuttgart
Asyl beantragt und sollte sich danach zur Landesaufnahmestelle für
Asylbewerber nach Karlsruhe begeben. Entsprechend war der Mann auf den
Gleisen in Richtung Karlsruhe zu Fuß unterwegs. Pforzheimer Ztg
15.2.10; BürgerArbeitskreis
Bretten 15.2.10; Polizei
Karlsruhe 15.2.10 16. Februar 10 Der 27 Jahre alte afghanische Flüchtling Atiq Haidari wird
morgens um 5.30 Uhr zitternd und nach Luft ringend von seiner Frau Arjan
vorgefunden. Er hat Tabletten geschluckt, denn für heute steht seine
Rückschiebung nach Schweden an. Seine Frau ruft einen Notarztwagen, und er
kommt ins Krankenhaus, wo er auf der Intensivstation behandelt werden muß.
Zwei Tage später erfolgt seine Verlegung ins Psychiatrische Krankenhaus
Hamburg-Ochsenzoll. Während
seines monatelangen Aufenthaltes in der Klinik versucht er wiederholt, sich
zu töten. Nachdem
1999 seine Eltern in Herat (Afghanistan) von einer Bombe getötet worden
waren, hatte der damals 16-Jährige das Land verlassen und war zu seinem Onkel
und seiner Schwester in die BRD geflüchtet. Als dann im Jahre 2005 die BRD den
Abschiebestop nach Afghanistan aufhob, ging Atiq Haidari nach Schweden
und stellte hier erstmals einen Antrag auf Asyl. Er erlernte die Sprache,
wiederholte seinen Haupt schulabschluß und arbeitete schließlich als
stellvertretender Filialleiter einer Discounter-Firma. Dennoch wurde seine
Aufenthaltserlaubnis nicht mehr verlängert. Im
November 2009 kam er nach Hamburg zurück, beantragte Asyl und heiratete im
Dezember seine Verlobte. Entsprechend
dem Dublin-II-Abkommen leiteten die Behörden
seine Rückführung nach Schweden ein und schrieben ihn zur Fahndung aus, als
er zu einem angekündigten Termin nicht in seiner Flüchtlingsunterkunft in
Hildesheim anzutreffen war. Als
er im Januar 2010 in Hildesheim ein dauerhaftes Bleiberecht beantragen
wollte, erfolgte seine Verhaftung direkt in der Ausländerbehörde. Er kam in
Abschiebehaft, und wie sich erst nach dem dritten Haftprüfungstermin und nach
23 Tagen Haft herausstellte, war dieses rechtswidrig. Im
August wird Atiq Haidari aus dem psychiatrischen Krankenhaus entlassen. Sein
Asylverfahren wird jetzt von der deutschen Behörde fortgesetzt – er ist in
Besitz einer Aufenthaltsgestattung mit einer Laufzeit von drei Monaten. Er
kann vorerst in Hamburg bleiben und mit seiner Frau zusammenleben. Das Leben
auf der Flucht, die Aufenthaltshindernisse in Europa und die jahrelange Angst
vor der Abschiebung nach Afghanistan haben ihn allerdings zu einem
schwerkranken Menschen gemacht. Ehefrau des
Betroffenen; HAZ 24.2.10; taz
28.5.10 19. Februar 10 Lemgo in Nordrhein-Westfalen. Als ein armenischer
Flüchtling mit seinen beiden Kindern die Ehefrau in der JVA Bielefeld
besuchen will, wird er in Gegenwart seiner Kinder und ohne Möglichkeit der
Verabschiedung festgenommen und in das Abschiebegefängnis nach Büren
gebracht. Die
3-jährige Maria und ihren 6-jährigen Bruder David bringen die Polizisten zu
einer Bekannten ihrer Eltern, die sich fortan um sie kümmert. Die Kinder sind
völlig verwirrt und geschockt. David bekommt massiven Haarausfall, und Maria
leidet unter Bauchschmerzen, Durchfall, Blähungen und Appetitlosigkeit. Sie
weinen ständig und schlafen schlecht. Sie haben auch ihrer Betreuerin
gegenüber große Trennungsangst, so daß diese sie nicht allein lassen kann. Ärzte
empfehlen, den Kontakt zu den Eltern wieder herzustellen und Maria im
Krankenhaus stationär zu behandeln. Damit dies bei dem verängstigten Kind
überhaupt möglich ist, schlägt das Jugendamt vor, eines der Kinder
medikamentell ruhig zu stellen, damit die Betreuerin dann ihrer Fürsorge
sowohl im Krankenhaus bei Maria als auch bei David in der Wohnung nachkommen
könne. Weil
die Stadt Lemgo die Kinder nach der Verhaftung des Vaters abgemeldet hat,
verweigert das Sozialamt die Kostenübernahme. Erst am 25. Februar erklärt
sich das Jugendamt nach massivem Drängen der UnterstützerInnen wieder für
zuständig. Das
Ehepaar lebt seit der Einreise im Jahre 2002 in Lemgo – die Asylanträge
wurden abgelehnt. Beide Kinder sind hier geboren. Da die monatlichen 622 €
vom Sozialamt nicht ausreichten, hatte die Mutter mehrmals Lebensmittel
gestohlen und wurde zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt. Auch
ihre Festnahme vor vier Monaten war in Gegenwart der Kinder geschehen. Zwei
Wochen nach der Festnahme des Vaters wird die gesamte Familie nach Rußland
abgeschoben. indymedia
26.2.10; Flüchtlingshilfe
Lippe 26.2.10 20. Februar 10 Bundesland Brandenburg. Auf dem Potsdamer Hauptbahnhof
wird ein 34 Jahre alter Flüchtling aus Kamerun von einem 31-jährigen
Deutschen rassistisch angepöbelt und mit dem Satz "Ich steche Dich
ab!" bedroht. dpa 25.2.10;
Polizei Potsdam 22. Februar 10 Arnsberg in Nordrhein-Westfalen. Als die Feuerwehr mit 15
Fahrzeugen und 46 Einsatzkräften am Flüchtlingsheim Berliner Platz eintrifft,
kommt den Rettungskräften dicker Qualm entgegen. Zwei Matratzen brennen in
einem abgeschlossenen Raum im Erdgeschoß. Nach Öffnung des Raumes mit der
Brechstange kann der Brand schnell gelöscht werden. Obwohl
sich die 13 BewohnerInnen frühzeitig ins Freie retten konnten, werden zehn
von ihnen – darunter drei Kinder – wegen Rauchgasvergiftung in die
umliegenden Krankenhäuser gebracht. ddp 23.2.10; WAZ 23.2.10; www.rettungsdienst.de
23.2.10; www.HSK-aktuell.de
23.2.10 26. Februar 10 Abschiebegefängnis auf dem Gelände der Zentralen
Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt
(ZABH). Ein 21 Jahre alter Abschiebegefangener aus dem Kongo trinkt in
selbsttötender Absicht Seifenlauge und versucht, sich anschließend zu
strangulieren. Er
wird rechtzeitig entdeckt und kommt verletzt ins Krankenhaus. Damit ist er
nach 203 Tagen Gefangenschaft aus der Haft entlassen. Ministerium des
Innern Brandenburg 15.3.11 26. Februar 10 Bundesland Sachsen. Kurz nach Mitternacht wird die
Oppacher Feuerwehr alarmiert, denn im Flüchtlingsheim am Mittelweg ist ein
Brand ausgebrochen. Um dem Feuer zu entkommen, springen die libanesischen
Flüchtlinge Herr und Frau Al Ayoube mit ihren fünf Kindern aus einem Fenster
in der ersten Etage. Herr Al Ayoube kommt mit Wirbelbrüchen und dem Verdacht
auf Rauchgasvergiftung ins Görlitzer Klinikum. Der sechs Wochen alte Säugling
des Paares, der aus der Babydecke zu Boden geglitten ist, wird ins Zittauer
Krankenhaus gebracht. Vier weitere Flüchtlinge und der Heimleiter werden bei
dem Großbrand ebenfalls verletzt und mit Krankenwagen abtransportiert. Von
den 88 Menschen, die hier gemeldet sind, befanden sich zum Zeitpunkt des
Ausbruchs des Brandes ca. 40 Personen im Haus. Als
das Feuer nach sechs Stunden von den 120 Rettungskräften der verschiedenen
Oberlausitzer Feuerwehren gelöscht ist, ist das zweistöckige barackenähnliche
Gebäude völlig zerstört. Die ehemaligen BewohnerInnen werden evakuiert und in
anderen Flüchtlingsheimen untergebracht. Die unverletzten Mitglieder der
libanesischen Familie kommen zunächst in das Löbauer Obdachlosenheim, werden
dann aber von einer deutschen Familie aufgenommen. Durch die spontane
Unterstützung und Spendenbereitschaft der Oppacher Bevölkerung wird die
Familie demnächst eine Wohnung in Löbau beziehen können. Ein
Brand-Sachverständiger stellt als Ursache für das Feuer "Brandstiftung
durch eine offene Flamme" in einem Raum fest, in dem Wäsche getrocknet wurde und Matratzen
lagerten. Polizei
Oberlausitz-Niederschlesien 26.2.10; ddp 26.2.10;
www.lausitznews.de 26.2.10; SäZ 27.2.10;
Bild 28.2.10; Bild 2.3.10; SäZ
3.3.10; LR 3.3.10; FP 4.3.10¸SäZ
6.3.10; ddp 23.4.10 1. März 10 Bundesland Sachsen-Anhalt. Am Bahnhof von Burg wird um ca.
9.30 Uhr ein 32 Jahre alter Mann aus Burkina Faso von einem stark
alkoholisierten Deutschen mit einem Messer bedroht, beleidigt und vor die
Brust gestoßen. Erst als Taxifahrer dem Angegriffenen zu Hilfe kommen, läßt
der Täter von ihm ab und läuft weg. Der Angegriffene kommt mit leichteren
Prellungen davon. Die
gerufene Polizei kann den Täter noch vor Ort stellen. Der Staatsschutz
ermittelt. Mobile Beratung
für Opfer rechtsextremer Gewalt Nr. 29/2010 1. März 10 Abschiebegefängnis auf dem Gelände der Zentralen
Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt
(ZABH). Ein 35 Jahre alter Gefangener aus Pakistan verletzt sich nach fünf
Tagen Abschiebehaft selbst im Gesicht – eine medizinische Behandlung der
Verletzungen lehnt er ab. Ministerium des
Innern Brandenburg 15.3.11 1. März 10 Ein 16 Jahre alter Flüchtling aus Ägypten wird bei der
Kontrolle eines Hamburger Restaurants ohne Aufenthaltspapiere aufgegriffen
und festgenommen. Er hatte sich vorher in Italien aufgehalten und soll – entsprechend
der Dublin-II-Normen – zurückgeschoben werden. Nach
einem Tag in einer Polizeiwache kommt er für zwei Tage in eine Haftanstalt
(vermutlich Untersuchungsgefängnis). Danach erfolgt seine Verlegung ins
Jugendgefängnis Hahnöfersand. In den 10 Tagen seiner Inhaftierung ist er ohne
jede Rechtsberatung, ohne Androhung der Abschiebung und ohne jede Nachricht
über seinen Verbleib. Weder ein Vormundschaftsrichter noch der Kinder- und
Jugend-Notdienst werden informiert. Im
Untersuchungsgefängnis hatte der Jugendliche unter starken Magen- und
Rückenschmerzen gelitten, und die Zelle war bitterkalt. Er habe immer wieder
"Doktor, Doktor" geschrien, aber niemand sei gekommen, berichtet er
später. Zwei
Tage nachdem der Innensenat aufgrund des Suizids des Abschiebegefangenen
David M. (7. März) verkündet hatte, Minderjährige nicht mehr in Abschiebehaft
nehmen zu wollen, wird der junge Ägypter in die Zentrale Aufnahmestelle der
Ausländerbehörde (Sportallee) entlassen. Auch jetzt wird nicht das Jugendamt
eingeschaltet, obwohl er sich in U-Haft eine krätzeähnliche Hautkrankheit
zugezogen hat. Im
Institut für Rechtsmedizin des Uniklinikums Hamburg-Eppendorf wird nach einer
Altersbestimmung die Altersangabe des Jugendlichen bestätigt. Er wird jetzt
erst – am 16. März – an den Kinder- und Jugend-Notdienst übergeben. Die
Ausländerbehörde reagiert auf die lauter werdende Kritik am Umgang mit
Minderjährigen mit der Behauptung, daß der Jugendliche schließlich wegen
Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz in Untersuchungshaft gesessen hätte und
U-Haft nicht unter die jüngste Neuregelung falle. Die
von der Rechtsanwältin des Jugendlichen gestellten Strafanzeigen wegen
Nötigung, Freiheitsberaubung und Körperverletzung werden allesamt
eingestellt. Pro Asyl 9.3.10;
taz-nord 23.4.10; taz 24.4.10; Sigrid Töpfer -
Rechtsanwältin 7. März 10 Zentralkrankenhaus der Untersuchungshaftanstalt
Holstenglacis in Hamburg. Der georgische Abschiebegefangene David M. zerreißt
ein Bettlaken und erhängt sich damit an einem Fenstergitter. Er wird von
einer Mitarbeiterin um 16.15 Uhr tot vorgefunden. Als
David M. – zusammen mit zwei anderen Flüchtlingen – am 7. Februar ein
Polizeiauto anhielt, um einen Antrag auf Asyl zu stellen, wurden alle drei
festgenommen und kamen wegen illegalen Aufenthalts in Untersuchungshaft. Zwei
Tage später erfolgte seine Verlegung in die Jugendhaftanstalt JVA
Hahnöfersand. Da nach europäischem Datenabgleich (Fingerabdrücke)
festgestellt wurde, daß er sowohl in Polen als auch in der Schweiz
Asylanträge gestellt hatte, wurde gegen ihn sogenannte Zurückschiebungshaft
verordnet. Im Rahmen des Dublin-II-Abkommens
war die Abschiebung nach Polen für den 9. März geplant. Die Bestellung eines
Rechtsbeistandes, eines Vormundes oder auch die Inobhutnahme in einer
Jugendhilfeeinrichtung wurden wegen der anstehenden Zurückschiebung
behördlicherseits nicht erwogen. Schon
am 17. Februar begann er aus Protest gegen die Gefangenschaft einen
Hungerstreik – am selben Tag urteilte ein Psychologe, daß bei David M. eine
mögliche Selbstverletzung oder Selbsttötung nicht ausgeschlossen werden
könne. Die daraufhin von der Anstalt eingeleiteten "besonderen
Sicherungsmaßnahmen" beinhalteten Videoüberwachung und
"engmaschige" ärztliche und psychologische Kontrolle. Allein
aufgrund der körperlichen Probleme durch den Hungerstreik war David M. am 25.
Februar ins Zentralkrankenhaus der Untersuchungshaftanstalt verlegt worden.
Obwohl auch hier – nach offizieller Darstellung – die Monitorüberwachung und
die ärztlichen und psychologischen Kontrollen weitergeführt worden sein
sollen, belegt der Tod von David M., daß diese offensichtlich lückenhaft
stattgefunden haben. Aus den Protokollen geht hervor, daß zwischen 11.30 Uhr
und 15.50 Uhr niemand auf den Monitor geschaut hat. Erst
nach seinem Tod wird bekannt, daß David M., der sein Alter mit 17 Jahren
angegeben hatte, nach Angaben der Georgischen Botschaft tatsächlich 25 Jahre
alt sein soll. Der
Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) wehrt sich gegen die öffentliche Kritik
an der Abschiebepraxis von Minderjährigen. Nach seiner Meinung habe es
"keinerlei Fehlverhalten der Ausländerbehörde gegeben ..... Gleichwohl
haben wir uns für die Zukunft darauf verständigt, bei minderjährigen
Ausreisepflichtigen keinen Antrag auf Abschiebehaft beim Amtsgericht zu
stellen. Es sei denn, die Jugendlichen sind straffällig." Tatsächlich
sitzen zur Zeit dieser Aussage zwei Minderjährige in Zurückschiebungshaft –
einer ist straffällig, und der zweite Jugendliche wird in einigen Tagen
volljährig und kommt dann in Abschiebehaft nach Billwerder. Zudem ist es –
mit Ausnahme von Bremen – bundesweit üblich, die Altersangaben von
jugendlichen Flüchtlingen in Frage zu stellen und ein höheres Alter
festzulegen, um den Minde rjährigenschutz zu umgehen und sie schneller abschieben zu
können. Am
22. März reicht die Rechtsanwältin Sigrid Töpfer für den Hamburger
Flüchtlingsrat Strafanzeige gegen Innensenator Ahlhaus, Justizsenator Steffen
(GAL), den Senat und nachgeordnete Beamte der Freien und Hansestadt Hamburg
sowie die Leitung der Untersuchungshaftanstalt Holstenglacis ein. Aus Sicht
des Flüchtlingsrats ist der Tod von David M., der als 17-jähriger in
Abschiebehaft genommen wurde, unabhängig von seinem wahren Alter von der
öffentlichen Hand zu verantworten aufgrund von Nötigung, Körperverletzung,
unterlassener Hilfeleistung, Mißachtung aller gesetzlichen Regeln einer
Gewahrsamsverwaltung und gegebenenfalls von Jugendhilfegesetzen. ndr 8.3.10; taz
9.3.10; HA 9.3.10; HM 9.3.10; jW 9.3.10; SZ 10.3.10; Spiegel-online
10.3.10; ND 10.3.10; HM 10.3.10; jW 10.3.10; taz 11.3.10; jW 11.3.10; Georgian Times 11.3.10; taz 12.3.10; taz 18.3.10; HA 18.3.10; FRat HH 22.3.10; taz 23.3.10; HM
23.3.10; taz 27.3.10, Welt 27.3.10; Mehmet Yildiz
MdHB - DIE LINKE 17.7.10; Hamburgische
Bürgerschaft DS 19/5637; Hamburgische
Bürgerschaft DS 19/5645; BT DS 17/10597 10. März 10 Schneeberg in Sachsen. Am Vormittag bricht ein Feuer in
einer Abstellkammer des Flüchtlingsheimes in der Filzteichstraße aus und
breitet sich auf zwei weitere Zimmer aus. Von
den ca. 100 BewohnerInnen des Heimes werden vier Personen mit Verdacht auf
Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus gebracht. Als Ursache des Feuers wird
Brandstiftung angenommen. ddp 10.3.10; News-ID 11.3.10; www.ortsdienst.de/Bayern/Schneeberg 10.3.10; 12. März 10 Sundern im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Mitarbeiter der
Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises erscheinen ohne Ankündigung in der
an der Hauptstraße gelegenen Wohnung der Roma-Familie Koko. Sie wollen das
Ehepaar Seadet und Abdurahman Koko und deren Tochter Antigone Koko
festnehmen. Seadet Koko bricht zusammen und wird nach ärztlicher Untersuchung
ins Krankenhaus nach Balve gefahren. Ihr Mann und ihre Tochter Antigone
werden zum Gericht gebracht, wo umgehend Abschiebehaft verordnet wird. Antigone
Koko kommt ins Abschiebegefängnis Neuss und ihr Vater nach Borken in
Abschiebehaft. Daß
die Familie, die seit 18 Jahren in der Bundesrepublik lebt, jetzt überhaupt
abgeschoben werden soll, liegt an einer Vorstrafe von Seadet und Antigone
Koko. Sie hatten im April 2008 einem pakistanischen Mann, der Antigones
erwachsene Tochter Xheneta über längere Zeit belästigte, mehrfach ins Gesicht
geschlagen. Die Anzeigen der Tochter gegen den Stalker waren erfolglos
geblieben – die des aufdringlichen Mannes führte dann zu einer Verurteilung
von Mutter und Großmutter. Da die Frauen keinen Rechtsanwalt beauftragen
konnten, akzeptierten sie das Urteil von 90 Tagessätzen zu je 5 Euro. Damit
galten sie als vorbestraft. Kurz
vor dem geplanten Abschiebungstermin, dem 17. März, wird die Abschiebung
wegen des ungeklärten Gesundheitszustandes von Seadet Koko zunächst
ausgesetzt, und Antigone und ihr Vater kommen auf freien Fuß. Die
gewonnene Zeit wollen sie jetzt nutzen, mit anwaltlicher Hilfe den
Vorstrafeneintrag aus dem Strafregister löschen zu lassen. WAZ 15.3.10; WAZ
16.3.10; www.dorfinfo.de
16.3.10 17. März 10 Unter den 53 Flüchtlingen, die über den Flughafen
Düsseldorf im Rahmen einer Massenabschiebung in den Kosovo abgeschoben werden
sollen, befindet sich auch Familie Shala. Die Mitglieder der Familie, die der
Roma-Minderheit der Ashkali angehören, sind: das Ehepaar Gjylsa und Xhafer
Shala, ihr Sohn Lulzim (40), ihre Schwiegertochter Aishe (36) und die vier
Enkelsöhne Nazmi (20), Lutfi (16), Haliel (8) und der 2-jährige Sidri. Die
Schwiegertochter Aishe ist schwer kriegstraumatisiert, was sich durch die
jahrelangen Unsicherheiten um den Aufenthalt weiter verschlechtert hat. Sie
befindet sich seit sieben Jahren in psychiatrischer Behandlung. Ihr Sohn
Lutfi leidet an Diabetes mellitus Typ 1. Mehrmals täglich muß der Blutzucker
gemessen und die Insulinmenge berechnet werden, was der Junge aufgrund einer
Lernbehinderung nicht leisten kann. Auch seine Mutter ist dazu nicht in der
Lage. Auf
der Treppe zum Flugzeug bricht die 58 Jahre alte Gjylsa Shala völlig
erschöpft zusammen. Auch sie leidet – ebenso wie ihr 56-jähriger Mann Xhafer
– an der Zuckerkrankheit und ist schwerst sehbehindert. Sie kommt zunächst in
ein Krankenhaus und darf dann gemeinsam mit ihrem Mann nach Rotenburg an der
Wümme zurückkehren. Währenddessen werden ihre Kinder und Enkelkinder in den
Kosovo abge schoben. Im
niedersächsischen Rotenburg hat die Familie Shala, die vor 21 Jahren aus dem
Krieg im Kosovo geflohen war, die letzten zwei Jahrzehnte gelebt. Ihre 23
Enkel wurden in der Bundesrepublik geboren. Als
die Ausländerbehörde Mitte Mai einen neuen Abschiebungstermin für Gjylsa und
Xhafer Shala festlegt, entscheidet sich das Ehepaar zu einer
"freiwilligen" Ausreise. Durch diese "Freiwilligkeit"
erhandelt der Kirchenkreis Rotenburg für die Familie eine
Wiedereingliederungshilfe und die Sicherstellung der medizinischen Versorgung
von Xhafer Shala, der mit Morphium behandelt werden muß. Durch
Spenden, die der evangelisch-lutherische Kirchenkreis sammelt, können eine
kleine Wohnung und ein Kleintransporter finanziert werden. Mit diesem Auto
wird der bleibeberechtigte Sohn Sami seine Eltern in den Kosovo fahren. Es
soll im günstigsten Fall als Taxi oder Transportfahrzeug den Lebensunterhalt
im Kosovo sichern. Lulzim
Shala, seine Frau Aishe und die vier Söhne kommen nach der Abschiebung in Pec
bei einer anderen Familie unter. Auch diese Familie ist sehr arm. Sie leben
jetzt mit 13 Personen in drei Zimmern, ohne fließendes Wasser oder Heizung.
Zum Kochen muß Holz oder Plastikmüll in einem kleinen Herd angezündet werden.
Sie haben oft gar nichts zu essen, und das Wasser ist schmutzig. Die Kinder
leiden unter Atemproblemen und Durchfall. Ein
weiteres lebensbedrohliches Problem ist die Medikamentenversorgung. Die
Medikamente für Aishe Shala sind im Kosovo gar nicht zu bekommen, und das
Insulin für Lutfi ist so teuer, daß sie es sich nicht kaufen können. Lutfi
bekommt demzufolge tagelang kein Insulin. Seine Familie hat Angst um sein
Leben. FRat NieSa 23.3.10; RR 29.3.10; Pro Asyl
Newsletter Nr. 157; Kirchenkreis
Rotenburg 14.5.10; KrZ 15.5.10; RR
19.5.10; WK 17.10.10; Migrations-Newsletter
2010-10; KrZ 3.2.11; alle bleiben -
Roma Center Göttingen 17. März 10 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Der 26 Jahre alte Kefaet
Prizreni und sein fünf Jahre jüngerer Bruder Selami Prizreni aus Essen werden
in den Kosovo abgeschoben. Kefaet Prizreni wird dadurch von seiner 8-jährigen
Tochter und seinem 7-jährigen Sohn getrennt, weil die Kinder nicht von der
Abschiebung betroffen sind. Die
beiden Roma, die als professionelle Hip-Hop-Musiker unter dem Namen 'K-Pluto
und Gipsy' arbeiteten, geraten durch die Abschiebung nach Prizren in extreme
Armut und Isolation. Ihre
Familie war vor 22 Jahren aus dem Kosovo in die Bundesrepublik geflüchtet.
Sie besuchten deutsche Kindergärten und Schulen und sprechen wesentlich
besser Deutsch und Englisch als Romanes. Serbisch oder Albanisch verstehen
sie gar nicht. Nur mit Hilfe eines ebenfalls aus Essen abgeschobenen
Jugendlichen können sie sich in den ersten Monaten verständlich machen. Die
Brüder berichten im Februar 2012, daß sie mehrmals bedroht, bestohlen und
körperlich angegriffen wurden. Sie waren obdachlos, sind seit ihrer
Abschiebung mindestens 20 mal umgezogen, fanden mehrmals Arbeit in
deutschsprachigen Callcentern – wo sie allerdings um ihren Lohn betrogen
wurden. Sie schreiben selbst in einem Brief: "Es fehlt die Sprache, Hygiene, Arbeitsmöglichkeit, Sicherheit,
ärztliche Behandlung, um hier leben zu können." alle bleiben –
Roma Center Göttingen; alle bleiben –
Roma Center Göttingen 8.3.12 17. März 10 Ahaus in Nordrhein-Westfalen. Die Polizei erscheint
morgens um 6.00 Uhr an der Wohnungstür der Familie Mujolli und gibt ihr zwei
Stunden Zeit, die Sachen zu packen. Nach 19 Jahren Deutschland-Aufenthalt
sollen der 46 Jahre alte Florim Mujolli, seine Frau Feride und ihre fünf
Kinder in den Kosovo abgeschoben werden. Aufgrund des Widerstands der Kinder
werden sie gewaltsam festgehalten, auf den Boden gedrückt und an den Haaren
gezogen. Der
18-jährigen Hamide werden Handschellen angelegt, sie darf sich nicht anziehen
und wird in ihrem Pyjama abgeschoben. Die Tasche mit wichtigen
Geburtsurkunden, Zertifikaten und Zeugnissen wird zwar gepackt, kommt aber in
Prishtina gar nicht an. Nach
der Abschiebung kommt die Familie zunächst in der Ashkali-Siedlung Fushe
Kosove, einem Vorort von Prishtina, unter. Für sechs Monate wird die Miete
vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gezahlt. Weil
sie keine Geburtsurkunden vorlegen können, verweigert die Schule die Aufnahme
der 9-jährigen Nadile, des 14 Jahre alten Rrahmon und der 16-jährigen
Nermina. Die 2-jährige Selina, die zwei Monate zu früh
geboren wurde, leidet unter schwerem Asthma und einem Herzfehler. Da sie
öfter Atemstillstand bekommt, muß sie intensiv beobachtet und behandelt
werden. Ein spezielles Überwachungs- und Inhalationsgerät konnten die Eltern
mitnehmen – nur Ersatzteile gibt es dafür nicht im Kosovo. Selina braucht
zudem aufgrund ihrer Eiweißallergie einen speziellen Milchersatz, der für
zwei Wochen ca. 15 Euro kostet. Auch die besonderen und lebenswichtigen
Medikamente für sie sind sehr teuer. Eine Krankenversicherung hat die Familie
nicht – das Gesundheitswesen ist desolat. Wer kein Geld hat, die Ärzte zu
bestechen, wird schlecht oder gar nicht behandelt. Herr Mujolli, der fast 20 Jahre lang in der
Bundesrepublik gearbeitet und Steuern gezahlt hat, steht im Kosovo vor dem
Nichts. "Deutschland hat die kleine Selina zum Tode verurteilt",
sagt er bitter. BeZ 7.10.10; SZ
23.10.10; Sebastian H.
Ludwig – DWEKD; ND 2.4.11 17. März 10 Der psychisch kranke und suizidgefährdete Herr R. aus dem
niedersächsischen Zeven wird im Rahmen der geplanten Sammelabschiebung über
Düsseldorf mit einem Krankenwagen zum Flughafen transportiert. Von dort aus
erfolgt dann aber seine Einlieferung in ein Krankenhaus. Ungeachtet
dessen wird die Abschiebung seiner Frau und der drei Kinder in den Kosovo
ungebremst fortgesetzt. FRat NieSa 23.3.10; RR 29.3.10; Pro Asyl
Newsletter Nr. 157 17. März 10 Bundesland Bayern. Der 37 Jahre alte C. Singh, Flüchtling
aus Indien, wird schwerkrank nach Indien ausgeflogen. Nach 11 Jahren Leben in
Flüchtlingslagern und auch aufgrund von Alkoholismus leidet er unter Depressionen,
paranoider Schizophrenie, Wahnvorstellungen, Halluzinationen und
Wahrnehmungsstörungen. Er war mehrmals stationär in psychiatrischer
Behandlung. Aufgrund
einiger kleiner Diebstähle (Bier, Schokolade u.a.) wurde er am 27. April 09
vom Amtsgericht Augsburg zu
einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Obwohl er betonte, daß er
"freiwillig" ausreisen wolle, mußte er die Strafe im November 2009
absitzen. In der Haft geriet seine Medikamenten-Einstellung derart aus den
Fugen, daß er in einem deutlich schlechteren Gesundheitszustand entlassen
wurde. Da
auch die Fluggesellschaften aus Angst vor aggressiven Schüben während des
Langstrecken-Fluges eine Mitnahme des kranken Mannes verweigerten, gelang
seine Ausreise erst, als sich sein Flüchtlingsberater und Dolmetscher bereit
erklärte mitzufliegen. AA 19.6.10; Caritas Augsburg 24. März 10 Bundesland
Nordrhein-Westfalen. Ein 17-jähriger afghanischer Flüchtling schlägt mit
seiner Hand in eine Fensterscheibe, verletzt sich dabei und klettert dann in
suizidaler Absicht auf eine Straßenlaterne – dann rutscht er wieder herunter.
Er kommt zur chirurgischen Behandlung seiner Verletzungen ins Marienhospital
Steinfurt und wird am nächsten Tag zur psychiatrischen Therapie in die LWL
Klinik Münster gebracht. Diese kann er am 6.April wieder verlassen. Obwohl
der Jugendliche am 9. Februar 10 bei seiner Befragung im Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) den 5.8.1993 als Geburtsdatum angegeben
hatte, wurde ihm das fiktive Geburtsdatum 1.1.1992 verordnet. Aus diesem
Grunde hatte er sich geweigert, das Protokoll zu unterschreiben. Auch das
Jugend- und Sozialamt der Stadt Frankfurt hatte nach dem äußeren
Erscheinungsbild und dem Verhalten (gemäß dem Erlaß des Hessischen
Innenministeriums vom 18.2.02) die Volljährigkeit entschieden. Damit wurde er
von Beginn seines Asylverfahrens als Erwachsener behandelt. Auch die
Nachreichung einer Kopie der Geburtsurkunde am 8.3.2010 änderte daran nichts
mehr. Das
Jugend- und Sozialamt der Stadt Frankfurt vermerkte auf der Niederschrift
über die Alterseinschätzung: "Er hat Verletzungen und Beschwerden auf
Grund von Misshandlungen – ärztliche Versorgung notwendig!!!" Im
Protokoll des BAMF vom 9.2.2010 heißt es: "Linke Gesichtshälfte im
Bereich Unterkiefer/Ohr geschwollen, hat Beschwerden. Wurde von iranischer
Polizei geschlagen, vor 2 - 3 Jahren, hat massive Verletzungen der Hoden –
unbedingt Arzt vorstellen." Auch
auf seinem Weg durch Ungarn ist der junge Afghane schwer geschlagen worden:
von Grenzbeamten bei der Festnahme, beim Transport ins Gefängnis Bekescsaba
und während der 14-tägigen Haft von den Wärtern. Die
Tatsache, daß seine Rückschiebung nach Ungarn geplant ist, veranlaßte ihn zu
dem Suizidversuch. Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus kommt er in die
Flüchtlingsunterkunft H. Als er dort am 27. September in Abschiebehaft
genommen werden soll, schneidet er sich am rechten Arm die Pulsadern auf. Er
kommt ins Universitätsklinikum Aachen, von wo er am 30. September in die JVA
Büren eingewiesen wird. Denn Abschiebehaft ist verhängt, und seine
Rückschiebung nach Polen ist für den Am
6. Oktober – kurz vor der geplanten Abschiebung – wird der Jugendliche dem
für die Ausländerbehörde arbeitenden Arzt Michael Koenen vorgestellt. Dieser
spricht kein Wort mit ihm, reißt nur die Wundauflagen vom Körper und erklärt
ihn formularmäßig als reisefähig. Michael Koenen schlägt eine Abschiebung in
Begleitung zweier Bundespolizisten und eines Arztes vor. Da
der 17-Jährige im Flugzeug allerdings heftigen Widerstand leistet, verweigert
der Flugkapitän der Maschine schließlich die Mitnahme. Er kommt jetzt in die
JVA Bochum. Eine dortige Psychologin beurteilt ihn als hochtraumatisiert. Die
Flugfähigkeitsbescheinigung des Michael Koenen wird im Rahmen eines Eilverfahrens
durch das Verwaltungsgericht Aachen deutlich in Frage gestellt und in einem
unanfechtbaren Beschluß vom 28.10.2010 eine Abschiebung aktuell untersagt.
Begründet wird das damit, daß sich anhand der Bescheinigung des Arztes
"keine Auseinandersetzung mit den beim Antragsteller vorliegenden
Befunden entnehmen“ läßt, daß die vom BAMF festgestellten Verletzungen, die
dringend hätten versorgt werden müssen, nicht versorgt wurden und daß die
Psychologin der JVA Bochum den Flüchtling für hochtraumatisiert hält. Daraus
folgt, daß der Flüchtling "derzeit nicht flugreisefähig ist, zumindest
bedarf dies weiterer Aufklärung." Der
Leiter der Ausländerbehörde H. akzeptiert diesen Beschluß des
Verwaltungsgerichtes jedoch nicht und teilt UnterstützerInnen mit, daß er
sich bemühe, über das BAMF eine Abänderung des Beschlusses zu erwirken. Er
beabsichtige nicht, die Freilassung des Jugendlichen anzuordnen. Erst
die Aufhebung des Haftbeschlusses und die Ankündigung einer Strafanzeige
wegen Freiheitsberaubung im Amt läßt ihn nachgeben. Der Jugendliche wird dann
am 29. Oktober spät nachmittags aus dem Gefängnis entlassen und kommt wieder
in die Unterkunft in H. Am
7. Dezember 2010 wird er auf Antrag der Ausländerbehörde nach Düsseldorf
umverteilt, wo er wegen des schlechten Gesundheitszustandes sofort in ein
psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen wird. Nach seiner Entlassung am 28.
Januar 2011 lebt er in einer Jugendeinrichtung. WAZ 22.11.10; Antirassistische
Initiative Berlin 26. März 10 Eisenhüttenstadt in Brandenburg. Nachdem eine Frau aus
Kenia das Taxi verlassen hat, um in der Zentralen Ausländerbehörde einen
Asylantrag zu stellen, wird sie von Beamten der Bundespolizei festgenommen.
Ihr Begehren auf Asyl, das sie laut vor den Beamten und auch vor dem
Haftrichter äußert, wird ignoriert. Sie kommt wegen illegaler Einreise in
Abschiebehaft, und erst hier gelingt es ihr, einen Asylantrag zu stellen. Erst
nach 14 Tagen Abschiebehaft wird sie entlassen und kommt in die Zentrale
Aufnahmestelle. Diese
Festnahmen in unmittelbarer Nähe der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber
(ZABH), in der Schutzsuchende den Asylantrag stellen wollen, sind keine
Seltenheit. Bereits im Februar wurden zwei Kameruner und eine Kenianerin am Bahnhof von der Bundespolizei wegen illegaler Einreise
festgenommen. Auch im Jahre 2009 kam es öfter zu derartigen polizeilichen
Übergriffen. ND 3.5.10 27. März 10 Bundesland Sachsen-Anhalt. Auf der Tanzfläche einer
Diskothek in Magdeburg winkt ein Mann einen Flüchtling kurz nach Mitternacht
mit einer Handbewegung zu sich heran und versetzt diesem dann einen Kopfstoß. Der
Betroffene ruft noch vor Ort die Polizei und erstattet Anzeige. Als sein
Freund bei dem Täter nachfragt, schweigt dieser. Dessen Freund aber antwortet
mit rassistischen Parolen: "Geht erst mal Deutsch lernen!",
"Das ist unser Land!" Mobile Beratung
für Opfer rechtsextremer Gewalt 13. April 10 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Die 35 Jahre alte Frau I.
aus Tschetschenien schneidet sich mit einem Messer die Pulsadern auf.
Daraufhin kommt sie in die geschlossene Abteilung der Klinik für Psychiatrie
in Detmold. In
dieser Klinik befand sie sich bereits nach einer Noteinweisung im November
2009, weil sie versucht hatte, sich mit Tabletten zu vergiften. Als Frau I.
noch während ihres stationären Aufenthalts einen Abschiebebeschluß erhielt,
öffnete sie sich mit Stricknadeln die Pulsadern. Der Beschluß wurde dann
zunächst zurückgenommen. Frau
I. ist mit ihrem 10-jährigen Sohn seit zwei Jahren auf der Flucht. Sie möchte
mit ihrer 18 Jahre alten Tochter, die in der Bundesrepublik eine
Aufenthaltserlaubnis hat, zusammenleben. In
Polen war sie bereits in Abschiebehaft, die ihr gesundheitlich weiter sehr
geschadet hat. Obwohl
die Frau sich jetzt erneut in der Psychiatrie befindet, stellt die
Ausländerbehörde einen Haftantrag. Trotz der dringenden Empfehlung des
Gesundheitsamtes, die von der Behörde angeordnete Untersuchung von Frau I.
wegen der Gefahr der psychischen Dekompensation im Krankenhaus durchführen zu
lassen, lädt das Amtsgericht Detmold sie zu dem Anhörungstermin zum Jetzt
schaltet sich die evangelische Gemeinde Detmold-Ost ein und nimmt die Frau
morgens um 6.00 Uhr ins Kirchenasyl. Ihre drohende Verhaftung aus dem
Kirchenasyl heraus kann durch die Intervention einer großen Anzahl von
UnterstützerInnen verhindert werden. Die Ausländerbehörde nimmt den
Haftantrag vorerst zurück. Mit
Ablauf der Frist zum 31. Mai, innerhalb der die Bundesrepublik Deutschland
Frau I. nach Polen zurückschicken kann, stellt ihr die Ausländerbehörde
Detmold eine Aufenthaltsgestattung aus. Flüchtlingsgruppe
Lippe 6.5.10; ND 12.5.10; epd
19.5.10; LWZ 1.6.10;
Bürengruppe Paderborn 2.6.10; Flüchtlingsgruppe
Lippe 16. April 10 Teilanstalt für Frauen in der Hamburger JVA Hahnöfersand.
Am Morgen wird die 34 Jahre alte Indonesierin Yeni P. in ihrer Zelle von
einer Vollzugsbeamtin tot aufgefunden. Sie hat sich mit dem Gürtel ihres
Bademantels erhängt. Yeni
P. war am 23. Februar wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz in
Untersuchungshaft gekommen. Am 9. März hatte das Amtsgericht Hamburg
vorsorglich Abschiebehaft angeordnet. Am 7. April wurde sie vom Amtsgericht Hamburg-Barmbek wegen Verstoßes gegen ausländerrechtliche
Vorschriften zu drei Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Damit
endete die Untersuchungshaft, und sie wurde zwei Tage später in das
Frauengefängnis nach Hahnöfersand verlegt – in Vorbereitung der Abschiebung.
In Abschiedsbriefen äußert sie Angst vor der Abschiebung und der Rückführung
in Begleitung von Bundespolizisten. Sie hat große Angst, in Indonesien ins
Gefängnis zu kommen. Yeni
P. war bereits 1996 von Indonesien nach Hannover gezogen und hatte hier einen
Deutschen geheiratet – wurde nach der Scheidung jedoch ausgewiesen. Sie
versuchte noch zweimal, mit verschiedenen Identitäten und durch Heirat einen
Aufenthalt zu bekommen, doch die Ehen wurden als "Schein-Ehen"
deklariert und Yeni P. erneut abgeschoben. Sie hielt sich schließlich ohne
gültige Papiere in Hamburg auf und finanzierte sich mit Prostitution. Durch
einen Hinweis ihres Ex-Ehemannes war ihre Festnahme erfolgt. Am
Abend ihres Todes sammeln sich ca. 400 Personen zu einer Demonstration und
protestieren gegen Abschiebehaft und die Abschiebepolitik des
CDU/Grünen-Senats. Das Motto: "Es gibt keinen Freitod in
Abschiebehaft!" Am
24. April ziehen ca. 750 Menschen im Rahmen einer weiteren Demonstration durch die Straßen Hamburgs. Sie
steht unter dem Motto "Abschiebehaft ist eine tödliche Falle!" indymedia
16.4.10; taz 16.4.10; Polizei Hamburg
16.4.10; HM 17.4.10; taz
17.4.10; ND 17.4.10; FRat HH 18.4.10; jW 19.4.10; taz
21.4.10; jW 26.4.10; Welt
26.4.10; Bild 26.4.10; JWB 10.6.10; BT DS 17/10597 17. April 10 Landkreis Börde im Bundesland Sachsen-Anhalt. Die
Flüchtlingsunterkunft in Harbke wird in der Nacht zum wiederholten Male mit
Steinen beworfen. Dabei geht die Fensterscheibe des im Erdgeschoß liegenden
Zimmers eines syrischen Bewohners kaputt – verletzt wird niemand. Es ist der vierte oder fünfte Angriff innerhalb
weniger Wochen und der neunte Vorfall innerhalb der letzten zwei Jahre, bei
denen – meist nachts - Fenster eingeworfen oder Hakenkreuze an die Wände
gemalt wurden. Auch am 25. April wird gegen 2.30 Uhr ein Doppelglasfenster
mit Steinen eingeworfen. TäterInnen können nicht ermittelt werden. Das
Flüchtlingslager liegt fernab der Ortschaft mitten im Wald an der Autobahn
A2. Im Notfall bräuchten Polizei und Krankenwagen bis zu einer Stunde, um auf
das Gelände zu kommen. Auch die Wohnbedingungen sind katastrophal. So mußten
im vergangenen Herbst einige Dutzend Familien mit Kindern woanders
untergebracht werden, weil die Behörde in ihren Zimmern massiven
Schimmelbefall festgestellt hatte. Zur Zeit sind dort 109 Menschen gemeldet,
von denen knapp 40 noch ausharren müssen. (siehe auch: Mai 09 und 8. November 09) mdr 26.4.10; ddp
26.4.10; MDZ 26.4.10; BeZ
27.4.10; ddp 28.4.10; 21. April 10 Flughafengelände Frankfurt am Main. Als ein aus der
Abschiebehaft kommender algerischer Flüchtling von den Polizisten
aufgefordert wird, zum Polizeibus auf das Rollfeld zu gehen, springt er auf
die Liegevorrichtung in der Einzelzelle und wehrt sich. Er ist psychisch
schwer angeschlagen und wird von den BeamtInnen schnell überwältigt. Schließlich
liegt er auf dem Zellenboden mit dem Rücken nach oben, den Kopf auf dem Schuh
eines Beamten. Als er in diesem fixierten Zustand seine Beine ein wenig bewegt,
schlägt ihm eine Beamtin dreimal auf den Rücken, bis ein Kollege sie anweist,
damit aufzuhören. Der
Gefangene wird mit polizeilicher Begleitung nach Algerien abgeschoben. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010 22. April 10 Bundesland Niedersachsen. Der Vorstand des Kirchenkreises
der Auferstehungsgemeinde in Rotenburg beschließt, die 70 Jahre alte Dulja
Saiti und ihre 49-jährige Tochter Selvije Ernst ins Kirchenasyl zu nehmen, um
die beiden Romafrauen aus dem Kosovo vor der drohenden Abschiebung nach
Serbien zu schützen. Sie
sind seit 19 Jahren in Deutschland. Selvije Ernsts deutscher Ehemann und
Vater ihres Sohnes war gestorben, bevor sie durch die Ehe ein
Aufenthaltsrecht bekommen konnte. Ihr heute 22 Jahre alter Sohn Mirsad Hazda
macht zur Zeit eine Maler-Ausbildung und hat ein Bleiberecht. Mirsad Hazda
hat sein Leben lang den beiden Frauen als Vorleser, Dolmetscher, Organisator
und Entscheider zur Seite gestanden. Sie können beide weder schreiben noch
lesen, sie sind traumatisiert und leiden unter Diabetes mellitus und
Herz-Kreislauf-Problemen. Mirsad Hazda betreut und versorgt sie. Neu
erstellte gesundheitliche Gutachten wurden vom Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge (BAMF) nicht weiter in Betracht gezogen, und auch die
niedersächsische Härtefall-Kommission nahm den Antrag aus formalen Gründen
gar nicht erst an. Die Begründung durch die Vorsitzende Michaela Schaffer:
Die Frauen hätten sich ihrem Abschiebetermin durch ein gesetzeswidriges
Kirchenasyl entzogen. Obwohl
es ein Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes des Landtages gibt,
das das Eingreifen der Härtefall-Kommission durchaus erlaubt, hat Frau
Schaller ein Gegengutachten vom Innenministerium veranlaßt. Am
30. September 2011 entscheidet das Verwaltungsgericht Stade, daß die Frauen
weder in den Kosovo noch nach Serbien abgeschoben werden dürfen, und
verpflichtet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die beiden
Frauen gemäß § 60 Abs. 7 Aufenthaltsgesetz (konkrete Gefahr für Leib, Leben
oder Freiheit) anzuerkennen. Nachdem
die Ausländerbehörde den Haftbefehl aufgehoben hat, können Mutter und Tochter
nach 527 Tagen Kirchenasyl wieder zurück in ihre Wohnung. Evang.-Luth.
Kirchenkreis Rotenburg; taz 17.5.10;
FRat NieSa 6.7.10; Evang.-Luth.
Landeskirche 9.8.10; WK 5.10.10; WK
3.11.10; RR 22.1.11; KrZ 2.2.11; RR
6.2.11; RR 20.2.11; RR 6.3.11;
RR 19.3.11; WK 1.10.11; taz
4.10.11 23. April 10 Strausberg im Bundesland Brandenburg. Gegen 20.00 Uhr wird
ein Flüchtling aus Kamerun auf dem Bahnhof aus einer Gruppe Neonazis heraus
mit Worten wie "Die schwarze Negerfotze soll verschwinden", "Nigger"
oder "Negerschwein" beleidigt. Dann wird ihm ins Gesicht
geschlagen. Opferperspektive; VS-Bericht Brbg
2010 27. April 10 Porta-Westfalica in Nordrhein-Westfalen. Morgens um 1.00
Uhr sucht die Polizei den 27 Jahre alten syrisch-kurdischen Flüchtling Fauas
Emo auf, nimmt ihn fest und bringt ihn in Abschiebehaft nach Paderborn, um
ihn nach Syrien abzuschieben. Fauas
Emo war im Jahre 2004 in die Bundesrepublik geflüchtet, hatte Asyl beantragt,
was abgelehnt wurde, bekam aber Arbeit bei der Firma Edeka Kauf, der er
einige Jahre – bis zum Tage seiner Festnahme – nachgehen konnte. Er
ist Yezide und nach religiösem Ritus verheiratet. Da diese Ehe standesamtlich
nicht registriert ist, wird sie behördlicherseits nicht anerkannt, so daß
seine Ehefrau und der 1-jährige Sohn in Hannover leben müssen. Mitte
Juni wird Fauas Emo aus der Abschiebehaft entlassen, er darf seine Arbeit
wieder aufnehmen und ihm wird sogar erlaubt, eine Fahrerlaubnis zu machen. Yekitimedia 13.5.10; yekitimedia.org 17.5.10; MT 17.5.10 28. April 10 Flughafen Frankfurt am Main. Ein Flüchtling aus dem Irak
kommt aus der Abschiebehaft Mannheim und soll nach Oslo zurückgeschoben
werden. Er macht einen verwahrlosten und depressiven Eindruck. Die Bundespolizei
stellt fest, daß sein gesamter Oberkörper verbunden ist, weil er sich selbst
am Oberkörper zahlreiche Schnittwunden zugefügt hat. Die Wunden bluten noch. Die
Bundespolizei bricht die Abschiebung aus medizinischen Gründen ab. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010 Frühjahr 10 Bundesland Thüringen. In der Flüchtlingsunterkunft
Gangloffsömmern lebt eine chinesische Frau mit ihrem sechs Monate alten
Säugling. Der Vater des Babys und somit auch das Kind selbst sind Deutsche. Die
Frau, die hier schon einige Jahre lebt, ist in dieser Zeit die einzige im
ganzen Heim. Sie ist völlig verzweifelt, weil sie sich permanent gegen die
Belästigungen alleinlebender Männer zur Wehr setzen muß. Auch sind
Arztbesuche und sogar das tägliche Einkaufen sehr schwierig für sie. Das
Baby ist in seiner Entwicklung offensichtlich zurückgeblieben. Es erscheint
zwei Frauen von der Migrationsberatung "wie starr geworden", denn
es bewegt sich fast nicht. Sämtliche
Anträge, umziehen zu dürfen, werden von Amts wegen abgelehnt. Schließlich
gelingt es den Migrationsberaterinnen, die Frau in einem Frauenhaus in Erfurt
unterzubringen. Erst hier, in der geschützten Umgebung, löst sich die Starre
des Kindes nach und nach. FRat Thüringen
Info Heft 51 1/2012 1. Mai 10 Bundesland Bayern. In der Würzburger
Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in der Veitshochheimer Straße brennt
in der Nacht eine Lagerhalle. Menschen kommen in dieser ehemaligen
Emery-Kaserne nicht zu Schaden. Mainpost 1.5.10 1. Mai 10 Freiburg im Bundesland Baden-Württemberg. Im
Übergangswohnheim in Betzenhausen brennt um 13.55 Uhr im Eingangsbereich zu
einem Treppenraum eine Matratze aus Schaumstoff. Die BewohnerInnen löschen
das Feuer zunächst mit einem Feuerlöscher – gerufene Feuerwehrleute mit
Atemschutz bringen die Matratze ins Freie, löschen die Reste des Brandes,
kühlen Wand und Decken des Treppenhausein ganges. Durch
die starke Rauchentwicklung, die in den zwei Gebäuden in mehrere Wohnungen
drang, werden ein Obdachloser und zwei Flüchtlinge verletzt. Eine von ihnen,
eine schwangere Asylbewerberin, wird zur Behandlung und
Beobachtung über Nacht im Krankenhaus behalten. Wohnheimverwaltung; BaZ 1.5.10 11. Mai 10 JVA Büren im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Ein 31 Jahre
alter psychisch schwerkranker und suizidgefährdeter Kurde wird in die Türkei
abgeschoben. Dies geschieht gegen die Vota seines behandelnden Arztes und des
in der JVA tätigen Psychiaters: Der Mann leidet an einer schweren Depression
und einer Angsterkrankung, die als posttraumatisch eingestuft wurden – zudem
hat er anfallsartige Schwächezustände in den Beinen. Er
berichtet später, daß er nach seiner Abschiebung zuerst für einige Wochen in
eine psychiatrische Klinik eingewiesen wurde. Nach seiner Entlassung bemüht
er sich um Identitätspapiere. Diese werden ihm von den Behörden verweigert,
weil ihm während seines 14-jährigen Deutschland-Aufenthaltes die türkische
Staatsbürgerschaft aberkannt worden war. Eine Tatsache, die dem türkischen
Generalkonsulat in Münster bekannt war. Das Konsulat in Essen stellte jedoch
ein Reisedokument aus, so daß die Abschiebung – nach zwei krankheitsbedingten
Abbrüchen – schließlich durchgesetzt wurde. Der
Abgeschobene lebt also ohne gültige Papiere in Istanbul. Er kann weder Arbeit
aufnehmen noch ein Zimmer mieten. Er ist obdachlos und hält sich versteckt,
weil er schon mehrfach von der Polizei festgenommen, verhört und mißhandelt
wurde. Da er nur wenig Türkisch spricht und an seiner Aussprache erkannt
werden kann, daß er kurdischer Herkunft ist, wird er von vielen Leuten als
verdächtig angesehen. Er ist als Papierloser der alltäglichen Willkür der
Menschen ausgesetzt. Familienangehörige oder Freunde, die ihm helfen könnten,
hat er hier nicht mehr. Er ist auf fremde Hilfe angewiesen. Erst
im Dezember gelingt es UnterstützerInnen aus der Bundesrepublik, ein Zimmer
anzumieten, so daß der Mann den Winter über nicht auf der Straße leben muß.
Sie übernehmen auch die Kosten für seinen Lebensunterhalt. Eine
Menschenrechtsorganisation vor Ort kümmert sich um seine medizinische
Betreuung. Er bekommt wieder Psychopharmaka, die ihn stabilisieren. Ein
Anwalt und Amnesty International arbeiten an der Möglichkeit seiner Rückkehr. epd-West
7.10.10; Burkhard Schmidt
– Pfarrer; Barbara Neppert – ai Türkei-Kogruppe 11. Mai 10 Erstaufnahmeeinrichtung
Nostorf-Horst in Mecklenburg-Vorpommern. Die hochschwangere 41 Jahre alte
Ghanaerin Merci K. stellt sich in der Krankenstation dem Medizinischen Dienst
des Lagers vor und berichtet, daß sie Fruchtwasser verloren habe. Eine der
zwei anwesenden Krankenschwestern fragt sie nach aktuellen Schmerzen, die
Merci K. zur Zeit nicht hat. Sie wird weggeschickt und am nächsten Tag in die
Unterkunft Jürgensdorf in den Landkreis Demmin nach Ost-Deutschland
umverteilt. Die Tatsache, daß nach einem Blasensprung innerhalb der nächsten
24 Stunden mit der Geburt des Kindes zu rechnen ist, wird ignoriert. Am
13. Mai erwacht Merci K. in ihrer Unterkunft Jürgensdorf mit starken
Schmerzen, so daß ein Notarzt gerufen werden muß, der sie ins Krankenhaus
Demmin einliefert. Dort wird sie nach einer zehnstündigen Geburt von einem
toten und voll ausgereiften Jungen entbunden. Der
Anwalt von Merci K. stellt am 15. Mai Strafanzeige wegen "unterlassener
Hilfeleistung" und aller "infrage kommenden Delikte". Merci
K. war ohne Papiere nach Hamburg gekommen, weil hier der Vater ihres noch
nicht geborenen Kindes lebt. Ihr Antrag auf Duldung war am 15. April
abgelehnt worden. Obwohl die Frau bereits in Hamburg bei einer Frauenärztin
in gynäkologischer und geburtsvorbereitender Behandlung war, wurde sie nach
dem Umverteilungsverfahren (EASY) am 21. April in die Wohnaußenstelle der
Zentralen Erstaufnahme-einrichtung Hamburgs nach Mecklenburg-Vorpommern ins Lager
Nostorf-Horst umverteilt. Am
5. Mai erfolgte im Krankenaus Hagenow eine Routine-Untersuchung, bei der
festgestellt wurde, daß die Schwangerschaft normal verlaufe und mit dem
voraussichtlichen Geburtstermin in 10 bis 14 Tagen zu rechnen sei. Als
nach dem Tod des Kindes auch die Hamburger Ärztekammer den Umgang der
Hamburger Innenbehörde mit schwangeren Flüchtlingsfrauen "aufs
Schärfste" verurteilt, lenkt diese ein und beschließt am 30. August, daß
in der Zukunft Frauen ab der 26. Schwangerschaftswoche ein befristetes
Bleiberecht bekommen sollen und zunächst in Hamburg bleiben können – also
nicht mehr umverteilt werden. Am
22. Juli wird Merci K. durch die Hamburger Ausländerbehörde aus
"humanitären" Gründen eine Duldung erteilt. Die
Regelung der Hamburger Innenbehörde, die die schwangeren Flüchtlinge schützen
sollte, wird im Dezember 2011 durch den neuen SPD-geführten Senat wieder
rückgängig gemacht. Das
Strafverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung durch das medizinische
Personal wird noch im Jahre 2010 eingestellt. Es könne kein schuldhaftes
Verhalten der Angestellten nachgewiesen werden, heißt es. Mit
einer Zivilklage auf Schmerzensgeld gegen das Land Mecklenburg-Vorpommern
will Merci A. erneut zu ihrem Recht kommen. Die Verhandlung beginnt am 8.
Januar 15 vor dem Landgericht Schwerin und endet mit der Zurückweisung der
Klage. Der Richter begründet dies mit der Aussage einer Krankenschwester, die
sagt, daß sie der Schwangeren zum einen nicht geglaubt hätte, weil diese am
nächsten Tag umverteilt werden sollte, und daß sie zum anderen angeboten
hatte, einen Arzt zu rufen. Letzteres steht im Gegensatz zur Aussage der
Ghanaerin. FRat HH 13.9.10;
taz 29.9.10; DIE LINKE.
7.10.10; Hamburgische Bürgerschaft DS 19/7167; Pro Asyl
"AusgeLAGERt" 2011; taz 8.1.15; ndr Radio MV 12.2.15 12. Mai 10 Flughafen Frankfurt am Main. Ein syrischer Flüchtling und
sein 11-jähriger Sohn, die im Flüchtlingsheim Schwalmstedt festgenommen
wurden, sollen nach Athen zurückgeschoben werden. Der
Mann kann sich wegen der Sprachbarriere kaum mitteilen – der Junge weint die
ganze Zeit. Sie bringen immer wieder zum Ausdruck, daß sich die Frau bzw.
Mutter und wie-tere drei Kinder in der Erstaufnahmestelle in Gießen befinden,
eine Tatsache, die dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
durchaus bekannt ist. Beide weigern sich, nach Athen zu fliegen, ohne jedoch
Widerstand zu leisten. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010 12. Mai 10 Bundesland Baden-Württemberg. In der JVA Herzogenried in
Mannheim brennt das Obergeschoß des Containers, in dem ausschließlich
Abschiebegefangene untergebracht sind. Zwei marokkanische Männer im Alter von
31 und 33 Jahren werden durch Rauchgase lebensgefährlich verletzt – sie fallen ins
Koma. Ein weiterer Gefangener und sieben Strafvollzugsbeamte erleiden
ebenfalls Rauchgasvergiftungen. Als
die zwei Löschzüge der Berufsfeuerwehr Mannheim gegen 19.00 Uhr eintreffen,
haben die Bediensteten der JVA und und Sicherheitspersonal die zwei
Schwerverletzten bereits geborgen und die anderen Gefangenen herausgeholt. Nach
eineinhalb Stunden ist das Feuer unter Kontrolle gebracht, so daß der Einsatz
gegen 21.00 Uhr beendet werden kann. Die
unverletzten knapp 40 Abschiebegefangenen werden innerhalb der JVA in anderen
Zellen untergebracht. Sachverständige
stellen fest, daß das Feuer in der Zelle der beiden schwerverletzten
Gefangenen entstanden ist – die Gefangenen jedoch nicht den Notruf ausgelöst
haben. Aufgrund
der Tatsache, daß in den vier Tagen nach dem Brand sieben Gefangene
abgeschoben wurden, stellt das Bündnis gegen Abschiebungen Mannheim die
Korrektheit der Ermittlungen "in alle Richtungen" in Frage, weil so
eventuelle Zeugen schlichtweg nicht mehr zur Verfügung stehen. Eine
Woche später erläßt die Staatsanwaltschaft Mannheim Haftbefehl wegen des
Verdachtes einer vorsätzlichen Brandstiftung gegen die beiden Marokkaner, die
seit einigen Tagen wieder außer Lebensgefahr sind. Ende
November verurteilt die Vierte Große Strafkammer des Landgerichts Mannheim
den 33 Jahre alten Marokkaner wegen fahrlässiger Brandstiftung zu drei Jahren
und sieben Monaten Haft, wobei noch eine weitere vorangegangene Straftat mit
einfließt. Der Verurteilte begründet das Zündeln in der Zelle damit, daß er
mit Flammen und Rauch Chaos verursachen wollte, um diese zur Flucht zu
nutzen. Sein 31-jähriger Mitgefangener wird freigesprochen. ddp 13.5.10;
Spiegel-online 13.5.10; Focus 13.5.10;
ND 14.5.10; StZ 15.5.10; Polizei Mannheim
19.5.10; ddp 19.5.10; Bündnis gegen
Abschiebungen Mannheim 29.5.10; retter.tv
29.7.10; RNT 9.11.10; MaM
10.11.10; SK 29.11.10; BT DS 17/10596; BT DS 17/10597 18. Mai 10 Waltershausen, Landkreis Gotha in Thüringen. Der
palästinensische Flüchtling Adna Al-Masharga aus den Westbanks wird nach
Amman in Jordanien (!) abgeschoben. Dort kommt er unmittelbar in Polizeihaft,
aus der er einige Tage später entlassen wird. Herrn
Al-Masharga, der sich seit 1999 in der Bundesrepublik befand, war ein
Bleiberecht verweigert worden, weil die deutschen Behörden seine Angaben zur
Identität und seine Personaldokumente nicht für glaubhaft befanden. Nun wurde
er mit genau diesen Dokumenten abgeschoben. FRat Thür.
19.5.10; LT DS Thüringen
5/995; LT Protokoll
Thüringen 26.5.10 19. Mai 10 Bundesland Thüringen – Gotha. Ein Flüchtling wird von zwei
Personen tätlich angegriffen und rassistisch beleidigt. Die beiden TäterInnen
werden zu einem Jahr Freiheitsstrafe sowie sechs Monaten Freiheitsstrafe auf
Bewährung verurteilt. LT DS Thüringen
5/7882 21. Mai 10 Winsen an der Luhe im Bundesland Niedersachsen. Die 38
Jahre alte Kurdin Songül Bozyigit aus Winsen bricht bei einer Untersuchung
bezüglich ihrer Reisefähigkeit im Gesundheitsamt Hannover in Tränen aus und
bekommt Wahnvorstellungen. Die Untersuchung wird umgehend abgebrochen. Aufgrund
der in der Türkei erlittenen Folter und der seit Jahren anhaltenden Versuche
der Ausländerbehörde, Frau Bozyigit mit ihren fünf Kindern abzuschieben, ist
sie schwer traumatisiert. Sie hatte mehrere Nervenzusammenbrüche und war drei
Monate lang in einem Krankenhaus. Als sie am 21. April 10 im türkischen Konsulat ihre Abschiebepapiere
abho-len mußte, brach sie völlig zusammen. Seither befindet sie sich in einem
traumatischen Zustand. Sie ist nicht mehr ansprechbar und will sich nicht
bewegen. Die 18-jährige Ömmöhan und ihre 19 Jahre alte Schwester Senal
organisieren seither die Familie. Bei einer Abschiebung droht ihnen und auch
ihrer 17-jährigen Schwester Sömöyye die Zwangsverheiratung mit Cousins. Ihrer
Mutter droht die Vollstreckung einer Gefängnisstrafe. Songül
Bozyigit war in Anatolien, wie ihr Mann auch, in der Partei der
Demokratischen Gesellschaft (DTP) aktiv gewesen. Sie war deshalb im Jahre
2000 verhaftet worden und mußte sieben Tage Folter und Demütigungen ertragen.
Nach der Freilassung trat sie einer Frauengruppe der HADEP bei und wurde im
Juni 2002 erneut festgenommen. Diesmal dauerte die Tortur 15 Tage. Sie
hielt sich danach Monate mit den Kindern im Untergrund versteckt, entschloß
sich dann aber Ende des Jahres 2002, ihrem Mann zu folgen und in die
Bundesrepublik zu flüchten. Ihr
Asylantrag wurde abgelehnt und die inzwischen schwerkranke Frau bekam über
Jahre hinweg Duldungen. Im Jahre 2007 wurde ihr Mann abgeschoben. Im
Oktober 2010 hat sich die geringe Chance entwickelt, ein Bleiberecht für alle
Familienmitglieder zu bekommen. Der Landkreis Winsen formuliert Bedingungen,
die die Familie einhalten soll. Die volljährigen Töchter sollen maßgeblich
zum Lebensunterhalt beitragen – dafür bekommen sie eine Arbeitserlaubnis. Die
Vormundschaft für Nesren, Berat und Sömöyye übernimmt das Jugendamt und
stellt dafür auch eine Familienhelferin zur Verfügung. Eine Perspektive wird
sichtbar. (siehe auch: Im Jahre 2007) Antifaschistische
Aktion Winsen 5.5.10; AK Antifaschismus
Buchholz 17.5.10; indymedia 21.5.10; HA 6.10.10; HA 27.10.10 26. Mai 10 Bundesland Brandenburg. In Brandenburg an der Havel werden
zwei jugendliche Flüchtlinge am Nachmittag auf offener Straße rassistisch
beschimpft und provoziert. Da die Beiden die Provokationen zu ignorieren
versuchen und weitergehen, werden sie verfolgt. Dann werden sie eingeholt und
hin- und hergeschubst. Ein 17-Jähriger Angreifer hält den Kopf des 15 Jahre
alten irakischen Flüchtlings fest, und ein anderer rammt mit voller Wucht sein
Knie von unten gegen sein Kinn. Dann verliert der Junge das Bewußtsein. Als
er viel später das Flüchtlingsheim erreicht, ist er orientierungslos und
weint ununterbrochen – sprechen kann er nicht. Seine Mutter hebt das blutige
T-Shirt hoch und sieht eine lange, offene Wunde an seinem Bauch, "wie
von einem Messer". Da sich das Personal des Heimes weigert, einen
Krankenwagen zu rufen, gehen Mutter und Sohn zu Fuß ins Krankenhaus. Die ÄrztInnen stellen fest, daß der Junge eine
kurzzeitige Amnesie erlitten haben muß. Zudem stellt sich heraus, daß er mit
Füßen gegen den Kopf getreten wurde. Offensichtlich wurden auch ein
Schlagstock und andere Gegenstände benutzt, mit denen ihm am ganzen Körper
Verletzungen zugefügt wurden. Als
der Junge wieder sprechen kann, erzählt er, daß bei den Angreifern auch
Schüler seiner Schule waren. Die
Mutter erstattet Anzeige bei der Polizei, doch nach einem langwierigen
Procedere werden die Täter vom Gericht freigesprochen. Der
Junge aber, der hat sich, nach Aussagen seiner Mutter, seit dem Angriff
komplett verändert. Er ist aggressiv geworden und immer wenn er wütend ist,
dann schlägt er seinen Kopf gegen den Schrank – und richtig reden kann sie
mit ihm auch nicht. Opferperspektive; Tagebuch des
Rassismus 2013 2. Juni 10 Zwei Beamte des Polizeiabschitts 54 beobachten auf ihrem
Streifengang in der Richardstraße im Berliner Bezirk Neukölln, wie ein Mann
aus einem Fenster des zweiten Obergeschosses eines Mehrfamilienhauses
springt. Er bleibt schwerverletzt liegen. Mit einer offenen Wadenbeinfraktur
und einem Bruch des Handgelenkes kommt er ins Krankenhaus, wo er umgehend
operiert und stationär behandelt wird. Der
40 Jahre alte Ägypter hatte sich in der Wohnung im zweiten Stock aufgehalten,
als Kriminalbeamte der Direktion 5 an die Tür klopften, um einen
Durchsuchungsbeschluß wegen Versicherungsbetruges zu vollstrecken. Der Mann,
der sich ohne gültige Aufenthaltspapiere in Berlin aufhält, geriet in Panik
und versuchte, aus dem Fenster zu flüchten. Es
stellt sich heraus, daß der Ägypter mit dem eigentlichen Durchsuchungsgrund
gar nicht in Verbindung steht. Da aber auch schnell feststeht, daß er keinen
Aufenthalt hat, wird ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des
illegalen Aufenthalts eingeleitet. Polizei Berlin
2.6.10; ddp 2.6.10;
Welt-online 2.6.10; ND 3.6.10 7. Juni 10 Kaisersesch in Rheinland-Pfalz. Bei der ab 7.00 Uhr
morgens stattfindenden Abschiebeaktion der Familie Muradjan-Heirapetjan
erleidet Frau Sarina Heirapetjan einen schweren Nervenzusammenbruch. Sie
kommt in die neurologische Klinik nach Andernach. Dessen ungeachtet werden
ihr Mann Albert Muradjan, ihr 14-jähriger Sohn Alik und die 15 Jahre alte
Kristina weiter gedrängt, ihre Sachen zu packen, und schließlich über den Flughafen
Frankfurt nach Armenien abge schoben. Im
Vorfeld dieser Abschiebung hat die Ausländerbehörde Cochem-Zell die Identität
der Familie durch eine armenische Expertengruppe bestimmen lassen und besteht
demzufolge auf dem Herkunftsland Armenien, was nachweislich falsch ist. Die
Familie stammt aus Aserbaidschan – aus dem Grenzgebiet zu Nagornij Karabach:
Albert Muradjan aus dem Ort Kirowabad und seine Frau aus dem Dorf Getaschen.
Aufgrund ihrer armenischen Volkszugehörigkeit waren sie unter den Druck der
aserbaidschanischen Behörden geraten, wurden erpreßt und sollten festgenommen
werden. Bereits am 22. August 1998 brachten Nachbarn sie über die russische
Grenze, sie schlugen sich über Moskau bis nach Deutschland durch und wurden
hier festgenommen und abgeschoben. Erst
nach einem zweiten Versuch im Jahre 2000 war es ihnen schließlich gelungen,
in der BRD Asyl zu beantragen. Das einzige Original-Dokument, das ihre
Identität belegte, war die Geburtsurkunde von Albert Muradjan, die allerdings
in den Akten der Ausländerbehörden nicht mehr auffindbar ist. Demzufolge
wird Herr Muradjan mit seinen Kindern ohne jegliche Papiere nach Armenien
abgeschoben. Ohne Papiere sind auch die Zollbehörden in Eriwan nicht bereit,
die Familie einreisen zu lassen – zudem haben auch die armenischen
Nachforschungen ergeben, daß die Familie nicht aus Armenien stammt. Vater
und Kinder sitzen im Flughafen fest. Als ihr Geld zu Ende geht, verkaufen sie
Kleidung und kleine Habseligkeiten, um sich für den Erlös Essen zu kaufen.
Nach 40 Tagen werden sie aufgefordert, das Gelände zu verlassen, und durch
die Hilfe eines Taxifahrers und anderer UnterstützerInnen kommen sie in einer
Hütte in der Nähe des Flughafens unter. Die Kinder sind inzwischen abgemagert
und traumatisiert, und Kristina droht mit Selbsttötung. Währenddessen
betreibt die Ausländerbehörde die Abschiebung von Sarina Heirapetjan weiter.
Vier Wochen nach ihrem Zusammenbruch kann sie die Klinik verlassen und erhält
eine Grenzübertrittsbescheinigung bis zum 13. August. MitschülerInnen der Kinder und
eine Bürgerinitiative sammeln Hunderte von Unterschriften, die sie bei der
Ausländerbehörde vorlegen. Am 3. August erläutert der Staatssekretär des
rheinland-pfälzischen Innenministeriums Roder Lewentz die offizielle
Position: "Mit dem Verlassen des Flughafentransitbereichs und der damit
verbundenen Einreise in die Republik Armenien wird das Rückübernahmeverfahren
auf der Grundlage des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik
Deutschland und der Regierung der Republik Armenien als abgeschlossen
angesehen." Da
das armenische Innenministerium die armenische Staatsangehörigkeit definitiv
ausschließt, veranlaßt es schließlich den Rückflug, so daß Vater und Kinder
am 27. September in Frankfurt am Main landen. Am
1. Oktober werden sie von vielen FreundInnen und UnterstützerInnen in
Kaisersesch empfangen. IGFM 11.8.10; RZ
14.8.10; Wochenspiegel
18.8.10; RZ 11.9.10; RZ
2.10.10; IGFM 11. Juni 10 Bundesland Bayern. Ein 30 Jahre alter Mann springt aus dem
Fenster der 1. Etage des Dienstgebäudes der Verkehrspolizeiinspektion Feucht.
Er war gegen 10.00 Uhr bei einer Verkehrskontrolle der Bundesautobahn 3 in
Fahrtrichtung Regensburg festgenommen worden. Die Identitätsprüfung hatte
ergeben, daß gegen ihn sechs Haftbefehle – unter anderem auch wegen
Urkundenfälschung und zur Abschiebung – vorliegen. Nach
intensiver Fahndung wird der Geflüchtete mit leichten Verletzungen wieder
festgenommen. Polizei
Mittelfranken 14.6.10 11. Juni 10 Bundesland Sachsen-Anhalt. In Halberstadt werden am späten
Vormittag zwei Flüchtlinge aus Benin im Alter von 22 und 25 Jahren von einer
acht Personen starken Gruppe Rassisten angegriffen. In einem Park rempelt
einer von ihnen den 22-jährigen Beniner an und beleidigt ihn mit "Neger,
Neger!" Als die Flüchtlinge weitergehen, fliegt eine Flasche unmittelbar
am Kopf des 22-Jährigen vorbei. Die beiden beginnen jetzt zu laufen – werden
aber von der Gruppe verfolgt und weiter mit Flaschen beworfen. Als der 22-Jährige stehen bleibt und
seine Verfolger anspricht, zieht einer der Provokateure demonstrativ und
herausfordernd sein T-Shirt aus. In Panik flüchten die beiden weiter in
Richtung Stadtzentrum und trauen sich erst hier, in den belebteren Straßen,
stehenzubleiben. Zeugen
informieren die Polizei, und der Staatsschutz beginnt Ermittlungen wegen
Beleidigung und versuchter gefährlicher Körperverletzung. Mobile Beratung
für Opfer rechtsextremer Gewalt 11. Juni 10 Bundesland Sachsen. In einer Badewanne des Flüchtlingsheimes
Döbeln versucht sich ein Flüchtling aus dem Iran umzubringen. Er bekommt
Angst und ruft rechtzeitig den notärztlichen Dienst. Dieser bringt ihn ins
psychiatrische Fachkrankenhaus Bethanien Hochweitzschen, in dem er bis zum
17. Juni stationär behandelt wird. Der
Iraner, der ca. 35 Jahre alt ist, lebt seit acht Jahren im Flüchtlingsheim
und erträgt die Lebensumstände nicht mehr. Er fühlt sich vieler
"Ungerechtigkeit, Not und Gewalt an Mit-bewohnern" hilflos
ausgesetzt und könnte "innerlich schreien". Er ist ausgebildeter
Kameramann und hat schon einige Kurzfilme über die unerträgliche Situation in
dem Heim gedreht. Bericht des
Betroffenen 13. Juni 10 Langburkersdorf bei Neustadt im Bundesland Sachsen. In
einem Zimmer im ersten Obergeschoß des Flüchtlingsheimes entsteht gegen 22.15
Uhr ein Feuer und breitet sich auch auf die benachbarten Zimmer aus. Den
gerufenen Feuerwehren der Nachbargemeinden gelingt es, das Feuer bis 22.45
Uhr zu löschen. Die
40 BewohnerInnen kommen ohne Schaden davon – sie werden aber aufgrund der
Zerstörung einiger Gebäudeabschnitte vorübergehend im Nachbarhaus
untergebracht. Die Brandursache ist unklar. SäZ 14.6.10; SäZ
15.6.10; FAKTuell
17.6.10; SäZ 21.7.10 14. Juni 10 Bundesland Sachsen-Anhalt. Gegen 2.30 Uhr werden in Halle
ein 41 Jahre alter Flüchtling aus Burkina Faso und seine 22-jährige
Begleiterin von zwei Männern rassistisch beleidigt. Dann wird der Flüchtling
zu Boden geschlagen. Am
21. Dezember wird Anklage wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung
gegen einen Täter erhoben. Mobile Beratung
für Opfer rechtsextremer Gewalt; Polizei Halle;
Staatsanwaltschaft Halle 22. Juni 10 Bundesland Thüringen. Als der 31 Jahre alte Georgier
Vakhtang Abramishvili nach einem offensichtlich fingierten Anruf der
Wohnungsbaugesellschaft in seine noch nicht bewohnte Wohnung geht, erwartet
ihn die Polizei. Er wird festgenommen und im Rahmen des Dublin-II-Verfahrens nach Polen zurückgeschoben.
Damit ist er von seiner Frau Natalia Chichua (32) und seinen ein- und
3-jährigen Töchtern Ekaterina und Ana-Maria getrennt. Es
war ihnen gerade mal seit vier Monaten möglich und gestattet, in Erfurt
zusammenzuleben. Im
April 2007 waren seine damals schwangere Frau und ihre Eltern als Kontingentflüchtlinge
in die Bundesrepublik eingereist. Sie haben jüdische Wurzeln und kommen aus
der georgischen Stadt Batumi. Im September wurde Ana-Maria geboren und zwei
Jahre später – ebenfalls im September - die zweite gemeinsame Tochter
Ekaterina. Anträge auf Familienzusammenführung blieben erfolglos. Vakhtang
Abramishvili, der über Polen in die Bundesrepublik kam, stellte im September
2009 einen Asylantrag und mußte zunächst in Dortmund leben. Ein Antrag auf
Familienzusammenführung wurde erst mit anwaltlicher Hilfe im Februar 2010
positiv entschieden, so daß er mit seiner Familie in Erfurt leben konnte. Nach
seiner überfallartigen Festnahme und Rückschiebung wird seine Ehefrau über
eine Woche nicht über den Verbleib ihres Mannes informiert, bis er sich
schließlich selbst aus einem Abschiebegefängnis in Polen melden kann. Erst
nach einem Suizidversuch und der Intervention durch polnische Sozialarbeiter
wird Vakhtang Abramishvili wieder freigelassen. Anfang
Dezember 10 darf der Georgier aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens und
anschließender Begutachtung durch das Gesundheitsamt wieder nach Erfurt
zurückkommen. Am 21. Dezember 10 verpflichtet das Verwaltungsgericht
Meiningen die Bundesrepublik, das Asylverfahren durchzu führen. TLZ 7.7.10; FRat Thüringen
Info Heft 51 1/2012; Caritas Erfurt 23. Juni 10 Eine schwerkranke Frau aus Syrien ist in Begleitung ihres
Mannes von Möhlau nach Berlin gefahren, um in der syrischen Botschaft ihre
Identität belegen zu lassen. Während die beiden noch auf das Erscheinen der
MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde warten, sagt der Botschafter zu ihnen:
"Sie sind doch krank!" und schickt sie zurück nach Möhlau. Tatsächlich
hat die schwer an Diabetes mellitus leidende Frau gerade im Mai einen
Schlaganfall überlebt. Da die Ausländerbehörde die
Reiseunfähigkeitsbescheinigung ihres behandelnden Arztes nicht akzeptiert
hatte, war die Frau mit Terminen zur Botschaftsvorführung mehrmals genötigt
worden, nach Berlin zu fahren, wozu sie körperlich gar nicht in der Lage war.
Als eine Amtsärztin sie schließlich "reisefähig" schrieb, mußte sie
sich auf die Reise begeben. no lager halle
18.9.10 25. Juni 10 Bei dem Versuch, die türkisch-griechische Grenze zu
überqueren, sterben in der Nacht um 4.00 Uhr 18 Menschen. Der Grenzfluß Evros
ist infolge heftiger Regenfälle zu einem reißenden Strom geworden. Es gibt
nur ein kleines Schlauchboot für die ca. 60 Flüchtlinge, die den Fluß
überqueren wollen. Vier
Frauen und sieben kleinen Kindern wird in das Boot geholfen – alle anderen
fassen sich an die Hände und versuchen, zu Fuß durch das Wasser zu kommen.
Viele können gar nicht schwimmen. Sie rutschen weg, können sich nicht halten,
stürzen und werden mitgerissen. Unter
den Flüchtlingen ist das afghanische Ehepaar Tahera und Bashir Z. mit ihren
drei Kindern im Alter von sieben, neun und elf Jahren. Sie sind dem Weg nach
Hamburg, denn hier lebt der Bruder von Tahera Z.. Der
40-jährige Bashir A. Z. und zwei seiner Freunde im Alter von 27 und 59 Jahren
treiben ab und werden nicht mehr gefunden. Die
Überlebenden suchen noch lange am Ufer des Flusses nach den Vermißten –
werden schließlich von der Polizei aufgegriffen und in Neo Chimonio für
zweieinhalb Tage in einem Polizeiknast eingesperrt. Tahera
Z.: "Ich sah, wie ein Freund meines Mannes, der schwimmen konnte, zwei
afrikanische Frauen rettete. Dann habe ich ihn aus den Augen verloren. Meinen
Mann habe ich das letzte Mal gesehen, als das Wasser ihn davon getrieben hat,
seine Augen waren geschlossen und die Tasche mit den Kleidern unserer Kinder
immer noch auf seinen Schultern." Der
30-jährigen Tahera Z. gelingt es später, mit ihren Kindern nach Hamburg zu
kommen und Asyl zu beantragen. Infomobile Tour EVROS 3.8. - 8.8.10; Lostatborder
Dez. 12 28. Juni 10 Bundesland Nordrhein-Westfalen. In der
Abschiebehaftanstalt Neuss schneidet sich eine Gefangene aus Litauen die
Pulsadern in der linken Handbeuge auf und trinkt anschließend eine Flasche
Duschseife. Der
verantwortliche Gefängnisarzt Dr. Dickhaus (Neurologie, Psychiatrie,
Sozialmedizin) stellt – ohne mit der Patientin gesprochen zu haben – in
Frage, ob die Schnittverletzung überhaupt versorgt werden müsse. Die
psychische Situation der Frau spielt für ihn offensichtlich keine Rolle, denn
er äußert, daß sie am selben Abend in die Haft zurückverlegt werden solle. Schließlich
wird die ca. 25 Jahre alte Frau ins Lukas-Krankenhaus gefahren, wo
ausschließlich die Wunde behandelt wird. Auch hier findet der stattgefundene
Suizidversuch keinerlei therapeutische Konsequenz, so daß die Frau noch am
selben Tag wieder ins Gefängnis zurückkommt. Einem
Unterstützer gegenüber erzählt die Frau, daß dies bereits ihr zweiter Versuch
war, sich umzubringen. Sie äußert auch, daß sie wegen Depressionen früher in
stationärer psychiatrischer Behandlung war. Als
einige Tage später ein von UnterstützerInnen beauftragter Rechtsanwalt die
Frau besuchen will, ist sie nicht mehr in der Haftanstalt. MediNetz
Düsseldorf; Antirassistische
Initiative Berlin 29. Juni 10 Bundesland Hessen. Im Ausländeramt Bad Schwalbach bedroht
gegen Mittag die 58 Jahre alte Frau G. einen Mitarbeiter des Amtes mit einem
Messer. Danach droht die schwer kriegstraumatisierte Frau, sich selbst
umzubringen, wenn ihr Sohn in den Kosovo abgeschoben werden sollte. Die
Abschiebung ist für heute geplant. Der
Polizei gelingt es, die Frau im ersten Stock des Gebäudes zu isolieren.
Nachdem die Verhandlungen, die sie zum Aufgeben bewegen sollen, allerdings
ergebnislos verlaufen, wird Frau G. um 19.45 Uhr von einem
Sondereinsatzkommando überwältigt. Sie kommt in die Psychiatrie. Parallel
zu diesem verzweifelten Versuch der Mutter befindet sich ihr 30-jähriger Sohn
Besart G. bereits am Flughafen Frankfurt. Sein Rechtsanwalt Heinrich Lau beantragt
um 15.25 Uhr per Fax beim Amtsgericht Wiesbaden einstweilige Anordnung wegen
Unterlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Gleichzeitig schreibt er an die Bundespolizei am Flughafen
und das Polizeikommissariat Bad Schwalbach. Die Maschine soll um 21.45 Uhr
nach Prishtina starten. Besart
G. teilt seinem Anwalt mit, er werde "sich umbringen, sobald er im
Kosovo sei". Seine Schwester berichtet zur gleichen Zeit, daß ihr Bruder
nach seiner erstmaligen Ausreise in den Kosovo im Jahre 2001 zweimal versucht
hatte, sich zu töten. Die
Abschiebung wird abgebrochen und Besart G. kommt zur stationären Behandlung
in die Psychiatrie und bleibt auch nach seiner Entlassung weiterhin in
ambulanter Therapie. Besart
G. war 1992 als 12-Jähriger mit seinen Eltern in die Bundesrepublik gekommen.
ddp 29.6.10; spiegel-online 30.6.10; SD 30.6.10; WT 1.7.10; FR
6.7.10; Heinrich Lau –
Rechtsanwalt Anfang Juli 10 Bundesland Nordrhein-Westfalen. In Paderborn schneidet
sich ein 45 Jahre alter Russe auf offener Straße die Pulsadern auf. Er kommt
ins Krankenhaus, erleidet einen Leberkollaps und muß mehrere Tage auf der
Intensiv-Station behandelt werden. Später
kommt der Mann auf die Entgiftungsstation der psychiatrischen Klinik. Er
ist abgelehnter Asylbewerber, der seit Jahren geduldet wird und ohne
Perspektive in einem Lager bei Paderborn lebt. Er leidet unter schweren
depressiven Phasen. Nachdem
er vor eineinhalb Jahren begann, Heroin zu konsumieren, wurde er wegen der
Finanzierung der Drogenabhängigkeit mehrmals straffällig und steht jetzt
unter Bewährung. Antirassistische
Initiative Berlin 2. Juli 10 Bundesland Niedersachsen. In der JVA Hannover-Langenhagen
wird um 22.30 Uhr der 58 Jahre alte Slawik C. tot aufgefunden. Er hat sich
mit dem Kabel eines Wasserkochers an einem Kreuz des Fenstergitters erhängt.
Bei dem Aufnahmegespräch habe es keinerlei Hinweise auf Selbstmordgedanken
gegeben, so eine Sprecherin der JVA. Der
Armenier Slawik C. war mit seiner Frau Asmik und seinem Sohn Samwell 1999 aus
Aserbaidschan in die Bundesrepublik geflohen, nachdem ein Sohn während des
Militärdienstes auf ungeklärte Weise ums Leben gekommen war. Sie
lebten elf Jahre lang im Landkreis Harburg in Jesteburg. Ihre Asylanträge
waren 2003 endgültig abgelehnt worden. Als Herr C. am 28. Juni in der
Ausländerbehörde seine Duldung verlängern lassen wollte, wurde ihm ein Paß
vorgelegt, und er wurde gefragt, ob er das auf dem Foto sei. Nachdem er es
verneinte, wurde er festgenommen und kam in Abschiebehaft nach
Hannover-Langenhagen. Als man ihm dort mitteilte, daß er kein Telefon
bekäme, verlor er die Kontrolle: Er stellte sich ans Fenster und rief
"Polizei! Polizei!", dann schlug er um sich und verletzte sich an
beiden Armen, an der Schulter und am Kopf. Er mußte von fünf Beamten
"fixiert" werden – dann kam er in eine videoüberwachte Arrestzelle
und wurde mit Psychopharmaka ruhiggestellt. Am nächsten Tag erfolgte die
Rückverlegung in seine Zelle Nummer 58. Er entschuldigte sich für sein
Verhalten bei den Angestellten. Slawik
C. sollte ohne seine Frau am 7. Juli nach Armenien abgeschoben werden, obwohl
er tatsächlich aus der aserbaidschanischen Provinz Nachidjevan stammt. Das
Bundeskriminalamt hatte die Kreisbehörde darauf aufmerksam gemacht, daß die
Identifikationsdaten von Interpol offensichtlich verwechselt seien: aus
Slawik C., geboren in Gjal in Aserbaidschan, wurde Slavik K., geboren im
armenischen Arpi. Trotzdem hatte sich die Ausländerbehörde bei der
armenischen Botschaft mit den falschen Daten ein Paßersatzpapier beschafft. Am
Sonnabend, dem 10. Juli, wird Slawik C. auf dem neuen Friedhof in Jesteburg
beigesetzt. 200 Menschen geben ihm das letzte Geleit. Auch
nach seinem Tod betreibt die Ausländerbehörde die Abschiebung der 55 Jahre
alten Ehefrau weiter. Die Möglichkeit, ihr zu gestatten, bei ihrem 29 Jahre
alten Sohn Samwell, seiner Lebensgefährtin und der 2-jährigen Enkeltochter zu
bleiben, werde behördlicherseits "nicht erwogen". Ihr Sohn ist im
Besitz einer Niederlassungserlaubnis. FreundInnen
und NachbarInnen der Familie, aber auch die LokalpolitikerInnen einigen sich
fraktionsübergreifend, die Abschiebung der Witwe zu verhindern. Auch
angesichts der bekannt gewordenen Fehlentscheidungen der Ausländerbehörde
versichert Landrat Joachim Bordt, sich für ein dauerhaftes Bleiberecht der
Familie einzusetzen. Als Frau C. bei der Ausländerbehörde ihre Duldung
verlängern lassen will, ist sie in Begleitung von FreundInnen und
LokalpolitikerInnen. Statt wie bisher für 14 Tage bekommt Frau C. eine
Duldung mit einer Gültigkeit von sechs Monaten. Die
Haftbeschwerde von Frau C. weist das Landgericht Lüneburg am 23. November 10
mit der Begründung zurück, daß die Ehefrau nach dem Tod des Betroffenen kein
Beschwerderecht habe. Der
Bundesgerichtshof entscheidet allerdings am 6. Oktober 11, daß die Haft von
Slawik C. rechtswidrig war, denn der Haftantrag des Landkreises Harburg hätte
die Zustimmung der Staatsanwaltschaft haben müssen, was nicht der Fall war. Der
Landkreis Harburg äußert sich zu dem Urteil wie folgt: "Bei uns wird es
keine weiteren Konsequenzen geben. Es handelt sich in keiner Weise um eine
grobe Verfehlung, sondern um einen Formfehler". Allerdings ist der
Sachbearbeiter der Ausländerbehörde in eine andere Abteilung versetzt worden,
und Abschiebeanträge werden künftig von drei statt wie bisher von zwei
Personen geprüft. Kommentar des Amtsgerichts Winsen: "Wir haben den
Abschiebebeschluss erlassen, weil alle anderen Voraussetzungen erfüllt waren.
Das Ergebnis ist tragisch." Kommentar der Sprecherin des Innenministeriums:
"Wir haben mit diesem Fall gar nichts zu tun." HAZ 5.7.10; MT 5.7.10; Ev.-luth. Landeskirche Hannover 6.7.10; taz 6.7.10; FRat NieSa 7.7.10; Anti-Rassismus-Plenum Hannover 8.7.10; epd 8.7.10; FR 8.7.10; jW 9.7.10; HA 15.7.10; ndr-online 24.7.10; Landtag NieSa DS 16/2842; HA 21.7.10; HAZ 24.7.10; HN 26.7.10; HA 28.7.10; HN 29.7.10; FRat NieSa 2.8.10; taz-nord 2.8.10; HR 13.8.10; HA 13.8.10; taz 27.8.10; HA 2.10.10; HA 29.10.10; HA 8.12.10; HA 10.2.11; Der Schlepper
Nr. 55/56 Sommer 2011; ndr.de 23.11.11;
HAZ 24.11.11; Harburger-online
24.11.11; FRat NieSa
25.11.11; Harburger-online
28.11.11; BT DS 17/10596;
BT DS 17/10597; HA 9.2.12 3. Juli 10 Bundesland Niedersachsen. Bei einer Demonstration der BewohnerInnen
des Flüchtlingsheimes Meinersen gegen die menschenunwürdigen
Lebensbedingungen, denen sie ausgesetzt sind, wird bekannt, daß in dem Heim
auch ein 35 Jahre alter Kurde aus Syrien leben muß, der bereits zwei
Herzinfarkte erlitten hat. Er
ist seit 13 Jahren in der Bundesrepublik und muß mit seiner Frau und vier
Kindern in einem 16-Quadratmeter-Raum leben. Alle seine Kinder sind hier
geboren. BrZ 2.7.10; BrZ
5.7.10; FRat NieSa 4. Juli 10 Bundesland Niedersachsen. In der JVA Hannover-Langenhagen
wird dem am Küchenfenster sitzenden Abschiebegefangenen Faruk Issa von einem
Gefängnisangestellten von hinten der Kopf gegen das Fenstergitter geschlagen.
Dabei zieht sich der 21 Jahre alte Gefangene eine Platzwunde an der rechten
Augenbraue und eine starke Schwellung zu, die zu schweren Kopfschmerzen
führt. Faruk
Issa erstattet Anzeige gegen den Täter und kann drei Zeugen nennen, die die
Attacke verfolgt haben. Der
Angriff des Bewachers geschieht nach der Rückkehr des Flüchtlings vom
Flughafen Frankfurt, über den er nach Syrien abgeschoben werden sollte. Mit
Hilfe von UnterstützerInnen konnte hier jedoch erreicht werden, daß der Pilot
sich letztlich weigerte, den jungen Yeziden auszufliegen. Der
elternlose Faruk Issa war im Alter von 15 Jahren in die Bundesrepublik
geflüchtet, weil hier sein Bruder und einige Schwestern leben. Er hatte immer
wieder versucht zu arbeiten, doch er bekam nie eine Arbeitserlaubnis. Seine
Festnahme geschah, als er am 21. Juni 10 in der Ausländerbehörde
Wilhelmshaven seine Duldung verlängern lassen wollte. Nach Erlaß eines
Haftbefehls war er umgehend nach Hannover-Langenhagen gekommen. Im
Rahmen des Rückübernahmeabkommens mit Syrien soll er am 20. August
abgeschoben werden. Nach einem Suizidversuch am 2. August wird er in einer
gesonderten Zelle untergebracht. Trotz
großer Öffentlichkeit und einer Demonstration in Oldenburg, auf der seine
sofortige Freilassung gefordert wird, erfolgt seine Abschiebung bereits am 4.
August mit einer Maschine der Syrian Airlines. Bericht des
Betroffenen; Yekitimedia 22.6.10; taz 4.7.10; Karawane 14.7.10; Scharf links
24.7.10; Bild 29.7.10; Karawane –
München 4.8.10; Zentralrat der Yeziden; Unterstützerkreis
Faruk Issas 5. Juli 10 Bundesland Niedersachsen. Morgens um 2.30 Uhr wird der Rom
Rama Samir, der bei seiner Frau und den zwei kleinen Kindern zu Besuch ist,
von der Polizei festgenommen und zur Abschiebung zum Flughafen Frankfurt am
Main gefahren. Kurz
vor dem Abheben des Flugzeuges nach Prishtina darf er die Maschine wieder
verlassen, weil es seiner Rechtsanwältin gelungen ist, durch die kurzfristige
Einreichung eines Asylantrages die Abschiebung zu verhindern. alle bleiben –
Roma Center Göttingen 5.7.10 7. Juli 10 Bundesland Sachsen-Anhalt. Nach dem Aus für die deutsche
Nationalmannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft wird ein 29 Jahre alter
Flüchtling aus dem arabischen Raum an einer Tankstelle in Halle von
Fußballfans zunächst angepöbelt. Danach stürmen ca. 15 Jugendliche auf ihn
los, treten und schlagen auf ihn ein und traktieren ihn mit Flaschen. Dem
Angegriffenen gelingt zunächst die Flucht. Als er jedoch in eine Sackgasse
läuft, wird er bei dem Versuch, sie zu verlassen, erneut angegriffen. Dem
Angegriffenen werden mehrere Zähne ausgeschlagen und sein Kiefer wird
gebrochen. Er kommt ins Krankenhaus. Neben den deutlichen Narben im Gesicht hat er auch an den
psychischen Auswirkungen des Überfalls noch lange zu leiden. Mobile Beratung
für Opfer rechtsextremer Gewalt Nr. 31/2010 13. Juli 10 Oberursel im Bundesland Hessen. In der Wohnung eines
Bekannten nimmt sich die 31 Jahre alte Tiegsti H. aus Eritrea das Leben. Mit
einer aufwendigen Suchaktion der Polizei wird sie erst zwei Tage später
gefunden, nachdem durch Ortung ihres Handys in der Dornbachstraße um 4.55 Uhr
die Wohnung geöffnet wurde. Tiegsti
H. war sehr jung in die Bundesrepublik gekommen und hatte ausschließlich in
Flüchtlingsheimen mit geduldetem Aufenthalt gelebt. Neben ihrer Muttersprache
Tigrinja sprach sie fließend Deutsch und Arabisch. Zuletzt lebte sie im Flüchtlingsheim
am Niederstedter Weg in Bad Homburg. Sie
wurde krank und kam in psychiatrische Behandlung. Nachdem sie versucht hatte,
im Heim Feuer zu legen, wurde sie im Köpperner Waldkrankenhaus (Psychiatrische
Klinik) vorübergehend stationär aufgenommen. Als
das Heim in Bad Homburg geschlossen werden sollte und ihre Verlegung in das
Containerlager Drei Hasen in Oberursel anstand, wehrte sie sich dagegen, denn
sie hatte dort schon einmal gelebt und wollte auf keinen Fall dorthin zurück.
Das
Lager Drei Hasen besteht aus ca. 100 Stahlkisten, in denen 165 Flüchtlinge
aus Eritrea, Pakistan und China untergebracht sind. Obwohl SPD und CDU im Bad
Homburger Kreistag vereinbart hatten, das Lager aufzulösen, wurde der Vertrag
mit der Betreiberfirma im Jahre 2011 wieder verlängert. FRat Hessen; Polizei
Oberursel; Taunus Zeitung
16.7.10; FR 14.6.11; Pro
Asyl 20.6.11 13. Juli 10 Bundesland Schleswig-Holstein. Gegen Abend erscheinen in
der Kieler Flüchtlingsunterkunft sechs Personen, um Huda Adnan und ihre
Tochter Tabarek abzuholen. Es sind Mitarbeiter vom Landesamt für
Ausländerangelegenheiten und der Ausländerbehörde, Ärzte und Sanitäter sowie
eine Dolmetscherin. Sie überwältigen die bettelnde, weinende und schreiende
Mutter, indem sie sie auf den Boden werfen und mit Knien und Füßen Kopf und
Rücken niederdrücken. Sie biegen ihre Arme auf den Rücken und legen der Frau,
die nur mit einem T-Shirt und einer Schlafhose bekleidet ist,
Metall-Handschellen an. Die 8-jährige Tabarek, die an schwerer Epilepsie
leidet und mehrfach behindert ist, wird – getrennt von der Mutter – in einem
Rettungswagen weggefahren. Auch sie schreit und weint nach der Mutter. Weder
die Mitarbeitenden der Unterkunft noch das Sozialamt, der Rechtsanwalt oder
die behandelnden Ärzte sind von dieser Aktion informiert. Mutter und Tochter
sollen nach Schweden zurückgeschoben werden. In
den vergangenen Monaten war das Kind mehrfach als Notfall in die
Universitätsklinik Kiel eingeliefert worden. Auf dem Weg zur Fähre sind
Mutter und Kind stundenlang voneinander getrennt, obwohl die Mutter die
einzige Person ist, mit der Tabarek überhaupt kommunizieren kann. Auf
dem Weg nach Travemünde fahren die Wagen hintereinander. Im Kleinbus des
Landesamtes sitzt die Mutter, der inzwischen die Metall-Handschellen durch
Kabelbinder ersetzt wurden. Davor fährt der Krankenwagen mit ihrer Tochter.
Bei einer kurzen Pause darf Frau Adnan zu Tabarek in den Wagen. Da ihre Hände
immer noch auf dem Rücken gefesselt sind, gibt sie ihrem Kind das Kuscheltier
mit den Zähnen. Jetzt nimmt ihr der anwesende Arzt endlich die Plastikbänder
ab. Auf
der Fähre nach Schweden darf sie ohne Fesseln mit ihrer Tochter in einer von
Polizei bewachten Kajüte sein. Tabarek leidet unter großen Schmerzen, sie hat
ein Bein gebrochen. Die Mutter erleidet einen Schwächeanfall. Nach
der Ankunft in Schweden kommt die Tochter direkt in ein Krankenhaus. Frau
Adnan war im Jahre 2007 aus dem Irak nach Schweden geflohen, wo ihr
Asylantrag abgelehnt worden war. Aus Angst vor der Abschiebung flüchtete sie
im Dezember 2009 in die Bundesrepublik und ersuchte erneut um Asyl, was ihr
im Rahmen des Dublin-II-Abkommens
nicht gewährt worden war. Nordelbische
Ev.-Luth. Kirche 19.7.10; FRat SH 20.7.10;
Diakonie SH 20.7.10; taz 20.7.10; taz-nord 23.7.10; ndr 28.7.10; Gegenwind 265
Okt. 10 13. Juli 10 Flughafen Frankfurt am Main. Ein Syrer aus dem Landkreis
Harz, der als Abschiebegefangener gebracht wird, fügt sich schwere
Schnittverletzungen am Bauch zu, so daß die Abschie bung abgebrochen wird. Er sollte nach Damaskus ausgeflogen
werden. Spiegel15.6.12; Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 14. Juli 10 Das Landgericht Augsburg entscheidet im Klageverfahren
gegen die Ablehnung des Asylantrags und spricht dem Flüchtling Ziad A. damit
den Anspruch auf Zuerkennung des Abschiebeverbotes (oder auf die Zuerkennung
eines Flüchtlingsausweises) zu. Das Ausweisungsverfahren wird eingestellt und
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 60 Abs. 2 AufenthG erteilt. Damit
geht für den 37-jährigen Kurden aus Syrien ein achtjähriger Rechtsstreit zu
Ende, in dessen Verlauf er zu drei Freiheitsstrafen verurteilt wurde und
schwer erkrankte. Ziad
A. war 2001 aus Syrien geflohen und hatte im Januar 2002 in der Bundesrepublik
einen Antrag auf Asyl gestellt. Seine Frau lebt in Hannover. Aufgrund
fehlender Heiratspapiere verweigerten die Behörden den Zusammenzug des nur
nach muslimischem Ritus verehelichten Paares. Schon
im Jahre 2002 erfolgte eine Verurteilung von Herrn A. wegen
"wiederholtem Verstoß gegen räumliche Beschränkungen"
(Residenzpflicht) zu 10 Tagessätzen je 10 Euro, die wenig später auf 50
Tagessätze erhöht wurden. Im März 2004 erfolgte eine Verurteilung wegen
"unerlaubtem Aufenthalt ohne Paß" zu drei Monaten Haft mit
dreijähriger Bewährung. Anlaß dafür war der Vorwurf der Ausländerbehörde,
Ziad P. würde sich nicht hinreichend um Papiere bemühen, die für seine
Abschiebung nötig seien. Im Mai 2006 wurde er wegen desselben
"Delikts" erneut verurteilt. Nach der Ablehnung der Berufung und
der Revision durch das Oberlandesgericht München erfolgte eine Verurteilung
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von sechs Monaten, die er ab 5. April
2007 in der JVA Kempten absitzen sollte. Während
der Haft erstellte die Ausländerbehörde Kempten einen Ausweisungsbescheid.
Die Ausweisung wurde damit begründet, daß Ziad A. immer wieder mit dem Gesetz
in Konflikt komme (Residenzpflichtverstoß, Aufenthalt ohne Paß) und sich
zukünftig auch nicht an die Gesetze halten werde. Am
28.10.08 und am 11.11.08 wurde Ziad A. zum dritten Mal wegen unerlaubten
Aufenthalts ohne Paß angeklagt und diesmal zu vier Monaten Freiheitsstrafe
ohne Bewährung verurteilt. Ziad
A. der als Landesvorsitzender der kurdischen Exilpartei politisch aktiv ist,
weiß, daß auch der syrische Staat ein Interesse an seiner Rückkehr hat. Denn als sein Bruder
nach Syrien reiste, wurde er von den Behörden festgehalten und nach den
Aktivitäten von Ziad A. befragt. Die
Angst vor Abschiebung, die Trennung von seiner Frau und die Kriminalisierung
durch deutsche Gerichte haben Ziad A. seelisch krank gemacht. Er begab sich
in psychotherapeutische Behandlung. Zwei ärztliche Gutachten belegten eine Posttraumatische Belastungsstörung, schwere Depressionen
und Suizidalität und mündeten in der Aussage, daß Ziad A. weder reise- noch
haftfähig sei. Anfang 2010 wurde er – aufgrund deutlicher Verschlechterung
seines Gesundheitszustandes – in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Trotz
der Gutachten von mindestens drei FachärztInnen bestellte das Amtsgericht
Kempten einen Amtsarzt, der die Haftfähigkeit bestätigte. Am 15. Februar
wurde Ziad A. von der Polizei aus der Klinik geholt und in die JVA Hannover
gebracht. Dort kam er umgehend in die psychiatrische Abteilung, wo er –
aufgrund erheblicher Suizid-Gefährdung – mehrfach und über mehrere Tage in
einen besonderen Haftraum verlegt wurde. Auch der verantwortliche Psychiater
in der JVA, Herr Dr. W., empfahl dringend eine vorzeitige Entlassung und eine
Aussetzung der Haftstrafe. Trotz alledem wurde Ziad A. nur wenige Tage vor
dem regulären Ende der Haftstrafe entlassen. Im
Oktober lebt Ziad A. mit seiner Frau und dem im April 2009 geborenen Kind in
Hannover. FRat NieSa
13.10.10 17. Juli 10 Bundesland Sachsen. Im Flüchtlingsheim Langburkersdorf bei
Neustadt entsteht gegen 23.00 Uhr ein Feuer in einem unbewohnten Zimmer. Da
zwei Bewohner den Brand frühzeitig entdecken, können sie alle 15
BewohnerInnen des Traktes wecken, so daß diese unverletzt ins Freie kommen. Die
Feuerwehren aus Langburkersdorf, Neustadt, Polenz und Rugiswalde bekommen das
Feuer schnell unter Kontrolle und können so ein Übergreifen der Flammen auf
andere Zimmer verhindern. Ein
Heimbewohner wird wegen des Verdachts der Brandstiftung vorübergehend festgenommen.
SäZ 21.7.10 19. Juli 10 Abschiebegefängnis Hannover-Langenhagen. Von vier
Abschiebegefangenen, die am 16. Juli einen Hunger- und Durststreik begannen,
kommt ein Mann ins Krankenhaus. Die
Mitgefangenen beenden den Streik aufgrund der großen körperlichen Strapazen. FRat NieSa 21. Juli 10 In Hamburg schluckt ein arabischer Flüchtling in
Selbsttötungsabsicht Tabletten. Danach läuft er auf die Hauptverkehrsstraße,
und es kann nur knapp verhindert werden, daß er überfahren wird. Am
27. September begeht er einen zweiten Suizidversuch. Ein Therapeut und seine Anwältin unterstützen ihn in dem
Bemühen, einen sicheren Aufenthaltsstatus zu bekommen. Antirassistische
Initiative Berlin 24. Juli 10 Zeitz in Sachsen-Anhalt. Auf offener Straße werden eine
Nigerianerin und ihr 5-jähriger Sohn von drei Jugendlichen rassistisch
beschimpft. Während zwei Jugendliche auf sie zulaufen, wirft ein dritter
einen Stein, der knapp neben ihnen zu Boden fällt. In
Panik flüchtet die 35-Jährige später zu Freunden in eine andere Stadt,
erstattet Anzeige und stellt auch einen Umverteilungsantrag. Nachdem dieser
abgelehnt wird, ist sie gezwungen, wieder in Zeitz zu leben. Mobile Beratung
für Opfer rechtsextremer Gewalt 26. Juli 10 Halberstadt in Sachsen-Anhalt. In der Nähe eines
NP-Marktes wird ein indischer Flüchtling von mehreren Rechten angegriffen.
Sie pöbeln "Ausländer raus!" und schlagen und treten auf den
28-Jährigen ein. Es gelingt ihm, die Polizei zu rufen, die noch vor Ort einen
40-jährigen Angreifer vorläufig festnehmen kann. Der
Inder muß seine Verletzungen ambulant im Krankenhaus behandeln lassen. Mobile Beratung
für Opfer rechtsextremer Gewalt Nr. 31/2010 27. Juli 10 Nordrhein-Westfalen. Die Ausländerbehörde Essen schiebt
die sechsköpfige kurdische Großfamilie Hasan nach Syrien ab. Schon am
Flughafen Damaskus werden der 26-jährige Hamza Hasan und sein 43 Jahre alter
Cousin Khalid Hasan von syrischen Polizisten verhaftet. Die
Eltern hatten vor über zwei Jahrzehnten in der Bundesrepublik Asyl beantragt.
Sie konnten ihre Angaben, aus dem Libanon zu kommen, nicht aufrechterhalten
und offenbarten schließlich ihre syrische Herkunft. Von den Abgeschobenen
sind Hamza und Mariam – beide 21 Jahre alt – und der ein Jahr ältere Imad
Hasan in Deutschland geboren. Nach
29 Tagen Haft in verschiedenen Gefängnissen wird Hamza Hasan entlassen. Ihm
wurden mit Hinweis auf seine aus Deutschland stammenden Akten Rechtsbrüche,
die er angeblich in der BRD begangen haben soll, vorgeworfen. Eine Haftstrafe
wegen Diebstahls, zu der er tatsächlich verurteilt wurde, die aber zur
Bewährung ausgesetzt ist, sollte er in syrischer Haft absitzen. Fraglich
bleibt, woher die syrischen Behörden diese Information haben. Nach
Auskunft der Bundesregierung ist Khalid Hasan auch im September noch in Haft.
Kurdwatch 8.8.10; Kurdwatch 7.9.10; jW 26.10.10; BT DS 17/3365 4.
August 10 Flughafen Hamburg. Der staatenlose Herr K. soll nach
Mailand ausgeflogen werden. Er ist allerdings völlig mittellos und weiß nicht,
wie er bargeldlos zu seiner Familie nach Rom kommen soll. Abschiebebeobachtung
HH 2010 7. August 10 Weißenfels in Sachsen-Anhalt. Als ein 29 Jahre alter
Asylbewerber aus Niger nach einer Feier mit Freunden am Morgen um 4.50 Uhr
die Gaststätte "Feldschlößchen" verlassen hat, trifft er auf eine
Gruppe von mehr als einem Dutzend einschlägig bekannten Neonazis. Er wird
rassistisch angepöbelt, und plötzlich gehen vier Männer auf ihn zu und
beginnen, ihn mit Faustschlägen zu traktieren. Unter Anfeuerungsrufen der
Gruppe schlägt ein Mann mit einem Holzstock zu. Der Angegriffene geht zu
Boden und wird jetzt mit Füßen getreten. Eine junge Frau, die ihm helfen
will, wird aus der Gruppe der Angreifer heraus bespuckt. Als sie stolpert und
zu Boden fällt, wird auch sie getreten. "Warum willst du denn dem Nigger
helfen?" wird ihr entgegengehalten. Von
den beiden diensthabenden Securities des "Feldschlößchen" mischt
sich nur einer schlichtend ein – der Zweite, daneben Stehende, sagt zu der
jungen Frau, als sie Polizei und Krankenwagen ordert, daß sie nicht den
Krankenwagen zu rufen bräuchte, da der Mann am Boden "ja noch
atme". Als
die Polizei eintrifft, haben die Täter den Ort bereits verlassen – und auch
der verletzte Flüchtling ist bereits auf dem Wege ins Krankenhaus. Dort
werden eine Platzwunde am Kopf, eine Verletzung am Arm und Hämatome am ganzen
Körper ambulant versorgt. Die
Polizei ermittelt wegen Volksverhetzung und gefährlicher Körperverletzung. MDZ 9.8.10; Alternatives
Bündnis Sachsen-Anhalt Süd 14.8.10; Mobile Beratung
für Opfer rechtsextremer Gewalt; Alternatives
Bündnis Sachsen-Anhalt Süd 19.8.10 7. August 10 Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Ein 6-jähriger Junge
ertrinkt in dem Feuerlöschteich, der sich auf dem Gelände der
Flüchtlingsunterkunft in der Rostocker Satower Straße befindet. Bereits
um 19.00 Uhr hatten die tschetschenischen Eltern des Kindes nach ihm gesucht
und um 20 Uhr den Wachdienst des Heimes informiert. Daraufhin leitet die
Polizei eine Suchaktion unter Beteiligung der Schutz- und Kriminalpolizei,
von zwei Fährtenhunden und einem Hubschrauber ein. Als
ein Loch in der Umzäunung des Feuerlöschteiches und eine Veränderung der
Algen an der Wasseroberfläche bemerkt wird, werden Polizeitaucher
angefordert. Um 1.15 Uhr bergen sie den leblosen Jungen. Der Prignitzer –
SVZ – 8.8.10; OZ 8.8.10; ddp
8.8.10; OZ 13.8.10 10. August 10 Flughafen Frankfurt am Main. Eine 27 Jahre alte Frau aus
Niedersachsen wird mit ihren zwei kleinen Kindern nach Peking abgeschoben. Dem
Mann und Vater fehlen angeblich die erforderlichen Papiere, so daß die
Familie durch die Abschiebung getrennt ist. Die
Frau weint ununterbrochen, denn sie fürchtet Repressalien in China, weil sie
dort einer Minderheit angehört. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 13. August 10 Bundesland Thüringen. Zwei irakische Jugendliche im Alter
von 16 und 18 Jahren werden in der Erfurter Straßenbahn der Linie 3 zwischen
Kranichfelder- und Blücherstraße von zwei bis fünf deutschen Männern
angepöbelt und von zweien dann gezielt angegriffen. An
der Haltestelle Blücherstraße versuchen die 25 und 27 Jahre alten Täter,
einen der beiden Iraker aus der Bahn zu ziehen. Als dies nicht gelingt und
die Angegriffenen per Handy die Polizei rufen, entfernen sich die Täter in
Richtung Wiesenhügel. Nach
kurzer Zeit werden sie von der Polizei festgenommen. Sie sind alkoholisiert
und zudem als Diebe und Schläger polizeibekannt. Der
18-jährige Iraker muß seine leichten Verletzungen behandeln lassen. ddp 15.8.10; Polizei Erfurt
8.3.11 21. August 10 Bundesland Brandenburg. Im Flüchtlingsheim Waßmannsdorf
löst sich im Flur des dritten und obersten Stockwerkes eine Fläche von drei
Quadratmetern Deckenputz, bricht herunter und verletzt einen Bewohner an Kopf
und Schulter. Es
leben zur Zeit 137 Flüchtlinge in dieser ehemaligen Kaserne der
DDR-Grenztruppen, die neuerdings unter Denkmalschutz gestellt ist. Der
Zustand des über 50 Jahre alten Gebäudes ist sehr schlecht. Flur und Zimmer
sind voller Wasserflecken, die zeigen, daß der Regen durch die Decken dringt
und die Wände herunterläuft. In den Zimmerecken blüht schwarzer Schimmel, die
Fenster sind undicht, die Wände feucht. Der Flüchtlingsrat Brandenburg
fordert eine Kündi-gung des Betreibervertrages mit der verantwortlichen Firma
K&S und eine dezentrale Unterbringung der Menschen in Wohnungen. FRat Brbg
23.8.10; Welt 23.8.10; jW
24.8.10; rbb Nachrichten
25.8.10 28. August 10 Sechs Flüchtlinge, die entsprechend dem Dublin-II-Abkommen aus verschiedenen europäischen
Ländern nach Griechenland zurückgeschoben wurden, werden nach einem
13-tägigen Hungerstreik vor dem Gebäude des griechischen UNHCR in Athen und
nach einer Anhörung in einem Krankenhaus als politische Flüchtlinge
anerkannt. Unter
ihnen befindet sich der 28 Jahre alte Seyed Rouhollah Raufi Kalachayeh, der
vor eineinhalb Jahren aus der Bundesrepublik zurückgeschoben wurde und
seither obdachlos in Athen lebte. Ein anderer Hungerstreikender wartete seit
neun Jahren auf eine Anhörung zu seinem Asylverfahren. Netzwerk Welcome to Europe 29.8.10; Antirassistische
Initiative Berlin 31. August 10 Bundesland Niedersachsen. In Duderstadt wird eine
Bosnierin ohne gültige Papiere aufgegriffen. Sie ist Romni und
alleinerziehende Mutter von sechs Kindern im Alter von zwei bis 16 Jahren,
die alle bei ihr sind. Auf Veranlassung des Landkreises Göttingen und auf
Beschluß des Amtsgerichts Duderstadt wird sie in Abschiebehaft genommen. Ihre
Kinder bleiben sich selbst überlassen, bzw. werden von anderen Roma in Obhut
genommen. Erst
vier Wochen später, am 30. September, wird der Abschiebehaft-Beschluß vom
Landgericht Göttingen wieder aufgehoben. Die
Frau ist jetzt zwar wieder mit ihren Kindern zusammen, jedoch ohne Bleibe und
ohne Unterstützung. Die Familie lebt die nächsten drei Wochen in einem Zelt
auf dem Schützenplatz – bei schlechtem Wetter unter einer Brücke in der Nähe.
Ausländerrechtlich
fühlt sich weder die Stadt Göttingen noch der Landkreis Göttingen für die
Familie zuständig. Erst
als die völlig erschöpfte Frau einen Rechtsanwalt findet, kann dieser einen
Beschluß für die ausländerrechtliche Zuständigkeit erwirken. Trotzdem
verweigert das Sozialamt der Stadt Göttingen den sieben Personen die
Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, und zwar mit der Begründung,
die Stadt sei nicht zuständig, sondern der Landkreis. Durch
ein Eilverfahren vor dem Sozialgericht Hildesheim wird entschieden, daß die
Familie in einer Obdachlosenunterkunft in Göttingen untergebracht wird und
daß ihr die notwenigen Mittel zum Lebensunterhalt zur Verfügung gestellt
werden. Die
Frau bekommt einen Wertgutschein in Höhe von 100 Euro und einen Schlüssel für
die Unterkunft, der allerdings nicht paßt. Da es Freitagnachmittag ist,
findet sich weder ein Hausmeister noch ein Mitarbeiter des Sozialamtes, so
daß die Unterkunft nicht betreten werden kann. Der anwesende Dolmetscher
nimmt die Frau und die Kinder mit zu sich nach Hause, damit sie nicht wieder
im Freien übernachten müssen. Aufgrund
der weiterhin bestehenden Verweigerungshaltung des Göttinger Sozialamtes
bedarf es erneut eines Eilbeschlusses des Sozialgerichts Hildesheim, daß die
Familie untergebracht wird. Die
Bosnierin bekommt erneut einen Schlüssel, dieser paßt wieder nicht. Es ist
wieder Feierabend und kein Behördenmit-arbeiter ist zu erreichen. Durch
Zufall gelingt es, die Tür zu öffnen, so daß die Familie endlich eine
trockene Unter kunft hat. Zwei
Kinder haben ernsthaft medizinische Probleme. Das älteste Kind hat
wahrscheinlich Epilepsie, der zweitälteste Sohn kommt ins Krankenhaus,
nachdem die "Medizinische Flüchtlingshilfe Göttingen" überhaupt
erst einmal einen Besuch in einer Arzt-Praxis sicherstellen konnte. Der Sohn
soll notoperiert werden. Nach
der Anhörung der Bosnierin vor der Ausländerbehörde des Landkreises am 26.
Oktober 10 wird sie mit ihren Kindern nach Friedland umverteilt. Das
verschärft ihre Situation erneut, weil sich ihr Sohn an diesem Tage einer
mehr- stündigen Operation unterziehen muß, und sie in seiner
Nähe sein will. Am
nächsten Tag darf sie wieder nach Göttingen zurückkehren. Das Sozialamt
erklärt sich erneut für nicht zuständig, so daß der Rechtsanwalt das dritte
Eilverfahren anstrengen muß, damit die Familie eine Unterkunft in Göttingen
bekommt. Da das Sozialamt der Familie keine Versorgungsleistungen erbracht
hat, und es bereits wieder ein Freitagnachmittag ist, an dem die Behörde
geschlossen hat, stehen die sieben Personen ohne jeglichen Euro da. Erst
aufgrund langwieriger Versuche des Rechtsanwalts, bei der Stadt Göttingen,
der Feuerwehr und dem Ordnungsamt Verantwortliche des Sozialamtes zu finden,
um sie in die Pflicht zu nehmen, erklärt sich der Leiter des Amtes bereit,
einen Betrag von 50 Euro in die Kanzlei zu bringen. Bernd
Waldmann-Stocker – Rechtsanwalt; HNA 3.11.10 2. September 10 Bundesland Nordrhein-Westfalen. In den frühen
Morgenstunden verschaffen sich bewaffnete Polizisten mit Hunden zu einer
Bochumer Wohnung des Flüchtlingsheimes in der Krachtstraße Zutritt. Sie
nehmen eine alleinerziehende Romni und ihre drei minderjährigen Söhne mit, um
sie nach Serbien abzuschieben. Die Abschiebung der seit 24 Jahren in der
Bundesrepublik lebenden Frau erfolgt ohne vorherige Ankündigung. Die
Kinder im Alter von sechs, zehn und 17 Jahren sind alle in der Bundesrepublik
geboren. Die beiden jüngeren Jungen befinden sich seit 2009 kontinuierlich in
psychotherapeutischer Behandlung aufgrund multipler Traumatisierungen. Ein
älterer, inzwischen volljähriger Bruder der insgesamt acht Geschwister
befindet sich seit 2008 in Psychotherapie. Ein
Eilantrag der rechtlichen Vertretung der Familie wird nach wenigen Stunden
vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen abgelehnt, so daß die Familie gegen
13.30 Uhr nach Serbien ausgeflogen wird. Medizinische
Flüchtlingshilfe Bochum 5. September 10 Halle in Sachsen-Anhalt. Als sieben junge Männer morgens
um 2.30 Uhr die Diskothek "Turm" besuchen wollen, kommen ihnen 20
bis 30 Männer entgegen, die das Gebäude verlassen wollen. Aus dieser großen
Gruppe heraus beginnt ein Mann mit rassistischen Beleidigungen. Nach verbalen
Auseinandersetzungen und Rempeleien entsteht eine Schlägerei, während der der
22 Jahre alte syrische Flüchtling Mohanned I. von einem Angreifer mit vier
Messerstichen – einen davon in den Hals – niedergestreckt wird. Durch die
stark blutenden Wunden erleidet er einen derartig hohen Blutverlust, daß er
das Bewußtsein verliert. Freunde fahren den Verletzten in die
Bergmannstrost-Kliniken, wo er sofort notoperiert wird. Während die ÄrztInnen um das
Leben des Syrers kämpfen, gehen die Auseinandersetzungen vor der Diskothek
weiter und entwickeln sich zu einer Massenschlägerei auf dem
Friedemann-Bach-Platz, an der bis zu 43 Personen teilnehmen. Türken, Syrer,
Kurden und Iraker wehren sich gegen deutsche Provokateure. Pflastersteine
fliegen, Fensterscheiben splittern und Gully-Deckel werden als Wurfgeschosse
genutzt. Einige der Angreifer werden der rechten Szene zugeordnet – sie
tragen einschlägige Tätowierungen. "Deutschland, Deutschland" und
"Sieg Heil!" wird gebrüllt. Nach dem Eintreffen der Polizei, die
die Schlägerei schließlich beendet, gibt es weder Festnahmen noch Befragungen
von ZeugInnen. Ausschließlich die Personalien werden notiert. Erst
zwei Tage nach dem Geschehen wird ein 21-jähriger Tatverdächtiger aus Halle
festgenommen. Er bleibt in Haft mit dem Vorwurf des versuchten Totschlags. Mohanned
I., der sich auch nach einer Woche noch im künstlichen Koma befindet, wird
ein zweites Mal operiert. Infolge
der schweren Verletzungen erleidet er einen Hirninfarkt, der Störungen seiner
Bewegungsabläufe und eine Schädigung des Sprachzentrums hervorruft. Er wird
sein Leben lang unter den Folgen des Überfalls leiden müssen. MDZ 6.9.10; MDZ
7.9.10; MDZ 9.9.10; MDZ
10.9.10; LVZ 11.9.10; Mobile Beratung
für Opfer rechtsextremer Gewalt 7. September 10 Flughafen Frankfurt am Main. Der 28 Jahre alte Flüchtling
Ahmad P. soll – nach abgelehntem Asyl und drei Wochen Abschiebehaft – nach
Afghanistan abgeschoben werden. Er befindet sich in der Maschine der Safi
Airways, die um 20.30 Uhr starten soll. Wenige Minuten vor dem Start flüchtet
er aus dem Flugzeug und flieht in lebensgefährdender Absicht zu Fuß über das
Rollfeld des größten deutschen Flughafens. Bundespolizisten stellen ihn nur
wenig später. Ahmad
P. ist Deserteur der afghanischen Armee und hatte im Jahre 2008 einen
Asylantrag gestellt, der kurze Zeit später abgelehnt worden war. Er lebte in
Passau und hatte größte Ängste vor einer Abschiebung. Seinem Bruder sagte er,
daß er sich umbringen werde, wenn er zurück müsse. Am
17. September erfolgt schließlich seine Abschiebung mit dem Flug FG 706 der
Ariana Afghan Airlines nach Afghanistan. FRat Bayern
17.9.10; jW 18.9.10; FRat
Bayern 21.9.10; taz 22.9.10; WAZ
9.12.10; Spiegel 25.7.12; Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 11. September 10 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Im Raum Aachen
kontrolliert die Bundespolizei einen syrischen Staatsangehörigen, der mit
einem Kraftfahrzeug von den Niederlanden unerlaubt eingereist ist. Da er sich
weigert, das Fahrzeug zu verlassen, wird er mit körperlicher Gewalt
herausgezogen, wobei er leichte Verletzungen erleidet, die anschließend
ärztlich versorgt werden müssen. Ein
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das
Aufenthaltsgesetz sowie gegen das Betäubungsmittelgesetz wird eingeleitet. BT DS 17/5561 18.
September 10 Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. In der Nacht wird ein
afrikanischer Flüchtling bei Boizenburg von zwei Nazis mit einer Bierflasche gegen den Kopf niedergeschlagen. Auch
als er bewußtlos am Boden liegt, treten die Täter weiter auf ihn ein. Die
Nazis flüchten schließlich, als ein PKW vorbeifährt. Der Afrikaner schleppt
sich blutend in das zwei Kilometer entfernt liegende Lager Horst. Hier
informiert er die Wachleute, die die Polizei und Sanitäter ordern. Erst am
nächsten Tag – nachdem er seine Aussage in Boizenburg gemacht hat und nachdem
Anzeige erstattet wurde – kommt er ins Krankenhaus, in dem er vier Tage lang
zur Behandlung bleibt. indymedia 26.9.10; LOBBI 20.
September 10 Bundesland Hessen. Vier Flüchtlinge aus dem Iran beginnen
einen öffentlichen Hungerstreik vor dem Rathaus in Kassel. Sie sind alle vor
ca. 10 Jahren in die Bundesrepublik geflüchtet und hatten Asyl beantragt, was
ihnen allen verwehrt wurde. Sie protestieren mit dieser Aktion gegen die sehr
schlechten Lebensbedingungen, unter denen sie als jahrelang geduldete
Flüchtlinge zu leiden haben. Sie protestieren auch gegen ihre über Jahre
drohende Abschiebung in das "Unrechtsregime der Mullahs". Am
12. Tag des Hungerstreiks wird der 30 Jahre alte Abbas Tadrisy mit
Kreislaufkollaps ins Elisabeth-Krankenhaus eingeliefert. Für ihn würde eine
Abschiebung in den Iran akute Lebensgefahr bedeuten, denn sein Name und sein
Foto waren auf einem Titel des Magazins "stern". Unter dem Motto
"Wir haben abgeschworen" hatte er sich so von der islamischen
Religion gelöst. Zudem ist er Mitglied im Zentralrat der Ex-Muslime. Er ist
werdender Vater, denn seine Freundin ist im siebten Monat schwanger. Am
15. Hungerstreik-Tag werden die 44-jährige Zahra Mahreganfa wegen
bedrohlicher Kreislaufschwäche und der 38 Jahre alte Hadi Africiabi mit
starken Bauchschmerzen und akuter Schwäche ins Krankenhaus eingeliefert.
Während Hadi Africiabi nach der Behandlung die Klinik am nächsten Tag wieder
verlassen kann, muß Zahra Mahreganfa einige Tage länger bleiben. Ein vierter
Hungerstreikender beendet seine Teilnahme an der Aktion wegen
gesundheitlicher Probleme. Am
4. Oktober beenden die Flüchtlinge ihre Protestaktion wie geplant. Sie haben
über 1000 Unterschriften gesammelt und einer größeren Öffentlichkeit ihre
Situation deutlich machen können. HNA 24.9.10; HNA 25.9.10; www.nordhessische.de 29.9.10; HNA 29.9.10; www.nordhessische.de 1.10.10; Protestbrief der
Kasseler Flüchtlinge 3.10.10; HNA 4.10.10 21. September 10 Erstaufnahmeeinrichtung
Nostorf-Horst in Mecklenburg-Vorpommern. Als ein junger afghanischer Flüchtling
erneut einen gelben Paß bekommt, der bedeutet, daß er noch etliche Monate in
diesem Lager bleiben muß, wirft er sich gegen eine Glastür, um sich zu
zerstören. Dabei verletzt er sich schwer und wird eventuell einen Finger
verlieren. Stark blutend kommt er ins Krankenhaus. indymedia.de 23.9.10 22.
September 10 Erstaufnahmeeinrichtung
Nostorf-Horst in Mecklenburg-Vorpommern. Der afghanische Flüchtling
Alireza Samadi beendet einen 12-tägigen Hungerstreik. Der 26-Jährige war während der ersten Tage des
Hungerstreiks für eine Nacht im Integrativen Gesundheitszentrum Boizenburg,
kam dann aber wieder zurück ins Lager und setzte den Hungerstreik fort. Am
16. September verschlechterte sich sein Gesundheitszustand deutlich. Einem
gerufenen Arzt gegenüber verweigerte er die Aufnahme von Essen und die
Annahme von Infusionen. Daraufhin wurde er am selben Tag zwangsweise in die
Psychiatrie des Krankenhauses Schwerin (vermutlich
Carl-Friedrich-Flemming-Klinik) eingewiesen, aber noch am selben Tag wieder
entlassen, da er auch dort die Aufnahme von Essen und Infusionen verweigerte. An
einem der folgenden Tage meldet sich Alireza Samadi aufgrund seines
angeschlagenen Gesundheitszustandes und auf Anraten von UnterstützerInnen,
die selbst im Lager untergebracht sind, beim dortigen Medizinischen Dienst,
um sich untersuchen und behandeln zu lassen. Die Antwort dort: "Was
wollen Sie, wir werden Sie morgen nach Afghanistan abschieben" Als
ihm im Dezember von seiner Rechtsanwältin mitgeteilt wird, daß die
Ausländerbehörde ihn über Hamburg nach Norwegen zurückschieben will, bricht
er völlig zusammen. Er wird als nicht flugfähig, suizidgefährdet, schwer
depressiv und mit der Diagnose Posttraumatische Belastungsstörung in einer psychiatrische
Klinik in Hamburg untergebracht und hier auch die nächsten Monate behandelt. (siehe weiter 7. Juni 12) taz nord
17.9.10; FRat HH 18.9.10; SVZ 20.9.10; HM
20.9.10; ndr 20.9.10; indymedia.de
23.9.10; dadp 23.9.10;
SVZ 23.9.10; ND 23.9.10; FRat 24.9.10; FRat HH 1.10.10;
Spiegel 4/2011 22. September 10 Erstaufnahmeeinrichtung
Nostorf-Horst in Mecklenburg-Vorpommern. Das Ehepaar E. aus Somalia wird von
einer Krankenschwester des Medizinischen Dienstes mit den Worten "You
are crazy, you are an idiot, Scheiße" beschimpft. Der Grund dafür ist,
daß die 20-jährige Frau E. am Tag zuvor aufgrund ihrer schon länger
andauernden gesundheitlichen Beschwerden mit Hilfe von UnterstützerInnen zu
einer gynäkologischen Praxis nach Boizenburg gebracht worden war. Sie hatte
vorher schon mehrmals erfolglos beim Medizinischen Dienst um eine Überweisung
in eine Facharztpraxis gebeten, jedoch nur den "Rat" von den
Angestellten bekommen, viel Wasser zu trinken und Schmerzmittel zu nehmen. In
der Boizenburger Praxis war festgestellt worden, daß die seit 13 Wochen
schwangere Frau in einer Klinik stationär behandelt werden müsse. Sie solle
am nächsten Tag – also heute – vom Lager aus ins Krankenhaus gebracht werden. Als
Frau und Herr E. heute der Aufforderung nachkommen und sich beim
Medizinischen Dienst melden, werden sie – wie oben beschrieben – beleidigt.
Sie erstatten Anzeige gegen die Krankenschwester. Schließlich
kommt Frau E. an diesem Tag noch ins Krankenhaus Hagenow und wird hier eine
Woche lang behandelt. indymedia 23.9.10; FRat HH 3.1.11 24. September 10 Bundesland Nordrhein-Westfalen. In der
Flüchtlingsunterkunft der Stadt Borken brennt es um 1.45 Uhr an mehreren
Stellen im Erdgeschoß. Da zu dieser Zeit keine weiteren Personen im Gebäude
sind, wird niemand verletzt. Die Polizei ermittelt einen 49 Jahre alten
Iraner als mutmaßlichen Brandstifter. Polizei Borken
24.9.10 25. September 10 JVA Volkstedt im Bundesland Sachsen-Anhalt. Ein
Abschiebegefangener wird stationär in die psychiatrische Abteilung der Helios
Klinik Hettstedt verlegt, nachdem er angegeben hat, in selbsttötender Absicht
eine Überdosis eines ihm verordneten Medikamentes zu sich genommen zu haben.
Er befindet sich seit 45 Tagen in Abschiebehaft. BT DS 17/10596; BT DS 17/10597 September 10 Erstaufnahmeeinrichtung
Nostorf-Horst in Mecklenburg-Vorpommern. Der afghanische Flüchtling Herr
E. leidet unter den Verletzungsfolgen von Folter. Sein Knie ist entzündet und
stark angeschwollen. Es besteht die Gefahr einer sich ausbreitenden
Infektion. Der Medizinische Dienst des Lagers verschreibt ihm ausschließlich
Paracetamol gegen die Schmerzen. FRat HH 10.9.10 September 10 Erstaufnahmeeinrichtung
Nostorf-Horst in Mecklenburg-Vorpommern. Der 25 Jahre alte Herr S. aus
Afghanistan leidet unter einer schweren Form der Schuppenflechte. Dieses
hatte bereits ein Hautarzt in Hamburg diagnostiziert und von einer Verlegung
nach Horst abgeraten. Der
Medizinische Dienst im Lager überweist Herrn S. an das Universitätsklinikum
Eppendorf. Da aber die Kostenübernahme nicht geklärt wird, kommt der Patient
nach einer Nacht wieder zurück ins Lager. Er müsse mit der Weiterbehandlung
warten, bis er wieder nach Hamburg zurückverlegt sei, wird ihm mitgeteilt. In
Horst bekommt er ausschließlich Paracetamol gegen die Schmerzen und Salben,
die wirkungslos bleiben. FRat HH 10.9.10 September 10 Erstaufnahmeeinrichtung
Nostorf-Horst in Mecklenburg-Vorpommern. Herr Sch. wurde bei einem
Bombenanschlag in Afghanistan an Hüfte, Schulter und Kopf schwer verletzt.
Jetzt leidet der 23-Jährige unter starken Schmerzen in Schulter und Kopf und
berichtet, daß er jeden Morgen mit Blut im Mund aufwache. Dieses würde von
Tag zu Tag mehr werden. Er hat bereits 5 - 6 mal beim Medizinischen Dienst
nach einer Behandlung gefragt, bekommt aber lediglich Paracetamol gegen die
Schmerzen. Er
solle sich gedulden, bis er wieder nach Hamburg zurückverlegt wird, was in
zwei Monaten sein wird. FRat HH 10.9.10 September 10 Erstaufnahmeeinrichtung
Nostorf-Horst in Mecklenburg-Vorpommern. Frau F. hat Nierensteine,
wodurch sich starke Schmerzen im Rückenbereich entwickelt haben. Vom
Medizinischen Dienst des Lagers werden ihr Paracetamol-Tabletten gegeben, die
ihr zusätzlich Magenprobleme bescheren. FRat HH 10.9.10 September 10 Erstaufnahmeeinrichtung
Nostorf-Horst in Mecklenburg-Vorpommern. Hier lebt eine Familie mit zwei
kleinen Kindern, von denen ein Junge schwer behindert ist und bereits fünf Ope-rationen
hinter sich hat. Weitere OPs sind geplant, die aller-dings nicht stattfinden
können, solange die Familie in diesem Lager sein mußt. indymedia.de
21.9.10 Herbst 10 Ein schwer traumatisierter Flüchtling erreicht die
Bundesrepublik und beantragt Asyl. Seine Flucht in einem kleinen Boot über
das Mittelmeer hätte ihn beinahe das Leben gekostet. In dem 12 Meter langen, mit 82 Personen völlig
überfüllten Schlauchboot befanden sich Flüchtlinge aus Eritrea, Äthiopien,
Nigeria und Somalia – davon 25 Frauen, zwei von ihnen waren schwanger. Sie
waren am 28. Juli 09 in Tripolis gestartet, doch schon am nächsten Tag war
das Benzin zu Ende und das Boot wurde manövrierunfähig. Auch das Trinkwasser
war viel zu knapp. Am
3. August 09 meldeten sich die Bootsflüchtlinge über ein Satelliten-Telefon
bei ihren Fluchthelfern in Tripolis und berichteten: "Wir treiben, einer
nach dem andern stirbt! Wir sind in der Nähe von Malta, schickt uns Hilfe!" Eine
Kontaktperson auf Malta – ein Flüchtling aus Eritrea – wurde alarmiert, und
dieser versuchte mehrmals, die Polizei und Küstenwache auf die Katastrophe
hinzuweisen. Er wurde nicht angehört und letztlich unter Bedrohungen
weggejagt. Am
14. August 09 wurde – von Angehörigen informiert – der Kölner Flüchtlingsrat
aktiv und informierte den maltesischen Justiz-Innenminister. Mindestens
zehn Schiffe fuhren an dem Schlauchboot vorbei, ohne etwas zur Rettung der
Flüchtlinge zu unternehmen. In ihrer Verzweiflung sprangen einige Flüchtlinge
ins Meer und schwammen auf die Schiffe zu, um Hilfe zu holen. Ein Flüchtling
schaffte es sogar, auf eines dieser Schiffe zu klettern, wurde von der
Mannschaft jedoch ins Wasser zurückgestoßen. "Nur ein Fischer hat uns
irgendwann etwas Brot und ein paar Flaschen Wasser rübergeworfen." Als
maltesische Marinesoldaten mit einem Beiboot an dem Schlauchboot anlegten,
fanden sie noch fünf lebende Personen vor. Anstatt die völlig geschwächten
Menschen zu retten, gaben sie ihnen Wasser, Brot und Schwimmwesten. Dann
füllten sie Benzin nach und setzten einen der Flüchtlinge an den Motor. Als
dieser zusammenbrach, setzten sie einen anderen Mann dort hin. Dann starteten
die Soldaten den Motor, weil die Flüchtlinge schlichtweg zu schwach dazu
waren. Dieses Beispiel der unterlassenen Hilfeleistung durch staatliche
Organe wurde von einem Hubschrauber der "Grenzschutzagentur"
FRONTEX fotografisch dokumentiert. Nachdem
die Soldaten die Flüchtlinge verlassen hatten, trieben sie das Schlauchboot
vor sich her – in Richtung Lampedusa. Am
20. August 09 erhielt der italienische Zoll in Messina die Nachricht von der
maltesischen Marine, daß sich ein Schlauchboot mit fünf Personen, das sie
seit einigen Tagen beobachteten, jetzt im italienischen Hoheitsgebiet
befände. Es sei ca. 19 Seemeilen von Lampedusa entfernt. Nach
23 Tagen Irrfahrt und Treiben auf dem Meer, nach dem qualvollen Sterben von
77 Mitfahrenden landeten noch zwei Männer, zwei männliche Jugendliche und
eine Frau aus Eritrea an der italienischen Küste an. Ein Jugendlicher und die
Frau wurden umgehend nach Sizilien ins Krankenhaus geflogen. Unter
den Bootsflüchtlingen befand sich auch der 20-jährige Bruder Abel von
Gergishu Yohannes aus Eritrea, der die Fahrt nicht überlebte. Schon
am 11. August 09 hatte Gergishu Yohannes von Deutschland aus mit Nachforschungen
über den Verbleib des Bootes begonnen. Nach Bekanntwerden des Dramas besuchte sie die
Überlebenden im Krankenhaus und in einem Internierungslager auf Sizilien. In
monatelanger Kleinarbeit beschaffte sie in neun Ländern in Afrika und Europa
54 Vollmachten. Es gelang ihr, 1.317 Angehörige und FreundInnen der Toten aus
Afrika, Australien, Kanada, USA und Europa in einer Interessengemeinschaft
zusammenzubringen. Sie forderten in einem Brief an den Rat der
Europäischen Kommission für Menschenrechte konsequente Aufklärung der
Katastrophe, Zugang zu den Überwachungsdaten und Feststellung der
Verantwortlichen. Zitat: "Ihr Leben hätte gerettet werden können, wenn
die Flüchtlinge als Menschen betrachtet worden wären und nicht als 'illegale
afrikanische Immigranten'." Mit Vollmachten der Angehörigen und FreundInnen
verklagte Gergishu Yohannes den italienischen Staat wegen unterlassener
Hilfeleistung mit Todesfolge in 72 Fällen. Diese Klage liegt auch zwei Jahre
später noch bei der Staatsanwaltschaft im sizilianischen Agrigento, ohne daß
Gergishu Yohannes irgend etwas über den Fortgang gehört und erfahren hat:
"absolut gar nichts", sagt sie in einem Zeitungsinterview. Am 8. September 12 verleiht die Stiftung Pro
Asyl ihr den Menschenrechtspreis für ihr Engagement. ND 22.8.09;
meltingpot 27.8.09; borderline
Jahresbericht 2009; WOZ 8.7.10; taz
7.10.11; Familien und
Freunde der betroffenen Flüchtlinge; ND 27.9.12; Antirassistische
Initiative Berlin Herbst 10 Der 21 Jahre alte afghanische Flüchtling H. G. wird über
München nach Budapest ausgeflogen, weil er in Ungarn als Asylbewerber
registriert ist. Er
wird umgehend inhaftiert und kommt für die nächsten drei Monate in das
Gefängnis von Nyírbátor, einer Kleinstadt nahe der rumänischen und
ukrainischen Grenze. Er
beschreibt die Haftbedingungen als katastrophal. Neben häufiger Mißhandlungen
seitens der Aufseher bekommen die Gefangenen stark sedierende Psychopharmaka.
"Sie gehen von Zelle zu Zelle mit einem Tablett voller Pillen ..... Die
Pillen machen, dass du aussiehst wie ein Zombie, und dein Gesicht bewegt sich
nicht mehr." Wenn die Gefangenen sich weigern, die Pillen zu schlucken,
dann drohen Schläge, bis sie es schließlich tun. Nach seiner Entlassung lebt er
bis Februar 2011 in einem trostlosen Lager am Rande der Stadt. Ungarn 2012 3. Oktober 10 Bundesland Nordrhein-Westfalen. In Duisburg-Baerl kommt es
um 1.30 Uhr im Flüchtlingsheim in der Voßbuschstraße zu einem Brand im
Sanitärbereich. Menschen kommen nicht zu Schaden. Polizei Duisburg
3.10.10 6. Oktober 10 Flughafen Frankfurt am Main. Eine vierköpfige Familie aus
Rheinland-Pfalz soll nach Belgrad abgeschoben werden. Der Vater kommt direkt
aus der Abschiebehaft; die Mutter und die beiden kleinen Kinder können nicht
gebracht werden, weil sie zum Zeitpunkt der Abholung nicht anwesend waren. Es
wird beschlossen, den Mann ohne seine Familie abzuschieben. Nach seinen
Aussagen ist seine Frau psychisch krank und sei außerstande, die Kinder zu
versorgen. Per Eilantrag entscheidet das Verwaltungsgericht, die Abschiebung des
Vaters auszusetzen und die Abschiebehaft aufzuheben, um die Familie
zusammenzuführen. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 7. Oktober 10 Flughafen Frankfurt am Main. In den Rückführungsräumen der
Bundespolizei befindet sich eine 70 Jahre alte Irakerin. Sie soll im Rahmen
einer Dublin-II-Rückführung nach Lyon in
Frankreich ausgeflogen werden. Die Frau macht einen kranken und verwahrlosten
Eindruck und nimmt Medikamente gegen hohen Blutdruck ein. Da keine
Flugtauglichkeitsbescheinigung vorliegt, wird ein Arzt, der an einem anderen
Fall eingesetzt ist, zu Rate gezogen. Er untersucht die Frau und stellt einen
zu hohen Blutdruck und einen zu hohen Blutzuckerwert fest. Die Rückschiebung
wird daraufhin abgebrochen. Auf
Nachfrage erklärt das Regierungspräsidium Darmstadt, daß der zuständigen
Zentralen Ausländerbehörde Gießen die Erkrankung der Irakerin nicht bekannt
sei. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 9. Oktober 10 Bundesland Bayern. Auf
einem Parkplatz bei Feucht werden der 22 Jahre alte Syrer C. D. und der
23-jährige E. F. – ebenfalls aus Syrien – von der Polizei festgenommen.
Obwohl die beiden Flüchtlinge Asyl erbitten, kommen sie in die JVA Nürnberg
in Abschiebehaft. Nach
dem Dublin-II-Abkommen sollen sie nach Italien
zurückgeschoben werden. Im
März 2011 – nach fünfeinhalb Monaten Gefangenschaft – kommen die beiden
Flüchtlinge frei und werden in die Erstaufnahmeeinrichtung Zirndorf
eingewiesen. Auf
Vorhaltungen über die Unverhältnismäßigkeit der Haftdauer erklärt der zuständige
Sachbearbeiter, daß die Flüchtlinge selbstverschuldet ihre Haft verlängert
haben, da sie den Rechtsweg eingeschlagen hätten. Alternativer
Menschenrechtsbericht 2011 14. Oktober 10 Bundesland Niedersachsen. Das Amtsgericht Northeim stellt ein
Strafverfahren gegen den 32 Jahre alten Ghassan El Zuhairy ein. Das Vergehen,
dessen der Iraker sich schuldig gemacht hat, sind Besuche seiner Ehefrau im
Landkreis Dessau – entgegen der Erlaubnis der Ausländerbehörde und somit
vierfache Residenzpflichtverletzungen. Ghassan
El Zuhairy war im Jahre 2002 in die Bundesrepublik geflüchtet und hatte Asyl
beantragt – seine Frau kam Ende 2009 nach Deutschland. Da die beiden
ausschließlich nach irakischem Ritual getraut waren, wurden sie in
verschiedenen Bundesländern untergebracht. Im Januar 2010 erfolgte ihre
Heirat nach muslimischem Recht – eine standesamtliche Heirat war und ist
aufgrund fehlender Papiere nicht möglich. In
den Jahren ihres Aufenthalts hatte Ghassan El Zuhairy immer wieder Anträge
zum Verlassen des Landkreises gestellt, um seine Frau zu besuchen. Sie wurden
von der Ausländerbehörde abgelehnt, weil eine Heiratsurkunde nicht vorgelegt
werden konnte. Wegen
Geringfügigkeit und weil Herrn El Zuhairy die Fahrten hätten genehmigt werden
müssen, spricht ihn das Gericht frei. FRat NieSa 1.9.10; HNA 3.9.10; FRat NieSa 15.10.10; HAZ 15.10.10 21. Oktober 10 Flughafen Hamburg. Der Inder Herr S. soll nach Delhi
abgeschoben werden. Er ist absolut mittellos, hat auch kein Gepäck und sein
Heimatdorf liegt ca. 900 Kilometer von Delhi entfernt. Abschiebebeobachtung
HH 2010 Oktober 10 Bundesland Bayern. Im Neuburger Flüchtlingslager lebt ein
gehbehinderter Iraker, der sich entweder nur mit Krücken oder im Rollstuhl fortbewegen
kann. Sein Zimmer mißt 14 Quadratmeter, ein Waschbecken gibt es nicht, und
der Weg zu den Duschen ist für den Enddreißiger schwer zu bewerkstelligen.
Einen Behindertenausweis hat der Flüchtling nicht bekommen. Das
Essen läßt er sich in der Regel von Mitbewohnern bringen. Das ändert sich,
als der Winter beginnt. Jetzt verlangt der Lagerleiter, daß Herr Rafik sich
das Essen selber abholt. Das ist bei Schnee und Glatteis für den Flüchtling
fast un möglich. Erst
Ende März 2011 bekommt der Mann einen Behindertenausweis und kann damit im
Umkreis von 50 km kostenlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Sein
Essen allerdings – das muß er sich weiterhin an der Essensausgabe persönlich
(!) abholen. AA 21.10.10; DW
Ingolstadt; Agnes Krumwiede
– Bündnis 90/Die Grünen Oktober 10 Der 17 Jahre alte Milad X. aus Afghanistan erreicht nach
einer zweijährigen Odyssee Frankfurt am Main und ist von den erlebten
Geschehnissen schwer traumatisiert. Nach
der Flucht durch Pakistan, den Iran und die Türkei wurde er im Spätsommer
2009 in Griechenland festgenommen und im Flüchtlingsknast Pagani auf der
Insel Lesbos gefangen gehalten. Zehn Wochen lang saß er zusammen mit 83 meist
minderjährigen Flüchtlingen in einer völlig überfüllten Zelle, bis die
Gefangenen gegen die katastrophalen Lebensbedingungen protestierten und
Decken und Matratzen anzündeten. Jetzt
erst wurde Milad X. entlassen – ohne irgendwelche Hilfsangebote für
Jugendliche zu erhalten. Es gelang ihm, mit dem Schiff nach Athen zu kommen,
wo er Zeuge rassistischer Übergriffe wurde. Auf der Fähre nach Italien wurde
er festgenommen, wurde nach Griechenland zurückgebracht und saß dort wieder
acht Wochen lang im Gefängnis. Seine Entlassung erfolgte hier erst nach einer
"weiteren schweren Selbstverletzung". In
Mazedonien wurde er wieder festgenommen und kam erneut mehrere Monate in
Haft. Im Februar 2010 erfolgte seine Festnahme in Ungarn, wo er auch Zeuge
von Mißhandlungen anderer jugendlicher Flüchtlinge durch die ungarische
Polizei wurde. Er
stellte hier einen Asylantrag, nachdem ihm mehrmonatige Haft und die
Rückschiebung nach Griechenland angedroht wurden. Die Altersfeststellung
erfolgte durch Röntgen des Schlüsselbeines. Aufgrund seiner Minderjährigkeit
wurde er nach Bicske überstellt und anschließend mehrere Tage in Isolation
gehalten. Die Lebensbedingungen waren hier sehr schlecht, und es gab wenig
Essen. Milad
X. floh weiter, und es gelang ihm tatsächlich, nach Norwegen zu kommen,
seinem eigentlichen Ziel, denn hier lebt seine Tante. Als er nach Ungarn
abgeschoben werden sollte, flüchtete er nach Schweden und stellte hier einen
erneuten Asylantrag. Schließlich
erreicht er im Oktober 2010 Frankfurt und findet hier in einer
Jugendeinrichtung für minderjährige Flüchtlinge Unterkunft. Auch jetzt droht
ihm wieder die Rück schiebung nach Ungarn. Da in den dortigen Akten sein Alter
– entgegen der ersten Eintragung – jetzt auf 30 Jahre (!) festgelegt wurde,
prophezeien ungarische Menschenrechtsorganisationen, daß ihn – sollte er
rückgeschoben werden – ein mehrmonatiger Gefängnisaufenthalt erwarte. Nachdem
die Überstellungsfrist nach Ungarn verstrichen ist, wird sein Asylantrag in
der Bundesrepublik geprüft. Pro Asyl – Tag
des Flüchtlings 2011; Bundesfachverband
für UMF 18.4.11; Ungarn 2012 Oktober 10 Bundesland Bayern. Der 21 Jahre alte Flüchtling Ali X. aus
Afghanistan wird nach knapp 5-monatigem Deutschland-Aufenthalt – entsprechend
dem Dublin-II-Abkommen – über München nach
Ungarn zurückgeschoben. Dort kommt er für drei Monate ins Gefängnis von
Nyirbàtor, einem Ort nahe der Grenze zur Ukaine. Die Lebensbedingungen sind
hier katastrophal. Nicht nur, daß er und seine Mitgefangenen regelmäßig von
den Schließern mißhandelt werden, sie werden auch gezwungen, stark sedierende
Psychopharmaka zu schlucken. "Sie gehen von Zelle zu Zelle mit einem
Tablett voller Pillen ..... Die Pillen machen, daß du aussiehst wie ein
Zombie und dein Gesicht bewegt sich nicht mehr." BV für UmF
18.4.11; Welcome to Europe Netzwerk Anfang November 10 Erstaufnahmeeinrichtung
Nostorf-Horst in Mecklenburg-Vorpommern. In der Kleiderkammer wird eine
Bewohnerin aus Bosnien-Herzegowina von Angestellten des Lagers am Kinn
festgehalten und ins Gesicht geschlagen. danach wird ihr der Arm umgedreht.
Sie muß die erlittenen Verletzungen in einem Krankenhaus in Hamburg behandeln
lassen. Drei
Wochen später will die Frau Anzeige bei Polizeibeamten in der
Erstaufnahmeeinrichtung erstatten. Sie wird zwar angehört, aber die Anzeige
wird nicht aufgenommen – ihr wird lediglich gesagt, daß mit den
Verantwortlichen gesprochen würde. FRat HH
18.11.10; FRat HH 3.1.11 4. November 10 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Bei einer Fahrscheinkontrolle
in der S-Bahn von Wuppertal-Oberbarmen nach Wuppertal-Hauptbahnhof wird ein
Marokkaner überprüft, der keinen Fahrschein bei sich hat. Als die
Bundespolizisten die Identität anzweifeln, erleidet der Mann einen
epileptischen Anfall. Er kommt per Rettungswagen ins Krankenhaus. Kurze
Zeit später erscheinen die Beamten im Krankenhaus und nehmen ihn fest, weil
gegen ihn wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und wegen
Abschiebung Haftbefehle vorliegen. Der Mann kommt am nächsten Tag in die
Justizvollzugsanstalt. Polizei Sankt
Augustin 4.11.10 5. November 10 Bundesland Bayern. Morgens um halb acht erscheint die
Polizei in der Regensburger Wohnung einer Flüchtlingsfamilie und nimmt die
Mutter in Abschiebehaft. Die 15-jährige Tochter und der 19-jährige Sohn
bleiben allein zurück. Die Abschiebung in die russische Kaukasus-Republik
Dagestan ist für den 11. November geplant. Mittels
einer Eilpetition an den Bayerischen Landtag, die die Mitglieder der
Regensburger Bürgerinitiative Asyl formulieren und aufgrund großer
Unterstützung der MitschülerInnen und LehrerInnen der Tochter und des
Arbeitgebers und der KollegInnen der Mutter wird die Abschiebung am 10.
November zunächst ausgesetzt. Am
24. November entscheiden die Abgeordneten des Petitionsausschusses
parteiübergreifend einstimmig, die Aufenthaltsentscheidung an die
Härtefallkommission abzugeben, was bedeutet, daß Mutter und Tochter mit hoher
Wahrscheinlichkeit ein Bleiberecht erhalten werden. Grund
für diese Regelung ist die Tatsache, daß die Familie als "gut
integriert" gilt und somit ein Bleiberecht bekommen sollte. Die
verwitwete Psychologin hat einen unbefristeten Arbeitsvertrag, der Sohn eine
Lehre begonnen und die Tochter gilt als hochbegabt und ist u.a. Streitschlichterin
in der Schule. Nach
einer Entscheidung der Innenministerkonferenz in Hamburg vom 1. November
sollen Jugendliche, die in der Bundesrepublik zur Schule gehen und als
integriert gelten, eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. jW 12.11.10; taz 15.11.10; FRat Bayern 22.11.10; Wochenblatt
23.11.10; br online
25.11.10 11. November 10 Dem Berliner Anwalt eines Vietnamesen gelingt es, mit der
Ausländerbehörde eine Vereinbarung zu treffen, die verhindert, daß sein
Mandant – entgegen der eigentlichen Planung – nach Vietnam abgeschoben wird. Die
Vereinbarung besteht darin, daß der Vietnamese "freiwillig" nach
Tschechien ausreist – die Ausländerbehörde im Gegenzug "zeitnah" über mehrere ältere
Ausweisungsverfügungen entscheidet. Der
Vietnamese – der Ende 30 ist - hat in Tschechien einen Aufenthalt. Um zu
seiner in Deutschland lebenden Freundin und ihrem gemeinsamen Baby zu kommen,
hatte er über seinen Rechtsanwalt mehrmals eine sogenannte Betretenserlaubnis
beantragt. Da die Entscheidungen der Behörde allerdings auf sich warten
ließen, war er mehrere Male ohne Erlaubnis zu seiner Familie in die BRD
gefahren. Wegen dieser "illegalen Einreisen" kam er im Frühsommer
in Abschiebehaft nach Berlin-Köpenick und sollte jetzt am 29. November zusammen
mit vielen anderen VietnamesInnen nach Vietnam abgeschoben werden. Die
vereinbarte "zeitnahe" Bearbeitung der Befristungsanträge bezüglich
der älteren Ausweisungsverfügungen durch die Ausländerbehörde ist auch im
Februar 2011 – trotz mehrfacher Mahnschreiben des Rechtsanwalts – noch nicht
erfolgt. MAZ 30.11.10; Dr. Ralf-Peter
Fiedler – Rechtsanwalt 12. November 10 Das Bremer Amtsgericht entscheidet die sofortige
Freilassung eines 25 Jahre alten Abschiebegefangenen aus Indien. Damit kommt
der schwerkranke Herzpatient nach sechs Monaten aus der Haft frei und kann
sich am 29. November einer Herz-Operation unterziehen. Der
Mann leidet unter einer Aortenklappen-Insuffizienz, die den Herzmuskel
verändert hat und die Sauerstoff-Versorgung nicht mehr ausreichend gewährleistet.
Trotzdem plante die Bremer Ausländerbehörde seine Abschiebung. Als ein
kardiologisches Gutachten die Todesgefahr während des langen Abschiebefluges
mit 1 zu 5 einschätzte, erklärte der zuständige Polizeiarzt den Mann für
"reisefähig". Die
Rechtsanwältin Christine Graebsch zog einen zweiten Herz-Spezialisten, Dr.
Peter Harfmann, zu Rate. Dieser forderte nach Studium der Krankenakte die
sofortige Operation des Inders. Ende Oktober lehnte die Ausländerbehörde
dieses weiterhin ab und zwar mit der Begründung, daß die
Einschätzung des Arztes "nur aus schriftlichen Unterlagen gewonnen"
sei. Daraufhin
untersuchte Dr. Harfmann den Abschiebegefangenen vor Ort im Polizeipräsidium
Bremen und kam zu dem Schluß, daß eine Operation "dringend" geboten
sei und ein Langstreckenflug ein 20-prozentiges Risiko für eine
"lebensgefährliche Verschlechterung" berge. Da
auch dieses Gutachten von der Ausländerbehörde mit dem Kommentar, der Inder
sei haft- und reisefähig, beantwortet wurde, reichte die Rechtsanwältin die
Klage vor Gericht ein. Der
Innensenator Ulrich Mäurer muß auf Intervention der Grünen in der
Bürgerschaft eingestehen, daß das zweite Gutachten des Dr. Harfmann in der
Ausländerbehörde zurückgehalten wurde und somit nicht dem Polizeiarzt zukam.
Der entsprechende Mitarbeiter der Behörde, der diesen
"gravierenden" Fehler gemacht hatte, wird seiner Aufgaben enthoben. Im
März 2011 lebt der Inder in einem Heim in Huchting. Nach seiner Reha-Maßnahme
teilt er sich das Zimmer mit zwei weiteren Männern. Bis zur nächsten
Bushaltestelle sind es vom Heim aus 20 Minuten Fußweg. Für den Herzkranken,
der noch nicht wieder Treppen steigen darf, sind somit Einkauf und
Arztbesuche extreme Belastungsproben. Er hat den Umzug in eine
Einzimmerwohnung beantragt. taz 29.11.10; taz 1.12.10; radio bremen 4.12.10; taz
6.12.10; WK 6.12.10; www.scharf-links.de 6.12.10; taz 17.3.11 13. November 10 Erstaufnahmeeinrichtung
Nostorf-Horst in Mecklenburg-Vorpommern. Der 2-jährige Sohn eines afghanischen
Flüchtlings erleidet einen schweren epileptiformen Anfall. Der Vater bittet
einen Angestellten, umgehend einen Arzt zu holen, weil er Angst um das Leben
seines Kindes hat. Der Angestellte verweigert dies mit dem Hinweis darauf,
daß am Montag, also zwei Tage später, der Medizinische Dienst des Lagers
besucht werden kann. FRat HH 18.11.10 14. November 10 Bundesland Thüringen. Die 25 Jahre alte Irakerin Nama Selo
bringt im Suhler Krankenhaus ein Mädchen zur Welt. Sie ist Bewohnerin des Flüchtlingslagers
Zella Mehlis, muß getrennt vom Kindesvater leben und bekam in den letzten
vier Monaten keinen Cent Bargeld ausgezahlt. Rüde Bemerkung eines
Behördenmitarbeiters: sie werde ja sowieso abgeschoben. jW 20.11.10; jW 21.12.10 14.
November 10 Landkreis Eichstätt im Bundesland Bayern. Eine 18-jährige
Frau aus Afghanistan und ein 21 Jahre alter Iraker, die im Flüchtlingsheim
Denkendorf wohnen, kommen aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes in
ein Krankenhaus. Die
beiden gehören zu den 25 BewohnerInnen, die seit dem 9. November die Annahme
von Essenspaketen boykottieren und aufgrund mangelnder Lebensmittel gar
nichts mehr gegessen hatten. Die
BewohnerInnen fordern: "Wir wollen Bargeld statt Essenspakete,
Bewegungsfreiheit und eine menschenwürdige Wohnung, statt in diesem Lager zu
wohnen. Wir wollen, daß man uns mit Anstand und Respekt behandelt, nicht so
wie die Lagerleiterin in Denkendorf oder das Landratsamt Eichstätt." Am
19. November beschließen 200 Flüchtlinge des Augsburger Flüchtlingslagers,
sich dem Boykott und den Forderungen anzuschließen und am 22. November
beginnen ca. 250 Flüchtlinge in Augsburg einen Hungerstreik. FRat Bayern
15.11.10; Radio IN 15.11.10; MM 15.11.10;.de 15.11.10; MbZ 15.11.10; FRat Bayern
16.11.10; taz 18.11.10; FRat Bayern 20.11.10; FRat Bayern 23.11.10; FR 24.11.10 16. November 10 Bundesland Bayern - Oberfranken. In einem Badezimmer des
Flüchtlingslagers Aub in der Hauptstraße 1 versucht ein iranischer Bewohner
in selbsttötender Absicht, sich an beiden Handgelenken die Pulsadern
durchzuschneiden. Er wird von MitbewohnerInnen gefunden, die erste Hilfe
leisten und den Krankenwagen rufen. Der
Verletzte kommt ins Krankenhaus, wo die offenen Wunden genäht und versorgt werden.
Nach über zwei Wochen wird er wieder entlassen. Ashkan Khorasani
- Mitbewohner 17. November 10 Bundesland Brandenburg. In einer Potsdamer Straßenbahn
beschimpft ein Rassist einen Flüchtling aus Kenia mit den Worten: "Du
Nigger, was machst Du in Deutschland". Nachdem er ihn bespuckt hat,
fordert er ihn auf, die Straßenbahn zu verlassen, um sich zu prügeln. VS-Bericht Brbg 29. November 10 Vom Berliner Flughafen Schönefeld startet eine Maschine
der russischen Fluggesellschaft Aeroflot, die über einen Zwischenstop in
Moskau 46 VietnamesInnen nach Hanoi ausfliegt. Die Flüchtlinge kommen direkt
aus der Abschiebehaft in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und
Eisenhüttenstadt. Unter
ihnen befindet sich der 23 Jahre alte Nguyen X., für den mit der Abschiebung
eine fünfjährige Odyssee endet. Losgeschickt als ältester Sohn einer armen
Bauernfamilie wurde er schon auf der Flucht nach Europa von der
Flucht-helfer-Organisation betrogen. Von Moskau aus ging der Weg zu Fuß
weiter nach West-Europa – über ein Jahr lang – mit Hunger und Kälte und in
Begleitung von wechselnden Schleppern. Er erlebte, wie eine Frau aus seiner
Gruppe von mehreren Schleppern vergewaltigt wurde und wie einem Flüchtling
beide Beine abfroren. In der Ukraine kam Nguyen X. wegen illegaler Einreise
für zwei Monate ins Gefängnis, in Polen wurde er von den Schleppern in einem
Erdbunker gefangen gehalten, um von seinen Eltern in Vietnam noch mehr Geld
zu erpressen. Als diese nicht zahlten, weil sie nicht zahlen konnten,
verschuldete Nguyen X. sich persönlich und wurde nach vier Monaten
freigelassen. Um
diese hohen Summen letztlich zurückzahlen zu können, begann der Mann zu
stehlen, und als die Delikte sich summierten, kam er für zwei Jahre ins
Gefängnis. Hier
infizierte er sich mit Hepatitis-C. Die Ausländerbehörde rechtfertigt die
Abschiebung des Infizierten mit dem Argument, daß die Krankheit noch nicht
ausgebrochen sei. Fakt ist jedoch, daß Nguyen X. sich bei Ausbruch der
Erkrankung in Vietnam die teuren Medikamente nicht leisten kann. "Als
einfacher Bauer hat er dort nicht die Möglichkeit, sich behandeln zu lassen,
und würde sterben", kommentiert der Jesuiten-Pater Ludger Hillebrand. ND 9.11.10; taz
11.11.10; TS 27.11.10; MAZ 30.11.10; TS
30.11.10; TS 6.12.10; taz
11.12.10; FRat Brbg November 10 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Im Remscheider
Flüchtlingsheim lebt ein alleinstehender Flüchtling, der offensichtlich
schwere psychische Probleme hat. Er ist zeitweilig orientierungslos, verwirrt
und liegt öfter krank auf dem Flur der Flüchtlingsunterkunft.
MitbewohnerInnen bringen ihn dann immer wieder in sein Zimmer zurück. Sie haben mehrmals die
Hausmeister gebeten, einen Arzt oder Krankenwagen zu rufen, was diese aber
nicht getan haben. Karawane –
Wuppertal Aufruf zur Demo
am 13.11.10 November 10 Landkreis Eichsfeld in Thüringen. Im Flüchtlingslager
Breitenworbis lebt Ilham Celilov mit seiner Frau und ihren drei Kindern.
Durch eine Bombenexplosion in Aserbaidschan hat Herr Celilov ein Bein
verloren, wodurch er jetzt im Lager große Probleme hat. Die Prothese paßt
nicht, so daß der Beinstumpf mittlerweile schwarz geworden ist. Die Kosten
für eine neue Prothese und für eine Operation übernimmt das Sozialamt nicht.
Nichts ist in diesem Lager behindertengerecht. Für
Herrn Celilov ist es beschämend, wenn er – auch vor Kinderaugen – sich in der
Gemeinschaftsdusche auf einem Bein hüpfend bewegen muß. Zum Einkaufen muß er
– wie alle anderen – kilometerweit laufen. jW 21.11.10 2. Dezember 10 Bundesland Hamburg. Nachdem der Rom Miroslav Redzepovic
(Redepovic) erfährt, daß seine Abschiebung für den 8. Dezember geplant ist,
versucht sich der 22-jährige Abschiebegefangene in der JVA Billwerder die
Pulsadern zu öffnen. Als dies nicht gelingt, knüpft er Schnürsenkel zusammen,
um sich in seiner Zelle zu erhängen. Bei
der Verteilung des Mittagessens wird er "noch atmend" gefunden und
kommt unter Beobachtung in einen besonderen Haftraum. Am nächsten Tag erfolgt
seine Verlegung in die psychiatrische Klinik Hamburg-Ochsenzoll. Miroslav
Redzepovic war am 16. November in der Hamburger Wohnung seiner Tante
festgenommen worden und saß seither in Abschiebehaft. Der 16. November war
der achte Todestag seines Vaters, der sich im Jahre 2002 im Syker Rathaus aus
Protest gegen die menschenverachtende Behandlung seiner Familie durch die
deutschen Behörden selbst verbrannt hatte. Zwei Jahre später wurde seine
Witwe mit fünf minderjährigen Kindern nach Serbien abgeschoben. Miroslav war
mit seinen 14 Jahren der Älteste. In
Serbien wurde er Opfer antiziganistischer Übergriffe. Er wurde mehrmals
zusammengeschlagen – nach seinen Angaben auch von der Polizei. Seit knapp
eineinhalb Monaten befand er sich wieder in Hamburg. Trotz
zwischenzeitlicher Verlängerung der Abschiebehaft wird Miroslav Redzepovic
Anfang Januar 2011 aus der Haft entlassen. Von
da an bekommt er eine psychiatrische Behandlung, die seine psychische
Situation wieder etwas stabilisiert. Mit der Ablehnung des Antrags auf
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen und durch die
amtsärztliche Bescheinigung, daß er "flugtauglich" sei, ist er
erneut von Abschiebung bedroht. Erst
Anfang Februar 2014 werden Miroslav Redzepovic durch das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) Abschiebehindernisse gemäß § 60 Abs. 7.
AufenthG zugebilligt. Sein Rechtsanwalt hatte gerichtlich erwirken können,
daß ein unabhängiges psychologisches Gutachten erstellt wird, in dem die
gesundheitszerstörenden Folgen einer Retraumatisierung durch Abschiebung nach
Serbien belegt wurden. Nach
18 Jahren Deutschland-Aufenthalt ist das Damoklesschwert einer drohenden
Abschiebung erstmals gebannt und für Miroslav Redzepovic ein Zustand
erreicht, aus dem endlich Sicherheit erwachsen kann. (siehe auch: 15. November 02) taz 8.12.10; Gruppe Roma Soli Bremen 9.12.10; FRat HH 9.12.10; ND 11.12.10; WK
13.12.10; taz 6.1.11; Hamburgische
Bürgerschaft DS 19/8120; Hamburgische
Bürgerschaft DS 20/469; taz 29.3.12; Schattenblick
5.4.12; FRat NieSa
5.3.14 6. Dezember 10 Flughafen Frankfurt am Main. Auf Veranlassung der
Stadtverwaltung Hameln in Niedersachsen soll ein Vater mit seinen zwei
minderjährigen Kindern nach Belgrad abgeschoben werden. Die Mutter ist
schwerkrank und befindet sich auf unabsehbare Zeit im Krankenhaus. Eine
Stunde vor dem Abflug erhält die Bundespolizei eine Fax-Mitteilung vom
Verwaltungsgericht Hannover mit der Aufforderung, die Abschiebung
abzubrechen. Auf
Nachfragen erklärt das Innenministerium Niedersachsen, daß die seitens der
Klinik abgegebenen Erklärungen zum Zustand der Mutter den Anforderungen eines
ärztlichen Attestes nicht entsprochen hätten und daß Aussagen eines Arztes
nicht wahrheitsgemäß waren. Vier
Wochen später wird die Familie gemeinsam nach Serbien abgeschoben. Abschiebungsbeobachtung
FFM 2010-2011 7. Dezember 10 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Die 48 Jahre alte Romni
Servete L. aus Heinsberg wird – einen Tag nach ihrer Festnahme – über den
Flughafen Düsseldorf in den Kosovo abgeschoben. Dies geschieht, nachdem ein
Amtsarzt seine vor drei Tagen gestellte Diagnose der Reiseunfähigkeit
revidierte und Frau L. für reisefähig in ärztlicher Begleitung festschrieb.
Dies geschieht trotz des NRW-Innenminister-Erlasses, der vom 1. Dezember bis
Ende März 2011 einen Abschiebestop für Roma und andere Minderheiten in den
Kosovo festlegt. Frau
L. war am 3. Dezember bei ihrem Versuch, ihre Duldung verlängern zu lassen,
festgenommen und dem Haftrichter in Geilenkirchen vorgeführt worden. Die
erfolgte Abschiebung ist demnach rechtswidrig. Frau
L. war vor 20 Jahren aus dem Kosovo in die BRD geflohen. 18 Jahre lebte sie
in Heinsberg – ständig mit Kettenduldungen. Sie ist kriegstraumatisiert und
herzkrank. Durch den jahrelangen Ausreisedruck, den die deutschen Behörden ausübten, verstärkten sich Depressionen und Panikattacken.
Amtsärztliche Untersuchungen bestätigen ihre Reiseunfähigkeit. Drei
Tage nach ihrer Abschiebung wird ihren beiden jüngsten 18 und 19 Jahre alten
Töchtern von der Ausländerbehörde Heinsberg mitgeteilt, daß sie einer
"freiwilligen" Ausreise zustimmen sollten, andernfalls würde ihre
Abschiebung am 10. Januar 11 stattfinden. Dem
Verein Forschungsgesellschaft Flucht und Migration gelingt es, die
Rechtswidrigkeit der Abschiebung von Frau L. zu skandalisieren, so daß sie
vor allem wegen des geltenden Abschiebungsstops voraussichtlich im März 2011
in die Bundesrepublik zurückkehren kann. Auch die beiden Töchter kann die
Ausländerbehörde nicht mehr wie geplant abschieben. Dennoch hält die Ausländerbehörde daran fest, Frau L. nach
ihrer Rückkehr nur eine Duldung für vier Monate zu erteilen und sie danach
erneut abzuschieben, wenn es nicht gelingt, dauerhafte Abschiebehindernisse
geltend zu machen. Auch die beiden Töchter müssen erst ihre
Integrationsbemühungen nachweisen, um längerfristig der Abschiebung zu
entgehen. FFM 10.12.10; AsZ 14.2.11; RP 12.2.11; RP 18.2.11; FFM - Eva Weber 7. Dezember 10 Bundesland Rheinland-Pfalz. In Mayen wird morgens um 5.00 Uhr
die Roma-Familie Tahiri aus dem Schlaf gerissen. Den Eheleuten Ismet und
Borka Tahiri und dem 14-jährigen Sohn Avdil wird 30 Minuten Zeit gegeben, die
Sachen zu packen. Dann geht es zum Flughafen Düsseldorf, von wo sie mit
vielen anderen Roma in den Kosovo abgeschoben werden. Unter ihrer Jacke trägt
Borka Tahiri noch den Schlafanzug, als sie in Prishtina ankommen. Mit 220
Euro ist die Familie hier völlig auf sich selbst gestellt. Die
47 Jahre alte Borka Tahiri ist schwer kriegstraumatisiert und leidet seit
ihrer Flucht aus Mitrovica (im Kosovo) an einer Posttraumatischen
Belastungsstörung. Seit 12 Jahren lebte die Familie in der Bundesrepublik,
und seit Jahren war Frau Tahiri in ständiger fachärztlicher Behandlung und
unterzog sich mit Unterstützung der Caritas Mayen einer speziellen
Trauma-Therapie. In einem nervenärztlichen Attest vom 18. November wird
festgestellt, daß sie nicht reisefähig ist. Weil
Frau Tahiri nach der Abschiebung – aufgrund ihrer Traumatisierung – auf
keinen Fall wieder nach Mitrovica zurückkehren kann, fährt die Familie nach
Süd-Serbien, wo andere Familienangehörige in großem Verbund und in absoluter
Armut leben. Mit
der Abschiebung erfolgt der unmittelbare Abbruch der psychiatrischen
Behandlung von Frau Tahiri, zudem gehen die Medikamente zu Ende und es ist
kein Geld für einen Arzt da. Kurz
nach dem Jahreswechsel bricht Frau Tahiri zusammen und fällt aufgrund einer
Hirnblutung ins Koma. Im Krankenhaus Kragujevac erliegt sie am 7. Januar 11
ihrem Leiden. Nach
Bekanntwerden ihres Todes stellt ihr Rechtsanwalt folgende Fragen: Wieso gab
es keine fachärztliche Untersuchung unmittelbar vor der Abschiebung? Warum
gab es keine Fachärzte und Hilfsorganisationen in Prishtina? Warum hat sich
Rheinland-Pfalz nicht dem von Nordrhein-Westfalen beschlossenen Abschiebestop
für Roma angeschlossen? Warum gab es keinen Abschiebeschutz für den
14-jährigen Avdil, denn nach dem Beschluß der Innenministerkonferenz vom 18.
November sollten geduldete, aber integrierte Jugendliche bis zu ihrem 18. Lebensjahr
bleiben dürfen? Aufgrund
der laut werdenden Kritik äußert sich der Innenminister von Rheinland-Pfalz,
Karl-Heinz Bruch, in der Presse über die "nicht glückliche Handlungsweise
insgesamt" und erwähnt die eventuelle Möglichkeit einer Rückführung von
Vater und Sohn. Zwei Wochen nach dem Tod von Borka Tahiri erklärt die
Landesregierung, daß Vater und Sohn nach einer Rückkehr ein humanitäres
Aufenthaltsrecht erhalten. Gleichzeitig wird die Übernahme der
Rückreisekosten verwei-gert. Erst nachdem die Arbeitsgemeinschaft für
Flüchtlinge Pro Asyl die Kosten übernimmt, dürfen die beiden Ende März wieder
einreisen. Jens Diekmann –
Rechtsanwalt 7.1.11; Pro Asyl
10.1.11; Rheinzeitung 11.1.11; FR 12.1.11; taz
13.1.11; jW 15.1.11; swr "Zur
Sache" 20.1.11; FRat NRW Januar
2011; Pro Asyl 1.4.11;
Spiegel 14.6.11 7. Dezember 10 Bundesland Sachsen. Im Bereich der Ortschaft Lengefeld
stellen Bundespolizisten elf irakische und einen iranischen Flüchtling. Nach
ihren eigenen Angaben sind sie in dem präparierten Laderaum eines
Lastkraftwagens von der Türkei über Griechenland in die BRD gefahren worden. Ein
irakischer Flüchtling muß aufgrund seines Erschöpfungszustandes in einer
Klinik behandelt werden. BT DS 17/5561 9. Dezember 10 Bundesland Bayern. Die 26 Jahre alte Amina F. aus
Aserbaidschan bekommt die Ablehnung auf ihren Brief von der Ausländerbehörde,
in dem sie eine Reiseerlaubnis zum Behandlungszentrum für Folteropfer exilio
in Lindau beantragt hatte. Dort sollte ein ausführliches Fachgutachten über
ihre Traumatisierung erstellt werden. Frau
F. ist in ihrer Kindheit in Aserbaidschan entführt und sexuell mißbraucht
worden und leidet seither unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung,
die sich unter anderem durch dissoziative Krampfanfälle äußert. Sie ist
psychisch schwer krank und suizidgefährdet. Mit dem Gutachten von exilio will
sie die Wiederaufnahme ihres Asylverfahrens aus gesundheitlichen Gründen
begründen. Der
Fachbeamte der Erlanger Ausländerbehörde Herr M. verweigert die
Reiseerlaubnis, fordert Frau F. jedoch auf, eine amtsärztliche Bestätigung
ihrer uneingeschränkten Reise- und Flugtauglichkeit (!) für ihre Fahrt nach
Lindau (!) selbst beizubringen. Die
Abschiebung von Frau F. ist behördlicherseits geplant. In einem Teil ihrer
Ausweisungsbegründung stellt Herr M. sie als "notorische
Straftäterin" dar, die eine "Gefährdung der öffentlichen
Sicherheit" sei. Diese Äußerungen basieren auf Strafen, die vor Jahren – als Frau F. das Taschengeld
behördlicherseits komplett gestrichen worden war – aufgrund unbezahlter
Babynahrung und Zigaretten verhängt wurden und vor allem auf der eventuell
anstehenden Strafe wegen "illegaler" Wiedereinreise in die
BRD. (siehe auch: 21. August 07
und 12. Juli 11) Amina
F. war bereits am 26. September 05 erstmals in die BRD eingereist, um Asyl zu
beantragen. Nach Ablehnung des Antrags war sie nach Finnland geflüchtet,
wurde entsprechend dem Dublin-II-Abkommen nach
Deutschland zurückgeschoben, war dann "freiwillig" nach
Aserbaidschan ausgereist und kam im November 2007 zurück in die
Bundesrepublik. Im
April 2009 wird sie festgenommen und bricht am 30. April 09 vor dem
Haftrichter zusammen. Die Polizei bringt sie ins Krankenhaus, von wo aus sie
in die Krankenabteilung der JVA Aichach verlegt wird. Der Anstaltsarzt stellt
eine einfache Flugtauglichkeitsbescheinigung aus, sie bekommt eine Beruhi gungsspritze (Tavor) und wird dann in Begleitung von
Bundespolizisten und einem Arzt abgeschoben. Kurz
darauf gelingt ihr die erneute Einreise in die BRD, und sie wird wieder
festgenommen. Schließlich diagnostiziert ein Gutacher, daß sie durch ihre
häufigen Anfälle, die z.T. über eine Stunde anhalten, haftunfähig ist, so daß
sie entlassen werden muß. Später
gelingt es den Betreuerinnen von Frau F., den Umzug nach Nürnberg zu
erwirken, so daß sie jetzt fachärztlich behandelt werden kann. Am
16. November 11 spricht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
ein Abschiebeverbot gemäß § 60 Gemeinsame
Presseerklärung am 29.11.11: FRat Bayern,
ai-Ortsgruppe Erlangen, Ausländerbeirat
Erlangen, Internationales
Frauencafé Nürnberg, Flüchtlingsunterstützung
Erlangen, Ehrenamtliche
Flüchtlingsbetreuung Erlangen; Radio Z
29.11.11; Erlanger Nachrichten 30.11.11; Internationales
Frauencafé Nürnberg 15.12.11; NN 14.1.12; jW
20.1.12; Alternativer
Menschenrechtsbericht 2011; Internationales
Frauencafé Nürnberg 13. Dezember 10 Bundesland Hessen. Die Polizei umstellt das Frauenhaus in Kassel,
nimmt eine 27 Jahre alte Kurdin fest und bringt sie in die JVA Kaufungen.
Ihre beiden Kinder, ein 7-jähriges Mädchen und ein 8-jähriger Sohn, bleiben
zunächst zurück. In
einer weiteren Aktion am nächsten Tag werden die Kinder abgeholt und zusammen
mit ihrer Mutter über Frankfurt in die Türkei ausgeflogen. Dies
geschieht, obwohl sowohl der Polizei als auch den Behörden bekannt ist, daß
die Frau einen Asylfolgeantrag gestellt hat. Die
Kurdin war als 17-Jährige von ihrer Familie gezwungen worden, unter falschem
Namen in die Bundesrepublik einzureisen und einen von der Familie
ausgesuchten Mann nach muslimischem Recht zu heiraten. Nachdem sie sich jetzt
von diesem gewalttätigen Mann getrennt hatte, wurde sie mit Bedrohungen –
sowohl von ihrer Familie, als auch von der des Mannes – so sehr unter Druck
gesetzt, daß sie Schutz im Frauenhaus suchte. Auch
klärte sie die Ausländerbehörde Uelzen über ihre falsche Identität auf. Die
Folge war eine Strafanzeige wegen Betrugs und Urkundenfälschung und wegen der
Einreise unter falschem Namen vor zehn Jahren, ein Haftbefehl und schließlich
die Einleitung ihrer Abschiebung. HNA 17.12.10;
indymedia 16.12.10; Frauenhaus
Kassel 16.12.10; Autonomes Ref.
für Frauen und Geschlechterpolitik; www.nordhessische.de
21.12.10 13. Dezember 10 Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Ein 66 Jahre alter
Russe, der unter chronischer Schizophrenie leidet, wird aus der Haft heraus
abgeschoben. Er ist in keiner Weise medikamentell eingestellt und demzufolge
völlig desolat und ohne Orientierung. Bereits
im Jahre 2009 hatten Ärzte in einem bayerischen Krankenhaus ihn für
reisefähig erklärt, allerdings erst nach längerer psychiatrischer Behandlung
in einem Krankenhaus und Sicherstellung, daß der Betroffene bei Ankunft einer
ärztlichen Behandlung zugeführt wird. Zu dem gleichen Urteil waren jetzt der
Polizeiärztliche Dienst in Berlin und ein externer Facharzt gekommen. Aus
"Fürsorgegründen" hatten sie allerdings empfohlen, "die
Ausreise auf dem Luftweg durchzu- führen". Damit stellt der Polizeiärztliche Dienst
bedenkenlos die Flug- und Reisefähigkeit fest und ignoriert die schwere
psychische Erkrankung des Mannes. Die
Rechtsanwältin des Kranken, die schon einmal dafür gesorgt hatte, daß er aus
der Abschiebehaft in Berlin entlassen werden mußte, weil die
Abschiebehaftanordnung für rechts-widrig erklärt wurde, erwirkt auch jetzt
nach der Abschiebung das gleiche Ergebnis: am 21. März 11 erklärt das
Landgericht Berlin die Abschiebung für rechtswidrig. TS 12.12.10; BM 13.12.10; TS 15.12.10;ND 15.12.10; Beate Böhler –
Rechtsanwältin 17. Dezember 10 Bundesland Niedersachsen. Gegen 5.00 Uhr morgens wird dem
Autobahnpolizeikommissariat Ahlhorn ein Verkehrsunfall auf der Bundesautobahn
Nr. 1 in der Gemeinde Bakum bei Kilometer 175 gemeldet. Die Beamten finden
vor Ort einen beschädigten VW LT 35 mit französischem Kennzeichen. Das
Fahrzeug war rechts von der Fahrbahn abgekommen, hatte mehrere
Verkehrsschilder überfahren und war im Seitenraum zum Stillstand gekommen.
Das Fahrerhaus ist leer. Als
die Beamten die Türen des Laderaums öffnen, entdecken sie 15 männliche
Personen, von denen zwölf im Alter von 15 bis 17 Jahren sind. Einige können
sich mit dünnen Decken vor der Kälte schützen – ansonsten sitzen sie auf
provisorischen Sitzgelegenheiten und auf dem nackten Boden. Bis auf wenige
persönliche Gegenstände haben sie keine Gepäckstücke dabei. Sie geben an, aus
Afghanistan zu kommen. Sie
werden nach Braunschweig zur Außenstelle des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge (BAMF) gefahren. Polizei Cloppenburg
17.12.10; NWZ 18.12.10;
OlVZ 20.12.10 22. Dezember 10 Flüchtlingslager Zella-Mehlis im Bundesland Thüringen.
Polizeibeamte klopfen an die Tür des Zimmers einer aserbaidschanischen
Flüchtlingsfamilie und fordern den 40 Jahre alten Polat Ahmedov auf, ein
Papier zu unterschreiben, das er nicht versteht. Dann werden die Eheleute
gedrängt, mit ihrem 4-jährigen Sohn und der 11 Monate alten Tochter in eine
andere Wohneinheit des Heimes umzuziehen. Dort gibt es jedoch weder eine
Toilette noch eine funktionierende Elektrik. Dieser
plötzliche "Umzug" ist das Ergebnis des Versuches der Familie, für
die inzwischen chronisch kranken Kinder eine andere Unterkunft zu bekommen.
Bereits drei Monate nach Ankunft in diesem Lager bekamen sie chronischen
Husten und die Kinder auch häufiges Erbrechen, Unwohlsein und Kopfschmerzen.
Ein Arzt hatte der Familie ein Attest ausgestellt, daß ein Abklingen der
gefährlichen Symptome allein in einer separaten Wohnung und nicht in den
unhygienischen und schimmelpilzbelasteten Zimmern des Flüchtlingslagers
möglich ist. Anstatt nun die Familie über die Weihnachtstage in einem Hotel
unterzubringen, wird sie – wie oben beschrieben – innerhalb des Lagers nur
umgesetzt. jW 27.12.10 30. Dezember 10 Ibbenbüren in Niedersachsen. Um 3.00 Uhr morgens werfen
drei Personen leere Flaschen gegen die Hauswände des Flüchtlingslagers in der
Werthmühlenstraße – dabei rufen sie beleidigende Parolen. Dann schieben sie
ein Fahrrad vor das Gelände und treten mehrmals darauf herum. Als sie entdeckt
werden, laufen sie davon. Polizei
Steinfurt 30.12.10 Dezember 10 Bundesland Nordrhein Westfalen. Im Flüchtlingsheim des
sauerländischen Brilon lebt die kurdische Familie M. Ihr sieben Monate altes
Baby ist schwer herzkrank. Ein Schlauch windet sich aus dem Strampler und
führt zu einem Apparat, der den Herzschlag mit Pieptönen anzeigt. Die Mutter
des Kindes ist durch die derzeitigen Lebensbedingungen in diesem Lager an
Depressionen erkrankt. Herr
M. zeigt ein Foto von einer Kakerlake auf seinem Teppich: "Die kommen
abends, wenn wir unsere Matratzen ausrollen." RP 13.12.10 Dezember 10 Bundesland Nordrhein-Westfalen. Der minderjährige Mohammed
X. wird nach 45 Tagen Gefangenschaft in der JVA Büren entsprechend dem Dublin-II-Abkommen nach Ungarn abgeschoben. Mohammed
X. war 13 Jahre alt, als sich seine Eltern entschlossen, dem Terror einer
kriminellen Bande zu entfliehen und ihr Dorf in der ostafghanischen Provinz
Ghazni zu verlassen. Ihr Ziel war Deutschland. Doch schon an der türkischen
Grenze wurden die Eltern und die ältere Schwester von in die Luft schießenden
Grenzpolizisten festgenommen – Mohammed X. gelang die Flucht. Es
sollte vier Jahre dauern, bis er seine Eltern in Deutschland wiedersieht. Auf
dem Wege nach Norden wurde der Minderjährige in fast jedem Land, das er
erreichte, festgenommen. Er hatte Gefängnis-Aufenthalte in Griechenland,
Mazedonien, Serbien, Ungarn, Österreich, Holland und Deutschland. In Holland
traf er einen Mann aus seinem Heimatdorf, der ihm berichtete, daß seine
Eltern inzwischen in einem Flüchtlingslager in Eisenhüttenstadt leben würden. Auch
nach seiner Abschiebung aus der JVA Büren kommt Mohammed X. in Ungarn wieder
ins Gefängnis, aus dem er erst nach fünf Monaten freigelassen wird. Von
dem Geld seines Vaters kauft er sich ein Zug-Ticket und reist über Österreich
nach Deutschland ein. In Göttingen wird er erneut festgenommen und kommt in
Haft. Allein durch einen von der Kirche bezahlten Anwalt gelingt es, seine
Freilassung zu erwirken, so daß er einige Zeit später mit seinen Eltern in
einem Brandenburger Flüchtlingslager zusammenleben kann. TS 2.10.11 In den Jahren 2009 und 2010 Nach Auskunft der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
der Fraktion DIE LINKE kam es in Syrien zu fünf Fällen von Inhaftierungen von
abgeschobenen Flüchtlingen, wobei 14 Personen betroffen waren. Die Haftdauer
betrug zwischen drei Tagen und dreieinhalb Monaten. BT DS 17/3365 Im Jahre 2010 Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Als eine Asylbewerberin
aus Schweden nach einem Deutschlandbesuch die Fähre nach Schweden wieder
betreten will, wird sie von der Bundespolizei gestoppt. Mit der Begründung,
daß sie sich illegal im Lande befände, muß sie zurückbleiben, während ihr
schwedischer Lebenspartner mit dem gemeinsamen 1-jährigen Kind die Fähre
betreten darf. Auf
Geheiß der Polizei wird sie in ein Flüchtlingsheim gebracht, muß sich bei der
Ausländerbehörde melden, erhält eine Duldung, beantragt ihre freiwillige
Ausreise nach Schweden und muß das Ende des Rückkehrverfahrens abwarten. Als
ihr gesagt wird, daß dieses bis zu sechs Monate dauern kann, ist sie
schockiert. Durch
Unterstützung des Flüchtlingsrates gelingt es dann immerhin schon nach sechs
Wochen, daß die Frau den Weg nehmen kann, den sie sowieso gehen wollte: auf
die Fähre nach Schweden. Jetzt allerdings in Begleitung von Polizeibeamten. Human Place 2/10
6.7.10 Im Jahre 2010 Ein Flüchtling aus Algerien versucht sich zu töten, indem
er sich die Pulsadern aufschneidet. Der
Mann, der unter den Folgen schwerster Mißhandlungen in Algerien leidet, hatte
wochenlang bei seinem Arzt um eine Überweisung in die Psychiatrie gebeten.
Diese war ihm bisher verwehrt worden. Antirassistische
Initiative Berlin Im Jahre 2010 Flughafen Hamburg. Um 6.15 Uhr wird ein afghanischer
Flüchtling von Polizei-Beamten angebracht, der im Auftrag der
Ausländerbehörde Rostock um 7.00 Uhr über Prag nach Athen entsprechend dem Dublin-II-Verfahren zurückgeflogen werden soll.
Der Gefangene wird durchsucht, und ihm wird der Bescheid seiner Rückschiebung
übergeben, der jedoch nicht in einer ihm verständlichen Sprache abgefaßt ist.
Seine
Kleidung ist in sehr schlechtem Zustand, und er zeigt den Anwesenden Ekzeme
an Händen und Beinen, er beginnt zu zittern und fängt an zu weinen – wendet
sich dann beschämt von den Beamten ab. Als
die Beamten ihn auffordern, ihnen zu folgen, weigert er sich und sagt immer
wieder "No no good!". Nach einigen Überredungsversuchen bricht der
leitende Beamte der Bundespolizei die Rückschiebung ab und informiert die
zuständige Ausländerbehörde Rostock. Diese beharrt allerdings weiterhin auf
der Rückschiebung des Afghanen. Da die Flughafen-Polizei dieses nicht ohne
entsprechende Zwangsmaßnahmen durchsetzen könne, ordnet der verantwortliche
Beamte die Rückfahrt des Flüchtlings nach Mecklenburg-Vorpommern an. Drei
Tage später wird derselbe Mann – diesmal an Händen und Füßen gefesselt – von
Polizeibeamten in den Abfertigungsbereich hereingetragen. Er ist barfuß, er
zittert am ganzen Körper, und er hat die Augen geschlossen. Die
Ekzeme an seinen Händen und Beinen sind mit roter Tinktur getränkt. Die
Beamten, die ihn bringen, legen ihn im Durchsuchungsraum auf dem Fußboden ab
– er hat weiterhin die Augen geschlossen und rührt sich nicht. Die
Beamten legen der Bundespolizei ärztliche Atteste vor, die den Mann als
völlig gesund und flugreisetauglich bezeichnen. Trotzdem
bricht der leitende Beamte der Bundespolizei die Rückschiebungsmaßnahme ein
zweites Mal ab, und der Afghane wird – immer noch barfuß und gefesselt – in
den Polizeiwagen zurückgetragen und nach Mecklenburg-Vorpommern
zurückgebracht. Abschiebebeobachtung
HH 2010; Welt 15.8.11 Im Jahre 2010 Flughafen Hamburg. Ein syrischer Flüchtling soll in einem
zweiten Versuch nach sechsjährigem Aufenthalt in Deutschland in Begleitung
von drei Beamten und einem Arzt nach Damaskus ausgeflogen werden. Vor
dem Flug sitzt er mit einem Beamten im Rauchzimmer und erklärt, daß er eine
Frau mit zwei Kindern hinterlasse, und daß er sterben wird, wenn er
abgeschoben würde. Der
Beamte der Bundespolizei erklärt ihm – offensichtlich in der Absicht, den
stark zitternden Mann nicht noch weiter aufzuregen – daß ihm nichts passieren
kann, daß er jederzeit über die Deutsche Botschaft in Syrien ein Visum bekommen
könne, daß er jederzeit zu seiner Familie zurückkommen könne, weil seine Akte
nach der Abschiebung "geschlossen" würde – dies allerdings nur,
wenn er auf dem Flug "kein Theater" machen würde. Der
Syrer glaubt den Lügen des Beamten mit keinem Wort und sagt zu ihm auf der
Fahrt zum Flugzeug: "Du fliegst mit und hälst Deine Hand ins Wasser, ich
halte meine Hand ins Feuer." Der Beamte lacht daraufhin, der Syrer
schüttelt den Kopf und sagt: "Du verstehst nichts." Der
Beamte will erklärt haben, ob es sich um ein syrisches Sprichwort handelt.
Der Syrer schüttelt nur stumm den Kopf. Dann
wird er pünktlich und planmäßig ausgeflogen. Abschiebebeobachtung
HH 2010; Welt 15.8.11 Im Jahre 2010 Flughafen Hamburg. Es ist der zweite Versuch, einen
Flüchtling aus dem Irak abzuschieben. Da er beim ersten Abschiebungsversuch
passiven Widerstand leistete, begleiten ihn jetzt zwei Beamte der
Bundespolizei. Die Abschiebungsbeobachterin vermerkt: "Der Betroffene
macht den Eindruck, als wenn er unter Drogen stünde." Ein
Beamter sagt laut auf dem Flur: "Ach wenn der nicht will – ich kenne
Griffe, die tun richtig weh. Und dann klappt das schon!" Dann bringt er
den Gefangenen im Polizeigriff ins Flugzeug, obwohl dieser völlig ruhig ist. Abschiebebeobachtung
HH 2010 Im Jahre 2010 Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Durch Verschlucken von
Kleinteilen (Kunststoff), oberflächliche Schnittverletzungen oder
Selbstausübung stumpfer Gewalt (Tür/Wand/Gitter) haben sich sieben Gefangene
verletzt. (Drei Selbstverletzungen sind bereits dokumentiert) BT DS 17/10597 Im Jahre 2010 Im Bundesland Bayern befanden sich 48 minderjährige
Flüchtlinge in Abschiebehaft – davon waren vier Personen jünger als 16 Jahre
alt. Zwei
minderjährige Flüchtlinge waren länger als drei Monate und ein Jugendlicher
war länger als sechs Monate in Gefangenschaft. BT DS 17/10596; BT DS 17/10597 Im Jahre 2010 Im Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick befanden sich acht minderjährige
Flüchtlinge in Abschiebehaft – davon war eine Person jünger als 16 Jahre alt. BT DS 17/10597 Im Jahre 2010 Im Bundesland Brandenburg befanden sich fünf minderjährige
Flüchtlinge in Abschiebehaft. BT DS 17/10597 Im Jahre 2010 In Bremen befand sich ein minderjähriger Flüchtling in
Abschiebehaft. BT DS 17/10597 Im Jahre 2010 In Hamburg befanden sich drei minderjährige Flüchtlinge in
Abschiebehaft – davon war eine Person jünger als 16 Jahre alt. Ein
minderjähriger Flüchtling war länger als drei Monate in Gefangenschaft. (Eine Inhaftierung ist bereits dokumentiert) BT DS 17/10596; BT DS 17/10597 Im Jahre 2010 Im Bundesland Hessen befanden sich fünf minderjährige
Flüchtlinge in Abschiebehaft. BT DS 17/10597 Im Jahre 2010 Im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern befanden sich drei
minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft – davon war eine Person jünger als
16 Jahre alt. BT DS 17/10597 Im Jahre 2010 Im Bundesland Niedersachsen befanden sich sieben minderjährige
Flüchtlinge in Abschiebehaft – davon war eine Person jünger als 16 Jahre alt. BT DS 17/10597 Im Jahre 2010 Im Bundesland Nordrhein-Westfalen befanden sich zwei
minderjährige Flüchtlinge in Abschiebehaft. BT DS 17/10597 Im Jahre 2010 Im Bundesland Rheinland-Pfalz befand sich ein
minderjähriger Flüchtlinge in Abschiebehaft. Dieser war länger als drei
Monate in Gefangenschaft. BT DS 17/10596; BT DS 17/10597 Im Jahre 2010 Im Saarland befanden sich zwei minderjährige Flüchtlinge in
Abschiebehaft – sie waren beide jünger als 16 Jahre alt. BT DS 17/10597 Im Jahre 2010 Im Bundesland Sachsen befanden sich 20 minderjährige
Flüchtlinge in Abschiebehaft – davon war eine Person jünger als 16 Jahre alt. BT DS 17/10597 Im Jahre 2010 Bundesland Schleswig-Holstein. Neun jugendliche
Flüchtlinge werden von der Bundespolizei festgenommen und kommen ins
Abschiebegefängnis Rendsburg. Drei Jugendliche sind aus Afghanistan, jeweils
ein Jugendlicher kommt aus Somalia, dem Iran, Palästina, dem Irak, Algerien
und von der Elfenbeinküste (Côte d'Ivoire). Acht
von ihnen werden in ein europäisches Drittland abgeschoben (Norwegen,
Italien, Belgien, Niederlande, Österreich, Irland) – ein Jugendlicher wird
nach Einlegen einer Haftbeschwerde entlassen und nach § 42 SGB VII Kinder-
und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz in einer Jugendhilfeeinrichtung
untergebracht. Der Schlepper
Nr. 53 Herbst 2010 Der Schlepper
Nr. 55/56 Juli 2011; BT DS 17/10597
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