zur Hauptseite                                               Zusammenfassung  2014

Kürzel-Erklärung

Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und
ihre tödlichen Folgen 
2014

 

Anfang Januar 14

 

Bundesland Bayern. In der Asylunterkunft der Stadt Amberg verletzt sich eine 42 Jahre alte Tschetschenin mit Schnitten an beiden Armen. Sie kommt zunächst in die geschlossene Psychiatrie des Bezirkskrankenhauses Regensburg.

    Die Stadt Amberg hatte die Rückschiebung der Frau und ihrer drei Kinder, von denen zwei minderjährig sind (5 und 15 Jahre alt), für den 15. Januar nach Polen angekündigt und bei "Verzögerung" mit Abschiebehaft gedroht.

Regensburger Flüchtlingsforum;

Antirassistische Initiative Berlin

 

1. Januar 14

 

Berlin-Hellersdorf, Flüchtlingsunterkunft in der Carola-Neher-Straße. Zwei Unbekannte zünden nachts gegen 1.20 Uhr zu vor an der Eingangstür des Gebäudes befestigte Knallkörper. Durch die Detonation gehen zwei Glasscheiben zu Bruch, verletzt wird niemand.

   Sicherheitsbeamte entdecken kurze Zeit später in einem noch leer stehenden Nebengebäude der Unterkunft in der Maxie-Wander-Straße ebenfalls eine durch Böller beschädigte Eingangstür.

   Später wird bekannt, daß auch die benachbarte Kita mit Böllern attackiert wurde. In der Kita trifft sich regelmäßig der Verein ''Hellersdorf hilft'', der sich im Sommer 2013 gegründet hatte, nachdem es auf einer Informationsveranstaltung zur geplanten Asylunterkunft im Juli 2013 zu extrem rechten und rassistischen Äußerungen gekommen war.

   Der Staatsschutz nimmt zu den Anschlägen die Ermittlungen auf.

   In den folgenden Tagen und Wochen kommt es immer wieder zu rassistisch motivierten Vorkommnissen, die sich gegen die Unterkunft wenden: Am 4. Januar werden von drei Männern Papierschnipsel, auf denen ''Nein zum Heim!'' sowie ''Ja zu Deutschland'' zu lesen ist, im Umkreis der Unterkunft an verschiedenen Stellen verteilt. Zwei Tage später urinieren gegen 0.20 Uhr zwei 23- und 25-jährige Männer vor dem Gebäude und eine 18-Jährige grölt lauthals, zudem werden Aufkleber ''Nein zum Heim'' und ''Wir wollen keine Asylbewerberheime – Deutschland stellt sich quer'' an das Gebäude geklebt. Am 19. Januar drehen zwei rechte Musiker in Begleitung von acht weiteren Personen vor dem Gebäude ein Musikvideo.

 (siehe auch: 27. Januar 14; 14. März 14; 30. August 14 und 10. Oktober 14 ).

BM 1.1.14; taz 3.1.14;

BT DS 18/1593;

suburbanhell.org

 

3. Januar 14

 

Baden-Württemberg, Aichtal-Grötzingen im Kreis Esslingen. In einem Nebenzimmer des Haupthauses einer Unterkunft für Flüchtlinge in der Nürtinger Straße bricht gegen 3.00 Uhr ein Feuer aus. Zwei BewohnerInnen kommen mit leichten Rauchgasvergiftungen ins Krankenhaus, 12 weitere BewohnerInnen können von Rettungskräften in Sicherheit gebracht werden.

    Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt im Februar einen 26-jährigen algerischen Bewohner, der seine Matratze angezündet hatte und dann sein Zimmer verließ.

    Im Prozeß gegen den Algerier, der Anfang Oktober mit einer 5-jährigen Gefängnisstrafe endet, diagnostiziert ein Sachverständiger eine Borderline-Störung und eine starke Alkoholabhängigkeit.

    Als Motiv vermuten die Richter die unerträglichen Zustände in dem Flüchtlingsheim: Der Algerier lebte seit längerem in einem 4-Mann-Zimmer. Bereits sieben Wochen vor dem Brand kündigte er der Sozialarbeiterin gegenüber an, er werde ein Feuer legen, wenn er nicht anders untergebracht werde.

    Während des Prozesses bestreitet der Mann die Tat und droht im Fall einer Verurteilung mit Suizid.

dpa 4.1.14; StZ 4.10.14

 

4. Januar 14

 

Söhre im niedersächsischen Landkreis Hildesheim. Gegen 1.30 Uhr dringen acht Männer in die Wohnung einer Roma-Familie ein, nachdem der Familienvater auf das heftige Klopfen hin die Tür geöffnet hat. Augenblicklich trifft ihn eine Faust, die eine Pistole umklammert, ins Gesicht.

    Die Täter sind zwischen 25 und 30 Jahre alt, einige tragen Glatze und Springerstiefel, treten äußerst aggressiv auf und verlangen Geld. Mit den Ersparnissen der Familie von 1300 Euro steigen sie in zwei Autos und fahren davon.

    Das überfallene Ehepaar flüchtet mit seinen Kindern im Alter von wenigen Monaten bis zu zehn Jahren zu den Nachbarn. Diese benachrichtigen die Polizei.

    Schon am Tag zuvor war ein PKW mit vier Insassen vor dem Wohnhaus aufgefallen. Die Männer waren ausgestiegen und hatten versucht, in die im Erdgeschoß liegende Wohnung zu spähen, und gegen Fenster und Türen geklopft. Die Familie meint, unter den Tätern des Überfalls die vier Männer wiederzuerkennen.

    Sie kommt zunächst bei Bekannten unter, weil die Angst zu groß ist, in die Wohnung zurückzukehren.

    Die Polizei ermittelt wegen bewaffneten Raubüberfalls.

FRat NieSa 14.1.14; ND 15.1.14;

FRat NieSa 17.1.14; HAZ 17.1.14;

HAZ 18.1.14

 

8. Januar 14

 

Bundesland Bayern. Ein Flüchtling bemerkt morgens um 4.45 Uhr einen Brand an der Nordseite der mittleren von drei Baracken der Flüchtlingsunterkunft in Germering. Zugleich sieht er einen ca. 30 Jahre alten Mann, der vom Brandort wegläuft. Der Flüchtling, selbst Bewohner des jetzt brennenden Gebäudes, weckt seine schlafenden Mitbewohner, so daß alle zehn Personen unverletzt ins Freie gelangen.

    Als die Feuerwehren eintreffen, hat sich das Feuer bereits an der holzverkleideten Außenfassade bis zum Dachstuhl ausgebreitet. In dem brennenden Gebäudetrakt befinden sich neben den Wohneinheiten auch die Verwaltungsbüros der Asylbewerber-Unterkunft, die von der Regierung Oberbayerns betrieben wird.

    In den drei langen Flachbauten, die am Rande der Stadt – umgeben von Feldern und Schrebergärten – frei zugänglich stehen, leben derzeit ca. 60 Menschen aus Afghanistan, Afrika und dem Nahen Osten.

    Nach Beginn der Ermittlungen wird bekannt, daß bereits um 2.45 Uhr eine Person von einem Zeugen beobachtet wurde, die sich an der Nordseite zu schaffen machte. Auch wurde am frühen Morgen von einer Hundebesitzerin ein Auto auf dem Parkplatz neben dem Lager gesehen.

    Nach ersten Meldungen schließen die Ermittler der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck ein "ausländerfeindliches Motiv" nicht aus. Nur einen Tag später wird diese Aussage relativiert, ohne daß sich eine konkrete Veränderung der Beweislage ergeben hat. Das Argument, daß ein "Übergreifen der Flammen" auf den Schlaftrakt für "unwahrscheinlich" gehalten wird, reicht aus, um der Öffentlichkeit mitzuteilen, daß es "momentan keine Hinweise auf eine fremdenfeindliche Tat wie den Einsatz von Brandbeschleunigern oder Beschmierungen zur Übermittlung einer Botschaft" gebe.

    Nach Kritik am vorschnellen Ausschluß möglicher rassistischer Motive lenkt die Polizei ein und zieht diese wieder in Betracht. Drei Wochen nach dem Brand setzt die Polizei eine Belohnung von 2000 Euro für Hinweise auf den Täter aus.

    Auch im Februar 2015 dauert die Suche nach dem oder den Tätern noch an.

SD 8.1.14; Zeit 8.1.14; MM 8.1.14;

AZ München 8.1.14; ND 9.1.14;

SD 10.1.14; ND 10.1.14;

Focus 11.1.14; MIGAZIN 14.1.14;

ND 30.1.14;

Polizei Ingolstadt 6.2.15

 

9. Januar 14

 

St. Georgen in Baden-Württemberg. Nachdem der 24 Jahre alte Tamile Y. A. am Nachmittag erfahren hat, daß er aus Deutschland in die Schweiz zurückgeschoben werden soll, schreibt er einen Brief und nimmt gegen 23.00 Uhr ca. 40 Tabletten des Psychopharmakons Seroquel® 25mg zu sich, um sich zu vergiften.

    Eher zufällig wird er von Mitbewohnern gefunden und ins Schwarzwald-Baar-Klinikum Villingen-Schwenningen gebracht, wo er zunächst auf die Intensivstation kommt.

    Die Tabletten, die er von seinem Hausarzt verschrieben bekam, hatte er in den letzten drei Wochen gesammelt, anstatt sie täglich einzunehmen.

    Nach der Entgiftung wird der Mann in der psychiatrischen Fachklinik Vinzenz-von-Paul-Hospital in Rottweil untergebracht.

    Aufgrund mehrerer Aufenthalte in srilankischen Foltergefängnissen leidet Y. A. unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung mit Intrusion, Albträumen, Flashbacks und Begleitdepression. Er hat demzufolge panische Angst vor einer Abschiebung nach Sri Lanka. Auch durch den Aufenthalt in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung besteht die Gefahr der weiteren Traumatisierung.

    Mitte April befindet er sich immer noch in stationärer Behandlung der Klinik.

Gemeinsam anders leben;

SK 21.1.14

 

12. Januar 14

 

Wohratal im Landkreis Marburg-Biedenkopf, Bundesland Hessen. In den frühen Morgenstunden greifen vier Männer zwischen 18 und 19 Jahren das Asylbewerberheim an, in dem ca. 50 Menschen – überwiegend Familien mit Kindern aus Pakistan, Afghanistan und dem Irak – leben. Nachdem sie Rolläden beschädigten und die Tür zu dem Gebäude gewaltsam öffneten, dringen sie in die Unterkunft ein und treten dort mehrere Türen ein. Sie randalieren etwa eine halbe Stunde lang und richten einen Sachschaden von mehreren tausend Euro an. Die Täter flüchten vor dem Eintreffen der Polizei, können aber am Abend vorübergehend festgenommen werden.

    Eine schwangere Bewohnerin wird durch die Aufregung des Angriffs vorsorglich in ein Krankenhaus gebracht, kann es aber am selben Tag wieder verlassen.

    Die Polizei spricht von ''unklaren Motiven'' der Täter. Allerdings ist einer der vier verdächtig, in einem Auto gesessen zu haben, aus dem heraus im Dezember 2013 verfassungsfeindliche Parolen vor derselben Unterkunft gerufen wurden.

    Im Juni 2014 werden die vier Täter, die aus Kirchhain und Wohra kommen, vom Jugendschöffengericht Marburg schuldig gesprochen. Sie erhalten eine zweijährige Bewährungsstrafe, 2 Wochen Dauerarrest und müssen 30 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

mittelhessen.de 12.1.14; nh24.de 12.1.14;

hr 13.1.14; HNA 23.6.14;

BT DS 18/1593

 

Mitte Januar 14

 

Torgelow-Drögeheide im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Zwischen dem 4. und 15. Januar werden jeweils zwei Knallkörper auf den Balkon einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in der Ahornstraße geworfen. Die Knallkörper zünden, richten aber keinen Sachschaden an.

    In der Wohnung der Gemeinschaftsunterkunft leben vier Flüchtlinge.

    Am 2. März 14 werden gegen 4.00 Uhr die Reifen bei 13 von 18 Fahrrädern, die vor dem Gebäude stehen, von Unbekannten zerstochen.

    TäterInnen konnten von der Polizei in beiden Fällen nicht ermittelt werden.

Polizei Neubrandenburg 9.2.15;

 BT DS 18/1593

 

17. Januar 14

 

Berliner Bezirk Neukölln. Einige Flüchtlinge aus dem Protest-Camp am Oranienplatz sind auf dem Weg zu einem Gespräch mit der Integrationssenatorin Dilek Kolat, als sie kurz vor 10.00 Uhr in der U-Bahn in eine Fahrscheinkontrolle geraten. Als die Kontrolleure bei einem Mann ein Ticket sehen, das erst ab 10.00 Uhr Gültigkeit hat, wird die ganze Gruppe unter rassistischen Beleidigungen aufgefordert, am U-Bahnhof Herrmannplatz den Zug zu verlassen.

    Einer der Betroffenen, ein 41 Jahre alter Mann, legt sich aus Protest gegen die Maßnahme auf die U-Bahn-Gleise und weigert sich, freiwillig wieder auf den Bahnsteig zurückzukommen. Der Betrieb der U-Bahn-Linie 7 muß deshalb unterbrochen werden.

    Die gerufene Polizei ordert zusätzliche Unterstützung an, so daß schließlich 20 Beamte auf dem Bahnhof tätig werden. Napuli Paul Langa, die zwar ein gültiges Ticket, jedoch kein Personalpapier bei sich hat, wird auf dem Bahnhof "zu Boden geführt", in Handfesseln gelegt und von der Polizei mitgenommen. Sie berichtet, daß beim Abnehmen ihrer Fingerabdrücke bis zu sechs Beamte am Boden auf ihr gesessen haben: "Sie haben mir einen Eimer über den Kopf gestülpt.", sie wird als "Monkey" beleidigt, und ein Beamter sagt zu ihr: "I fuck you in the ass."

    Nach Napuli Langa, die im Sudan Folter erleben mußte, wird mehrmals getreten, als sie in Handschellen gefesselt auf dem Boden liegt. Nach sieben Stunden wird sie mit blutender Lippe, Prellungen und Hämatomen am linken Arm, an der Schulter, am Hals und am rechten Bein freigelassen. Sie begibt sich sogleich in ein Krankenhaus, das sie nach medizinischer Behandlung am nächsten Tag wieder verlassen kann.

BZ 17.1.14; taz 20.1.14;

taz 21.1.14; ND 21.1.14;

Asyl Strike Berlin

 

18. Januar 14

 

In Berlin-Friedrichshain wird ein Asylbewerber von Unbekannten angegriffen und mit einem Messer lebensgefährlich verletzt. Da er wohnungslos und zudem wegen Drogenhandels der Polizei bekannt ist, schließen die Ermittlungsbehörden ein "politisches oder fremdenfeindliches" Motiv aus.

Konkret (TS, Polizei Berlin)

 

19. Januar 14

 

Kreis Mettmann in Nordrhein-Westfalen. Brand im Heiligenhauser Übergangswohnheim für Asylbewerber an der Ludgerusstraße. In der Nacht brennen im Sanitärbereich im zweiten Obergeschoß sowie im Treppenhaus im Erdgeschoß Matratzen. Der Brand kann durch die alarmierte Feuerwehr gelöscht werden; ein Bewohner erleidet leichte Rauchgasvergiftungen.

    Bereits zum siebten Mal innerhalb von drei Wochen brennt es in dem Gebäude bzw. auf dem Gelände: Am 16. Januar brannten Müllcontainer vor der Unterkunft, in den Tagen davor gab es weitere Brände und Sachbeschädigungen in der Einrichtung.

    Die Staatsanwaltschaft Wuppertal konnte keine TäterInnen ermitteln, geht aber davon aus, daß die Brände von einem Bewohner selbst gelegt wurden, da Aussagen von BewohnerInnen diesen belasteten.

(siehe auch: 8. Dezember 13)

WAZ 16.1.14; WAZ 19.1.14; WAZ 24.1.14 ;

StA Wuppertal 9.12.14

 

20. Januar 14

 

Mittelmeer in der östlichen Ägäis. Der Motor des Fluchtbootes ist ausgestellt – trotz der Dunkelheit in dieser Nacht können die Passagiere bereits die Gischt der Wellen an den Felsen der griechischen Insel Farmakonisi erkennen. 27 Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien erhoffen mit dieser Überfahrt endlich das Ziel ihrer langen Flucht zu erreichen: Europa.

    Dann wird der Fischkutter von einem Patrouillenboot der griechischen Küstenwache entdeckt. Es legt neben dem Kutter an, zwei Beamte steigen über und befestigen ein ca. 10 Meter langes Tau. Damit wird das Fischerboot in Schlepp genommen und in zunehmend hoher Geschwindigkeit durch die stürmische See in Richtung Osten zur türkischen Küste gezogen. Nach ca. 10 Minuten reißt das Abschleppseil ein Stück vom Bug des Kutters heraus, so daß Wasser eindringt. Die Hilfeschreie der verzweifelten Flüchtlinge und die Bitten, sie in das viel größere Patrouillenboot hinüberzunehmen, werden von der Mannschaft ignoriert. Es werden auch keine Rettungswesten an die Flüchtlinge verteilt.

    Einige, die versuchen auf das Boot der Küstenwache zu gelangen, werden zurückgetreten. Ein Flüchtling, der versucht, einer ertrinkenden Frau ein Holz zu reichen, bekommt von einem Mann der Küstenwache einen Tritt gegen den Kopf.

    Gegen 2.13 Uhr sieht sich die griechische Küchenwache – nach eigenen Angaben – "gezwungen", das Tau zu kappen, so daß der Fischkutter in die Tiefe sinkt.

    Drei Frauen und acht Kinder aus Afghanistan sterben. Alle Kinder sind unter 12 Jahre alt. Mindestens acht Personen sind im gesunkenen Boot, andere verlassen die Kräfte im eisigen Meer.

    Erst als ein türkisches Patrouillenboot in die Nähe kommt, werden die Menschen aus dem Wasser gezogen und auf das griechische Boot gelassen – dadurch können 16 Personen die Katastrophe überleben: 14 Männer, eine Frau und ihr Baby.

    Unter den Überlebenden ist Sabur Azizi, der einige Stunden zuvor zusammen mit seiner Frau Elaha (28) und dem 11-jährigen Sohn Behzad an Bord gegangen war. Bei dem Unglück war sein Sohn in einer Kajüte unterdecks eingeschlossen – der Vater hörte seine verzweifelten Schreie und konnte ihm nicht helfen. Auch seine Frau überlebte die Überfahrt nicht.

     Zu den Überlebenden gehören auch der Cousin von Elaha Azizi, Fada Ahmadi, und zwei seiner älteren Söhne. Herr Ahmadi, der gar nicht schwimmen kann, fiel ins Wasser, spürte dort noch die Hand seiner Frau Malika (42) und "verliert" sie dann. Auch seine Kinder, der 10-jährige Muslim, der 11-jährige Moheb und die 13 Jahre alte Narges, ertranken.

    Die Hoffnung der beiden Familien, zu ihren Angehörigen nach Hamburg zu kommen und dort in Sicherheit leben zu können, hat sich zerschlagen.

    Da Griechenland als Teil der europäischen FRONTEX-Brigade die Aufgabe hat, die Grenzen gegen Flüchtlinge abzuschotten, stellt sich nach dieser tödlichen "Push-Back-Operation" die Schuldfrage, denn das Zurückziehen von Flüchtlingsbooten aus europäischen Gewässern ist generell illegal. Der FRONTEX-Chef Ilkka Laitinen schiebt die Verantwortlichkeit an die griechische Küstenwache und an die Mannschaft des Patrouillenbootes. Diese stellt die von den Überlebenden geschilderten Ereignisse als unwahr dar. Nach deren Version hätten die Bootspeople das Kentern ihres Fluchtbootes selber verursacht, weil sie angeblich alle auf eine Bootsseite gegangen seien, wodurch der Kutter umkippte.

    Die Küstenwache beschreibt den tödlichen Zugriff auf das Flüchtlingsboot als "Rettungsmaßnahme", mit der die Flüchtlinge nach Farmikonisi gezogen werden sollten.

    Bei den polizeilichen Ermittlungen wird festgestellt, daß die GPS-Daten, die die Fahrtrichtungen des Patrouillenbootes belegen könnten, "verschwunden" sind. Auch existieren keine Radar-Aufzeichnungen, keine Dokumentation der Telefon- und Funk-Kommunikation, keine Foto- oder Filmaufnahmen.

    Es dauert mehr als zwei Wochen, bis die griechischen Behörden das gesunkene Flüchtlingsschiff, das wichtigste Beweisstück zur Aufklärung der Schuldfrage, überhaupt lokalisiert haben. Nur durch massiven internationalen Druck kann erreicht werden, daß das Boot aus 70 Metern Tiefe überhaupt gehoben wird. Vier Wochen nach der Katastrophe werden die letzten Toten geborgen.

    "Sie haben unsere ausgestreckten Hände nicht ergriffen. Die beiden Boote waren so nah, da hätten wir rübersteigen können", sagt Fada Mohammad, der überlebte. Ioannis Karageorgopoulos von der griechischen Küstenwache weist den Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung mit den Worten zurück: "Die Passagiere auf unser Boot zu holen, hätte sie gefährdet. Das Risiko für die Leute wäre zu hoch gewesen. Es waren ja Migranten, die nicht die nötige Erfahrung für so eine Aktion haben."

    Die schwer traumatisierten Überlebenden werden von Psychologen und AnwältInnen des Griechischen Flüchtlingsrates und von Pro Asyl betreut. Es erfordert lange und zähe Verhandlungen, bis die griechischen Behörden 15 Überlebenden eine sechsmonatige Duldung ausstellen.

    Ende Juli stellt die Militär-Staatsanwaltschaft in Athen die Ermittlungen zu der Katastrophe ein.

    Am 21. und 22. November 14 können die vier Überlebenden der Familie Azadi / Ahmadi nach Hamburg und ein 15-jähriger syrischer Flüchtling nach Berlin fliegen. Alle haben Angehörige in Deutschland, und deshalb konnten für sie nach monatelangen Verhandlungen und der intensiven Unterstützung von Pro Asyl sogenannte humanitäre Visa durchgesetzt werden. Voraussetzung dafür war jedoch, daß die Angehörigen eine Verpflichtungserklärung unterschreiben, in der sie sich bereit erklärten, für alle anfallenden Kosten aufzukommen, und dies mit einer entsprechenden Verdienstbescheinigung belegen mußten. Das sind in Hamburg für eine aufzunehmende Person derzeit 2700 Euro im Monat.

  Zehn Überlebenden, die Angehörige in anderen europäischen Ländern haben, wird ein sogenanntes humanitäres Vi

sum verweigert, so daß sie ohne Papiere und auf gefährlichen Wegen weiterflüchten müssen.

    Der 16. Überlebende, ein 21 Jahre alter Syrer, bleibt in Griechenland in Untersuchungshaft, denn ihm wird vorgeworfen, "Kapitän" des Fluchtbootes gewesen zu sein.

    Zum Jahrestag der Katastrophe am 20. Januar 15 reichen Überlebende und ihre Angehörigen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage gegen Griechenland ein. Nach Auswertung der Fallakten analysiert Pro Asyl : "Die Behauptung der Küstenwache, es habe sich um eine Seenotrettungsaktion gehandelt, deckt sich nicht mit der Ermittlungsakte. ......Faktisch fand keine Rettungsaktion statt, sondern ein Grenzschutzeinsatz mit tödlichen Folgen".

    Am 5. Februar 15 verurteilt das Dreikammer-Berufungsgericht für Verbrechen der Präfektur Dodikanes auf Rhodos (Felony Appeals Court of Dodecanese) den 21-jährigen Syrer zu einer Haftstrafe von 145 Jahren und drei Monaten und einer Geldstrafe von 570.500 Euro. Entgegen vielen Dokumenten und vor allem entgegen den Aussagen der anderen Überlebenden befand das Gericht ihn für schuldig, den Fischkutter gesteuert und damit den Tod der elf Flüchtlinge verschuldet zu haben.

Pro Asyl 22.1.14;

Pro Asyl 6.2.14; SZ 13.2.14;

ndr – panorama 13.2.14; Pro Asyl 29.7.14;

Die Familien Ahmadi, Azizi, Safi 31.7.14;

ARD "Flüchtlinge – aufnehmen oder abschieben?" 19.1.15;

Pro Asyl 20.1.15; news.in.gr  6.2.15;

greece-greekreporter.com 2.6.15

 

21. Januar 14

 

Eschweiler in Nordrhein-Westfalen. Auf dem Hof einer Spedition im Industrie- und Gewerbepark hört der Fahrer eines niederländischen Sattelzuges Klopfgeräusche aus dem Innern des tschechischen Kühlaufliegers. Da er das Vorhängeschloß nicht öffnen kann, ruft er die Polizei.

    Beamte der Landes- und Bundespolizei finden dann in dem Anhänger – hinter vollbeladenen Paletten mit Kartons des Energy-Drinks "Innocent" – 13 Menschen ängstlich und frierend vor. Es sind Flüchtlinge unterschiedlichen Alters – Männer, Frauen und Kinder. Sie haben die letzten vier Stunden in dem auf zwei Grad Celsius heruntergekühlten Aufliege-Container gehockt.

    Es stellt sich heraus, daß sie eigentlich nach England flüchten wollten, im Fährhafen von Calais allerdings von den Fluchthelfern zu dem falschen Truck gebracht wurden. Dieser LKW kam aus England und fuhr in Richtung Deutschland. Als sie dies anhand des Fahrverhaltens und an den Frachtpapieren bemerkten, ihnen zudem die Luft knapp wurde und die Kälte ihnen zu schaffen machte, riefen sie über die internationale Notrufnummer 112 um Hilfe. Die Aachener Feuerwehr, bei der der Notruf landete, riet ihnen, sich durch Klopfen bemerkbar zu machen, denn weder die Flüchtlinge noch die Feuerwehr wußten, wo sich der LKW zu diesem Zeitpunkt befand. So ist dann schließlich der LKW-Fahrer auf sie aufmerksam geworden.

    Die Menschen, die alle aus dem Mittleren Osten kommen, werden nach ihrer Befreiung von Rettungskräften zunächst medizinisch betreut und mit Essen und Trinken versorgt. Danach erfolgt ihre Unterbringung in Sammelräumen der Bundespolizei in Aachen. Sie stellen Asylanträge und werden dann nach Anweisung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nach Dortmund gebracht. Zwei minderjährige, allein reisende Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren kommen vorübergehend in einer Pflegefamilie im Aachener Raum unter, bis das Jugendamt über ihre weitere Unterkunft entscheidet.

WAZ 21.1.14; AaZ 21.1.14;

RP 21.1.14; AsZ 22.1.14;

BT DS 18/4032

 

27. Januar 14

 

Berlin-Hellersdorf. Gegen 19.35 Uhr werfen drei Unbekannte einen Böller durch ein angekipptes Fenster der Asylunterkunft in der Maxie-Wander-Straße und flüchten anschließend. Durch die Explosion des Sprengkörpers werden das Fenster und der Fensterrahmen leicht beschädigt – verletzt wird niemand. Außerdem wird ein ca. 30 Meter entferntes Fenster an derselben Fassade von außen beschädigt.

    Der polizeiliche Staatsschutz nimmt die Ermittlungen auf. Es ist bereits der zweite Brandanschlag auf die Asylunterkunft in Berlin-Hellersdorf innerhalb von vier Wochen. (siehe auch: 1. Januar 14).

    In den folgenden Tagen und Wochen kommt es immer wieder zu rassistischen Aktionen im Umfeld der Unterkunft, die sich gegen diese richten: Auf dem Alice-Salomon-Platz werden am 15. Februar ca. 12 Flyer und Aufkleber der rassistischen ''Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf'' und eine Woche später ein Aufkleber ''Horst Wessel – unvergessen deine Taten'' entdeckt.

(siehe auch: 1. Januar 14; 14. März 14; 30. August 14;

10. Oktober 14)

taz 28.1.14; Polizei Berlin 28.1.2014;

suburbanhell.org; BT DS 18/1593

 

28. Januar 14

 

Märkischer Kreis in Nordrhein-Westfalen. In der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Hemer zerstört am frühen Morgen ein 26 Jahre alter Flüchtling aus Marokko seine Zimmertür und fordert, daß die Polizei gerufen wird. Als dies nicht sofort geschieht, nimmt der Mann eine Gabel und greift einen Mitbewohner tätlich an, der die Attacke abwehren kann. Da

raufhin beginnt der Marokkaner, "wie von Sinnen" mit der Gabel auf sich selber einzustechen und zieht sich so Verletzungen zu.

    Einem Mitarbeiter der Unterkunft, der auch angegriffen wird, gelingt es, den Tobenden mit Pfefferspray abzuwehren. Schließlich wird der Mann von mehreren Personen überwältigt und der Polizei übergeben. Die Beamten bringen den jetzt Gefesselten in die Paracelsus-Kliniken zur medizinischen Behandlung seiner Verletzungen – danach kommt er in Polizeigewahrsam. Als er dort wieder beginnt zu randalieren, wird er vom zuständigen Ordnungsamt in eine psychiatrische Fachklinik eingewiesen.

Polizei Märkischer Kreis 29.1.14

 

29. Januar 14

 

Bundesland Bayern. Der 22-jährige Hadi Arefi befindet sich bereits in der Maschine von Qatar Airways, die um 10.30 Uhr nach Doha starten soll, als die Crew beschließt, ihn nicht mitzunehmen. Der afghanische Flüchtling hat sich heftig gewehrt und sich zudem mit seiner Armbanduhr Schnittverletzungen am Unterarm zugefügt. Seine Abschiebung nach Kabul wird abgebrochen, und Hadi Arefi kommt ins Bezirkskrankenhaus Haar.

    Der abgelehnte Asylbewerber war gesten in den frühen Morgenstunden ohne Vorwarnung aus seinem Zimmer im Flüchtlingslager Dachau von der Polizei abgeholt worden und umgehend in Abschiebehaft gekommen.

    Im Alter von sechs Jahren war sein Onkel mit ihm in den Iran geflüchtet. Als 13 Jahre später die Abschiebung ins Herkunftsland drohte, flüchtete der inzwischen 19-Jährige nach Deutschland. Er lernte schnell die deutsche Sprache und konnte seinen Lebenunterhalt bis zum Tag seiner Festnahme durch zwei sichere Arbeitsstellen in Dachau selbst finanzieren.

    Am 10. Februar demonstrieren über 500 Menschen in der Münchener Innenstadt für ein Bleiberecht des Hadi Arefi, der sich immer noch im Krankenhaus befindet.

    Am 9. Juli 14 entscheidet der Petitionsausschuß des Bayerischen Landtags, daß Abschiebungen nach Afghanistan wegen der dortigen Gefährdungslage vorerst und bis zur gegenteiligen Entscheidung der Innenministerkonferenz nicht stattfinden sollen. Damit ist die aktuelle Gefahr der Abschiebung von Hadi Arefi vorerst gebannt.

FRat Bayern 29.1.14; SZ 30.1.14;

FRat Bayern 7.2.14; tz 8.2.14;

AZ München 13.2.14;

AA 16.2.14; MM 21.2.14;

br 9.7.14; Welt 21.7.14

 

30. Januar 14

 

Gänheim im bayerischen Unterfranken. Als morgens um 5.00 Uhr Polizisten vor seiner Tür stehen und ihn zur Abschiebung abholen wollen, gerät der abgelehnte Asylbewerber aus Äthiopien in Panik. Er zerschlägt eine Türscheibe und verletzt sich dabei.

    Bereits am Vortag um 15.00 Uhr war in einem Eilverfahren seinem Antrag stattgegeben worden, nach dem eine Abschiebung aus gesundheitlichen Gründen zur Zeit nicht stattfinden soll. Die Ausländerbehörde wurde dann umgehend darüber informiert, versäumte allerdings dann, die Polizei zu benachrichtigen.

    Landrat Schiebel bedauert öffentlich die Panne im Amt – er wird persönlich dem Asylbewerber einen Besuch abstatten.

Mainpost 31.1.14

 

31. Januar 14

 

Landkreis Bad Segeberg in Schleswig-Holstein. Als es morgens gegen 6.00 Uhr an der Wohnungstür der aserbaidschanischen Familie Hakopjan im Dorf Nahe klopft, und der 11-jährige Karen Alex öffnet, drängen 13 Polizisten und drei andere Männer in die Wohnung. Sie zerren die Brüder Erik (12 Jahre alt) und Roman (7 Jahre alt) aus den Betten und kündigen den Eltern die umgehende Abschiebung an. Der 40-jährige Artak Hakopjan wird auf dem Boden des Wohnzimmers niedergedrückt und mit Kabelbindern gefesselt. Seine Frau Karine bricht weinend zusammen. Einer der Männer steckt der 36-Jährigen – auf ihr kniend und gegen ihren Willen – eine Tablette in den Mund. "Meine Mutter hat danach nichts mehr sagen können", erinnert sich Erik später.

    Die Kinder werden von den Polizisten angewiesen, einen Koffer mit ihren Sachen zu packen – für die Dinge der Eltern wird von einem Sachbearbeiter ein Koffer gefüllt. Dann erfolgt die Fahrt der Familie in zwei Mannschaftswagen (die Mutter wird getrennt transportiert) zum Hamburger Flughafen Fuhlsbüttel. Die Eltern sind beide gefesselt; die weinende Karine Hakopjan trägt noch ihren Schlafanzug; nur 15 Euro Bargeld haben sie bei sich.

    Um 12.00 Uhr befindet sich die Familie bereits auf dem Rollfeld, und das Gepäck ist schon in der Maschine, als die Abschiebung abgebrochen wird. Ein Härtefallersuchen durch den Rechtsanwalt ist schließlich nach Prüfung von vier Verwaltungsrichtern akzeptiert worden, so daß vorerst die Entscheidung der Härtefall-Kommission und die des Innenministers abgewartet werden muß.

    Vor 13 Jahren, als Artak Hakopjan für den armenisch-aserbaidschanischen Krieg um die Region Bergkarabach zwangsrekrutiert werden sollte, waren die Eheleute geflüchtet. Ihre drei Söhne sind alle in der BRD geboren. Herr Hakopjan war bis vor vier Jahren als Koch in Itzehoe tätig gewesen, bis ihm von heute auf morgen durch die Ausländerbehörde die Arbeitserlaubnis entzogen wurde.

    Am 13. Februar ziehen einige hundert SchülerInnen und Erwachsene durch die Straßen Bad Segebergs und demonstrieren für ein Bleiberecht der Familie Hakopjan.

    Im April ist der Härtefall-Antrag positiv entschieden, so daß die Kinder ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht und die Eltern weitere Duldung zugesprochen bekommen.

 HA 9.2.14; HA 15.2.14;

ndr – panorama 18.2.14;

LN 7.4.14; HM 10.4.14;

Kirchenkreis Plön-Segeberg;

FRat Ba-Wü Rundbrief 2/2014

 

2. Februar 14

 

Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in Gerstungen im Bundesland Thüringen. In den frühen Morgenstunden des 1. und 2. Februars werfen Unbekannte mehrere Fensterscheiben des Gebäudes mit Steinen ein. Die Ermittlungen der Polizei nach den TäterInnen bleiben erfolglos.

insuedthueringen.de 2.2.14;

die-linke-wartburgkreis.de 5.2.14;

StA Meiningen 27.10.14;

BT DS 18/1593

 

3. Februar 14

 

Stuttgart – Baden-Württemberg. Eine 25 Jahre alte Afghanin nimmt eine größere Menge ihres Psychopharmakons (Mirtazapin) zu sich, nachdem sie erfahren hat, daß das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ihren Asylantrag und den ihrer 15-jährigen Schwester für unzulässig erklärt. Damit droht laut Dublin-III-Verfahren die Rückschiebung der beiden in die Niederlande.

    In akuter Lebensgefahr kommt sie in das Klinikum Stuttgart und am nächsten Tag in die psychiatrische Klinik, die sie nach psychischer Stabilisierung am 11. Februar wieder verlassen kann.

    Als die Frau jedoch erfährt, daß das Verwaltungsgericht Stuttgart am 3. März den einstweiligen Rechtsschutz gegen die Entscheidung des BAMF abgelehnt hat, gerät sie wieder in eine psychische Ausnahmesituation, so daß sie auf Veranlassung einer Sozialarbeiterin erneut wegen Suizidalität in die psychiatrische Klinik kommt.

    Erst in einer psychotherapeutischen Sitzung kann die Frau ihre Scham überwinden und erklärt, warum sie so große Angst vor einer Abschiebung hat. Sie erzählt, daß sie in Afghanistan von einer Gruppe Islamisten vergewaltigt worden war und anschließend durch ein inoffizielles Dorfgericht wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs zum Tode durch Steinigung verurteilt wurde.

    In einem Wiederaufnahmeverfahren ändert daraufhin das Verwaltungsgericht Stuttgart am 27. März seinen ursprünglichen Beschluß und ordnet die aufschiebende Wirkung der Klage an. Damit ist die Bundesrepublik Deutschland für das Asylverfahren der beiden Schwestern zuständig.

StN 1.4.14;

Roland Kugler – Rechtsanwalt

 

4. Februar 14

 

Bundesland Baden-Württemberg. In der Stuttgarter Bebelstraße erscheinen morgens um 4.00 Uhr zwei Polizeibeamte, um einen irakischen Flüchtling zwecks Abschiebung abzuholen. Als der 29-jährige Iraker die Situation begreift, hält er sich ein langes Küchenmesser an den Hals und droht, sich umzubringen.

    Um die Lage zu beruhigen, ziehen sich die Polizisten ins Treppenhaus zurück und rufen Verstärkung. Es erscheinen zwei Streifen der Hundestaffel, ein Sondereinsatzkommando (SEK) und weitere Polizei-Formationen, um den Bereich zwischen Arndt- und Schwabstraße abzusperren.

    Inzwischen ist der Iraker aus dem Fenster seines im 5. Stock liegenden Zimmers gestiegen und hat sich auf dem Balkon seiner Nachbarin in einem Blechverschlag versteckt. Da nicht auszuschließen ist, daß er vom Balkon springen wird, hält sich auch die Feuerwehr mit einem Sprungtuch bereit.

    Als die Einsatzkräfte den Verschlag öffnen, sticht der Gesuchte mit dem Küchenmesser in Richtung eines Beamten, der allerdings unverletzt bleibt, weil er ein Kettenhemd trägt.

    Der Iraker wird festgenommen und kommt wegen eines versuchten Tötungsdelikts in Untersuchungshaft.

Polizei Stuttgart, 4.2.14;

StZ 4.2.14

 

5. Februar 14

 

Hamburger Stadtteil Altona. Um 20.07 Uhr bricht im Flur der Flüchtlingsunterkunft in der Eimsbüttler Straße 75 ein Feuer aus. In kürzester Zeit ist das Treppenhaus mit dickem, giftigem Qualm unpassierbar. Als die Feuerwehr eintrifft, stehen die meisten BewohnerInnen an den Fenstern und hoffen auf Hilfe.

    80 Einsatzkräfte der Feuerwehr, zehn Notärzte und ein Großraumrettungswagen sind vor Ort, so daß aus der ersten bis vierten Etage 27 Menschen gerettet werden können. Im Dachgeschoß, der fünften Etage, finden die Rettungskräfte drei leblose Personen, die trotz verzeifelter Reanimationsversuche noch vor Ort sterben. Es ist die 33 Jahre alte Pakistanin Nazia X. mit ihren fünf und acht Jahre alten Söhnen, Daniel und Rahman.

    25 Personen werden durch den Brand verletzt, 15 von ihnen kommen in Krankenhäuser, fünf Menschen gelten als schwer verletzt.

    Der Vater der Kinder, A. Malik (alias Malik A.), kommt erst gegen 22.00 Uhr nach Hause. Er absolviert derzeit ein Praktikum in einem indischen Restaurant.

    Die Eimsbüttler Straße 75 ist eine Wohnunterkunft des staatlichen Trägers "Fördern & Wohnen", in der im Vorderhaus Flüchtlinge untergebracht sind. Das Haus ist in einem schlechten baulichen Zustand, und deshalb ermitteln Feuerwehr und Polizei auch in Richtung eventueller technischer Ursachen des Feuers.

    Schnell steht fest, daß ein im Eingangsbereich stehender Kinderwagen angezündet wurde und daß die Hitze einen in der Nähe hängenden Stromkasten zur Explosion brachte, wodurch sich das Feuer schnell weiter ausbreitete.

    Am 7. Februar wird ein Jugendlicher festgenommen, der gesteht, Werbeflyer im Kinderwagen angezündet zu haben. Der 13-Jährige ist Mitglied der Jugendfeuerwehr und aufgrund seines Alters nicht strafmündig. Er kommt in die Jugendpsychiatrie der Hamburger Universitätskliniken Eppendorf.

    Mitte Mai ersucht die Härtefallkommission der Bürgerschaft die Innenbehörde, Herrn Malik eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung auszustellen. A. Malik war 14 Jahre alt, als er aus seinem Dorf in der Provinz Punjab im Osten Pakistans fliehen mußte. Da seine Familie der religiös verfolgten Gruppe der Ahmadiyya angehört, schickten ihn die Eltern 1998 zu einem Onkel nach Deutschland.

    Auf den deutschen Formularen wurde aus seinem eigentlichen Namen A. Malik irgendwann Malik A., und um dies wieder rückgängig machen zu lassen, wäre eine Geburtsurkunde oder ein Paß notwendig gewesen.

    Der Asylantrag wurde abgelehnt, als er ca. 16 Jahre alt war, er mußte die Schule verlassen und durfte auch nicht arbeiten. Er lebte fortan mit einer Duldung.

    Erst durch den Feuertod seiner Familie wird dem heute 30-Jährigen ein sicherer Aufenthalt in der Bundesrepublik zugestanden.

Bild 5.2.14;

Spiegel 6.2.14; msn Nachrichten 6.2.14;

KN 7.2.14; Zeit 7.2.14; jW 7.2.14;

Spiegel 8.2.14; ndr 10.2.14;

FRat HH 15.5.14; Zeit 30.5.14

 

7. Februar 14

 

Bundesland Sachsen – Hoyerswerda. Ein 25-jähriger Bewohner des Wohnheims für Flüchtlinge in der Dillinger Straße wird in der Innenstadt auf dem Marktplatz von einem 37-jährigen Deutschen gegen 9.30 Uhr angegriffen. Er schlägt dem Marokkaner auf den Hinterkopf, ins Gesicht und in die Nierengegend.

    Dem Angegriffenen gelingt es, den Täter zu fotografieren, so daß dieser von der Polizei ermittelt werden kann.

    Am 3. Juni 14 erhebt das Amtsgericht Hoyerswerda Anklage gegen den Täter wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft Görlitz bewertet den Angriff als ''ausländerfeindlich''.

    Das Wohnheim für Flüchtlinge wurde erst am 5. Februar 14 von Flüchtlingen u.a. aus Marokko, dem Libanon, Syrien, Libyen, Pakistan und Tunesien bezogen. Die BewohnerInnen berichten, daß sie in allen drei Nächten, die sie bisher in der Unterkunft verbrachten, mit Ausländer-Raus!-Rufen belästigt wurden.

    Nach den rassistischen Pogromen in Hoyerswerda im Herbst 91, bei denen ein Wohnheim für vietnamesische und mosambikanische VertragsarbeiterInnen sowie ein Flüchtlingsheim von Neonazis und BürgerInnen über mehrere Tage hinweg angegriffen wurden, gab es bis Februar 14 keine Wohnunterkünfte für Flüchtlinge in Hoyerswerda.

(siehe auch: 8. April 14, 12. April 14, 19. April 14)

de.indiymedia.org 9.2.14;

StA Görlitz 17.12.14;

Rechte Hetze gegen Flüchtlinge 2014

 

8. oder 9. Februar 14

 

Bundesland Brandenburg. In seiner Flüchtlingsunterkunft in der Stadt Brandenburg an der Havel versucht sich der 33 Jahre alte Ghayeb Y. zu töten, indem er sich selbst Schnittverletzungen am Arm und dem ganzen Oberkörper zufügt.

    Ghayeb Y. ist Kurde aus Syrien – er war Tischler in Damaskus. Im Juni 2012 begann seine Flucht im syrischen Qamishli, und ihm gelang es erst nach dem achten gefährlichen Versuch, nach Deutschland zu kommen.

    Er wurde zweimal in Bulgarien abgefangen und in die Türkei zurückgeschickt. Nachdem er den Grenzfluß Evros mit einem Boot überquert hatte, war er von griechischen Polizisten aufgegriffen und geschlagen worden – dann schickten sie ihn zurück. Danach wurde er in Istanbul verhaftet und kam ins Gefängnis von Edirne.

    Zweimal scheiterten seine Versuche, mit einem Fluchtboot über die Ägäis nach Europa zu kommen. Das erste Flüchtlingsschiff – es war völlig überladen – havarierte und sank, so daß sich Ghayeb Y. nur mit viel Glück retten konnte. Das zweite Fluchtboot wurde von der türkischen Küstenwache gestoppt.

    Im Oktober 2013 gelang es ihm, mit einem Minibus von Sofia über Rumänien, Ungarn, die Slowakei und Tschechien bis nach Deutschland zu kommen. Auch hier wurde er zunächst in Haft genommen (Abschiebungshaft), kam dann aber im November in die Zentrale Aufnahmestelle für Flüchtlinge nach Eisenhüttenstadt.

    "Acht Mal bin ich fast gestorben, aber ich wollte nicht aufgeben, bis ich in Deutschland war", erzählte er hier der Journalistin Carolin Emcke. "Jetzt bin ich hier, jetzt kann ich auch sterben."

    Am 14. Januar 14 wurde Ghayeb Y. von Eisenhüttenstadt nach Brandenburg an der Havel umverteilt.

    Am 7. Februar 14 begleitete ihn Carolin Emcke zum Behandlungszentrum für Folteropfer in Berlin und am 10. Februar erhält sie die Nachricht von seinem Suizidversuch.

    Ein Jahr später ist Ghayeb Y. im Besitz eines Aufenthaltstitels und darf mit seinem Bruder zusammenleben.

Zeit Magazin 6.3.14;

Antirassistische Initiative Berlin

 

11. Februar 14

 

Abschiebegefängnis Eisenhütttenstadt im Bundesland Brandenburg. Einen Tag vor ihrer geplanten Rückschiebung nach Polen schneidet sich die tschetschenische Gefangene Frau M. in selbstverletzender Absicht Blutgefäße auf. Nach einer Wundversorgung im Krankenhaus kommt sie zurück ins Gefängnis und wird am folgenden Tag mit ihrem Ehemann zusammen abgeschoben.

    Atteste, die ihre Traumatisierung, Haftunfähigkeit und akute Suizidalität belegen, wurden ignoriert.

    Die Frau war aufgrund sexueller Gewalt und Vergewaltigung vor ihrem Vater aus Tschetschenien geflohen. Da sie auch in Polen durch einen Teil der dortigen tschetschenischen Community Diskriminierung, Verfolgung und Demütigung ausgesetzt war, war sie in die Bundesrepublik gekommen.

FRat Brbg 12.2.14; lagerwatcheisen 12.2.14;

lagerwatcheisen – Chronik

 

13. Februar 14

 

Berlin. Die tschetschenische Familie A. wird nach 15-monatigem Deutschland-Aufenthalt entsprechend dem Dublin-III-Verfahren nach Polen zurückgeschoben. Dadurch gerät die 2-jährige Samira in akute Lebensgefahr.

    Das Kind ist schwer behindert, leidet aufgrund eines Hydrocephalus ("Wasserkopf") an epileptischen Anfällen, ist fast blind und hat zudem eine seltene Form der Diabetes. In der Berliner Charité war sie bereits sechsmal am Kopf operiert worden, um den Druck aufs Gehirn durch die sich ständig bildende Gehirnflüssigkeit zu senken; unter anderem war ihr ein Titan-Ventil eingesetzt worden. Sie bekam physiotherapeutische Behandlung, sehr spezielle Medikamente und war unter engmaschiger medizinischer Begleitung durch medizinisches Personal.

    Ihre 4-jährige Schwester Marcha ist spastisch gelähmt und kann nicht laufen. Sie hatte zum Zeitpunkt der Abschiebung bereits einen Termin zur Operation, durch die die Möglichkeit des Laufens hergestellt werden sollte. Ihr Zwilligsbruder Ramson ist das einzige nicht behinderte Kind der jungen Eltern.

    Angesichts der schwer behinderten Kinder hatten sich sogar die mit der Deportation beauftragten Polizisten zunächst geweigert, die Abschiebung durchzuführen – wurden dann aber ausdrücklich angewiesen.

    An dem Grenzort Slubice setzen die Beamten die Familie in einen Zug nach Warschau. Für die 5-stündige Fahrt haben sie weder Nahrung noch Windeln mitbekommen. Auch vergessen die Beamten, den Eltern die wichtigen Medikamente der Kinder mitzugeben, die sie in Berlin an sich genommen hatten. Schon im Zug bekommt Samira zwei epileptische Krampfanfälle.

    In Warschau angekommen, wird die Familie an ein Flüchtlingsheim verwiesen, das mitten in einem Wald liegt und das sie zu Fuß erreichen müssen.

    Samira kommt auch in Warschau in lebensbedrohlichem Zustand in ein Krankenhaus und wird drei Tage später wieder entlassen – zu kurz ist der Aufenthalt, um sie kontrolliert auf die polnischen Medikamente einzustellen. Auch nimmt sie, die auf flüssige Nahrung angewiesen ist, die polnische Babynahrung nicht an.

    Die Eheleute sind traumatisiert, denn sie wurden in Tschetschenien schwer gefoltert. Als der Bruder des 30-jährigen Apti A. aus politischen Gründen ermordet wurde, verließen sie das Land, um sich und die Kinder in Sicherheit zu bringen.

    Nach der Rückschiebung aus Deutschland sind sie psychisch am Ende: "Die Kinder, meine Frau, diese furchtbare Angst. Wo sollen wir noch hin? Es ist alles so völlig aussichtslos."

taz 19.2.14; ND 24.2.14;

BeZ 26.2.14; BaZ 20.3.14

 

14. Februar 14

 

Bundesland Niedersachsen – Landkreis Leer. In der Neuschanzer Straße der Ortschaft Bunde versucht sich gegen 14.00 Uhr eine 25 Jahre alte Afghanin mit Medikamenten das Leben zu nehmen.

    Als sich herausstellt, daß ihr Transport aus der kleinen Wohnung in der ersten Etage - oberhalb der Gaststätte "Pizzastübchen" – nicht möglich ist, muß die Feuerwehr sie mit einer Hubbühne herausholen. Die 23-jährige Schwester und deren 31 Jahre alter Ehemann erleiden Schwächeanfälle und müssen ebenfalls notärztlich versorgt werden. Sie werden in Krankenhäuser nach Leer und Papenburg gefahren.

    Während das Ehepaar noch am selben Tag entlassen werden kann, erfolgt nach der medizinischen die weitere psychiatrische Behandlung der 25-Jährigen in einer Emdener Klinik.

    Die beiden Schwestern waren am 4. September 13 in die Bundesrepublik eingereist und hatten am 2. Oktober Asylanträge gestellt. Der Ehemann bzw. Schwager war im November nachgekommen.

    Der Asylantrag der 25-Jährigen war Anfang Februar 2014 als "unzulässig" abgelehnt worden – zugleich kam der Bescheid, daß ihre Rückschiebung nach Italien entsprechend dem Dublin-III-Verfahren angeordnet sei.

Ostfriesen-Zeitung 16.2.14;

Ostfriesen-Zeitung 18.2.14;

NOZ 28.2.14;

LT NieSa Fragestunde Nr. 44

 

14. Februar 14

 

Plauen im Bundesland Sachsen. Im Beisein seiner hochschwangeren Frau stirbt der 43 Jahre alte Ahmad J. aus Libyen morgens um 5.00 Uhr auf dem Flur der Flüchtlingsunterkunft. Frau J. hatte ihrem Mann, der nicht mehr atmen konnte, hier ein Lager gemacht, weil die Luft hier besser schien als in ihrem Zimmer.

    Schon länger litt Ahmed J. unter starken Bauchschmerzen und war deshalb auch am 11. Februar im Vogtland-Klinikum untersucht – allerdings in derselben Nacht wieder entlassen worden.

    Aber in dieser Nacht wurden die Schmerzen unerträglich. Er bat MitbewohnerInnen, einen Notarzt oder Krankenwagen zu rufen. Diese informierten den diensthabenden Wachmann, der sich den vor Schmerzen gekrümmten Mann im Zimmer liegend anschaute, sich dann aber weigerte, Hilfe zu holen. Als immer mehr BewohnerInnen auf den Wachmann einschrien, verbarrikadierte dieser sich in der Pforte. Über zwei Stunden verstrichen, ohne daß Hilfe kam.

    Einige BewohnerInnen entzündeten Papiertaschentücher unter einem Rauchmelder in der Gemeinschaftsküche, um über den Feueralarm die Feuerwehr zu mobilisieren – doch der Alarm blieb stumm. Erst als sie ein Fenster der verschlossenen Wachmeisterei aushebelten, rief der Wachmann die Polizei.

    Der zeitgleich eintreffende Notarzt, der allerdings von Flüchtlingen gerufen worden war, konnte nur noch den Tod von Ahmad J. feststellen.

    Erst im Dezember war Ahmad J. mit seiner schwangeren Frau und dem acht Monate alten Baby in die Bundesrepublik gekommen – seit drei Wochen lebten sie in der Plauener Massenunterkunft in der Kasernenstraße.

    Die Untersuchung des Leichnams ergibt, daß Ahmad J . an einer durch Yersinien verursachten chronischen Rippenfellentzündung erkrankt war, die bereits zu Entzündungen der Lungen- und Herzgewebe geführt hatte. Die Todesursache war eine schwere Lungenembolie (Blutgefäßverstopfung), deren Ursache auch mit der Grunderkrankung zusammenhängen könnte.

    Die Polizei Zwickau und die Staatsanwaltschaft beginnen mit Ermittlungen gegen den 43-jährigen Wachmann wegen unterlassener Hilfeleistung.

    Aufgrund der aufkommenden Kritik am Verhalten des Wachmannes der privaten Sicherheitsfirma wird die Anzahl des nächtlichen Notfall- und Sicherheitspersonals in der mit 290 BewohnerInnen belegten Unterkunft auf zwei (!) erhöht.

    Im Herbst erläßt das Amtsgericht Plauen einen Strafbefehl wegen unterlassener Hilfeleistung gegen den Wachmann, der die Strafe von 60 Tagessätzen zu je 40 Euro bezahlen soll. Eine Gerichtsverhandlung ist nicht vorgesehen und wird nicht stattfinden. "Das ist das übliche Vorgehen zum Zwecke der Verfahrensvereinfachung. Die Staatsanwaltschaft hält eine Geldstrafe für ausreichend", so der Richter. Zum Strafbefehl kommt ein Vermerk ins Bundeszentralregister des Wachmannes – mit einem Eintrag ins Führungszeugnis muß er nicht rechnen.

    Aufgrund des Widerspruchs des Wachmannes findet schließlich doch ein öffentliches Verfahren vor dem Amtsgericht Plauen statt. Hier wird deutlich, daß zwei Heimangestellte den Wachmann aufgefordert hatten, keinen (!) Krankenwagen zu rufen. Ein Taxi hätte der Wachmann rufen dürfen, jedoch nur, wenn der Flüchtling dies selber hätte bezahlen können. Ob der Wachmann diese Option dem Sterbenden oder seiner Frau überhaupt klarmachen konnte, kann das Gericht nicht klären.

    Gegen eine Zahlung von 1800 Euro wird das Verfahren am 21. Januar 15 eingestellt. "Er sieht sich als Teil einer Ereigniskette, während alle anderen ungeschoren davonkommen", so Richter Michael Rüsing am Ende der Verhandlung.

FP 14.2.14; mdr 15.2.14;

FP 15.2.14; FP 17.2.14;

Pro Asyl 18.2.14; FP 18.2.14;

ZDF – heute 18.2.14; taz 18.2.14;

Welt 10.2.14; jW 3.3.14; FP 5.3.14;

FRat Sachsen und RAA Sachsen 30.9.14;

FP 30.9.14; FP 1.10.14;

ndr 27.1.15; FP 27.1.15

 

Mitte Februar 14

 

Bundesland Sachsen-Anhalt. Ein junger Flüchtling aus Afghanistan versucht, sich in der Flüchtlingsunterkunft Burg zu töten. Dies geschieht einen Tag vor seinem Rückführungstermin nach Belgien und unmittelbar nachdem er mit einem Bekannten telefonierte, der vor 14 Tagen nach Belgien rückgeführt wurde und nach der Wiederregistrierung weder Wohnung noch Essen hat und auf der Straße leben muß.

Integrationshilfe Sachsen-Anhalt 18.2.14

 

15. Februar 14

 

Zeitz im südlichen Sachsen-Anhalt. Ein 23 Jahre alter indischer Flüchtling wird gegen 19.30 Uhr tot in unmittelbarer Nähe des Asylheimes in der Albrechtstraße gefunden. Seine Hände sind ineinander gefaltet.

    Die Untersuchung des Toten am Institut für Rechtsmedizin in Halle ergibt, daß er aus großer Höhe auf die Wiese gefallen sein muß – mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Fenster seines eigenen Zimmers, das sich im 4. Stock des Hauses befindet.

    Nach den Aussagen der Polizei und der Staatsanwaltschaft ist unklar, ob es sich um einen Unfall oder einen Suizid handelt – Fremdeinwirkung wird ausgeschlossen.

    Der Mann lebte seit dreieinhalb Jahren in dieser Flüchtlingsunterkunft, die in den letzten Monaten wegen der unzumutbaren hygienischen Verhältnisse, Ungeziefer und mangelnder Standards Negativ-Schlagzeilen gemacht hatte.

mdr 18.2.14;

mdr 19.2.14; MDZ 19.2.14;

FRat Sa-An 20.2.14;

Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt 27.1.15

 

17. Februar 14

 

Bundesland Schleswig-Holstein. Am späten Abend wird die Polizei in die Rendsburger Flüchtlingsunterkunft Kaiserstraße gerufen, um einen verbalen Streit zwischen zwei Bewohnern zu schlichten. Es erscheinen ein Polizist und seine Kollegin mit Diensthund, der weder einen Maulkorb trägt noch angeleint ist.

    Sie fordern einen jungen, alkoholisierten Syrer auf, sich hinzuknien, weil sie ihm Handfesseln anlegen wollen. Der Mann, der erst wenige Wochen in Deutschland ist, versteht die Anweisung jedoch nicht und bewegt sich arglos auf den Hund zu, der extrem aggressiv reagiert. Er verbeißt sich sofort im linken Handgelenk des Syrers – und als dieser nach hinten auf den Boden fällt, faßt der Hund immer wieder nach: am linken Unterarm, am rechten Oberschenkel, am linken und rechten Innenschenkel und Unterleib. Dann verliert der Syrer das Bewußtsein und wird trotzdem von einem Polizeibeamten mit dem Knie auf den Boden gedrückt und in Handschellen gelegt. Mit "multiplen Biss- und Risswunden" (Arztbrief) und einer schweren Verletzung des Hodensackes kommt der Mann ins Rendsburger Krankenhaus und wird erst am übernächsten Tag wieder wach.

    Die Polizei reagiert auf diese unkontrollierte Hunde-Attacke mit einer Anzeige gegen den Syrer wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Am 24. Februar bekommt der Mann zudem einen Brief von der Ausländerbehörde, daß er sich abends in einem Asylheim in Neumünster zu melden habe. Als er auf einen Arzttermin und seinen immer noch desolaten Zustand verweist, wird ihm der "Rausschmiss" durch die Bundespolizei angedroht, wenn er das Lager in Rendsburg abends nicht verlassen habe. Eine Transportmöglichkeit per Zug oder Auto wird dem Verletzten nicht ermöglicht – die Ausländerbehörde erklärt dazu ihre "Nicht-Zuständigkeit" für diesen Fall.

    Das Netzwerk Asyl beschreibt, daß die Polizei Rendsburg sowie die zuständigen BeamtInnen der Bundespolizei das Asylheim Kaiserstraße offensichtlich als einen Ort auffassen, an dem die normalen Maßstäbe polizeilichen Handelns nicht nötig sind. So sind auch bei Abschiebungen, trotz keinerlei Gegenwehr, durchgängiges Schreien und Gewaltanwendung üblicher Umgang der BeamtInnen. "Dieses Verhalten in einem Haus, in dem Familien mit kleinen Kindern und eine große Zahl traumatisierter Flüchtlinge aus Kriegsgebieten auf wenigen Quadratmetern untergebracht sind, steht einem angemessenen Polizeieinsatz und der aller Ortens proklamierten Willkommenskultur komplett entgegen."

Netzwerk Asyl Rendsburg 25.2.14;

FRat SH 26.2.14

 

17. Februar 14

 

Waltershausen, Landkreis Gotha in Thüringen. In einem Supermarkt werden drei junge Flüchtlinge im Alter von sieben, 15, 16 Jahren von einem deutschen Jugendlichen rassistisch beleidigt und bedroht. Als der Provokateur den Kleinsten schlagen will, schreiten sein Bruder und dessen Freund ein und es kommt zu einer Prügelei.

    Niemand wird ernsthaft verletzt und die polizeilichen Ermittlungen werden später eingestellt.

ezra

 

18. Februar 14

 

Bundesland Bayern. Morgens um 6.00 Uhr klingeln Polizisten an der Tür des Pfarrhauses der katholischen Gemeinde St. Peter und Paul im Augsburger Stadtteil Oberhausen. Sie dringen in die kirchlichen Räume ein, in denen Frau D. mit ihren vier Kindern im Alter von vier bis 14 Jahren Kirchenasyl bekommen hat. Sie wecken die Familie und fordern sie auf, ihre Sachen zu packen. Frau D. ist in dieser Situation weder sprachlich, körperlich noch psychisch der Situation gewachsen. Sowohl ein von UnterstützerInnen organisierter Übersetzer als auch ein Notarzt werden von der Polizei nicht zugelassen.

    Mutter und Kinder werden von den Beamten in Richtung Görlitz an die Grenze gefahren und hier den polnischen Behörden übergeben.

    Die 38-jährige Frau D. war in Tschetschenien schwer mißhandelt worden und deshalb nach Polen geflüchtet. Hier erlebte sie heftige rassistische Angriffe durch Mitglieder der rechten Szene. Als vor sechs Monaten die Wohnung ihrer tschetschenischen Nachbarin von Neonazis in Brand gesetzt wurde, floh sie weiter in die Bundesrepublik. Hier kam sie mit den Kindern bei dem Flüchtlingsprojekt "Grandhotel Cosmopolis" unter – und erstmals seit langer Zeit empfanden sie ein Gefühl der Sicherheit.

    Ein deutscher Psychotherapeut diagnostizierte bei Frau D. eine Posttraumatische Belastungsstörung.

    Am 23. Februar hätte die Möglichkeit für die alleinerziehende Mutter bestanden, in Deutschland einen Asylantrag zu stellen, der auch hier bearbeitet werden würde. Aus diesem Grunde hatte sich die Kirchengemeinde entschlossen, ihr bis zu diesem Datum Schutz zu gewähren. Daß das Kirchenasyl von den Behörden gebrochen werden würde, damit hat niemand gerechnet, denn dieser Tabubruch ist in Bayern seit 18 Jahren nicht mehr vorgekommen.

taz 20.2.14; SZ 20.2.14;

FRat Bayern 20.2.14;

Grandhotel Cosmopolis 20.2.14;

AA 21.2.14; epd 22.2.14;

AA 28.2.14

 

18. Februar 14

 

Schongau im Regierungsbezirk Oberbayern – Bundesland Bayern. Gegen 21.30 Uhr werden zwei Böller in den Flur der Unterkunft für Flüchtlinge in der Birkländer Straße geworfen. Auf dem Fußboden entsteht ein Rußfleck.

    Ein Jahr nach diesem Angriff konnte die Polizei noch keine TäterInnen ermitteln.

Polizei Schongau 19.2.14;

Polizei Rosenheim 4.2.15;

BT DS18/1593

 

19. Februar 14

 

Mechernich, Kreis Euskirchen im Bundesland Nordrhein- Westfalen. Gegen 3.08 Uhr brennt ein unbewohnter Container der Unterkunft für Flüchtlinge Elisabethhütte. Die Feuerwehr kann ein Übergreifen der starken Flammen auf den bewohnten Teil verhindern.

    Bereits am 13. Februar brannte gegen 6.40 Uhr derselbe –

auch damals – unbewohnte Container. Auch dieser Brand konnte schnell gelöscht werden.

    In beiden Fällen geht die Polizei von Brandstiftung aus, konnte aber keine TäterInnen ermitteln

    Insgesamt brennen zum vierten Mal innerhalb von sechs Wochen Wohncontainer auf dem Gelände.

(siehe: 4. Dezember 13 und 12. Dezember 13).

KStA 13.2.14; KstA 19.2.14; 
Polizei Euskirchen 19.2.14; 
StA Bonn 24.2.15

 

20. Februar 14

 

Bundesland Baden-Württemberg. Hinter der Tübinger Stiftskirche St. Georg übergießt sich der Iraner Kahve Pouryazdani (alias Baratali Yazdani / Ali Yazdani) mit Benzin und zündet sich an. Einer Notärztin, die den verkohlten und völlig verkrampften Körper vorfindet, gelingt es nur noch, unterhalb des Knies eine Kanüle zu platzieren und starke Schmerzmittel zu injizieren. In der Notaufnahme der Berufsgenossenschaftlichen Klinik erliegt der Exil-Iraner seinen schweren Verletzungen. Kurz zuvor hatte er auf der Internet-Plattform Facebook geschrieben, der Tod sei für ihn besser als zu leben.

    Aufgrund seines Status als zweimal abgelehnter Asylbewerber hatte der 49-Jährige fast zehn perspektivlose Jahre hinter sich. Lange Zeit unterlag er der Residenzpflicht und durfte den Landkreis Tübingen nicht verlassen. Alle drei Monate mußte er zum Amt, um seinen Aufenthalt zu sichern. Jedesmal drohte bei Nichtverlängerung die Abschiebung.

    Zehn Jahre lang hat er eindringlich auf den Ämtern wiederholt: "Warum versteht ihr mich nicht? Ich will arbeiten, ich bin ein guter Schweißer. Ich will keine Almosen." Obwohl er perfekt Deutsch sprach, "blieben ihm alle Türen verschlossen", so sein Anwalt Manfred Weidmann.

    Die jahrelange Trennung von seiner Familie – besonders von seiner jetzt 19-jährigen Tochter – ließ ihn verzweifeln. Gerne hätte er sie in der Türkei getroffen, doch das Geld dafür durfte er nicht verdienen.

    Vor der Stiftskirche hatte Kahve Pouryazdani jahrelang seinen Infostand aufgebaut, nachdem er in Tübingen Mitglied der monarchistischen Partei CPI (Constitutionalest Party of Iran) wurde. Mit Bildern und Flugblättern prangerte er die Verhältnisse im Iran, Unterdrückung und Verfolgung der Menschen, die Folter und die Morde an. Auch protestierte er gegen die Lieferung von Abhör-Technologie an das Mullah-Regime durch deutsche Firmen.

    Als er vor kurzem doch noch einen humanitären Aufenthaltsstatus erhielt, der ihm auch das Recht zum Arbeiten einräumte, war es schon zu spät: "Er hatte keine Kraft mehr" (Weidmann).

    Die Beerdigung findet am 13. März auf dem Bergfriedhof statt. Vor mehr als hundert Trauergästen stellt der Oberbürgermeister Boris Palmer die Frage, welchen Anteil "unsere Rechtsordnungg, unsere Art mit Flüchtlingen umzugehen" am Tode Pouryazdanis hat.

    Zitat aus der Trauerrede von Pfarrer Christoph Wilborg: "Die Provokation seines Todes war das Letzte, was er aus seiner Sicht noch tun konnte .... Noch ein politisches Signal

setzen. Noch einmal ins Gedächtnis brennen: Seht her, was ihr aus einem Menschen macht!"

SchwT 21.2.14;SchwT 28.2.14;

FRat BaWü Rundbrief 01/2014;

SchwT 14.3.14;

Antifa Reutlingen/Tübingen 21.3.14;

StZ 11.4.14

 

20. Februar 14

 

Merseburg (Saalekreis) in Sachsen-Anhalt. Nach seiner Ankunft aus Halle wird ein 23 Jahre alter Flüchtling aus Somalia gegen 19.30 Uhr in der Bahnhofsunterführung von drei Männern attackiert. Zunächst beleidigen sie ihn rassistisch, dann packen sie ihn von hinten, schlagen seinen Kopf gegen die Wand und treten noch auf ihn ein, als er bereits am Boden liegt.

    Erst als andere Reisende näher kommen und ein Zugführer dem Betroffenen zu Hilfe eilt, lassen die Angreifer von ihm ab und flüchten.

    Der Somalier muß ambulant im Krankenhaus behandelt werden und leidet noch Tage später unter Kopf- und Rückenproblemen.

    Der Staatsschutz nimmt die Ermittlungen auf. Am 22. September 14 beginnt im Amtsgericht Merseburg der Prozeß gegen zwei Brüder im Alter von 19 und 23 Jahren. Die vermutlich dritte Person ist als Zeuge geladen, verweigert allerdings die Aussage, um sich nicht selbst zu belasten.

    Zu dieser Zeit hat der Somalier immer noch unter den physischen und psychischen Folgen des Angriffs zu leiden. Vor Gericht sagt er unter Hinweis auf den Zugführer, vor dem die Täter schließlich flüchteten: "Wenn er nicht gekommen wäre, vielleicht hätten sie mich umgebracht".

mdr 21.2.14; mdr 26.2.14;

mdr 27.2.14; MDZ 28.2.14;

Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt

 

24. Februar 14

 

Merseburg in Sachsen-Anhalt. Gegen 20.00 Uhr wird ein 41 Jahre alter Flüchtling aus Algerien in der Bahnunterführung Lauchstädter Straße von einem Mann ins Gesicht geboxt und dann um seinen Rucksack beraubt.

    Der Algerier muß seine Verletzungen ambulant im Krankenhaus behandeln lassen.

    Der Täter kann schnell identifiziert werden.

VM 25.2.14; MDZ 25.2.14;

mdr 26.2.14; mdr 27.2.14; MDZ 28.2.14;

Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt

 

25. Februar 14

 

Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern. Als die Polizei in der Spiegeldorfer Wende an dem Zimmer einer tschetschenischen Familie in der Sammelunterkunft erscheint, um die Abschiebung zu vollziehen, versteckt sich der 15-jährige Sohn und bleibt zunächst unauffindbar. Die Beamten entscheiden, zuerst den Vater mit den 10-jährigen Zwillingen und deren 21 Jahre alten Bruder mitzunehmen und kündigen der zurückbleibenden Mutter den nächsten Abschiebetermin an. Vater und Söhne werden entsprechend dem Dublin-III-Verfahren nach Polen zurückgeschoben. Damit ist die Familie getrennt.

    Am 3. März erscheinen in den frühen Morgenstunden zwei MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde und Polizisten und holen die traumatisierte Frau mit ihrem 15-jährigen Sohn ab. Auch sie werden nach Polen abgeschoben.

Defiant Antifa Greifswald 3.3.14

 

25. Februar 14

 

Bundesland Brandenburg. Am frühen Abend sieht ein 15-jähriger syrischer Flüchtling, wie in der Gelsenkirchener Allee eine betrunkene Frau von einer Bank an einer Haltestelle herunterrutscht. Als er ihr zu Hilfe kommt, beleidigt die Frau ihn rassistisch und versucht, ihn gemeinsam mit ihrem Begleiter zu schlagen. Der Kumpel des Begleiters ruft daraufhin die Polizei.

Opferperspektive

 

26. Februar 14

 

Cottbus in Brandenburg. Auf dem Parkplatz eines Supermarktes in der Gelsenkirchener Straße beobachten gegen 19.00 Uhr ein 22-jähriger türkischer Bürger und ein 17 Jahre alter syrischer Asylbewerber eine Schlägerei zwischen mehreren stark alkoholisierten Männern. Als sie dazwischen gehen, um zu schlichten, wendet sich die Aggressivität gegen sie.

    Drei der deutschen Schläger beschimpfen sie mit "Ausländer raus" und versuchen, sie zu schlagen und zu treten.

    Die alarmierte Polizei ermittelt gegen die polizeibekannten Täter wegen versuchter Körperverletzung und Beleidigung.

Polizei Brandenburg 26.2.14

 

27. Februar 14

 

Bundesland Schleswig-Holstein. Ein 19 Jahre alter Flüchtling aus Afghanistan versucht, sich mit Tabletten zu vergiften. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, und er hat große Angst vor einer Rückschiebung nach Schweden. Dort war sein Antrag auf Asyl bereits abgelehnt worden, so daß die akute Gefahr besteht, daß er nach Afghanistan abgeschoben wird.

    Er war noch ein Kind, als sein Vater in Afghanistan ermordet worden war und seine Mutter beschloß, mit ihm und seinen Schwestern außer Landes zu flüchten. Sie lebten einige Jahre im Iran, bis sie die täglichen Diskriminierungen, denen sie seitens der Regierung ausgesetzt waren, nicht mehr aushielten und beschlossen, weiter zu flüchten. Die Mutter ging mit den Schwestern nach Pakistan, ihr Sohn floh nach Europa.

    Als der junge Mann von Schweden nach Deutschland fuhr, um einer Abschiebung nach Afghanistan zu entkommen, wurde er schon in Flensburg festgenommen und ins Abschiebegefängnis Rendsburg gebracht.

    Hier bekam er Kontakt zum Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein und somit Unterstützung durch einen Psychiater und einen Rechtsanwalt. Aufgrund einer Haftbeschwerde wegen seines schlechten psychischen Zustands mußte er entlassen und in einem Asylheim untergebracht werden.

Der Schlepper Nr. 71/72 Dez. 2014;

FRat SH 13.3.15

 

Februar 14

 

Neuburg an der Donau in Bayern. Der 21 Jahre alte Sharif X. aus Afghanistan versucht, sich mit einem Rasiermesser zu töten. Er kommt nach Versorgung seiner Verletzungen in die Psychiatrie des Klinikums Ingolstadt und wird auch im Juni noch stationär behandelt.

    Sharif X. gehört zu der in Afghanistan diskriminierten schiitischen Gruppe der Hazara. Nach dem Tode seines Vaters hatte seine Mutter den damals 15-Jährigen zu seinem Schutz nach Pakistan geschickt. Nach einem Jahr des Überlebenskampfes zog Sharif von dort nach Teheran in der Hoffnung auf ein sichereres Leben. Aber auch hier sind große Gruppen afghanischer Kriegsflüchtlinge – sie leben quasi außerhalb der Gesellschaft und in völliger Rechtlosigkeit.

    Sharif lebte hier gemeinsam mit 15 weiteren Flüchtlingen eineinhalb Jahre lang in Kellerverstecken und verdingte sich als Hilfsarbeiter. Als er genügend Geld gespart hatte, gelangte er mit Hilfe von Fluchthelfern in die Türkei, mit einem Schlauchboot auf eine griechische Insel und anschließend nach Italien. Deutschland erreichte er im Jahre 2010 und stellte einen Asylantrag.

    Gegen seinen Protest wurde der jetzt 17-Jährige auf den deutschen Formularen ein Jahr älter gemacht, als er tatsächlich war. Der Asylantrag wurde abgelehnt, und als er aufgefordert wurde, einen Paß in der afghanischen Botschaft zu beantragen, weigerte er sich. Er wollte nicht selbst aktiv an seiner eigenen Abschiebung mitwirken. Die Behörden kürzten ihm daraufhin monatelang das Taschengeld auf 5,91 Euro pro Monat, und er bekam ausschließlich Essensmarken.

    Als er schließlich nachgab und den Paß bekam, wurde das von ihm angegebene Alter bestätigt.

    Fast wöchentlich konnte er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern telefonieren, die inzwischen auch nach Pakistan geflüchtet waren. Der Kontakt lief über ein Ladengeschäft in Quetta. Der letzte Anruf aus dem Geschäft kam im Januar 2014 vom Ladenbesitzer selbst. Ein Selbstmordattentäter hatte auf dem Markplatz Dutzende Hazara getötet – unter ihnen befanden sich auch Sharifs Mutter und seine Geschwister.

    Diese Nachricht nahm ihm seinen Lebenswillen, und er sagte, sobald er die Gelegenheit hätte, wolle er selbst Schluß machen.

DK 19.3.14;

Bernd Duschner – Freundschaft mit Valjevo

 

4. März 14

 

Refugee-Strike-Camp am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg. Gegen 5.00 Uhr früh werden zwei Schlafzelte auf dem Oranienplatz von Unbekannten angezündet. In einem der Zelte schläft zu dieser Zeit ein algerischer Flüchtling, der von BewohnerInnen rechtzeitig aus dem Zelt geholt werden kann. ZeugInnen können zwei Menschen wegrennen sehen.

            Die alarmierte Polizei befragt weder den algerischen Flüchtling noch die ZeugInnen und geht zunächst von ''verbranntem Müll und Hausrat'' aus. Erst nach mehrfachen Interventionen beginnt die Polizei, in Richtung einer politisch motivierten Straftat zu ermitteln.

asylstrikeberlin.wordpress.com 4.3.14;

taz 5.3.14

 

10. März 14

 

Refugee-Strike-Camp am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg. Das Infozelt des Camps wird mit einer stinkenden Flüssigkeit von Unbekannten beworfen.

TS 10.3.14

 

11. März 14

 

Abschiebegefängnis Köpenick in Berlin - Station 22 im 2. Stock. Eine 39 Jahre alte Gefangene trinkt Shampoo, nachdem sie erfahren hat, daß die Beschwerde gegen ihre Inhaftierung abgelehnt wurde. Ihre Mitgefangenen können die Selbstvergiftung der Afrikanerin nicht verhindern, so daß die Frau zunächst ins Krankenhaus kommt. Nach medizinischer Erstversorgung wird sie – noch am selben Tag – ins Gefängnis zurückgebracht und dort in der Krankenstation überwacht.

    Sie war vor 44 Tagen direkt an der Grenze festgenommen worden und befindet sich seitdem in Gefangenschaft. Ende März wird sie entsprechend dem Dublin-III-Verfahren nach Italien abgeschoben.

SOLWODI  Berlin – Beatrice Mariotti;

Abgeordnetenhaus Berlin DS 17/15332

 

12. März 14

 

Bundesland Baden-Württemberg. Ein 50 Jahre alter Asylbewerber wird gegen 1.45 Uhr in der Heilbronner Kaiserstraße von vier dunkel gekleideten Männern angesprochen, dann geschlagen, getreten und mit einem Messer an der Hand verletzt.

     Dann nehmen die Täter seine Geldbörse mit und verschwinden.

Polizei Heilbronn 12.3.14

 

13. März 14

 

Northeim im Bundesland Niedersachsen. Der 33 Jahre alte Palästinenser Motasem N. verletzt sich in selbsttötender Absicht und kommt daraufhin in die Akutpsychiatrie der Asklepios Fachklinik in Göttingen zur stationären Behandlung.

    Am frühen Morgen des 19. März erscheinen in der Klinik Bundespolizisten, nehmen den Patienten in Abschiebehaft und bringen ihn schließlich in ärztlicher Begleitung an die polnische Grenze. Sie rechtfertigen die Rückschiebung nach Polen mit einer Reisefähigkeitsbescheinigung, die eine verantwortlich Person aus der Klinik ausgestellt hat.

    Die Ehefrau von Motasem N., die sich seit einem Suizidversuch im Januar ebenfalls in stationärer Behandlung in der Klinik befindet, bleibt zurück.

    Motasem N. leidet an einer chronischen Hepatitis und einer Erkrankung des Blutes (Talassämie), wodurch er wöchentlich Bluttransfusionen bekommen muß. Parallel dazu ist die Einnahme von Medikamenten lebenswichtig. Schon zwei Wochen vor seinem Suizidversuch hatte er jede weitere medizinische Versorgung abgelehnt.

    Motasem N. war in dem jordanischen Flüchtlingslager "Azmi Almufti Camp" aufgewachsen, ging dann als Jugendlicher nach Syrien, blieb in der Stadt Daraa und heiratete hier. Vor etwa zwei Jahren flüchtete das palästinensische Ehepaar N. vor den Verfolgungen durch das Assad-Regime außer Landes.

    Nachdem ihre Asylanträge in Polen abgelehnt worden waren, reisten sie im Sommer 2013 in die Bundesrepublik ein und stellten erneut Anträge. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verwies allerdings auf das Dublin-Abkommen und lehnte ab.

    Auch wurde die Eheschließung behördlicherseits in Frage gestellt, weil es dem Paar nicht gelang, entsprechende Urkunden aus Daraa zu bekommen, wo keine Verwandten mehr wohnen und eine behördliche Infrastruktur gar nicht mehr existiert.

    Aufgrund der aufkommenden Kritik an dem brutalen Vorgehen der Behörden äußert sich der Landkreis-Sprecher Dirk Niemeyer gegenüber dem NDR folgendermaßen: "Es liegen keine Informationen vor, dass die Betroffenen suizidal sind."

AK Asyl Göttingen 22.3.14;

FairBleib Südniedersachsen Febr. 2014;

ndr 1 – niedersachsen 19.3.14;

taz 20.3.14; taz 22.3.14;

Monsters of Goettingen 27.3.14

 

14. März 14

 

Berlin-Hellersdorf. Sechs unbekannte Personen bewerfen kurz nach Mitternacht die Asylunterkunft in der Carola-Neher-Straße mit Steinen und versuchen dann gewaltsam, in das Gebäude einzudringen, was ihnen nicht gelingt. Als die Polizei 20 Minuten später eintrifft, sind die Angreifer bereits unerkannt geflohen.

    Vorangegangen war dem Angriff eine Hetzjagd auf zwei 19 und 20 Jahre alte Bewohner der Einrichtung. Als die beiden Flüchtlinge am nahe gelegenen U-Bahnhof Cottbusser Platz ausstiegen, wurden sie von ca. 15 Deutschen bedroht und mit Bierflaschen beworfen. Sie konnten sich in das Gebäude der Asylunterkunft retten und blieben unverletzt.

    Der Staatsschutz nimmt die Ermittlungen auf.

    Die rechte ''Bürgerbewegung Hellersdorf'' kommentiert den Angriff auf Facebook: ''Macht weiter so … Schmeißt den Dreck raus!''

    Im Umfeld der Unterkunft kommt es seit deren Eröffnung im August 2013 regelmäßig zu rassistischen Aktionen: am 15. März werden im Umfeld der Unterkunft Aufkleber ''Nein zum Heim'' und ein Hakenkreuz entdeckt. Und einen Tag später kommt es in den Morgenstunden zu einem Brandanschlag auf ein Auto einer Unterstützerin der Flüchtlinge. Auf dem nahe gelegenen U-Bahnhof Cottbusser Platz werden zudem immer wieder rassistische Parolen und neonazistische Symbole entdeckt.

(siehe auch: 1. Januar 14; 17. Januar 14; 14. März 14;

30. August 14; 10. Oktober 14)

taz 14.3.14; ND 14.3.14;

suburbanhell.org;

BeZ 18.3.14

 

17. März 14

 

Amberg im Bundesland Bayern. Seit dem 14. März befinden sich acht Iraner der Flüchtlingsunterkunft in der Kümmersbrucker Straße im Hungerstreik. Sie protestieren gegen die Zwangsversorgung mit Lebensmitteln durch Essenskörbe, die Unterbringung auf engstem Raum, ihre rechtliche Situation sowie die Dauer der Asylverfahren. In einem Brief schreiben sie: ''Diese lange Zeit in der Schwebe, ohne die grundlegenden Bürgerrechte wie eine Arbeitserlaubnis, das Recht, unseren Aufenthaltsort selbst zu bestimmen, ja nicht einmal uns innerhalb Deutschlands frei zu bewegen, ist kaum zu ertragen.'' Außerdem fordern die Flüchtlinge Gespräche mit einem Vertreter des Bundesamtes für Migration.

    Um ihren Forderungen öffentlich Ausdruck zu verleihen, errichteten die Flüchtlinge am 12. März ein von der Stadt Amberg genehmigtes Camp vor dem Bahnhof.

    Während des Hungerstreiks bekommt ein Flüchtling Herzprobleme und muß medizinisch behandelt werden.

Nachdem die Flüchtlinge von der oberpfälzischen Regierung die Zusage erhalten, in eine kleinere Unterkunft zu ziehen, beenden sie am 21.3. ihren Protest und bauen das Camp wieder ab.

antifanm.blogsport.de 17.3.14;

br 21.3.14

 

17. März 14

 

Landkreis Dingolfing-Landau im Bundesland Bayern. Etwa 80 Polizeibeamte räumen gegen 17.30 Uhr ein Protest-Camp, in dem Flüchtlinge vor fünf Tagen einen Hunger- und Durststreik begannen.

    Die ca. 15 "Non-Citizens" aus den Unterkünften Oberhausen und Gottfrieding hatten einen Pavillon mit einigen Matratzen in der Oberen Stadt in Dingolfing direkt vor dem Landratsamt aufgebaut und forderten u.a. die Anerkennung ihrer Asylanträge, Abschaffung der Residenzpflicht, Stopp aller Abschiebungen und den Transfer vom Lande in eine größere Stadt.

    Während des "trockenen Hungerstreiks" wurde ca. zehnmal ein Notarztwagen gerufen, um kollabierende Streikende vor Ort zu behandeln bzw. sie ins Krankenhaus zu fahren.

    Die PolizeibeamtInnen aus den Orten Landshut, Passau, Straubing und Dachau brachen den passiven Widerstand der Protestierenden, indem sie sie einzeln aus dem eingehakten Menschenknäuel herauszogen. Die 15 Streikenden und fünf UnterstützerInnen wurden vorübergehend festgenommen – die Flüchtling kamen später in ihre Asylheime zurück..

Wochenblatt 17.3.14;

PNP 17.3.14; MbZ 18.3.14

 

18. März 14

 

Bundesland Sachsen-Anhalt - Saalekreis. In der Straßenbahn wird eine 32 Jahre alte Geflüchtete von einer Deutschen schmerzhaft gegen die Schulter gestoßen. Eine zweite Deutsche zeigt ihr den sogenannten Stinkefinger.

    Die Geflüchtete wurde schon öfter von diesen beiden Frauen angepöbelt, rassistisch beleidigt und bedroht.

    Auf dem Nachhauseweg begegnet sie den Frauen erneut, die wieder aggressiv auf sie zukommen. In Panik läuft sie weg und bittet im nahe gelegenen Bahnhof Polizeibeamte um Hilfe – sie erstattet Anzeige.

    Die polizeilichen Ermittlungen werden später eingestellt.

Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt

 

19. März 14

 

Bundesland Brandenburg – Luckenwalde im Landkreis Teltow-Fläming. Gegen 21.25 Uhr wird gegen das Fenster eines bewohnten Zimmers des Übergangsheims für Flüchtlinge in der Forststraße ein Stein geworfen, wodurch die Glasscheibe zerstört wird.

    Die Polizei ermittelt wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zwei Täter, die sie der rechten Szene zuordnet.

    Dies ist bereits die zweite Attacke mit Steinen auf das Gebäude, das vor ca. einem Jahr eröffnet wurde.

(siehe auch: 27. August 14)

Opferperspektive; MAZ 20.3.14;

 BT DS 18/1593

 

20. März 14

 

Essen-Frintrop in Nordrhein-Westfalen. Gegen 10.15 Uhr wird die Asylbewerberunterkunft in der Straße ''Am Neerfeld'' von Unbekannten mit 4 Metallkugeln beschossen. Als die Polizei eintrifft, landet eine Schraubmutter in der Nähe der Beamten. Die Metallkugeln haben Fensterscheiben der Einrichtung zerstört.

    Der Staatsschutz ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung.

    Es ist bereits der dritte Angriff auf die Unterkunft innerhalb von 5 Monaten.    (siehe auch: 18. Oktober 13)

WAZ 21.3.14;

BT DS 18/1593

 

21. März 14

 

Bundesland Sachsen – Dresden-Leuben. Kurz vor 23.00 Uhr wird ein Fenster einer Erdgeschoßwohnung in der Neundorfer Straße, in der tunesische Flüchtlinge leben, von 15 jungen Männern eingeworfen. Einige der Angreifer gehen anschließend in das Haus und versuchen, die Tür zu der Wohnung einzutreten. Nachdem ihnen das nicht gelingt, flüchten sie.

Polizei Dresden 21.3.14; LVZ 24.3.14;

 StA Dresden 18.3.15;

BT DS 18/1593

 

21. März 14

 

Abschiebegefängnis des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt. Am 7. Tag ihres Hungerstreiks und am 2. Tag ohne Flüssigkeitsaufnahme befindet sich ein tschetschenischer Gefangener im Krankenhaus; ein zweiter war im Krankenhaus gewesen und kam dann zurück ins Abschiebegefängnis.

    Die beiden Gefangenen im Alter von 23 und 25 Jahren fordern ihre Entlassung aus der Haft und die Bearbeitung ihrer Asylanträge in Deutschland. Entsprechend dem Dublin-III-Verfahren beabsichtigt die BRD, sie nach Polen zurückzuschicken.

  Sie waren vor ein paar Wochen in Deutschland eingereist und mit der Begründung des illegalen Grenzübertritts in Abschiebehaft genommen worden.

MOZ 22.3.14;

lagerwatcheisen

 

23. März 14

 

Bundesland Baden-Württemberg – Krautheim. In der Nacht zerschlägt ein von Unbekannten geworfener Stein ein Fenster der Unterkunft für Flüchtlinge in der Birkenallee 6-8.

    Mitte März sind in das Gebäude acht Männer aus Syrien und sechs aus Pakistan eingezogen.

    Im Vorfeld der Eröffnung der Unterkunft gab es dagegen eine Unterschriften- und Flugblattaktion, eine Facebookseite der Identitären Bewegung ''Nein zum Heim!'' und eine aufgebrachte BürgerInnenversammlung. Wenige Wochen später startet eine erneute Unterschriftenaktion gegen die weitere Unterbringen von Flüchtlingen des für 40 BewohnerInnen ausgelegten Gebäudes.

Kontext: Wochenzeitung – Ausgabe 163;

BT DS 18/1593

 

24. März 14

 

Landkreis Uckermark in Brandenburg. In Prenzlau werden drei Asylsuchende aus Somalia aus rassistischen Motiven körperlich angegriffen.

    Die Polizei ermittelt zwei Tatverdächtige.

Opferperspektive

 

27. März 14

 

Berlin-Grünau. Gegen 4.15 Uhr bemerkt ein Wachschutz-Mitarbeiter der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in der Wassersportallee, wie ein Unbekannter mit einem Ast gegen die Scheibe der Nebeneingangstür schlägt. Diese geht daraufhin zu Bruch.

    Der Unbekannte flüchtet, als er den Wachschutzmitarbeiter bemerkt, und kann trotz sofortiger Verfolgung nicht gefaßt werden.

BK 27.3.14; BM 27.3.14;

BT DS 18/1593

 

28. März 14

 

Bundesland Hessen – Landkreis Lahn-Dill. Gegen 13.00 Uhr sitzt ein afghanischer Flüchtling am offenen Fenster der 3. Etage der Dillgenburger Flüchtlingsunterkunft und droht, sich hinunter zu stürzen. Hintergründe sind offensichtlich die Ablehnung seines Asylantrags und die bevorstehende Abschiebung.

    Einem Mitarbeiter der Polizei gelingt es, den 24-Jährigen zu überwältigen, so daß er in eine psychiatrische Klinik gebracht werden kann.

Polizei Lahn-Dill 28.3.14

 

30. März 14

 

Schweinthal im Bundesland Bayern. Knapp 50 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt werden zwei Flüchtlinge aus Eritrea mit Unterkühlungen von der Polizei aufgegriffen. Sie sind zu Fuß unterwegs und befinden sich im Ortsteil Miesbach an der Bundesstraße 472.

BT DS 18/4032

 

31. März 14

 

Bundesland Hessen – Gießen. Kurz vor Mitternacht bricht in der Außenstelle der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung für AsylbewerberInnen in der Rödgener Straße ein Feuer aus. Der Brand entstand wahrscheinlich im Fernsehraum in der ersten Etage des Gebäudes. Die rund 400 dort lebenden Menschen müssen evakuiert werden, eine Person kommt mit Rauchgasvergiftungen in ein Krankenhaus. Das Gebäude wird dabei so stark zerstört, daß es nicht mehr bewohnbar ist.

    Auch gut acht Monate nach dem Brand kann die Polizei keine eindeutigen Aussagen zur Brandursache machen – weder Brandstiftung noch ein technischer Defekt können als Ursache klar identifiziert werden.

GAll 22.3.14; Polizei Gießen 17.11.14

 

März 14

 

Landkreis Schaumburg in Niedersachsen. Der 36-jährigen Irijana Rustemi und ihren drei Kindern, die im Dorf Nordsehl bei Stadthagen leben, droht die Rückschiebung entsprechend dem Dublin-Verfahren nach Dänemark, wo sie vor 22 Monaten einen Asylantrag gestellt hatten. Da dieser abgelehnt worden war, besteht jetzt die Gefahr, daß die Roma-Familie von dort aus in den Kosovo abgeschoben wird.

    Irijana Rustemi, die als Dreijährige mit ihren Eltern den Kosovo verließ und in Kroatien aufgewachsen war, hatte in der BRD bereits eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Ihre Kinder, die 13-jährige Awelina, der 15 Jahre alte Ramadan und die 17-jährige Vanessa, sind alle im niedersächsischen Rinteln geboren.

    Nach acht Jahren Trennung von ihrem Ehemann, mit dem sie als 18-Jährige verheiratet worden war, und nach Zuwendung zu einem anderen Lebenspartner begann sowohl der Ex-Mann als auch dessen Familie mit Gewaltandrohungen gegen sie und ihre Kinder. In ihrer Not flüchteten sie nach Dänemark, weil sie wußten, daß dort keine Angehörigen der Großfamilie wohnten.

    In Dänemark ging es der jüngsten Tochter Awelina gesundheitlich sehr schlecht. Sie war die meiste Zeit im Krankenhaus, wo ihre schweren Lebensmittel-Allergien, Eßstörungen und psychischen Probleme behandelt wurden – sie wog zeitweilig nur noch 22 Kilogramm.

    Im Mai untersagt das Verwaltungsgericht Hannover wegen der psychischen Erkrankung von Frau Rustemi die Rückschiebung nach Dänemark.

    Im Rahmen eines asylrechtlichen Verfahrens wird nach § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz ein Abschiebeverbot festgestellt, so daß die Hoffnung der Familie auf ein sicheres Bleiberecht durchaus realistisch ist.

    Frau Rustemi hat ein Praktikum im Bereich Altenpflege begonnnen, um ihrem lange bestehenden Berufswunsch näher zu kommen.

niedersachsen.com 4.3.14;

Dietrich Wollschlaeger – Rechtsanwalt

 

6. April 14

 

Bundesland Bayern im Landkreis Aschaffenburg. Drei pakistanische Asylbewerber befinden sich nach dem Besuch des Großostheimer Brauerei-Festes gegen 2.15 Uhr auf dem Wege zu ihrer Unterkunft nach Ringheim. Auf der Brücke am Bartholomäusweg kommen ihnen sechs Personen entgegen – von denen vier mit schwarzen Tüchern über Mund und Nase maskiert sind. Sie fragen die Pakistani nach Zigaretten und kaum haben diese verneint, bekommt ein 29-Jähriger einen Faustschlag gegen die Schläfe, der eine Platzwunde verursacht. Zudem werden er und sein 30-jähriger Begleiter mit einem Baseballschlager angegriffen und bei ihrer Flucht in Richtung Ringheim damit am Rücken verletzt. Ihr 25 Jahre alter Freund wird von einem anderen Angreifer durch einen Schuß aus einer Softair- oder Luftdruckwaffe im Schulterbereich getroffen – dieser flüchtet zurück in Richtung Großostheim.

    Erst als ein Passant laut ankündigt, die Polizei zu rufen, lassen die Angreifer von ihren Attacken und Verfolgungen ab und laufen in Richtung Friedhof davon. Die drei pakistanischen Männer müssen ihre Verletzungen ärztlich behandeln lassen.

    Die Kriminalpolizei Aschaffenburg nimmt die Ermittlungen auf, gibt Personenbeschreibungen der Täter heraus und sucht ZeugInnen.

infranken.de 8.4.14; MbZ 8.4.14;

Mainpost 8.4.14; main-netz.de 9.4.14;

main-netz.de 11.4.14; Mainpost 11.4.14

 

6. April 14

 

Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Am Eingang einer Diskothek in Güstrow wird einem 29 Jahre alten Flüchtling aus Ghana wiederholt der Zutritt an diesem Abend verweigert, obwohl er Eintritt bezahlt hat. Da Menschen mit weißer Hautfarbe ohne Probleme eingelassen werden, beginnt der Flüchtling eine Diskussion mit dem Türsteher. Dieser greift ihn allerdings unvermittelt an und schlägt so heftig auf ihn ein, daß er seine Platzwunden und Schwellungen im Gesicht im Krankenhaus ambulant behandeln lassen muß.

    Obwohl der Angreifer namentlich bekannt ist, stellt die Staatsanwaltschaft Rostock die Ermittlungen später mit der Begründung "kein öffentliches Interesse" ein. Der Rechtsanwalt bemüht sich weiterhin um eine Wiederaufnahme der Ermittlungen.

LOBBI

 

8. April 14

 

Bundesland Sachsen – Hoyerswerda. Eine aus Syrien stammende Frau ist gegen Mittag auf dem Weg zu ihrer Unterkunft in der Dillinger Straße, als neben ihr ein Auto mit drei jungen Männern hält. Diese beleidigen sie rassistisch, ein Mann spuckt sie an, dann fahren sie weiter.

(siehe auch: 7. Februar 14, 12. April 14, 19. April 14)

LR 10.4.14; taz 25.4.14

 

8. April 14

 

Bundesland Thüringen. Gegen 14.00 Uhr erscheinen uniformierte Polizeibeamte in der Erfurter Johannesschule und führen die neunjährige Elmedina und ihre ein Jahr ältere Schwester Riana vor den Augen der MitschülerInnen und der LehrerInnen ab. Widerspruch oder gar Verhinderungsversuche von seiten der Lehrkräfte in diesem für Kinder eigentlich geschützen Raum gibt es nicht.

    Zeitgleich haben sich zivil gekleidete BeamtInnen Zugang zur Wohnung der Mutter, Elvira D., verschafft und geben ihr eine Stunde Zeit, ihre Sachen zu packen und die für ihre beiden Töchter. Alle zusammen werden dann unverzüglich zum Flughafen Halle-Leipzig gefahren und in einen Linienflug der Austrian Airlines in Richtung Skopje gesetzt.

    Diese Abschiebung kam für die Roma-Familie völlig überraschend – es gab keine Zeit des Vorbereitens und Abschiednehmens.

    Angekommen in Mazedonien werden ihre Pässe von der Polizei eingezogen. Ein Recht auf Sozialhilfe (30 Euro pro Monat) und Krankenversicherung wird ihnen aufgrund der Tatsache, daß sie abgeschoben wurden, abgesprochen.

Unterstützer_innenkreis 8.4.14;

FRat Thüringen 10.4.14;

fight racism and isolation 11.7.14

 

9. April 14

 

Bundesland Bayern, Gauting im Landkreis Starnberg. Gegen 17.00 Uhr bricht ein Feuer im Flur des ersten Obergeschosses der Unterkunft für Flüchtlinge in der Ammerseestraße aus. Unbekannte haben zwei vor einem Fenster angebrachte Vorhänge in Brand gesetzt. Noch vor dem Eintreffen der Feuerwehr ist das Feuer bereits erloschen.

    Acht Monate nach dem Brand hat die Polizei noch keine TäterInnen ermittelt, geht aber davon aus, daß die Täter 'von außen' kommen.

MM 10.4.14; Polizei Ingolstadt 10.4.14;

Polizei Ingolstadt 8.12.14

 

10. April 14

 

Bundesland Niedersachsen - Hannover. Die Ghanaerin Vita M. erscheint mit ihrem vier Wochen alten Säugling Joshua in der Notaufnahme des Kinderkrankenhauses Auf der Bult. Sie berichtet, daß der Junge seit einem Tag keine Nahrung zu sich nehme und zudem heftig huste. Sie legt einen Arztbrief und ein Untersuchungsheft ihrer Zwillinge Joshua und Joseph vor, um zu belegen, daß die beiden Frühgeborenen bis vor zwei Wochen in genau dieser Klinik wegen eines Lungenleidens behandelt wurden. Die Notaufnahme bemängelt jedoch, daß sie als Asylbewerberin den Beleg einer Kostenübernahme und die Geburtsturkunde vorlegen müsse.

    Frau M. fährt in ihrer Not mit dem Bus zu ihrer Kinderärztin nach Kirchrode. Diese ordert umgehend einen Rettungswagen und schickt den Säugling zurück in die Klinik Auf der Bult. Auf dem Weg ins Krankenhaus stirbt der Junge – Reanimationsversuche im Krankenhaus gelingen nicht mehr.

    Vita M. und der Vater des Jungen, Francis A., erstatten Anzeige wegen Totschlags durch unterlassene Hilfeleistung.

    Der Ärztliche Direktor der Klinik, Thomas Beushausen, weist alle Vorhaltungen entschieden zurück und betont zudem, daß der fehlende Krankenschein für das Kind keine Rolle gespielt habe – es habe jedoch keinen Hinweis auf einen medizinischen Notfall gegeben.

HAZ 15.4.14; HAZ 16.4.14;

Hannover Ztg 16.4.14; taz 16.4.14;

Pro Asyl 16.4.14; TS 17.4.14

 

11. April 14

 

Schwäbisch Gmünd im Bundesland Baden-Württemberg. Im Laufe des Vormittags besetzen einige BewohnerInnen der Flüchtlingsunterkunft Auf dem Hardt den Waschraum, woraufhin die Heimleitung die Polizei ruft, die mit ca. 20 Personen und mehreren Hunden den Waschraum räumt.

    Zwei Bewohner, Julius aus Kamerun und Farooq Khan aus Afghanistan, werden von den Polizeihunden gebissen und mehrere BewohnerInnen verhaftet. Die beiden verletzten und festgenommen, teils unbekleideten Bewohner werden ohne medizinische Versorgung von der Polizei festgehalten.

    Circa 15 BewohnerInnen ziehen daraufhin in Richtung Innenstadt und blockieren eine Kreuzung, bis der Krankenwagen für die beiden Verletzten kommt. Danach gehen sie weiter und erreichen gegen 14.30 Uhr die Polizeistation. Hier verlangen sie skandierend die Freilassung der Festgenommenen. Am Nachmittag werden schließlich alle Festgenommenen wieder frei gelassen.

    Dem Protest war vorausgegangen, daß einige BewohnerInnen die Entfernung einer Überwachungskamera an dem Müllcontainer forderten. Mehrere Gespräche mit der Heimleitung führten zu keinem Ergebnis und endeten oft mit der Drohung, die Polizei zu rufen. Dies geschah auch am 3. März, wobei vier Flüchtlinge verhaftet wurden. In den folgenden Wochen versuchten einige BewohnerInnen, mit Bannern die Überwachungskamera zu verdecken, die Banner wurden jedoch immer wieder entfernt.

Remszeitung 11.4.14;

Polizei Aalen 11.4.14; The VOICE;

Refugees Initiative Schwäbisch Gmünd

 

12. April 14

 

Bundesland Sachsen – Hoyerswerda. Eine aus Libyen stammende 40-jährige Frau wird direkt vor der Flüchtlingsunterkunft in der Dillinger Straße bedrängt. Die als "junge deutsche Männer" beschriebenen Täter fahren mit einem Fahrzeug über den Bürgersteig auf sie zu und beleidigen sie mit einer obszönen Geste.

    Täter konnten nicht ermittelt werden.

(siehe auch: 7. Februar 14, 8. April 14, 19. April 14)

RAA Sachsen; taz 25.4.14;

StA Görlitz 17.12.14

 

12. April 14

 

Refugee-Strike-Camp am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg. Nach 104 Stunden Besetzung steigt Napuli Paul Langa gegen 22.30 Uhr aus vier Meterm Höhe über eine Feuerwehrleiter von einer Platane herunter und kommt aufgrund ihres Schwächezustands zunächst in ein Krankenhaus.

    Rund um den Baum befinden sich Sprungpolster und –tücher der Feuerwehr, weil schon länger die Gefahr bestand, daß Frau Langa von der Astgabel, auf der sie saß, herunterstürzte. Sie hat fünf Tage im Baum verbracht, war Nässe und Kälte ausgesetzt, nur mit einem Anorak bekleidet und einer Bettdecke umwickelt. Ihre Bewegungen waren sehr langsam geworden, und es war offensichtlich, daß sie körperlich sehr litt. Zwischenzeitlich hatte sie ein stark geschwollenes Bein und erst nach mehrmaligen ernsthaften Ermahnungen der UnterstützerInnen ließ die Polizei eine Ärztin auf das Gelände, die mit ihr sprechen konnte.

    Aus Protest gegen die Räumung des Refugee-Camps am 8. April war Frau Langa mit zwei anderen Flüchtlingen auf den zentral auf dem Platz stehenden Baum geklettert. Am 9. April stiegen die zwei Männer von dem Baum herunter, so daß Frau Langa fortan allein ausharrte.

    Gegen 20.00 Uhr des 9. April begannen vier Flüchtlinge an der Nordseite des geräumten Geländes mit einem Hungerstreik aus Solidarität mit Napuli Langa und aus Protest gegen die Räumung des Platzes.

    Der Oranienplatz wurde unmittelbar nach der Zerstörung und Räumung der Zelte und Hütten der Refugees weiträumig mit einem hohen Metallzaun abgesperrt, einige hundert PolizistInnen schützten den Zaun und verhinderten so den Zugang – auch zum Baum. Mindestens in den ersten drei Tagen verweigerte die Polizei den Transfer von Wasser, Essen oder trockener Kleidung für Frau Langa.

    Der Einsatzleiter setzt auf Zeit und antwortet auf die Fragen, warum der Zugang zu Frau Langa versperrt ist, mit dem lapidaren Satz, sie könne ja runterkommen, dann könne sie soviel essen, wie sie wolle.

    Noch gestern hatte ein Gericht einen Eilantrag auf den "Anspruch" auf den Baum-Protest abgelehnt. Frau Langa hat demzufolge kein Recht darauf, sich Getränke und Essen bringen zu lassen – auch keinen Anspruch auf den Zugang von ÄrztInnen.

    Napuli Langa forderte ein Gespräch mit der Integrationssenatorin Dilek Kolat, die dieses jedoch vor Ort ablehnte, und sie forderte eine schriftliche Zusage, daß am Oranienplatz weiterhin ein Info-Point und ein Pavillon für Versammlungen der Flüchtlinge bestehen bleibt.

    Erst als sie einen von Frau Kolat handgeschriebenen Zettel mit der Zusage übergeben bekommt, " ..... dass der Oranienplatz als Info- und Protestplattform für die Rechte von Flüchtlingen erhalten bleibt", beendet sie ihre Aktion.

    Napuli Paul Langa war seit der Entstehung des Refugee-Camps am Oranienplatz im Oktober 2012 aktiv dabei und als Vertreterin der Forderungen der Flüchtlinge auch in der Öffentlichkeit immer präsent.

Spiegel 11.4.14; BM 12.4.14;

Zeit 13.4.14; Bild 13.4.14;

TS 13.4.14; Zeit 13.4.14;

Asyl Strike Berlin

 

13. April 14

 

Bundesland Thüringen – Schmölln im Landkreis Altenburger Land. Gegen 1.00 Uhr wird die Unterkunft für Flüchtlinge in der Bergstraße 48/2 von unbekannten Personen mit einem pyrotechnischen Knallkörper attackiert. Dabei hinterläßt der Knallkörper Schmauchspuren an der Fassade des Gebäudes. TäterInnen konnten nicht ermittelt werden.

StA Gera 3.3.14;

BT DS 18/2284

 

19. April 14

 

Bundesland Sachsen – Hoyerswerda. Gegen 3.00 Uhr wird das Wohnheim für Flüchtlinge in der Dillinger Straße angegriffen. Der 25-jährige Angreifer, maskiert mit einer Sturmhaube, schlägt mit einem Hammer mehrmals gegen eine Fensterscheibe eines Zimmers im Tiefparterre. Die Innenscheibe des Fensters geht daraufhin zu Bruch, und es fallen Glasscherben in ein Zimmer, in dem sechs Bewohner schlafen. Geweckt durch den Lärm löst ein Bewohner daraufhin den Feuer

alarm aus.

    In der Unterkunft wohnen zu diesem Zeitpunkt 85 Erwachsene und 32 Kinder aus verschiedenen Ländern.

    Gegen den Angreifer wird wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung ermittelt.

(siehe auch: 7. Februar 14, 8. April 14, 12. April 14)

LR 22.4.14; Zeit 23.4.14; taz 25.4.14;

StA Görlitz 17.12.14;

BT DS 18/1593

 

19. April 14

 

Berlin-Hellersdorf – Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in der Maxi-Wander-Straße. Ein Mitarbeiter der Security gibt der von ihm gerufenen Polizei gegen 20.30 Uhr zu Protokoll, daß er von einem 17-jährigen Bewohner der Unterkunft angegriffen und gewürgt wurde sowie von dessen 18-jährigen Bruder geschlagen. Die beiden Beschuldigten geben jedoch an, von dem Security-Mitarbeiter geschlagen worden zu sein.

    Der 17-Jährige und ein weiterer Security-Mitarbeiter wurden bei der Auseinandersetzung verletzt.

dpa 20.4.14;

TS 20.4.14; MOZ 21.4.14

 

21. April 14

 

Landkreis Havelland in Brandenburg. In Friesack wird ein 28 Jahre alter Flüchtling aus Somalia auf offener Straße von zwei Männern geschlagen. Da die Polizei von einem rassistischen Motiv ausgeht, ermittelt der Staatsschutz wegen gefährlicher Körperverletzung.

Opferperspektive

 

21. April 14

 

Landkreis Greiz im Bundesland Thüringen. In der JVA Hohenleuben fügt sich ein 47 Jahre alter Gefangener mit einem scharfkantigen Gegenstand Schnittwunden an den Händen zu. Dann verschanzt er sich im Sanitärtrakt seines Haftraumes und droht, Justizbeamte zu verletzen für den Fall, daß er abgeschoben wird. Seine Abschiebung nach Tunesien ist für den nächsten Tag geplant.

    Nachdem die Polizei und eine Verhandlungsgruppe des Landeskriminalamtes den Verzweifelten nicht überzeugen können, wird dieser gegen 14.30 Uhr von einem Sondereinsatzkommando (SEK) überwältigt.

    Seine Schnittverletzungen an den Händen werden medizinisch versorgt, und am nächsten Tag wird er nach Tunesien ausgeflogen.

Focus 21.4.14; MDZ 21.4.14;

t-online.de 21.4.14; TA 22.4.14;

Thüringer Justizministerium 22.4.14

 

23. April 14

 

Bundesland Bayern – Landkreis Main-Spessart. In der Flüchtlingsunterkunft Gemünden finden BewohnerInnen gegen 13.00 Uhr einen Mann in Krämpfen auf dem Boden liegend – er hat Schaum vor dem Mund. Der 27-jährige Iraner kommt umgehend ins Krankenhaus Lohr. Nach medizinischer Notversorgung wird er zur stationären Behandlung in die Psychiatrie verlegt.

    Der Mann, ein gläubiger Christ, wartet seit zweieinhalb Jahren auf einen Bescheid zu seinem Asylantrag und war in letzter Zeit zunehmend depressiver geworden. Jetzt hatte er in seiner Verzweiflung mehr als 30 Tabletten geschluckt.

    Nach Aussagen seines Rechtsanwaltes hatte der Asylbewerber schon einmal im Frühjahr 2012 versucht, sich durch Selbstverletzung zu töten. Auch damals war er nach der medizinischen Versorgung im Krankenhaus anschließend in die Psychiatrie verlegt worden.

    Am 26. November 14 wird ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.

Mainpost 23.4.14;

Antirassistische Initiative Berlin

 

29. April 14

 

Berlin-Köpenick – Brandanschlag auf die Flüchtlingsunterkunft in der Salvador-Allende-Straße. Kurz vor 23.00 Uhr wird versucht, die Notausgangstür des Gebäudes mit Grillanzünder anzuzünden. Das Feuer erlischt jedoch von selbst nach wenigen Minuten.

    Die beiden Täter, der 20-jährige Dennis H. und der 21-jährige Marvin G., können noch in der Nacht von der Polizei festgenommen werden, weil der versuchte Brandanschlag von einer Überwachungskamera aufgenommen wurde. Der 21-Jährige legte das Feuer, und der 20-Jährige zeigte während des versuchten Brandanschlags den Hitlergruß und entfernte eine Holzlatte.

    Im Prozeß gegen die beiden Täter fällt das Amtsgericht Berlin-Tiergarten am 10. September 14 die Urteile: Gegen den 20jährigen, der bereits 13 Eintragungen im Strafregister hat, wird ein zweiwöchiger Dauerarrest ausgesprochen; gegen den 21jährigen, der bereits eineinhalb Jahre im Gefängnis saß sowie viele Straftaten beging, eine Haftstrafe von vier Monaten, ausgesetzt zur dreijährigen Bewährung.

    Im direkten Umfeld der Unterkunft, die am 1. November 13 eröffnet wurde und in der ca. 150 Flüchtlinge leben, gab es vor dem Brandanschlag immer wieder rassistische Parolen, die sich teils auch direkt auf die Unterkunft bezogen. Im Februar 14 organisierte die NPD eine Kundgebung gegen die Unterkunft, und auf Facebook agiert eine anonyme rechte Bürgerinitiative dagegen.

TS 30.4.14; ND 30.4.14; jW 7.5.14;

BeZ 10.09.14; ND 11.9.14;

www.eaurich.de/Welcome/tagebuch.html;

BT DS 18/2284

 

6. Mai 14

 

Berlin – Bezirk Kreuzberg. Gegen 3.00 Uhr morgens verläßt der 22-jährige Pakistani Adeel M. eine Party, die im "NewYorck im Bethanien" unter dem Thema "Protest march for Freedom to Brussels" stattfindet. Er geht vor das Haus, bindet sein Fahrrad los und schiebt es einen dunklen kurzen Fußweg entlang, um auf die hell erleuchtete Waldemarstraße zu gelangen. Auf der Mitte des Weges, er will gerade auf sein Fahrtrad steigen, greifen ihn vier oder fünf vermummte Personen von hinten an. Ein Täter, der ein ca. 15 cm langes Messer in der Hand hält, schlägt mit der anderen Hand einen großen Pflasterstein gegen seine linke Kopfseite. Auch die weiteren Angreifer traktieren ihn mit Faustschlägen gegen den Kopf, so daß er zu Boden geht.

    Am Boden liegend wird er weiter getreten und mit großen Pflastersteinen an Kopf und Körper geschlagen – mit seinen Armen umfaßt er seinen Kopf, um die Schläge und Tritte abzupuffern.

    Als die Kriminellen nach einigen Minuten von ihm ablassen und weggehen, bemerkt Adeel M., daß sie sein Fahrrad, sein Handy und seine Geldbörse mitgenommen haben. Er selbst hat eine stark blutende Wunde an der linken Schläfe und eine offene Verletzung am linken Schienbein – ansonsten viele Prellungen und Blutergüsse. Benommen und zitternd läuft er orientierungslos zwei Stunden durch die Straßen, bis er zu seinem Schlafplatz gelangt – aber auch dort vor lauter Zittern nicht zur Ruhe kommt.

    Erst am nächsten Tag wird er auf dem Refugee-Camp Oranienplatz wegen seines blutigen Kopfes und der blutverschmierten Kleidung angesprochen, wird zu einer Arztpraxis begleitet und dann ins Krankenhaus gebracht, wo vor allem noch einmal sein Kopf untersucht wird.

    Auch Tage nach dem Überfall leidet er unter starken Schmerzen und nimmt Schmerzmittel ein.

Bericht des Betroffenen 9.5.14

 

7. Mai 14

 

Flughafen Frankfurt am Main. Die Rückschiebung einer 25 Jahre alten iranischen Asylbewerberin nach Italien wird durch die Flughafenpolizei abgebrochen, weil sich die Frau mehrmals heftig erbricht und somit für reiseunfähig erklärt wird. Sie hat schweres Rheuma und kommt anschließend in ein Krankenhaus zur stationären Behandlung.

    Die Frau lebt seit Juli 2013 in einer Gemeinschaftsunterkunft in Bad Königshofen im Landkreis Rhön-Grabfeld. Aufgrund eines defekten Schlosses war ihre Zimmertür unverschlossen, so daß sie von den AbschiebebeamtInnen direkt aus dem Schlaf geholt wurde.

    Die Ausländerbehörde hatte die Rückführung ohne jegliche Ankündigung gegenüber der Betroffenen eingeleitet.

Mainpost 9.5.14

 

13. Mai 14

 

Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. An einer Verkehrsampel der Kleinstadt Torgelow wird ein 23 Jahre alter afghanischer Flüchtling am helligten Tag von einem deutschen Jugendlichen aus einer Gruppe von Berufsschülern heraus mit Pfefferspray attackiert

    Der Täter der Spray-Attacke ist ein 17-jähriger Berufsschüler, der sich nach der Tat von Gleichaltrigen feiern läßt. Bereits im Herbst 2013 hatte er mit einem Luftgewehr zwei Menschen verletzt. Er bleibt vorerst weiterhin auf freiem Fuß.

    Zwei Berufsschüler werden aufgrund des körperlichen Angriffs auf den Afghanen von der Berufsschule zunächst suspendiert. Nach den Ermittlungen der Polizei soll es sich um eine Mutprobe gehandelt haben.

    Der angegriffene Mann gehört zur Gruppe der etwa100 Flüchtlinge, die im Stadtteil Drögeheide untergebracht sind. Gegen diese Unterbringung mobilisiert die rechtsextreme NPD seit Monaten.

Focus 14.5.14;

OZ 16.5.14; OZ 21.5.14;

NK 22.5.14; LOBBI

 

14. Mai 14

 

Bundesland Hessen. Morgens um 6.40 Uhr und schon in Sichtweite zum Flughafen Frankfurt auf der Bundesstraße 43 in der Hölsterbacher Schleife stürzt sich – bei einer Fahrgeschwindigkeit von 100 km/h – ein somalischer Flüchtling aus einem Polizeibus und zieht sich schwere Verletzungen zu. Er kommt in ein Frankfurter Krankenhaus.

    Der 27 Jahre alte Somalier war in der Nacht in seinem Wohnort Westerburg im Westerwaldkreis von Polizisten abgeholt worden, weil er per Flugzeug nach Italien rückgeschoben werden sollte.

    Auf die Kritik, warum es dem Gefangenen gelungen war, die Tür des T4-VW-Busses von innen zu öffnen, nimmt die Bundespolizei Koblenz wie folgt Stellung: Sie habe an dem Tag so viele Menschen abschieben müssen, daß zwei eigens dafür vorgesehene Fahrzeuge voll waren. Deshalb habe man bei dem Somalier einen herkömmlichen Polizeibus – ohne Kindersicherung – genommen, aber einen zusätzlichen Beamten dazugesetzt.

hr 14.5.14; Bild 14.5.14;

eifelzeitung.de 14.5.14;

swr 15.5.14; RZ 15.5.14;

jW 15.5.14

 

21. Mai 14

 

Bundesland Niedersachsen. Das Oberlandesgericht Oldenburg gibt in der 2. Instanz einer 17-jährigen Syrerin Recht, die wegen eines Behandlungsfehlers gegen eine Klinik geklagt hatte.

    Als sie im Jahre 2005 von ihrem Kinderarzt in ein Krankenhaus überwiesen wurde, wurden hier wichtige Unterschungen zu ihrer Wachstumsprognose unterlassen, so daß eine entsprechende Behandlung ihrer Kleinwüchsigkeit gar nicht erst begonnen wurde.

    Die Verantwortlichen des Krankenhauses führten vor Gericht an, daß diese weiterführenden Untersuchungen durch den vorliegenden Versicherungsschein nach dem Asylbewerberleistungsgesetz finanziell nicht abgedeckt seien und somit auch eine entsprechende Therapie nicht zulässig sei. Tatsächlich hätten die verantwortlichen Klinik-Ärzte aber schon aus den vorliegenden Befunden einen entsprechenden Verdacht erkennen müssen, doch dazu findet sich nichts in der Krankenakte.

    Unabhängig von der versicherungsrechtlichen Seite sei der Arzt verpflichtet gewesen, so das Gericht, die Patientin bzw. deren Eltern über die erhobenen Befunde  und die daraus zu ziehenden Schlußfolgerungen aufzuklären. Da dies nicht geschah, wurde die Chance, die Behandlung durch die in Deutschland lebenden Verwandten zahlen zu lassen, über Jahre hinweg vertan.

    Die Klägerin erreichte Ende 2013 eine Körpergröße von 144 cm – mit einer entsprechenden Therapie wäre sie in gleicher Zeit 156 cm groß geworden.

    Das Krankenhaus wird verurteilt, der jungen Frau ein Schmerzensgeld von 40.000 Euro zu zahlen.

haufe.de 24.6.14;

KrZ 30.5.14;

Spiegel 30.5.14

 

23. Mai 14

 

Bundesland Schleswig-Holstein. Kurz nach Mitternacht wird die Polizei in die Flüchtlingsunterkunft von Uetersen gerufen, weil ein Bewohner von seinen Nachbarn bedroht wird.

    Die Beamten treffen auf einen 30 Jahre alten Syrer, der sich immer wieder ein Messer an den Hals hält und abwechselnd in Richtung der Polizisten schreiend droht, daß sie nicht näherkommen sollen.

    Mit Pfefferspray gelingt es den Beamten, den Mann zu überwältigen, ihm Handschellen anzulegen und mitzunehmen.

Da der Asylbewerber bereits zuvor in selbstgefährdender Weise auffällig war, entscheidet ein Amtsarzt seine Einweisung in die psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses.

Polizei Bad Segeberg 23.5.14

 

24. Mai 14

 

JVA Landshut im Bundesland Bayern. In der Nacht zerschlägt der Untersuchungsgefangene Muslim H. eine Fensterscheibe seiner Zelle und verletzt sich mit den Scherben selbst. Als die Wachmänner einschreiten wollen, bedroht der 28-Jährige die Bediensteten mit einer Scherbe und verletzt dabei auch zwei Personen. Es sind schließlich acht Männer in der Zelle, die den Gefangenen zu Boden bringen und ihn unter "Anwendung unmittelbaren Zwangs" versuchen zu fixieren. Im Rahmen dieses gewalttätigen Gerangels kollabiert Muslim H. – er atmet nicht mehr. Wie es später in der Pressemitteilung der Polizei heißt, "stellten die Beamten .... plötzlich eintretenden Atem- bzw. Herzstillstand des Gefangenen fest."

    Reanimierungsversuche gelingen zunächst durch den Notarzt, jedoch erliegt Muslim H. im Laufe des Tages im Krankenhaus noch seinen Verletzungen.

    Die Staatsanwaltschaft Landshut beginnt unmittelbar mit den Ermittlungen gegen die acht JVA-Angestellten wegen Körperverletzung mit Todesfolge.

    Als Todesursache wird nach der Obduktion ein "lagebedingter Erstickungstod" vermutet. "Weiter festgestellte Verletzungen im Kehlkopfbereich könnten hinsichtlich ihrer Relevanz für den Gesamtverlauf ad hoc noch nicht abgeschätzt werden", so die Antwort des Bayerischen Landtags auf eine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen am 5. November – sechs Monate nach der Obduktion.

    Muslim H., Flüchtling aus dem Kosovo, saß in der JVA in Untersuchungshaft, weil er am 1. April mit einer Geiselnahme in einem Flugzeug seine Rückschiebung nach Ungarn verhindern wollte. Die Lufthansa-Maschine (LH 1676) war um 11.23 Uhr in München gestartet, und einige Minuten später hatte er eine 50 Jahre alte Flugbegleiterin mit einer abgebrochenen Rasierklinge bedroht und verletzt und verlangte in 5200 Metern Höhe eine Umkehr des Airbus "Lindau" nach München.

    Zurück in München konnten alle 76 Passagiere und sieben Personen der Bordcrew die Maschine verlassen – zurück blieben der Geiselnehmer und die Stewardess. Mit Hilfe eines Dolmetschers gelang es, Muslim H. zur Aufgabe zu überreden, der sich um 12.27 Uhr dann widerstandslos von der Polizei festnehmen ließ.

    Am nächsten Tag wird Muslim H. aufgrund eines Haftbefehls vom Amtsgericht Erding in die JVA Landshut eingeliefert. Nach einer Woche in der Krankenabteilung der Anstalt, in der er medizinisch untersucht und beobachtet wurde, war er in den normalen Vollzug gekommen. Ein psychologisches Gutachten wurde nicht erstellt.

    Bereits im Jahre 2012 war ihm die Einreise in die Niederlande abgelehnt worden, und im Jahr 2013 verurteilte ihn ein ostfriesisches Gericht zu einer vierwöchigen Haftstrafe wegen illegaler Einreise. Diese "Strafe" saß er in Passau ab und sollte dann am 1. April 14 nach Ungarn zurückgeschoben werden.

BK 1.4.14; FAZ 1.4.14; SZ 1.4.14;

Focus 27.5.14; Bild 27.5.14;

OVB 28.5.14; SZ 29.5.14; FRat Bayern 2.6.14;

ND 3.6.14; tz 5.6.14; migazin.de 5.6.14;

Spiegel 5.6.14; LT DS Bayern 17/3084

 

25. Mai 14

 

Riesa im Bundesland Sachsen. Gegen 2.00 Uhr wird eine Flasche mit Ketchup an die Außenfassade der Unterkunft für Flüchtlinge in der Nickritzer Straße 1 von Unbekannten geworfen. Fünf Tage später wird das Gebäude in den frühen Morgenstunden mit drei Feuerwerkskörpern beschossen.

    TäterInnen konnten in beiden Fällen nicht ermittelt werden.

    In dem Gebäude leben Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern, u.a. aus Tunesien.

StA Dresden 18.3.15;

BT DS 18/2284

 

29. Mai 14

 

Landkreis Oberhavel in Brandenburg. Auf dem Bahnhofsvorplatz in Hennigsdorf wird ein ca. 30 Jahre alter Flüchtling aus Kenia aus einer Gruppe von sechs Männern heraus rassistisch beleidigt und aufgefordert, "zurück nach Afrika" zu gehen. Einer der Provokateure droht ihm, daß er ihn mit seinem Messer umbringen könne.

    Die Polizei nimmt die Ermittlungen auf und stellt später einen Tatverdächtigen fest.

Opferperspektive

 

30. Mai 14

 

Rheinstetten, Landkreis Karlsruhe im Bundesland Baden-Württemberg. Am Morgen wird im Zufahrtsbereich auf dem Gelände der Gemeinschaftsunterkunft am Kutschenweg eine 5-Liter-Plastikflasche – versteckt im Gebüsch – aufgefunden, die zu etwa drei Vierteln mit Dieselkraftstoff gefüllt ist. Zudem wird ein ca. zwei Meter langer Kunststoffschlauch gefunden, der ebenfalls Rückstände von Dieselkraftstoff aufweist und vermutlich zum Abfüllen des Kraftstoffes aus einem Fahrzeugtank diente.

    Dieser – wohl geplante – Brandanschlag reiht sich in weitere Angriffe auf die Gemeinschaftsunterkunft ein: Bereits am 24. Mai 14 gelangten Unbekannte nachts auf das Gelände und gaben mit einer Schreckschußpistole mehrere Schüsse ab. Außerdem berichten BewohnerInnen, daß wiederholt Fahrzeuge in die Einfahrt des Geländes fuhren und die Insassen rassistische Parolen gegrölt hatten.

    In der Gemeinschaftsunterkunft wohnen rund 230 Menschen, die überwiegend aus Nigeria, Sri Lanka und Serbien kommen.

Polizei Karlsruhe 2.6.14;

SWP 3.6.14

 

4. Juni 14

 

Landkreis Bad Kissingen im Bundesland Bayern. Morgens um 6.00 Uhr erscheinen Staatsangestellte in der Ebenhausener Unterkunft der Familie T. Da die Roma aus dem Kosovo über Ungarn in die Bundesrepublik kamen, sollen sie entsprechend dem Dublin-III-Verfahren nach Budapest zurückgeschoben werden.

    Obwohl der Vater und Ehemann zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend ist, werden Melihate T., ihr 19-jähriger Sohn Besnik und der 14 Jahre alte Liridon mitgenommen und zum Flughafen Frankfurt gebracht.

    Dort fällt der Bundespolizei der desolate Zustand der kranken Frau T. auf, so daß die Beamten mit der zuständigen Zentralen Rückführungsstelle Nordbayern (ZRS) telefonieren, weil sie die Abschiebung der Familie abbrechen wollen.

    Danach darf Melihate T. mit ihrem minderjährigen Sohn wieder zurück nach Ebenhausen – der 19-jährige Besnik wird jedoch nach Ungarn ausgeflogen. Damit ist er von seiner schwangeren Freundin getrennt, die er demnächst heiraten wollte.

    Nach seiner Ankunft in Budapest kommt er für vier Tage in Haft und erhält dort keine medizinische Betreuung, als er erkrankt. Dann begibt er sich wieder auf den Weg nach Deutschland und muß hier vorerst ohne Aufenthaltspapiere an einem unbekannten Ort leben.

FRat Bayern 5.6.14; Main Post 5.6.14;

infranken.de 6.6.14;

FRat Bayern 26.6.14; SZ 28.6.14;

infranken.de 11.7.14

 

4. Juni 14

 

Nördlingen im Bundesland Bayern. Der 28 Jahre alte Adindu Obi aus Nigeria bricht auf der Straße zusammen und kommt mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus. Er war auf dem Weg zum Bürgermeister der Kreisstadt Nördlingen, denn er wollte dort Beschwerde einlegen. Am Vortag hatte er vom Landratsamt Donau-Ries ein Schreiben bekommen, in dem stand, daß die Kosten für eine dringende Operation nicht übernommen würden. Es ist die zweite Ablehnung des Amtes, nachdem das Stiftungskrankenhaus Nördlingen die Kostenübernahme beantragt hatte.

    Am 12. Juni kommt Adindu Obi erneut per Krankenwagen ins Hospital, wieder nach einem Zusammenbruch und dann noch ein drittes Mal.

    Er hat einen Leistenbruch und demzufolge immer wieder akute Schmerzen, wenn sich Teile seines Darmes in der Leiste verklemmen. Zudem leidet er unter der chronischen Darmerkrankung Morbus Crohn.

    Sowohl Hausarzt als auch Krankenhaus-Ärzte empfehlen dringend eine Operation, um den Leistenbruch zu schließen. Stattdessen beruft sich das Landratsamt af § 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes, nach dem eine ärztliche Behandlung nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen bezahlt wird. Herr Obi jedoch habe die Beschwerden schon einige Monate. Schmerzmittel werden ihm zugestanden, aber eine Behebung der schmerzbereitenden Ursache, also der Gewebebruch in der Leiste, wird nicht bezahlt.

    Dazu sein Hausarzt Josef Scherrers, der es als "großes Problem" beschreibt, daß "nicht wir Ärzte entscheiden, was medizinisch notwendig ist, sondern das Landratsamt".

    Als Obi Adindu nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus bei seinem Hausarzt vorspricht und auch dieser ihm nichts anderes sagen kann als seine KollegInnen im Krankenhaus, äußert er aufgrund seiner starken Schmerzen und der Einschätzung, daß ihm niemand helfen will, die Absicht, sich das Leben zu nehmen.

    Daraufhin wird er in Polizei-Begleitung in die Klinik für Psychiatrie am Bezirkskrankenhaus Günzburg gebracht.

    UnterstützerInnen drängen weiterhin auf eine Operation und haben begonnen Geld zu sammeln.

jW 18.6.14;

The Voice

 

6. Juni 14

 

Karlsruhe im Bundesland Baden-Württemberg. In der Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge brennt es in der Nacht zweimal, wodurch drei BewohnerInnen leichte Rauchgasverletzungen erleiden: Kurz nach Mitternacht brennt ein mit Bettzeug und Schaumstoff gefüllter Plastiksack im Treppenaufgang der Frauenunterkunft. BewohnerInnen und der Wachschutz können den Brand schnell löschen.

    Während die herbeigerufene Polizei Ermittlungen aufnimmt, wird ein weiterer Brand in der Männerunterkunft gemeldet, der im dritten Obergeschoß in einem unbewohnten Zimmer entstanden ist. Der Polizei zufolge wurde der Brand vorsätzlich an einer Matratze gelegt.

RNZ 10.6.14

 

8. Juni 14

 

Bundesland Niedersachsen – Landkreis Celle. Auf dem Festplatz von Eschede werden beim Schützenfest morgens um 4.00 Uhr zwei sudanesische Asylbewerber in der Nähe eines Autoscooters von vier alkoholisierten Männern beleidigt und dann gemeinschaftlich angegriffen. Die Täter schlagen und treten die 29 und 34 Jahre alten Flüchtlinge – sogar noch, als diese am Boden liegen.

    Als die Polizei eintrifft, sind die Angreifer verschwunden. Die Ermittlungen ergeben, daß die Täter zwischen 16 und 39 Jahre alt sind und in Eschede und Höfer wohnen.

    Für einen "fremdenfeindlichen Hintergrund" für diese Tat gibt es laut Polizeisprecher am 9. Juni "keinen Anhaltspunkt".

KrZ 8.6.14; celler-presse.de 8.6.14;

Polizei Celle 8.6.14;

Cellesche Ztg 10.6.14; NWZ 10.6.14

 

11. Juni 14

 

Elsdorf in Nordrhein-Westfalen. Ein Asylbewerber, der sich auf einem Baum in der Nußbaumallee befindet und eine aus Bettlaken zu einem Strick gedrehte Schlinge um den Hals hat, wird von einem Passanten entdeckt und in ein Gespräch verwickelt. Der Flüchtling berichtet, daß er in dem Container-Lager Nußbaumallee leben muß und es dort nicht mehr aushält. Die unhygienischen Zustände hat er schon oft im Rathaus gemeldet, aber es ändert sich nichts. Auch bekommt er nicht die Erlaubnis, woanders leben zu dürfen.

    Die Toiletten sähen "grausam" aus, und es liefen "jede Menge Tiere" dort herum – auch regne es herein.

    Mit Hilfe einer Drehleiter von der Feuerwehr Kerpen gelingt es den Rettungskräften, den Mann aus dem Baum herunterzuholen. Er ist unverletzt.

    Die Stadt Elsdorf bestätigt die unmenschlichen Zustände in dem Flüchtlingslager, die die 40 dort lebenden Männer aus Bangladesh, Pakistan, Syrien, Serbien, Nigeria und Eritrea aushalten müssen.

    Einige von ihnen würden die Gemeinschaftseinrichtungen gern selber putzen, jedoch gibt es weder Reinigungsmittel noch die Gerätschaften dafür.

KStA12.6.14;

KStA 13.6.14

 

15. Juni 14

 

Bundesland Sachsen. Nach dem Besuch einer Pirnaer Diskothek wird ein junger Asylbewerber nachts auf dem Heimweg von vier deutschen Männern angegriffen und schwer verletzt. Er kommt mit Stichwunden ins Krankenhaus.

RAA Sachsen

 

16. Juni 14

 

Abschiebegefängnis Eisenhüttenstadt in Brandenburg. Nach 35 Tagen Haft wird ein 21 Jahre alter, schwer kranker Flüchtling aus Syrien im Rahmen des Dublin-III Systems nach Polen zurückgeschoben. Der Mann war in den letzten Wochen extrem abgemagert und litt unter häufigen Panik-Attacken.

    Er hatte 30 Tage in einem Gefängnis des Assad-Regimes mit Schlägen und Folter ertragen müssen – acht Tage davon war er einer Isolationshaft in Dunkelheit ausgesetzt. Nach seiner Entlassung hatte er versucht, sich das Leben zu nehmen.

    Über Jordanien und Polen war er zu seinem Bruder geflüchtet, der in Köln lebt. Dort wurde er nach einer Kontrolle durch die Bundespolizei festgenommen und nach Eisenhüttenstadt gebracht.

    Die unabhängige Psychologin Hanna Greve von der Organisation "KommMit für Migranten und Flüchtlinge" kommentiert die Abschiebung mit den Worten: "Er war dringend behandlungsbedürftig, hätte niemals als ein Opfer von Folter und Menschenrechtsverletzungen in Abschiebehaft genommenn werden dürfen, da dies zu einer Retraumatisierung führt."

    Selbst die MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde hatten Anfang Mai die besondere Schutzbedürftigkeit aufgrund der Traumatisierung erkannt, was sie der Bundespolizei und dem zuständigen Gericht auch mitgeteilt hatten.

    Dies wurde ignoriert, und nachdem ein Amtsarzt den kranken Studenten für reisefähig erklärt hatte, wurde er – entgegen der Ankündigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) – bereits einige Tage vor dem geplanten Termin abgeschoben, so daß eine psychologische Stellungnahme vom Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) nicht mehr geprüft werden konnte.

Netzwerk gegen Lager- und Abschiebehaft 20.6.14;

ND 27.6.14

 

17. Juni 14

 

Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Morgens um 6.00 Uhr werden Elisabeth Onasanya und ihr Ehemann Hassan Haji ohne Vorankündigung in ihrer Flüchtlingsunterkunft von PolizeibeamtInnen geweckt und aufgefordert, ihre Sachen zu packen. Innerhalb weniger Minuten müssen sie entscheiden, was sie mitnehmen sollten und was zurück bleibt. Telefonieren wird ihnen untersagt. Dann werden sie mit ihren beiden Kleinkindern im Alter von ein und zwei Jahren nach Berlin gefahren und über den Flughafen Berlin-Tegel nach Italien rückgeschoben.

    Dies geschieht kurz nachdem dem Petitionsausschuß des Landtags 15.588 Unterschriften vorgelegt wurden, mit denen die Unterzeichnenden ein Bleiberecht für die Familie fordern.

    Das Ehepaar, das ursprünglich aus Nigeria und Mali kommt, war im Jahre 2011 aus dem Bürgerkrieg in Libyen zunächst nach Italien weiter geflüchtet. Frau Onasanya ist durch die Erlebnisse in Libyen schwer traumatisiert – sie leidet unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Als es ihr unter den prekären Lebensbedinungen in Italien immer schlechter ging, sie mußten dort um Essen betteln, reisten sie im Februar 2013 nach Deutschland weiter. Nach Stationen in Dortmund und Halberstadt kamen sie im April 2014 nach Magdeburg.

    Wie in Italien lehnten auch in Deutschland die Behörden die Kostenübernahme für eine Psychotherapie ab. Frau Onasanya bekam allerdings Medikamente, die ihr das Leben etwas erträglicher machten.

    Bemerkenswert ist, daß bei einer amtsärztlichen Prüfung ihrer Reisefähigkeit festgestellt wurde, daß Frau Onasanya nur bedingt flugfähig sei und somit betimmte Auflagen für eine Abschiebung erfüllt sein müßten: Ein Rettungssanitäter / eine Rettungssanitäterin muß sie zum Flughafen und während des Fluges begleiten. Diese Person muß Erfahrung im Umgang mit psychisch Kranken nachweisen. Zudem muß eine Fortsetzung der fachärztlich-psychiatrischen Behandlung in Italien gewährleistet sein. Zudem wird die Anweisung erteilt, Frau Onasanya vor der Rückschiebung das Psychopharmakon Faustan (Benzodiazepin) zu verabreichen.

    Nach der Rückschiebung wird die Familie in Rom zwar registriert, dann allerdings in die Obdachlosigkeit entlassen. Die Vier sind ohne Geld, ohne medizinische Versorgung und ohne ihre Ausweisdokumente, denn die sind in Magdeburg geblieben. Einige Tage bleiben sie noch am Bahnhof, können manchmal in einem Zugabteil schlafen und verkaufen Habseligkeiten für Essen.

    Eine unbekannte Frau kauft ihnen Zug-Tickets, so daß sie im Juli nach Magdeburg zurückkehren können. Sie stellen einen neuen Asylantrag, der von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit der Begründung abgelehnt wird, daß "systemische Mängel im italienischen Asylverfahren nicht ersichtlich sind." Erneut ist die Familie in Deutschland akut von Abschiebung bedroht.

mdr 18.6.14; jW 18.6.14; MDZ 18.6.14;

FRat SaAnh 18.6.14;

Integrationshilfe Sachsen-Anhalt 19.6.14

jW 20.6.14; mdr 15.7.14; jW 20.9.14;

Unterstützer*innenkreis der Familie Haji

 

19. Juni 14

 

Refugee-Strike-Camp am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg. Gegen 5.00 Uhr bemerken PassantInnen und Personen aus der Mahnwache des Platzes zwei 14 bis 16 Jahre alte Jugendliche, die nach Entdeckung beim Info-Zelt weglaufen. Im gleichen Moment brennen sowohl ein Teil der Ummantelung als auch ein Teil des Daches des Zeltes. Selbständige Versuche, die Flammen mit Wasser oder Feuerlöscher einzudämmen, reichen nicht aus, so daß es letztlich erst der Feuerwehr gelingt, die Flammen zu löschen. Das Zelt, das seit der Räumung des Oranienplatzes im April als Zugeständnis an die protestierenden Flüchtlinge weiter bestehen durfte, ist völlig zerstört.

    Daß das Feuer ausgerechnet während des Schichtwechsels der polizeilichen Dauerpräsenz entstand, die Polizei also nicht anwesend war, läßt darauf schließen, daß die Tat durchaus geplant war.

    Der polizeiliche Staatsschutz und ein Brandkommissariat des Landeskriminalamtes beginnen die Ermittlungen.

    Nach einer Solidaritätskundgebung am Abend des Tages errichten Flüchtlinge und UnterstützerInnen ein neues Zelt an der Stelle des vernichteten Info-Zeltes.

TS 19.6.14;

BM 19.6.14

 

20. Juni 14

 

Bundesland Sachsen-Anhalt. Der 35 Jahre alte Armenier Khachik Feroyan befolgt eine Vorladung bei der Ausländerbehörde Magdeburg in der Erwartung, daß seine Duldung verlängert wird. Vom Wartesaal aus wird er jedoch in einen Raum eine Etage tiefer geführt, wo ihn drei Polizisten in Zivil und zwei MitarbeiterInnen der Behörde erwarten. Hier wird ihm mitgeteilt, daß er jetzt abgeschoben wird. Als er in großer Bestürzung erklärt, daß bereits sein Vater getötet wurde und ihm bei einer Abschiebung das gleiche passieren wird, antwortet eine Sachbearbeiterin, daß ihr das "scheißegal" sei. Seine Kleidung würden sie hinterherschicken – und falls nicht, so könnten seine Schwestern und seine Mutter diese mitnehmen, denn sie würden auch demnächst abgeschoben werden.

    Er bekommt Medikamente für ein Jahr im voraus zugeteilt und wird dann in Polizeibegleitung in die Wohnung seiner Familie gebracht. Seine Frau, seine Schwester und sein Schwager rufen den Polizisten im Treppenhaus zu, daß seine Mutter, Frau Gholchyan, Chlorreiniger in der Hand hält und die Absicht hat, diesen zu schlucken. Seine Schwester hält ein Messer auf ihren Bauch gerichtet und schreit: "Ich werde mich umbringen, wenn ihr meinen Bruder mitnehmt!" Als sie jedoch sieht, wie ihre Mutter den Chlorreiniger schlucken will, wirft sie das Messer ins gegenüberliegende Badezimmer. Der Schwager entreißt Frau Gholchyan den Chlorreiniger, wobei sie und auch er selbst Spritzer abbekommen, die sofort die Kleidung verätzen. Dann bricht die 54-Jährige zusammen.

    Ihr Sohn Khachik Feroyan, der eine chronische Lungenerkrankung (COPD) hat, gerät in Atemnot und erleidet einen Schock. Beide kommen ins Krankenhaus - die Abschiebung wird abgebrochen.

    Die Familie Feroyan ist yezidischen Glaubens und gehört damit einer in Armenien bedrohten und verfolgten Gruppe an. Im Jahre 2005 flüchteten sie nach Deutschland. Vor zwei Jahren wurde der Vater von Khachik Feroyan in Armenien erschlagen, und er selbst bekommt Todesangst, wenn er an die drohende Abschiebung denkt.
    Familie Feroyan hofft nun auf eine positive Entscheidung der Härtefall-Kommission.

    Aufgrund der öffentlichen Kritik an dem Vorgehen der Ausländerbehörde Magdeburg wird deutlich, daß die Behörde seit über einem Jahr Abschiebungen den Betroffenen gar nicht mehr ankündigt. Sie setzt auf den "Überrumpelungseffekt": Völlig überraschend erscheinen PolizeibeamtInnen und MitarbeiterInnen der Behörde meist sehr früh morgens in den Unterkünften, wecken die schlafenden Flüchtlinge und transportieren sie zum Flughafen nach Berlin, von wo die Abschiebungen erfolgen.

MDZ 20.6.14; mdr 20.6.14;

jW 21.6.14; ND 23.6.14;

mdr 26.6.14; jW 28.6.14;

mdr 11.7.14;

Familie und Unterstützerkreis

 

24 Juni 14

 

Bundesland Baden-Württemberg – Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Bruchsal. Als der 41 Jahre alte Iraner erkennt, daß er in diesem Moment nach Italien zurückgeschoben werden soll, hält er sich im Gemeinschaftszimmer ein Rasiermesser an den Hals und droht sich umzubringen, wenn die Polizei nicht sofort das Zimmer verlasse.

    Gesprächsversuche seitens der Polizei scheitern, bis eine Sozialarbeiterin zusammen mit einem Mitbewohner den in Panik versetzten Mann soweit beruhigen kann, daß er gegen 5.30 Uhr von einem Sondereinsatzkommando der Polizei mitgenommen werden kann. Er wird zu seinem eigenen Schutz in einem psychiatrischen Zentrum untergebracht – die Rückschiebung ist vorerst abgebrochen.

    Sein Mitbewohner, der aufgrund der dramatischen Umstände einen Schwächeanfall erlitt, wird von Rettungskräften betreut und versorgt.

Polizei Karlsruhe 24.6.14;

NRZ 24.6.14

 

24. Juni 14

 

Pegau im Bundesland Sachsen. Es ist der zweite Versuch der Ausländerbehörde Kreis Leipzig, die tschetschenische Familie Azizaev nach Polen abzuschieben. Obwohl der 44-jährige Herr Azizaev mit dem Verdacht eines Herzinfarktes ins Krankenhaus transportiert werden muß, soll die Abschiebung seiner Frau Azizaev und ihren drei Töchtern im Alter von fünf, 12 und 15 Jahren weiterhin vollzogen werden. Zurück bleiben sollten – neben dem herzkranken Ehemann – der 19-jährige Sohn und der 16-jährige, der zur Zeit gar nicht Zuhause ist.

    Erst als die 40 Jahre alte Frau Azizaev wegen akuter Atemnot und heftiger Kreislaufprobleme ebenfalls vom Notarzt in ein Krankenhaus eingeliefert wird, erfolgt der Abbruch der Abschiebemaßnahmen.

    Die Familie war im Jahre 2007 aus Tschetschenien nach Polen geflüchtet und hatte dort einen Flüchtlingsstatus erhalten. Da die Verfolgungen der Familie nicht aufhörten, begab sie sich in die Schweiz, von wo aus sie dann zwei Jahre später wieder nach Polen zurückgeschoben wurde. Letztlich stellten vor zwei Jahren die Eheleute für sich und die Kinder in der Bundesrepublik Deutschland Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

    Alle Kinder sind schulpflichtig und haben sich in der kurzen Zeit ihres Hierseins sehr schnell in die neuen Strukturen und die geforderten Ansprüche eingefunden. Ihre schulischen Leistungen sind überdurchschnittlich, und sie engagieren sich in Musik- und Sportvereinen. Der Ausländerbehörde liegen zahlreiche Stellungnahmen von Schulen, Vereinen, Stadtgemeinden usw. vor, in denen ein "Hierbleiben" der Familie befürwortet wird.

Bon Courage 24.6.14;
Ev.-Luth. Kirchspiel Pegau 25.6.14;

Bon Courage 27.2.15

 

24. Juni 14

 

Landkreis Bad Kissingen im Bundesland Bayern. In der Flüchtlingsunterkunft Hammelburg erscheinen sechs uniformierte Polizisten und nehmen die 21 Jahre alte Georgierin Mari Bagockashvili mitsamt ihren drei Kindern im Alter von fünf Monaten, eineinhalb und drei Jahren mit und schieben sie auf dem Landwege nach Polen zurück. Da der Vater der Kinder, Vaalid Tokhosashvili, zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend ist, wird damit die Familie gewaltsam getrennt.

    Das Landratsamt Bad Kissingen wirft dem 26 Jahre alten Herrn Tokhosashvili vor, vorsätzlich untergetaucht zu sein und sich damit der Abschiebung entzogen zu haben. Deshalb mußte die Familie "aus rechtlichen Gründen getrennt abgeschoben werden", so der Pressesprecher des Amtes.

    Frau Bagockashvili wird weit in den Osten von Polen, nahe der ukrainischen Grenze gebracht und hier in dem geschlossenen Lager Przemysl festgesetzt. Spezielle Nahrung für kleine Kinder gibt es hier nicht, Medikamente nur gegen Barzahlung, und Freigang bei schlechtem Wetter wird nur RaucherInnen gestattet. Hier gibt es keine Namen mehr, die Familie bekommt die Zahlen 133, 134, 135 und 136.

    Der telefonische Kontakt zwischen der Unterstützungsgruppe der Familie und der jungen Mutter in Polen bricht nach einigen Tagen ab.

    Mitte September wird durch eine neue Entscheidung des Verwaltungsgerichts Würzburg die Rückkehr von Frau Bagockashvili nach Deutschland möglich. Das Gericht, das im Juni die Abschiebung der Mutter für rechtskräftig erklärte, entscheidet jetzt, daß im Hinblick auf das Kindeswohl die lange Trennung vom Vater nicht vertretbar sei.

    Am 8. Oktober fährt Frau Bagockashvili mit ihren Kindern mit dem Bus aus Ostpolen nach Warschau – von hier mit dem Flugzeug nach Frankfurt am Main und von dort mit einigen bürokratischen Hürden zurück nach Hammelburg. Geplant war die Unterbringung der Familie eigentlich in Ebern, weil Hammelburg keine Plätze mehr zur Verfügung stellen kann. Allein durch das Engagement des Hammelburger Freundeskreises für Flüchtlinge (FFF) gelingt es schließlich über eine Unterbringung in einer Privatwohnung die Familie nach Hammelburg offiziell zurückzubringen.

Mainpost 26.6.14;

FRat Bayern 26.6.14;

br 27.6.14; SZ 28.6.14;

infranken.de 11.7.14; br 23.7.14;

Mainpost 7.10.14; br 8.10.14

 

24. Juni 14

 

Refugee Protest Strike in Berlin. Die von Flüchtlingen seit dem 8. Dezember 12 besetzte ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule in der Kreuzberger Ohlauer Straße 12 soll von der Polizei geräumt werden. Mitarbeiter der privaten Sicherheitsfirma "Shelter Security" dringen in die Schule ein. Circa 1000 PolizistInnen aus mindestens drei Bundesländern sind vor Ort. Die Straßen werden weiträumig über mehrere Häuserblöcke abgesperrt – eine Sitzblockade von UnterstützerInnen vor der Schule wird geräumt, und die BewohnerInnen werden aus der Schule herausgeholt. Circa 200 Menschen gehen in Anbetracht der ihnen gegenüber stehenden Staatsgewalt "freiwillig" nach draußen. Circa 40 BewohnerInnen flüchten auf das Dach und einige drohen, sich hinunterzustürzen, wenn die Polizei näher kommt. Im Gebäude riecht es nach Benzin.

    An den Polizei-Absperrungen protestieren Hunderte UnterstützerInnen - Tag und Nacht. In der Stadt finden viele Solidaritätsaktionen statt, und am 28. Juni demonstrieren 5000 Menschen gegen die Räumung der Schule.

    Nach neun Tagen Nervenkrieg für die Flüchtlinge auf dem Dach und Hin- und Herschieben der Verantwortlichkeiten zwischen PolitikerInnen und Polizei unterzeichnen die BesetzerInnen am Abend des 2. Juli ein Einigungspapier. Dieses wurde von den AnwältInnen der Flüchtlinge und dem Bezirk ausgehandelt und kann nur als Kompromiß gesehen werden, denn die asylrechtlichen Fragen und somit die Forderung der Protestierenden, Anwendung den § 23 des Aufenthaltsgesetzes (Aufenthalt aus humanitären Gründen), liegt weiterhin im Ermessen des Berliner Innensenators Henkel. Jedoch wird die polizeiliche Räumung des Hauses abgebrochen; die 45 Flüchtlinge dürfen weiterhin im Hause wohnen – allerdings nur in der 3. Etage. Sie bekommen spezielle Ausweise, um ihr Wohnrecht dem Wachschutz gegenüber zu legitimieren. Alle BewohnerInnen, die die Schule in den letzten Tagen verlassen mußten, dürfen nicht mehr zurück. Der Bezirk sieht zudem davon ab, eine strafrechtliche und gerichtliche Verfolgung der Protestierenden einzuleiten.

    Anfang September erklärt die Bürgermeisterin Monika Hermann, daß das Konzept eines "internationalen Flüchtlingszentrums", das mit den BesetzerInnen entwickelt wurde, mit ca. 70 Heimplätzen, Anlaufstellen und medizinischer Versorgung für Flüchtlinge, nicht zu realisieren sei. Das Bezirkamt erläßt eine Haushaltssperre, die auch mit den "enorm gestiegenen Kosten für die besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule" (Sozialleistungen, Betriebskosten, Sicherheitsdienst) begründet wird. Kurz darauf wird bekannt, daß der Senat dem Bezirk die Kosten für die Unterbringung und den Lebensunterhalt der Flüchtlinge aus eineinhalb Jahren Schul-Besetzung ersetzen wird. Auch rund 5 Millionen Euro des einwöchigen (!) Polizeieinsatzes rund um die Schule muß der Bezirk nicht zahlen.

    Die Repressionen gegen die BewohnerInnen zerren an deren Nerven. Ständige Ein- und Auslaßkontrollen und das anschließende Verschließen des Eingangstores hinter ihnen durch den Wachschutz, die permanente Polizeipräsenz auf der Straße vor dem Hintergrund, daß ein selbstverwaltetes Flüchtlingszentrum nicht mehr denkbar ist, machen ihnen das Leben sehr schwer. Daraus entstehende Konflikte mit dem Wachschutz und der Polizei nimmt der Bezirk am 18. September schließlich als Vorlage um zu verkünden, daß sämtliche Leistungen – analog zum Asylbewerberleistungsgesetz – ab 1. Oktober nicht mehr gezahlt werden. Am 20. Oktober haben alle BewohnerInnen einen Kündigungsbrief bekommen mit der Aufforderung, das Gebäude bis Ende des Monats zu verlassen.

    Vor dem Stichtag 31. Oktober spitzt sich die Situation in der Ohlauer Straße erneut zu. Die Polizeidichte wird erhöht und auch der Wachsschutz personell verstärkt. Der Bezirk bietet den BewohnerInnen Gutscheine für ein Hostel an, mit denen sie vier Wochen dort wohnen können. Nur eine Person holt sich solch einen Schein ab.

    Der Monatswechsel vergeht, die BewohnerInnen und UnterstützerInnen stellen sich auf eine erneute Kampfphase ein, aber die Räumung findet nicht statt. Darauf angesprochen äußert die Bürgermeisterin, daß sie weiterhin auf Gespräche setze, die Flüchtlinge allerdings "zeitnah" die Schule zu verlassen haben.

    Am 7. November untersagt das Verwaltungsgericht mit einem Zwischenbeschluß dem Bezirk die Räumung, weil zumindest einer der Flüchtlinge ein Nutzungsrecht an Räumen in dem Gebäude glaubhaft machen konnte.

taz 25.6.14; BeZ 2.7.14;

taz 8.9.14; BM 9.9.14;  taz 10.9.14;

TS 11.10.14; TS 21.10.14; TS 31.10.14;

TS 1.11.14; TS 7.11.14; TS 12.11.14;

Asyl Strike Berlin

 

24. Juni 14

 

Bundesland Sachsen – Landkreis Leipzig. Nach einer Meinungsverschiedenheit versucht ein Busfahrer, einen Asylbewerber unter rassistischen Beleidigungen aus dem Bus zu drängen. Dabei erleidet der Flüchtling Verletzungen am Hals.

RAA Sachsen

 

26. Juni 14

 

Würzburg im Bundesland Bayern. Von den fünf iranischen Flüchtlingen, die vor zwei Tagen einen Hunger- und Durststreik begannen, werden in der Nacht zwei Männer und am frühen Morgen ein Mann mit dem Notarzt ins Krankenhaus gebracht und mit Infusionen versorgt. Danach kehren sie zu ihren Protestzelten am Oberen Markt zurück und setzen den Streik fort. Erst als Bischof Friedhelm Hofmann ihnen versichert, sich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für sie einzusetzen, nehmen sie wieder Flüssigkeit zu sich.

    Iranische AsylbewerberInnen demonstrieren seit dem 17. Mai für die Anerkennung ihrer Asylanträge.

    Aufgrund des Hungerstreiks erläßt die Stadt Würzburg einen Ergänzungsbescheid, nach dem mindestens zweimal täglich der Gesundheitszustand von einem Arzt kontrolliert werden muß. Die Verantwortung für die Durchführung dieser Anordnung liege beim Versammlungsleiter bzw. bei den TeilnehmerInnen.

    Am 48. Tag ihres Protestes, nachdem der Vierte von ihnen einen abschlägigen Bescheid vom BAMF bekam, bauen sie ihre Zelte wieder ab. Die Iraner hatten ihre Verfolgung als Christen im Iran bei der Antragstellung geltend gemacht.

wuerzburgerleben 26.6.14;

br 26.6.14; Mainpost 7.7.14

 

26. Juni 14

 

Bundesland Sachsen. Im Waschmaschinen-Raum der Flüchtlingsunterkunft der Kreisstadt Aue – Ortsteil Alberoda – bricht um ca. 19.35 Uhr ein Feuer aus. Die Feuerwehr kann den Brand schnell löschen, verletzt wird niemand.

    Die Polizei geht von einem technischen Defekt als Brandursache aus.

retter.tv 27.6.14;
Radiolausitz.de 27.6.14

 

2. Quartal 14

 

Bundesland Nordrhein-Westfalen, Kreis Siegen. In der ehemaligen Siegerlandkaserne in Burbach wird der 18-jährige Algerier Karim M. von zwei Wachmännern unter Androhung von Gewalt gezwungen ("Soll ich dir in die Fresse treten?"), sich auf eine Matratze mit Erbrochenem zu legen. Die Wachleute nehmen diese entwürdigende Szene als Video mit einem Handy auf.

    Nachdem ein freier Journalist einige Wochen später das Video der Polizei in Hagen übergeben hatte, erfolgt die Durchsuchung der Flüchtlingsunterkunft. Bei zwei weiteren Wachmännern werden verbotene Waffen wie Schlagstöcke, Pfefferspray und Schlagringe gefunden.

    Auf einem anderen Handy entdecken sie außerdem ein Foto, auf dem der 28 Jahre alte Marwan Rahmani aus Algerien mit den Händen auf dem Rücken gefesselt auf dem Boden liegt. Der Wachmann Markus H. steht in Siegerpose mit seinem Fuß auf dem Kopf des hilflosen Gefesselten. (siehe 15. August 14)

Spiegel 28.9.14;

stern 29.9.14

 

Sommer 14

 

Ein Flüchtling tötet sich selbst durch Erhängen. Der aus Afrika kommende Mann hatte seit gut eineinhalb Jahre in Deutschland gelebt. Während eines Psychiatrie-Aufenthalts wurde bei ihm eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis (Schizophrenie) diagnostiziert. Diese wurde jedoch ausschließlich mit Medikamenten behandelt, weil die Klinik sich nicht in der Lage sah, eine Übersetzung ins Französische zu ermöglichen.

Antirassistische Initiative Berlin

 

3. Juli 14

 

Abtsgmünd in Baden-Württemberg. Gegen 21.30 Uhr dringt ein 22 Jahre alter glatzköpfiger Mann aus der Nachbargemeinde in die Gemeinschaftsunterkunft in der Gerberstraße ein, in der Flüchtlinge aus Bosnien und Herzegowina und Gambia leben. Es entwickelt sich eine lautstarke Auseinandersetzung mit leichten "körperlichen Rangeleien", denn der Mann beschimpft die afrikanischen Bewohner, deutsche Frauen belästigt zu haben.

    Da sich zeitgleich auch eine Gruppe Jugendlicher vor dem Haus befindet, die den Auftritt des Mannes begleitet, rufen BewohnerInnen die Polizei zu Hilfe. Als diese eintrifft, ist der Provokateur verschwunden.

    Er kann allerdings ermittelt werden und wird wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe verurteilt.

Polizei Aalen 4.2.14;

Polizei Aalen 4.7.14;

BT DS 18/3376

 

9. Juli 14

 

Bundesland Bayern. Es ist der fünfte Tag ihres Hungerstreiks und der zweite des Durststreikes, mit dem 16 bis 20 Flüchtlinge auf dem Nürnberger Hallplatz für ihre Rechte kämpfen.
     Aufgrund von Kreislaufproblemen werden an diesem Tag drei Frauen und zwei Männer in verschiedene Kliniken gebracht und medizinisch versorgt.

    Am 5. Juli um 9.00 Uhr hatten die Protestierenden ein Zelt auf dem Hallplatz aufgebaut und den Streik begonnen. Sie fordern die Abschaffung der Lagerpflicht, der Residenzpflicht und der Essenspakete. Und sie fordern Arbeitserlaubnis und Bleiberecht in der Bundesrepublik.

    Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Manfred Schmidt will sich nicht "erpressen" lassen und konstatiert in der Presse: "Bei diesen Demonstranten sehen wir einen gewissen Grad der Radikalisierung, und dieser Form der Radikalisierung kann ich nichts entgegnen."

    Erst durch die persönliche Intervention des Oberbürgermeisters Ulrich Maly vor dem Hintergrund der zunehmenden gesundheitlichen Gefährdung der Streikenden erklärt sich der BAMF-Präsident bereit, sich mit den Flüchtlingen zu einem Gespräch zu treffen.

    Nachdem dies schriftlich den Flüchtlingen mitgeteilt wird, beenden sie ihren Streik am 10. Juli um 15.30 Uhr. Der Stopp der Protestaktion ist die Vorleistung durch die Flüchtlinge, ohne die ein Gespräch mit den Verantwortlichen nicht zustandegekommen wäre.

FRat Bayern 8.7.14;

NN 9.7.14; NN 10.7.14

 

11. Juli 14

 

Landkreis Northeim in Niedersachsen. Der diensthabende Arzt der Psychiatrie im Universitätsklinikum Göttingen verweigert die Aufnahme der 26-jährigen Z.T.G. aus Eritrea und begründet dies mit Sprachbarrieren. Die Frau hat einige Tage zuvor versucht, sich mit Tabletten zu vergiften, und sollte nach der notärztlichen Versorgung im Helios-Klinikum-Northeim in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie weiterbehandelt werden. Erst nach Anmahnung einer schriftlichen Bestätigung für diese Verweigerung durch die Rechtsanwältin erfolgt die Aufnahme der Patientin.

    Frau T.G. ist schwer traumatisiert. Im November 2012 überlebte sie – zusammen mit ihrem 29-jährigen Ehemann A.M.T. – den Untergang ihres Fluchtbootes vor Lampedusa, in dem sich circa 100 Flüchtlinge befanden. In Anwesenheit der italienischen Polizei ertranken viele Menschen, ohne daß Rettungsmaßnahmen erfolgten. Insgesamt starben bei diesem Schiffbruch 45 Flüchtlinge.

    Zwei Nägel hatten sich in ihre rechte Körperhälfte gebohrt und die Rippen durchdrungen. Ihr Mann und ein anderer Flüchtling hatten die Nägel wieder herausgezogen, wodurch die Wunden stark bluteten.

    Die Überlebenden der Katastrophe wurden von der italienischen Polizei unter Gewaltanwendung – z.T. mit Schlagstöcken – gezwungen, ihre Fingerabdrücke abnehmen zu lassen. Frau T.G. wurden die Arme auf dem Rücken verschränkt, und als sie vor Schmerzen schrie, bekam sie Ohrfeigen. Als ihr Mann sich schützend vor seine Frau stellte, wurde er von zwei Polizisten gepackt und mit dem Gesicht nach unten auf den Boden geworfen. Sie drehten seine Arme nach hinten und traten auf ihn ein. Als er um medizinische Hilfe für seine Frau bat und auf die blutenden Wunden zeigte, wurde er mit Schlägen zum Schweigen gebracht.

    Die Bootsflüchtlinge kamen dann in ein Flüchtlingslager und mußten sich auf dem Innenhof im Beisein Hunderter LagerbewohnerInnen und im Beisein der italienischen Beamten nackt ausziehen. Dann wurden sie mit Wasser abgespritzt. Danach mußten sie ihre nasse Kleidung wieder anziehen und noch zwei Stunden in der Winterkälte ausharren. Erst dann kamen sie in einen Raum, der allerdings mit 45 Personen so überfüllt war, daß einige Flüchtlinge im Sitzen schlafen mußten.

    Nach vier Wochen wurde Frau T.G. mit ihrem Mann nach Sizilien gebracht und einem Flüchtlingslager in Mineo zugewiesen. Hier waren die Lebensbedingungen so katastrophal, daß täglich Menschen an mangelnder Ernährung und fehlender medizinischer Versorgung starben. Andere Flüchtlinge, die die Situation nicht mehr ertragen konnten, töteten sich selbst. Auch in dem Container, in dem Frau T.G. mit ihrem Mann lebte, erhängte sich in der Zeit ein Mitbewohner.

    Als das Lager wegen Überfüllung verlassen werden sollte, die Flüchtlinge sich jedoch weigerten, weil sie gar keine Perspektive hatten, setzten die Italiener die Container mehrmals unter Wasser. Die BewohnerInnen hielten sich noch einige Tage im Innenhof auf, schliefen auf Pappkartons, dann wurden sie mit Kleinbussen nach Catania gefahren und dort an einer Hauptstraße ausgesetzt.

    Für die nächsten Monate war das Ehepaar obdach- und mittellos. Um sich vor rassistischen Angriffen und sonstigen Überfällen zu schützen, schlossen sie sich mit anderen Flüchtlingen zu einer Gruppe zusammen. Aber auch die Gruppe war täglich Verfolgung und Vertreibung durch Polizei oder Bevölkerung ausgesetzt. Mehrmals erlebte Frau I.G. Vergewaltigungsversuche auf den öffentlichen Toiletten, die sie aber – zusammen mit anderen Frauen – abwehren konnte.

Einmal wurde Frau I.G. nachts im Schlaf unter einer Brücke von zwei mit Messern bewaffneten Männern überfallen. Ihre Hilfeschreie wurden zwar von Polizisten aus der nahen Polizei-Station gehört, aber sie unternahmen nichts. Ihr Mann und andere Flüchtlinge konnten dann die Täter vertreiben. In ihrer Verzweiflung versuchte Frau T.G. in dieser Zeit mehrmals, sich das Leben zu nehmen.

    Immer wieder baten sie bei karikativen Institutionen oder Flüchtlingsunterkünften um Hilfe, aber sie wurden jedesmal wegen Überfüllung abgewiesen. Arbeit fanden sie nicht und sie litten an Hunger.

    Frau T.G. erlebte, wie eine Frau auf der Straße ein Kind gebar und beide starben.

    Dem Paar gelang die Flucht nach Deutschland, so daß es am 22. Dezember 13 einen Antrag auf Asyl stellen konnte.

    Seit ihrer Ankunft ist Frau T.G. in ärztlicher Behandlung, aber als der Asylantrag am 7. März 14 abgelehnt wurde, versuchte Frau T.G. mehrmals, sich überfahren zu lassen, indem sie auf eine befahrene Straße lief.

    Während ihres Aufenthalts in der Universitätsklinik wird jetzt festgestellt, daß sie ein Kind erwartet, wodurch es ihr einerseits etwas besser geht, andererseits aber wegen der Schwangerschaft bestimmte Psychopharmaka nicht gegeben werden dürfen. Nach zweiwöchigem Klinik-Aufenthalt wird sie entlassen und versucht erneut und immer wieder, sich aus dem Fenster zu stürzen. Ihr Mann berichtet, daß ein Klingeln an der Tür ausreichen würde, um sie in Panik-Attacken zu versetzen. Er ist ständig um sie herum, um entsprechend zu reagieren.

    Das Paar ist protestantischen Glaubens, dessen Praktizierung in Eritrea verboten ist. Herr M.T. hat erleben müssen, wie während einer Gebetsstunde bei NachbarInnen Soldaten ins Haus eingedrungen sind und die Menschen erschossen haben. Er überlebte nur, weil er sich unter den Toten versteckt und totgestellt hatte.

Bericht der Betroffenen;

FRat Niedersachsen 30.6.14;

Kareba Hagemann - Rechtsanwältin

 

17. Juli 14

 

Berliner Bezirk Steglitz – Flüchlingsunterkunft Klingsorstraße. Ohne Vorankündigung stürmen morgens um 5.30 Uhr vier Polizeibeamte in das Zimmer des syrischen Flüchtlings S. D., um ihn entsprechend dem Dublin-III-Verfahren nach Rom abzuschieben. Der 25-Jährige ist völlig überrumpelt, läuft in seiner Panik ans offenstehende Fenster und schreit: "Ich spring hier runter, wenn Ihr nicht geht."

    Die Abschiebung wird abgebrochen, und der Syrer kommt vorübergehend in die psychiatrische Station des Benjamin-Franklin-Klinikums Steglitz (Charité).

    S. D. hatte in Damaskus Englische Literatur studiert, bis auch er vor dem Krieg flüchten mußte. Im August vergangenen Jahres gelang ihm die Flucht – zusammen mit 60 weiteren Menschen in einem Boot – von Ägypten übers Mittelmeer nach Italien. Jedoch nach ihrer Ankunft erlebten sie brutale Polizeigewalt in Form von Schlägen und Stromstößen mit Elektroschock-Geräten. Vor sechs Monaten hatte S. D. einen Asylantrag in der Bundesrepublik gestellt.

    Durch den Suizidversuch, den die Polizei allerdings als Fluchtversuch aus dem Fenster des 3. (!) Stockes interpretiert, bekommt der durch Krieg und Flucht traumatisierte Mann psychotherapeutische Behandlung.

    Nach Ablauf der Frist wird sein Asylverfahren in der Bundesrepublik bearbeitet.

TS 25.7.14; AB 21.8.14;

FRat Berlin

 

17. Juli 14

 

Bundesland Brandenburg – Potsdam. Brand im Fahrstuhl des Wohnhauses Staudenhof am Alten Markt. Unbekannte zünden Werbeprospekte im Fahrstuhl an und entleeren einen im Hausflur montierten Feuerlöscher.

    Auf einer Wohnetage und im Fahrstuhl des Gebäudes, das auch als Unterkunft für Flüchtlinge dient, wurden in den Wochen vor dem Brand rassistische Parolen geschmiert (''Heimreise statt Einreise'', ''Deutschland, wach auf!'').

    Der Staatsschutz nimmt die Ermittlungen auf.

PNN 17.7.14; BT DS 18/3376

 

22. Juli 14

 

Ortsteil Ringheim im bayerischen Großostheim. Fünf pakistanische Flüchtlinge sitzen vor ihrer Unterkunft in der Hasselstraße, als gegen 22.30 Uhr aus einem vorbeifahrenden unbeleuchteten PKW heraus drei oder vier rohe Eier in ihre Richtung geworfen werden. Nach ca. 10 Minuten erscheint derselbe Wagen – aus der Gegenrichtung kommend – erneut und wieder fliegen einige Eier. Alle Wurfgeschosse verfehlen die Flüchtlinge.

    Die ZeugInnen berichten, daß sich zwei Männer in dem Auto befanden. Autokennzeichen können nicht erkannt werden, weil die Täter das Licht ausgeschaltet hatten.

    In der Pension sind derzeit ca. 40 Personen untergebracht. Die Polizei nimmt Ermittlungen auf und sucht nach ZeugInnen.

main-netz.de 24.7.14;

br 24.7.14; BT DS 18/3376

 

24. Juli 14

 

Bundesland Brandenburg. Nahe des ehemaligen deutsch-polnischen Grenzübergangs Küstrin-Kietz wird auf dem Gelände der früheren Kaserne eine mumifizierte Leiche gefunden. Es wird angenommen, daß die Person irregulär die Grenze überquerte.

BT DS 18/4032

 

24. Juli 14

 

Gescher im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Nachts um 4.00 Uhr wird ein 30-jähriger Armenier aus seiner Unterkunft An der Feldstraße von drei Vertretern der Ausländerbehörde und vier Polizisten zur Rückschiebung nach Polen abgeholt. Der Mann ist schwerstbehindert, hat eine vom Amtsgericht zugesprochene russisch sprechende Betreuerin, und sitzt im Rollstuhl. Nach Aussagen von Nachbarn, diskutieren die abschiebenden Personen, ob sie dem Mann Handschellen anlegen sollten oder nicht.

    Der Armenier ist bisher im Krankenhaus Stadtlohn medizinisch behandelt worden – jedoch sind die Maßnahmen noch nicht abgeschlossen.

    Bis zur polnischen Grenze wird er ärztlich begleitet. Dort übergeben die Polizisten ihn den polnischen Behörden.

Allgemeine Ztg 24.7.14

 

26. Juli 14

 

Abschiebegefängnis JVA Büren in Nordrhein-Westfalen. Um seinen Transport in das Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick zu verhindern, schneidet sich der 48 Jahre alte Mokhtan Meguitif die Pulsadern auf. Nach Versorgung seiner Verletzungen erfolgt die Verlegung des Algeriers nach Berlin – zusammen mit 20 weiteren Gefangenen.

    Der Bundesgerichtshof hatte tags zuvor entschieden, daß Büren für die Unterbringung von Abschiebegefangenen nicht mehr geeignet sei. Viele Gefangene protestierten gegen die Verlegung nach Berlin, weil sie dadurch von ihren Angehörigen, RechtsanwältInnen und sonstigen UnterstützerInnen getrennt werden.

    Mokhtan Meguitif, der in Algerien Mitglied der oppositionellen islamistischen Organisation "Islamic Salvation Group" (MEA) gewesen war, sich aber dann abgewandt hatte, fürchtet bei einer Abschiebung wegen Racheaktionen um sein Leben. Er hatte bereits von 1994 bis 1999 aus politischen Gründen in Algerien im Gefängnis gesessen und war im Jahre 2000 außer Landes geflüchtet.

    Nachdem im Jahre 2003 sein Antrag auf Asyl abgelehnt worden war, war es ihm gelungen, auch ohne Aufenthaltspapiere in Bonn zu leben und zu arbeiten. Am 22. Juli erfolgte seine Verhaftung in seiner Arbeitsstelle, einem Imbiß.

    Am 4. August beginnt er in Berlin einen Hungerstreik und fordert – zusammen mit einem georgischen Mitgefangenen – die sofortige Entlassung aus der Haft.

Initiative gegen Abschiebehaft Berlin 12.8.14;

Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren und

Initiative gegen Abschiebehaft Berlin 14.8.14;

taz 15.8.14; NW 17.8.14;

Initiative gegen Abschiebehaft Berlin 28.8.14;

jW 29.8.14

 

27. Juli 14

 

Bundesland Rheinland-Pfalz. Auf dem US-Militärflugplatz Ramstein Air-Base wird bei einer Kontroll-Untersuchung im Radkasten einer Transportmaschine des Typs C130J der Leichnam eines schwarzen Jugendlichen gefunden. Laut Obduktionsbericht ist der Junge wegen Sauerstoffmangels in großer Höhe erstickt.

    Das Flugzeug war in der vergangenen Woche in verschiedenen afrikanischen Ländern, wie Senegal, Mali, Tschad und Tunesien und auch auf dem italienischen Marinestützpunkt Sigonella gelandet. Da der Jugendliche keine Papiere bei sich hat, wird vermutet, daß er am Flughafen der malischen Hauptstadt Bamako in den Radschacht geklettert ist.

AA 30.7.14; FNP 30.7.14; FR 30.7.14;

TS 30.7.14; BM 31.7.14;

BT DS 18/4032

 

28. Juli 14

 

Bundesland Sachsen. In einem Flüchtlingslager in Hoyerswerda wird ein 29-jähriger Tunesier von einem 47 Jahre alten Wachmann so sehr gestoßen, daß er gegen eine Heizung fällt und sich eine Rippenfraktur zuzieht. Diese Aussage machte der Tunesier, nachdem er selbst von dem Wachmann der Körperverletzung beschuldigt wurde. Die sächsische Polizei erweiterte nun ihre Ermittlungen auch auf den Wachdienstmitarbeiter.

    Die Asylunterkunft wird von dem Unternehmen European Homecare betrieben, das bundesweit weitere Flüchtlingsunterkünfte verwaltet. Im Herbst gerät die Firma unter öffentlichen Druck, als Mißhandlungen der HeimbewohnerInnen durch Wachmänner der Firma SKI in ihren Heimen Essen und Burbach bekannt werden.

(siehe: 15. August 14; 9. September 14; 20. September 14)

AA 1.10.14; LVZ 1.10.14;

SZ 2.10.14; mdr 3.10.14

 

2. August 14

 

Dresden im Bundesland Sachsen. Vier unbekannte männliche Personen dringen in die Wohnung einer Wohngruppe tunesischer Flüchtlinge in der Harthaer Straße 14 ein. Sie bedrohen die BewohnerInnen mit einer Schusswaffe, rufen ''Ausländer raus! Ihr Tunesier sollt hier verschwinden!'' und schlagen zwei Bewohner. Die beiden 27- und 36-Jährigen erleiden dabei Verletzungen an Hals, Mund und Oberkörper.

    Gut ein halbes Jahr nach dem Angriff konnten noch keine Täter ermittelt werden.

StA Dresden 18.3.15;

BT DS 18/3376

 

3. August 14

 

Bautzen im Bundesland Sachsen. Acht Personen versuchen, auf des Gelände des Spreehotels in Bautzen-Burk einzudringen – eine Mitarbeiterin kann dies verhindern.

    In dem Gebäude wohnen seit gut 14 Tagen Flüchtlinge aus u.a. Syrien, Afghanistan, Vietnam und Venezuela – unter ihnen auch Familien mit Kindern. Seit ihrem Einzug kam es immer wieder zu ähnlichen versuchten Angriffen, die auch in den kommenden Wochen nicht abreißen. Auch von mehreren Attacken gegen die Unterkunft berichten MitarbeiterInnen der Einrichtung.

    Gegen den Umbau des Gebäudes zu einem Wohnheim für Flüchtlinge hatte sich in den Monaten vor der Eröffnung die NPD mit mehreren Kundgebungen gewandt. Auch AnwohnerInnen und die Betreiberin eines benachbarten Campingplatzes hatten im Juli 14 per gerichtlichem Eilantrag versucht, die Nutzung des Hauses als Flüchtlingsunterkunft zu verhindern.

    Die Polizei kann die acht Personen ermitteln, so daß die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen diese aufnimmt.

(siehe auch: 1. September 14)

MDZ 17.8.14; MDZ 2.9.14;

Mitarbeiterin Spreehotel 19.3.14;

BT DS 18/3376

 

5. August 14

 

Bundesland Thüringen. Branka X. und Dragan Y. sollen zusammen mit der 5-jährigen Katarina gegen 0.30 Uhr aus ihrer Unterkunft in Jena abgeholt und nach Serbien abgeschoben werden. Aus Protest dagegen versammeln sich 150 bis 200 solidarische Menschen vor dem Asylheim in der Schulstraße, um dieses zu verhindern. Als Branka X. (Mittte 30) von einem Reporter nach den Gründen ihrer Flucht nach Deutschland und nach ihren Ängsten bei einer Abschiebung gefragt wird, bricht sie ohnmächtig zusammen und kommt ins Krankenhaus.

    Mit den eine Stunde später erscheinenden PolizeibeamtInnen kann ein Aufschieben der Maßnahme ausgehandelt werden – zunächst bis zum nächsten Tag zum Dienstbeginn der Ausländerbehörde.

    Die Familie kam im Oktober 2012 nach Jena. In Serbien waren sie rassistischen Angriffen, Diskriminierungen und Verfolgungen ausgeliefert, weil Dragan Y. Angehöriger der Roma ist. Vor allem Branka X. ist psychisch schwer angeschlagen. Da sie in Serbien mit einem anderen Mann noch verheiratet ist, fürchtet sie, daß ihr schon bei der Ankunft in Belgrad das Kind von dem Kindesvater oder dessen Familie entrissen wird.

jenapolis.de 5.8.14;

Campusradio Jena 5.8.14

 

8. August 14

 

Traunreut im Bundesland Bayern. Gegen 22.00 Uhr wird ein junger Asylbewerber aus Afghanistan in der Waginger Straße aus einer fünfköpfigen Gruppe junger Deutscher heraus von einem Mann angesprochen, der ihm dann mit einem spitzen Gegenstand eine tiefe Schnittwunde am Unterarm zufügt.

    Die deutschen Männer sind um die 20 Jahre alt, tragen dunkle Kleidung und flüchten nach dem Angriff.

    Der Verletzte begibt sich in seine Unterkunft und wird von hier aus direkt ins Krankenhaus gebracht.

Polizei Traunreut 9.8.14;

Traunsteiner Tagblatt 10.8.14

 

10. August 14

 

Bundesland Thüringen. Gegen 4.00 Uhr morgens entdeckt der Wachdienst der Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in der Weidbergstraße in Suhl Flammen an einem Lichtmast vor dem Gebäude. Diese können sofort gelöscht werden. Unbekannte hatten versucht, die elektrischen Leitungen und das Innere des Mastes in Brand zu setzen.

    Wenige Stunden später, gegen 7.40 Uhr, wirft eine unbekannte Person einen ca. 10 x 10 Zentimeter großen Stein durch das Fenster in die Gemeinschaftsküche. Nur durch Zufall werden keine BewohnerInnen verletzt.

    TäterInnen können auch vier Monate nach dem Angriff nicht ermittelt werden.

insuedthueringen.de 10.8.2014;

Polizei Erfurt 4.12.14; StA Meiningen 9.12.14

 

11. August 14

Hechingen im Regierungsbezirk Tübingen – Bundesland Baden-Württemberg. Gegen 1.40 Uhr brennt es in den sanitären Anlagen im zweiten Obergeschoß des Flüchtlingswohnheims in der Runkellenstraße. Der herbeigerufenen Feuerwehr gelingt es, BewohnerInnen aus dem zweiten Obergeschoß, die das Gebäude nicht verlassen können, zu retten, nachdem diese drohten, aus dem Fenster zu springen. Zwei BewohnerInnen werden verletzt und kommen zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus.

    Dies ist bereits der zweite Brand innerhalb weniger Stunden. Am Tag zuvor brach gegen 14.00 Uhr ein Schwelbrand in der Küche des zweiten Obergeschosses aus. Sieben BewohnerInnen wurden dabei verletzt und kamen mit Rauchgasvergiftungen ins Krankenhaus.

    In dem Gebäude wohnen 73 Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern, u.a. aus Syrien und Gambia.

    Polizei und Staatsanwaltschaft gehen in beiden Fällen von Brandstiftung aus. Verdächtigt wird ein Bewohner, dessen Aufenthaltsort jedoch nach den Bränden unbekannt ist.

Reutlinger Tübinger Fernsehen 10.8.14;

Polizei Tuttlingen 11.8.14; SchW 12.8.14;

Welt 14.8.14; StA Hechingen 21.1.15

 

12. August 14

 

Greiz im Bundesland Thüringen. Gegen 22.45 Uhr wird ein 18 Jahre alter Asylbewerber aus dem Kosovo auf dem Weg in seine Flüchtlingsunterkunft auf Höhe der Theodor-Storm-Straße von drei Männern – mutmaßlich rassistisch motiviert – angegriffen und verletzt. Er erleidet Schürfwunden im Gesicht und einen abgebrochenen Zahn und kommt zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus.

    Die Kriminalpolizei Gera stellt zur Ermittlung der Täter eigens eine Arbeitsgruppe zusammen, die schließlich drei Tatverdächtige aus Greiz feststellt. Die Täter sind 16, 32 und 41 Jahre alt.

    Noch vor Abschluß des Strafverfahrens weist die Staatsanwaltschaft Gera jedoch den Antrag ab, die Abschiebung des Flüchtlings auszusetzen. Der einzige Belastungszeuge und zugleich das Opfer des Überfalls soll am 4. November abgeschoben werden.

    An diesem Tag wird er jedoch nicht in seiner Unterkunft angetroffen. Er stellt einen Asyl-Folgeantrag, durch den er in Greiz zunächst weiter bleiben kann.

    Die Landtags-Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE, Katharina König, zu dieser Entscheidung der Staatsanwaltschaft: " .... sollte das Schule machen, dann käme es auch einem Freibrief für künftige Täter gleich, die in Thüringen nahezu sorglos auf Asylbewerber einschlagen könnten in dem Wissen, dass ihre Opfer und Belastungszeugen mit hoher Wahrscheinlichkeit sowieso abgeschoben werden, auch weil das Strafverfahren dann kein Abschiebehindernis mehr darstellen würde."

    Das Ermittlungsverfahren gegen die Täter ist auch im Februar 2015 noch nicht abgeschlossen.

Ostthüringer Ztg 13.8.14;

MOBIT – Chronik 2014;

LT-Fraktion DIE LINKE 30.10.14;

ezra 30.10.14

 

14. August 14

 

Bestensee-Pätz – Landkreis Dahme-Spreewald im Bundesland Brandenburg. Gegen Mitternacht wird die Giebelseite der Unterkunft für Flüchtlinge von drei jungen Männern mit Luftdruckpistolen beschossen, die gelbe Farbe enthalten.

    In der Unterkunft wohnen ca. 150 Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern.

    Die drei Angreifer können von der Polizei gestellt werden. Der Angriff wird von der Polizei lediglich als Sachbeschädigung gewertet.

Polizei Cottbus 20.2.15;

BT DS 18/3376

 

15. August 14

 

Bundesland Brandenburg. Auf der Straße Am Nuthetal auf Höhe der dortigen Schule wird eine 70 Jahre alte Russin, die sich mit einem Rollator fortgewegt,  von einem entgegenkommenden Mann mehrfach geschlagen und getreten.

    Ihre zwei Begleiterinnen – ebenfalls älter und eine in einem Rollstuhl sitzend – können den Täter und seinen Begleiter detailliert beschreiben. Es handelt sich um 25 bis 30 Jahre alte betrunkene Männer, einer hat eine Glatze und der andere trägt hohe Schnürstiefel. Beide kamen zuvor aus Richtung Alte Zauche.

    Erst der Sozialarbeiter der Flüchtlingsunterkunft ruft die Polizei, woraufhin die verletzte Asylbewerberin ins Krankenhaus gefahren wird. Sie hat Prellungen am ganzen Körper, kann dann aber nach medizinischer Behandlung wieder entlassen werden.

    Ermittlungen des Dezernats Staatsschutz ergeben Anfang Dezember Hinweise auf einen 23-jährigen Potsdamer als mutmaßlichen Täter. Nach Wohnungsdurchsuchung, Beschlagnahme von Kleidungsstücken und Vernehmung des Mannes wird er vorerst wieder freigelassen, weil es keine Gründe für eine Untersuchungshaft gibt. Die Polizei sucht weiterhin nach ZeugInnen.

PNN 19.8.14; MAZ 20.8.14;

Welt 5.12.14; MAZ 5.12.14

 

15. August 14

 

Landkreis Siegen-Wittgenstein in Nordrhein-Westfalen. In der Flüchtlingsunterkunft Burbach stellen viele BewohnerInnen ihre Getränke-Flaschen nachts auf die Fensterbänke zum Kühlen. So auch der 28-jährige Algerier Marwan Rahmani, dem allerdings gegen 22.00 Uhr eine der Flaschen herunterfällt. Kurze Zeit später stürmen Wachleute sein Zimmer, zerren ihn auf den Gang der ehemaligen Kaserne, treten und schlagen auf ihn ein. Mit Handschellen gefesselt bringen sie ihn in sein Zimmer zurück und mißhandeln ihn weiter – wie er später berichtet – unter Gelächter.

    Sie machen ein Foto, auf dem die Wachleute Markus K. (26) und Markus H. (30) zu sehen sind. Letzterer in Siegerpose, der seinen Fuß auf den Kopf des am Boden liegenden und rückwärts gefesselten Marwan Rahmani abgestellt hat.

    Für die Flüchtlingsunterkunft, in der zur Zeit an die 700 vorwiegend männliche Asylsuchende aus Afrika leben, ist das Essener Unternehmen European Homecare verantwortlich, in dessen Auftrag der Sicherheitsdienst SKI Wach- und Sicherheitsgesellschaft arbeitet.

    Nach Bekanntwerden der Mißhandlungsfälle kündigt die Bezirksverwaltung Arnsberg dem Sicherheitsdienst SKI.

    Gegen zunächst elf Mitarbeiter der ehemaligen Siegerlandkaserne werden Ermittlungen eingeleitet.

    Es stellt sich heraus, daß die zwei Mißhandler bereits wegen Diebstahls, Körperverletzung, Betrugs- und Drogendelikten vorbestraft sind. Kollegen von ihnen sprechen von systematischen Schikanen gegen BewohnerInnen und einer "SS-Truppe" in den eigenen Reihen.

    Im Burbacher Flüchtlingsheim habe es außerdem ein sogenanntes Problemzimmer gegeben, das einzig mit Matratzen ausgelegt war und in dem Flüchtlinge ohne Zugang zur Toilette bis zu 8 Stunden eingesperrt wurden. Auch Handschellen seien regelmäßig eingesetzt worden. 

    Einer der befragten ehemaligen Wachmänner bezeichnete die Lage als "unkontrollierbar" und das Flüchtlingsheim als "rechtsfreien Raum". Unter den Wachleuten seien auch Rechtsradikale gewesen. So hat der Wachmann Markus H. eine bei Neonazis beliebte Tätowierung mit dem Schriftzug "Ruhm und Ehre".

    Weitere Flüchtlinge berichten, daß die SKI-Angestellten mit Schlagstöcken und Pfefferspray durch die Gänge gegangen seien und an den Türen geschnüffelt hätten. Bei Nikotingeruch seien sie in die Zimmer gestürmt, denn Alkohol und Nikotin seien im Heim verboten. Es herrschte seit langem ständige Angst vor Gewalt.

    Nichtsdestotrotz erhält Markus H. am 2. Oktober 2014 vom Ordnungsamt Nürnberg ein gutes Führungszeugnis.

 (siehe auch: 28. Juli 14, 9. September 14, 20. September 14).

TS 28.9.14;

Spiegel 28.9.14; Focus 30.9.14;

stern 29.9.14;

Zeit 1.10.14; Spiegel 6.10.14;

stern 8.10.14; SZ 11.10.14

 

20. August 14

 

Bundesland Sachsen-Anhalt. Aufgrund von Hilferufen vor der Gemeinschaftsunterkunft in Schönebeck am Burgwall werden zwei syrische Flüchtlinge, 21 und 22 Jahre alt, vor das Haus gelockt. Da ein Wachmann sich bereits mit den "hilferufenden" Frauen auf deutsch unterhält, geht der 21- jährige Bewohner zurück in die Küche. Dann versucht eine der drei Frauen, den 22-Jährigen wegzuzerren – zeitgleich stürmen aber mehrere Männer auf ihn los. Er kann sich befreien und flüchtet ins Haus zurück – gefolgt von fünf Unbekannten.

    Auf der Treppe kommt er zu Fall, kann sich aber noch rechtzeitig in sein Zimmer retten. Die Angreifer versuchen, auch in die Küche zu kommen, was der 21-jährige Bewohner verhindern kann, weil er sich massiv gegen die geschlossene Tür stemmt.

    Als der Wachmann die Polizei alarmiert, flüchten die Männer. Dieser Angriff erfolgte offensichtlich aufgrund einer Facebook- Eintragung, in der eine Frau geschrieben hatte, daß ein Syrer ihr "anzüglich hinterher gepfiffen und einen Kuß-Mund zugeworfen" habe.

    Der Staatsschutz ermittelt u.a. wegen Landfriedensbruchs und kann mehrere Täter identifizieren.

MDZ 21.8.14;

Karawane Wittenberg 21.8.14;

Polizei Bernburg 9.12.14 ;

Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt;

BT DS 18/3376

 

25. August 14

 

Bundesland Bayern – Konzell im Landkreis Straubing-Bogen. Auf das Hotel in der Johann-Dachauer-Straße wird kurz nach 23.00 Uhr ein Anschlag verübt, bei dem durch einen Böller eine Fensterscheibe im Erdgeschoß des Gebäudes gesprengt wird. Die Glasscherben fliegen rund 10 Meter durch den Speiseraum, in dem sich zu dieser Zeit keine Personen mehr aufhalten.

    Es ist bereits der dritte Angriff auf das Hotel, in dem auch 13 Flüchtlinge aus Eritrea, Nigeria und Afghanistan leben: Bereits am 14. und 23. diesen Monats wurden zwischen 23.00 und 24.00 Uhr Äpfel auf ein Fenster geworfen, wobei jeweils eine Scheibe zu Bruch ging.

    Die Polizei kann vier Männer im Alter zwischen 18 und 28 Jahren ermitteln, die mit einer ''Kartoffelkanone'' die Äpfel auf die Fenster schossen. Gegen die Männer wird wegen Sachbeschädigung und Verstößen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz ermittelt.

tvbayern 5.9.14;

Viechtacher Bayerwald-Bote 9.9.14;

 Wochenblatt 19.12.14;

Polizei Straubing 19.1.15

 

26. August 14

 

Bundesland Schleswig-Holstein. Der 47 Jahre alte Journalist und Menschenrechtsaktivist A. aus dem Jemen wird zusammen mit seiner zwei Jahre jüngeren Ehefrau, den drei Töchtern im Alter von acht, zehn und 20 Jahren und dem 15-jährigen Sohn nach Oslo ausgeflogen. Dies geschieht durch das Landesamt für Ausländerangelegenheiten Neumünster im Rahmen des Dublin-Verfahrens. Noch am Flughafen kommt die gesamte Familie in Gewahrsam, alle müssen ihre Handys abgeben, der herzkranke A. darf sein Gepäck mit den lebensnotwendigen Medikamenten nicht abholen.

    Zwei Tage später wird die Familie in die jemenitische Hauptstadt Sanaa geflogen, wo direkt am Flughafen die Verhaftung von Herrn A. erfolgt. Bis zum Tag seiner Freilassung, kurz vor dem 9. September, hat er keinerlei medizinische Betreuung oder Versorgung – also auch keine Medikamente.

    Herr A. leidet an einer chronischen Verengung der Herzkranzgefäße (Angina Pectoris), wodurch Atemnot und starke Schmerzen im Brustkorb entstehen, die allein durch bestimmte Medikamente eingedämmt werden können. Vor allem psychischer Streß kann lebensgefährlich sein.

    Herr A. war wegen der schweren Krankheitssymptome schon mehrmals im Krankenhaus – u.a. auch im Herzzentrum Niebüll. Dort konnte knapp sechs Wochen vor der Ausreise die Diagnose gestellt und die medikamentöse Behandlung eingeleitet werden. Bei seiner 18-jährigen Tochter, die ähnliche Symptome hatte, wurde Asthma diagnostiziert.

    Aufgrund zunehmender Bedrohung durch eine dem jemenitischen Regime nahestehende Familie war Familie A. im Jahre 2011 nach Norwegen geflüchtet und hatte dort politisches Asyl beantragt. Nach der endgültigen Ablehnung des Antrags im August 2013 und der drohenden Abschiebung war die Familie im Mai 2014 in die Bundesrepublik weitergeflüchtet – hatte auch hier Anträge auf Asyl gestellt, doch Deutschland lehnte die Zuständigkeit mit dem Hinweis auf das Dublin-Abkommen ab.

    Ehepaar A. unterlag noch der trügerischen Hoffnung, daß Norwegen die Familie nicht abschieben würde, und hatte sich bemüht, noch vor dem Ende der Schulferien in Norwegen bzw. zu Beginn des neuen Schuljahres wieder dort sein zu können, damit die Kinder weiterhin und ohne große Unterbrechung  zum Unterricht gehen könnten.

    Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein verurteilt die Kettenabschiebung Neumünster – Oslo – Sanaa und weist darauf hin, daß das Auswärtige Amt Reisewarnungen für den Jemen herausgibt, in denen die "erheblichen Risiken" benannt werden, und daß das Innenministerium Schleswig-Holstein per Erlaß erklärte, daß Abschiebungen in die Republik Jemen nicht ohne weiteres zu vertreten sind.

    Nach seiner Haftentlassung gelingt Herrn A. die Flucht außer Landes fast ein halbes Jahr später erneut – er muß allerdings seine Familie zurücklassen. Er flieht in die USA und bemüht sich von hier aus, Frau und Kinder nachzuholen.

FRat SH 29.8.14;

Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein

 

27. August 14

 

Refugee Protest Strike in Berlin. Auf dem Dach eines Hostels in der Gürtelstraße 39 – Bezirk Friedrichshain – befinden sich ca. 10 junge Männer, von denen einzelne ankündigen, daß sie sich in die Tiefe stürzen werden, sobald die Polizei ihnen näher kommt.

    Die Männer gehören zu den Flüchtlingen, die im April dem "Oranienplatz-Agreement" mit dem Senat von Berlin zugestimmt und freiwillig Zelte und Hütten abgebaut hatten. Sie waren dann in verschiedenen Heimen untergekommen.

    Nun erhielten ca. 108 Personen vor zwei Tagen die z.T. nur mündliche Information, daß sie ab September keine Leistungen mehr vom Land Berlin bekommen, daß sie die Heime ab 1. September zu verlassen haben und in ihre Bundesländer zurückkehren sollen.

    Seit gestern früh wird versucht, diese Menschen mit Hilfe massiver Polizei-Aufgebote aus dem Übergangswohnheim in der Marienfelder Allee 66/80 (20 Personen), Haarlemer Straße 89 (47 Personen) und die 18 Flüchtlinge aus der Gürtelstraße herauszuholen.

    Allen droht die Obdachlosigkeit, wenn sie nicht in die Orte zurückkehren, in denen sie registriert sind. Allen droht die Abschiebung in ihre Herkunftsländer oder die Rückschiebung nach Italien, denn alle ihre Asylanträge sind, entsprechend der Vereinbarung mit dem Berliner Senat geprüft worden, und kein Antrag wurde positiv entschieden.

    Den 10 Bewohnern des Hostels war es gestern gelungen, sich in einem Zimmer der obersten Etage des 4-stöckigen Gebäudes zu verschanzen, von dem aus sie einen Zugang zum Dach haben.

    Im Laufe des Tages wird den AnwältInnen der Flüchtlinge der Zugang zum Dach verwehrt. Auch Lebensmittel und Getränke läßt die Polizei nicht durch, ebenfalls lebenswichtige Medikamente für einen der Männer. Strom und Wasser sind abgestellt, die Straße ist weiträumig abgesperrt – Senat und Polizei setzen auf Isolation, Aushungern und Ausdursten des Protestes.

    Die Flüchtlinge fordern die Einhaltung der in dem Oranienplatz-Papier gemachten Zusagen des Senats.

Dies sind die Überprüfung ihrer abgelehnten Asylanträge, Verhandlungen mit VertreterInnen von Senat und Ausländerbehörde, Zugang zu ihren AnwältInnen, Überstellung ihrer Verfahren nach Berlin und Grund- und Krankenversorgung. Aktuell fordern sie den Zugang zu Essen, Trinken, Medikamenten, Strom und Wasser.

    Die Dachbesetzer löschen ihren Durst zum Teil aus Regenpfützen – tagsüber gibt es sommerliche Temperaturen. Den Polizeiärztlichen Dienst lehnen sie aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Polizei strikt ab. Ärztinnen und Ärzte, die sich anbieten, sich um sie zu kümmern, läßt die Polizei nicht aufs Dach. Am 6. September weisen etwa 25 Menschen aus medizinischen Berufen mit der Aktion "Wasser aufs Dach" auf die lebensbedrohlichen Folgen der Austrocknung durch zu wenig Trinkwasser hin.
    Tage und Nächte dem Wetter, dem Hunger und Durst ausgesetzt, geben einige Flüchtlinge nach und am 7. September, dem 12. Tag des Protestes, verlassen die letzten vier Männer das Dach.

    Während der 12-tägigen Dachbesetzung war die Gürtelstraße von der Polizei abgesperrt, und Dauerkundgebungen von UnterstützerInnen wurden sabotiert oder an diesem Ort verboten.

    Am 9. September befindet sich einer der Flüchtlinge in einer lebensbedrohlichen Situation. Er leidet unter einer angeborenen Sichelzellenanämie mit Zerstörung der roten Blutkörperchen. Aufgrund der Unterversorgung mit Wasser und Nahrung bei zum Teil hohen Temperaturen über 12 Tage kommt er mit drohendem Leberversagen, Darmverschluß und Gerinnungsstörungen ins Krankenhaus. Nur durch intensivmedizinische Maßnahmen kann er gerettet werden.

    Anfang November erstattet der Arzt Dr. Peter Hauber vom IPPNW gegen den Senator für Inneres und Sport, Frank Henkel, eine Strafanzeige wegen Nötigung, Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung.

taz 25.8.14; TS 26.8.14; TS 27.8.14; TS 4.9.14;

taz 5.9.14; taz 6.9.14; TS 2.11.14;

IPPNW 3.11.14; Asyl Strike Berlin

 

27. August 14

 

Bundesland Brandenburg – Luckenwalde im Landkreis Teltow-Fläming. Eine Scheibe im ersten Obergeschoß des Asylbewerberheims wird zwischen dem 27. und 28. August eingeschlagen. Die Polizei nimmt die Ermittlungen auf.  (siehe auch: 19. März 14)

MAZ 29.8.14

 

28. August 14

 

Bundesland Nordrhein-Westfalen. In der Flüchtlingsunterkunft des Deutschen Roten Kreuzes im siegerländischen Bad Berleburg wird der 41 Jahre alte Bosnier Antonio Kavali bei seiner Ankunft von zwei Wachmännern zu Boden geworfen, getreten und geschlagen und schließlich mit einem Griff in die Nase im Gesicht verletzt. Er wird in ein Krankenhaus gebracht.

    Noch im Oktober leidet er unter den psychischen Folgen der Mißhandlungen, hat jedoch bis dahin keine psychologische Unterstützung erhalten. Gegen die 30 und 37 Jahre alten Männer wird nun wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt.

RP 29.9.14; Die Glocke 19.10.14

 

29. August 14

 

Guben im Bundesland Brandenburg. Auf seinem Weg zum Supermarkt wird ein 24 Jahre alter Flüchtling aus Eritrea von einem Mann angerempelt, beschimpft und mit Pfefferspray bedroht. Dem Eritreer ist es nicht möglich, die Worte zu verstehen.

Opferperspektive

 

29. August 14

 

Neuötting im Bundesland Bayern. Gegen 3.50 Uhr bricht in der Sammelunterkunft für Flüchtlinge ein Feuer aus. In derselben Nacht kommt es noch zu vier weiteren kleinen Bränden – BewohnerInnen werden dabei nicht verletzt.

    Die Polizei ermittelt einen 19-jährigen Bewohner aus Afghanistan als Täter, der sechs Tage später festgenommen und am 8. Januar 15 vom Amtsgericht Mühldorf wegen ''versuchter schwerer Brandstiftung in fünf Fällen'' zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wird.

    Während des Prozesses bestreitet der Bewohner, die Brände gelegt zu haben. Ein im Prozeß gehörter Psychiater führt hinsichtlich der psychischen Verfassung des Beschuldigten aus, daß es für eine posttraumatische Belastungsstörung durchaus entsprechende Symptome sowie Anzeichen für eine depressive Stimmung bis hin zu suizidalen Gedanken gebe. Eine Betreuerin, die regelmäßig Kontakt zu dem jungen Mann hatte, schildert zudem, daß er panische Angst gehabt hätte: ''Er hatte Albträume wegen der Dinge, die zu Hause passiert waren.''

    Der 19-Jährige floh aus Afghanistan, nachdem dort sein Vater ermordet und er auf der Flucht vor den Tätern angeschossen worden war. In Schweden stellte er einen Asylantrag, der jedoch abgelehnt wurde. Auch in Hamburg bat er um Asyl. Über Kopenhagen, Berlin und München kam er schließlich nach Neuötting. Dort besuchte er die Berufsschule, sollte aber abgeschoben werden.

MM 24.10.14;

 innsalzach24.de 8.1.15

 

30. August 14

 

Berliner Bezirk Hellersdorf. Eine 27-köpfige Gruppe von Kindern im Alter von zweieinhalb bis 14 Jahren ist am Nachmittag in Hellersdorf unterwegs. An der Bushaltestelle am U-Bahnhof Hellersdorf wird eine 14-Jährige von einem deutschen Mann Ende 20 angerempelt; an einer Straßenkreuzung schlagen zwei Eier auf den Boden vor der Gruppe. Zudem wird die Gruppe rassistisch beleidigt.

    Die Kinder wohnen in den nahe gelegenen Flüchtlingsunterkünften in der Carola-Neher- und Maxie-Wander-Straße.

    Bereits seit der Eröffnung der Unterkunft in der Carola-Neher-Straße im August 2013 kommt es immer wieder zu Angriffen auf die Unterkunft und zu rassistischen Aktionen in deren Umfeld.   

(siehe auch: 1. Januar 14; 27. Januar 14; 14. März 14;

10. Oktober 14)

suburbanhell.org

 

1. September 14

 

Berliner Bezirk Lichtenberg. Morgens um 6.00 Uhr stürmen PolizistInnen in die Wohnung einer armenischen Flüchtlingsfamilie, um zwei junge Männer im Alter von 19 und 21 Jahren abzuschieben, die hier mit ihrer Mutter leben. Die BeamtInnen gehen mit äußerster Brutalität vor, die Mutter wird zu Boden gedrückt, ihre Arme und der Kopf gewaltsam zur Seite gedreht, so daß die Frau Atemnot und Panikattacken bekommt und einen psychischen Zusammenbruch erleidet. Die Polizisten ordern einen Krankenwagen und lassen die Frau in die Psychiatrie eines Krankenhauses (geschlossene Abteilung) bringen, wo sie in den folgenden fünfeinhalb Wochen stationär behandelt wird.

    Ihre beiden Söhne werden mitgenommen und nach Armenien abgeschoben.

    Die Frau war im Jahre 2005 in die Bundesrepublik eingereist und befand sich aufgrund traumatisierender Erlebnisse im Herkunftsland in Behandlung der psychosozialen Beratungsstelle XENION.

    In den Jahren 2007 und 2008 folgten ihr ihre minderjährigen Söhne – aber ihre Asylgründe wurden nicht anerkannt.

    Die Berliner Härtefallkommission hatte sich vor sechs Tagen für den Verbleib der Familie einstimmig ausgesprochen. Dieses Votum wurde von Innensenator Henkel allerdings ignoriert und eine Abschiebung im Schnellverfahren angeordnet: ohne Informierung der Härtefallkommission, des Anwalts der Familie, geschweige denn der Familie selbst.

XENION, KommMit, FRat Berlin 11.9.14;

Antirassistische Initiative Berlin

 

1. September 14

 

Bautzen – Bundesland Sachsen. Eine 31 Jahre alte Tunesierin, wird nahe ihrer Unterkunft, dem ehemaligen Spreehotel, von einem deutschen Mann gestoppt und rassistisch beleidigt. Als die Frau sich umwendet und weggegen will, erhält sie einen Faustschlag gegen den Rücken, wodurch sie leicht verletzt wird.

    Dieser Angriff spielt sich vor den Augen ihres 6-jährigen Sohnes ab, den sie an seinem allerersten Schultag zur Frédéric-J.-Curie-Grundschule bringen will.

    Der Oberbürgermeister Christian Schramm (CDU) entschuldigt sich öffentlich bei der Flüchtlingsfamilie. Bei den Landtagswahlen am Tag zuvor hatten die rechten Parteien AfD und NPD hohe Ergebnisse erzielt: AfD 14,8 und NPD 10,9 Prozent allein im Wahlkreis Bautzen.

    Die Stimmung gegen die zur Zeit im ehemaligen Spreehotel lebenden ca. 100 Flüchtlinge hat sich durch den Wahlkampf verschärft. Durch die Ankündigung der Stadt, daß für weitere 160 Personen eine Containersiedlung geplant ist, formieren sich weitere Proteste.

SäZ 2.9.14; alles-lausitz.de 2.9.14;

mdr 2.9.14; SäZ 4.9.14

 

2. September 14

 

Elchingen im bayerischen Landkreis Neu-Ulm. In seiner Unterkunft versucht ein 24 Jahre alter afghanischer Flüchtling, sich gegen 21.00 Uhr mit einer Rasierklinge die Pulsadern durchzuschneiden, denn am nächsten Tag soll er nach Ungarn zurückgeschoben werden. MitbewohnerInnen finden ihn blutüberströmt in seinem Zimmer, so daß er rechtzeitig mit einem Krankenwagen zur medizinischen Notfallversorgung ins Ulmer Krankenhaus gebracht werden kann.

    Die ca. 60 Menschen, die sich am nächsten Morgen um 7.00 Uhr vor das Asylheim Ortsteil Unterelchingen setzen, um die Abschiebung zu verhindern, bekommen die Information erst hier und jetzt – nutzen die Gelegenheit aber, um auf das Schicksal des jungen Mannes aufmerksam zu machen.

    Der junge Flüchtling hat in Afghanistan für das US-Militär als Dolmetscher gearbeitet und gerät bei einer wahrscheinlichen Abschiebung aus Ungarn direkt in akute Lebensgefahr. Er wäre der Verfolgung und Hinrichtung durch die Taliban schutzlos ausgeliefert.

    Nach ca. 5 Wochen Krankenhaus-Aufenthalt wird er aus der Fachklinik für Psychiatrie entlassen. Am Stichtag, dem 19. November, ist klar, daß der Asylantrag in der Bundesrepublik bearbeitet werden muß, weil die Überstellungfrist ensprechend dem Dublin-Verfahren abgelaufen ist.

AA 3.9.14; SWP 3.9.14;

SchwT 4.9.14; SchwP 4.9.14;

SWP 17.10.14; SWP 20.11.14

 

2. September 14

 

Bundesland Thüringen. In der Nacht wird ein Brandanschlag auf die Unterkunft für Flüchtlinge in der Straße der Volkssolidarität 63 in Sangerhausen verübt. Unbekannte dringen in das Gebäude ein und zünden den hölzernen Tresen im Eingangsbereich an, allerdings entzündet sich das Feuer nicht großflächig. Die Angreifer hinterlassen am Eingang neonazistische Symbole und rassistische Parolen wie ''Zukunft den deutschen Kindern'' und ''Haut ab'' (die Parole ''Verpisst euch'' wird mit zwei SS-Runen geschrieben).

    Einen Tag später kommt es zu einem weiteren Angriff: Ein Ei und Steine werden durch ein offen stehendes Fenster geworfen. Ein Albaner, der sich zu diesem Zeitpunkt in dem Zimmer befindet, wird dabei nicht verletzt. Die Polizei kann kurze Zeit später einen 13-Jährigen und zwei Jugendliche im Alter von 14 und 15 Jahren festnehmen. Als Motiv geben sie an, eine ''Mutprobe'' geplant zu haben. Der 13-Jährige soll die Attacke begangen haben.

    In dem Gebäude leben ca. 70 Flüchtlinge aus verschiedenen afrikanischen Ländern und Südosteuropa.

    Der Staatsschutz, der wegen Sachbeschädigung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt, hat gut drei Monate später noch keine TäterInnen ermitteln können, die den Brandanschlag begangen haben.

MDZ 2.9.14; MDZ 3.9.14; MDZ 4.9.14;

MDZ 5.9.14; Polizei Halle 17.12.14

 

2. September 14

 

Bundesland Baden-Württemberg. Am Eingang der Landeserstaufnahmestelle in Karlsruhe wird ein Flüchtling von Wachmännern mit Kabelbinder gefesselt und schmerzhaft festgehalten. Als Begründung geben die Wachleute an, daß er ein Hausverbot habe und zudem nicht bereit war sich auszuweisen.

    Er erstattet Anzeige, kann später bei der Polizei jedoch keine inhaltlichen Angaben zu seinen Vorwürfen machen. Die Staatsanwaltschaft stellt daraufhin das Verfahren gegen die Wachleute ein.

Welt 29.10.14

 

3. September 14

 

Bundesland Bayern. In der Erstaufnahmeeinrichtung Heidemannstraße wird ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling von zwei Wachmännern geschlagen und anschließend am Boden liegend getreten.

München TV 17.10.14

 

5. September 14

 

Tostedt im Landkreis Harburg – Bundesland Niedersachsen. Eine unbekannte Person bewirft die Unterkunft für Flüchtlinge in der Straße Elsterbogen mit Gläsern, die mit Fäkalien gefüllt sind. Eines der Gläser prallt gegen den Fuß eines 39-jährigen Sudanesen, der dadurch leichte Prellungen am Fuß erleidet.

    Der Täter konnte nicht ermittelt werden.

StA Stade 3.3.14;

Polizei Harburg 17.3.14;

BT DS 18/3376

 

6. September 14

 

Apolda im Bundesland Thüringen. Drei betrunkene polizeibekannte Rechtsextreme, 21 und 25 Jahre alt, dringen gegen 1.40 Uhr in das Asylbewerberheim ein. Sie randalieren in der Küche, werfen dort einen Elektroherd um und rufen rassistische Parolen.

    Die herbeigerufene Polizei nimmt die drei Täter fest; nach ihrer Ausnüchterung werden sie allerdings wieder entlassen.

Südthüringer Ztg 6.9.14;

dpa 8.9.14

 

7. September 14

 

Annaburg in Sachsen-Anhalt. Eine 29-jährige Nigerianerin vergiftet sich und ihre beiden ältesten Kinder im Alter von fünf und sieben Jahren mit den Schlaf-/Beruhigungsmitteln ihres Mannes. Dieser findet sie und die beiden Kinder in ihrem Zimmer in benommenem Zustand vor und ruft umgehend einen Krankenwagen. Seine Frau kommt auf die Intensivstation des Wittenberger Krankenhauses, die Kinder sind offen

sichtlich nicht in Lebensgefahr. Auch der Mann und Vater der Kinder muß zwei Tage lang im Krankenhaus bleiben – dann kann er mit seinen beiden Kindern entlassen werden.

    Die Mutter kommt nach der Notfallbehandlung in die psychiatrische Klinik Bosse in Wittenberg.

    Die Familie lebt seit sechs Monaten in Annaburg – keines der Kinder war hier jemals in einem Kindergarten oder einer Schule. Vor wenigen Wochen wurde das vierte Kind geboren.

    Die Eheleute haben eine lange Flucht hinter sich. Die Kinder sind in Deutschland, der Schweiz und Belgien geboren. Am 1. Mai 2012 wurde ein Asylantrag in der Bundesrepublik gestellt, der abgelehnt wurde, weil die Familie über Italien eingereist war. Kurz vor ihrer Rückschiebung, die im August 2012 geschehen sollte, verschwanden sie aus dem behördlichen Kontrollfeld. Ein Jahr später stellten sie einen zweiten Asylantrag und wurden nach dessen Ablehnung am 13. Januar 14 nach Italien abgeschoben. Drei Monate später kehrten sie zurück und stellten einen neuen Folgeantrag beim Kreis Wittenberg.

    Vor ihrem Suizidversuch hatte die Frau einen Brief geschrieben, in dem sie ihre Ängste um die Zukunft ihrer vier Kinder äußert, wenn sie erneut nach Italien abgeschoben werden sollten.

    Ihr Mann – ein Ghanaer – wurde schon nach der Rückschiebung aus Deutschland noch am Flughafen von Beamten als "fou" (verrückt) betitelt und wurde beschimpft, daß er nicht in der Lage sei, für seine Kinder zu sorgen. Auch wurde die Vaterschaft angezweifelt, weil auf den Papieren der Kinder die Namen verdreht oder falsch geschrieben sind. Die Angst ist groß, daß ihnen die Kinder weggenommen werden.

mdr 8.9.14; MDZ 8.9.14;

MDZ 9.9.14; taz 10.9.14;

Antirassistisches Netzwerk Sa-Anh. 11.9.14,

Antirassistisches Netzwerk Sa-Anh 15.9.14

 

 

8. September 14

 

Fürstenwalde in Brandenburg. Ein 15-jährige Tschetschenin wird auf dem Rückweg von der Schule auf ihr Kopftuch angesprochen. Sie beleidigen sie mit Sätzen wie "Wir hassen Muslime" und bedrohen sie mit einem Messer.

Opferperspektive

 

9. September 14

 

Erzgebirgskreis im Bundesland Sachsen. In Annaberg-Buchholz wird ein 13 Jahre alter Asylbewerber aus Libyen gegen 19.00 Uhr in der Buchholzer Straße von ca. fünf Mädchen und zwei Jungen angepöbelt und rassistisch beleidigt. Kurz darauf erscheinen vier junge Männer, und einer von ihnen – ein ca. 30-Jähriger mit kurzrasierten Haaren und Tarnfleckenjacke – schlägt unvermittelt mit der Faust auf den 13-Jährigen ein. Als er von seinem Opfer abläßt, flüchtet die gesamte Gruppe in Richtung Wolkensteiner Straße.

    Der angegriffene Jugendliche muß seine zahlreichen Gesichtsverletzungen medizinisch behandeln lassen.

    Der Staatsschutz der Chemnitzer Kriminalpolizei übernimmt die Ermittlungen wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung mit einem fremdenfeindlichen Hintergrund.

Polizei Chemnitz 10.9.14;

Sachsen Fernsehen 10.9.14;

RAA Sachsen

 

9. September 14

 

Bundesland Nordrhein-Westfalen. In der Essener Flüchtlingsunterkunft Opti-Park wird eine Frau von Wachmännern in eine vorsätzlich zugedrückte Tür eingequetscht und erleidet dabei Verletzungen.

    Die Asylunterkunft wird von dem Unternehmen European Homecare betrieben, das bundesweit weitere Flüchtlingsunterkünfte verwaltet. Im Herbst gerät die Firma unter öffentlichen Druck, als Mißhandlungen der HeimbewohnerInnen durch Wachmänner der Firma SKI in ihren Heimen Essen und Burbach bekannt werden.

(siehe auch: 28. Juli 14, 15. August 14, 20. September 14)

WAZ 12.11.14

 

12. September 14

 

Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern. Als ein 28 Jahre alter Somalier gegen 20.50 Uhr die Straßenbahn im Stadtteil Mueßer Holz an der Haltestelle Keplerstraße verläßt, folgen ihm drei Männer, die ihn und zwei Freunde auch schon während der Fahrt rassistisch beschimpft und beleidigt hatten. Einer der Verfolger, ein 28 Jahre alter Schweriner, boxt den Asylbewerber unvermittelt zu Boden und schlägt ihm dann mit einer Flasche ins Gesicht.

    Der Somalier kommt mit Kopfverletzungen in die Schweriner Helios-Klinik in stationäre Behandlung.

    Die Polizei kann mit Hilfe von PassantInnen noch in Tatortnähe den Täter festnehmen. Er wird allerdings wieder auf freien Fuß gelassen und erst fünf Tage später per Haftbefehl in Untersuchungshaft genommen. Die Staatsanwaltschaft hat jetzt erst festgestellt, daß der wegen anderer Delikte vorbestrafte Mann unter Bewährung steht.

Polizei Schwerin 13.9.14;

Welt 14.9.14; jW 16.9.14;

ndr 1 Radio MV 17.9.14

 

13. September 14

 

Bundesland Sachsen. In  Dresden-Gorbitz wird in der Nacht ein Flüchtling von der Straßenbahn aus von zwei Männern und zwei Frauen verfolgt. Dann greifen sie ihn an: schlagen und treten ihn und verletzen ihn auch mit einer Flasche, die er auf den Kopf bekommt. Einer der Angreifer sagt "I am racist".

RAA Sachsen

 

13. September 14

 

Vogtlandkreis im Bundesland Sachsen. Während des Festes zum 120-jährigen Jubiläum der Plauener Straßenbahn wird ein Asylbewerber zunächst von einem Mann rassisitsch beleidigt. Als zwei weitere Rassisten hinzukommen, greifen sie ihn gemeinschaftlich an. Leicht verletzt kann er entkommen. Die Polizei nimmt Ermittlungen auf.

RAA Sachsen

 

14. September 14

 

Vogtlandkreis im Bundesland Sachsen. Während des Festes zum 120-jährigen Jubiläum der Plauener Straßenbahn wird ein Asylbewerber vor dem Festzelt von einem Unbekannten geschlagen und am Auge verletzt. Er muß zur medizinischen Versorgung der Verletzung ins Krankenhaus.

    Auch hier nimmt die Polizei die Ermittlungen auf.

RAA Sachsen

 

14. September 14

 

Bundesland Sachsen. An der Haltestelle Schlehenstraße in Dresden-Gorbitz werden in der Nacht drei Flüchtlinge von ca. 20 Personen körperlich – teilweise sogar mit Flaschen – angegriffen.

RAA Sachsen

 

15. September 14

 

Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick. Während der vergangenen Nacht hat ein Wachmann immer wieder – fast halbstündig – eine Gemeinschaftszelle betreten, das Licht angemacht, die Fenster "kontrolliert", "Sicherheitskontrollen" durchgeführt, "Nach-dem-Rechten" gesehen und dadurch die Gefangenen massiv im Schlaf gestört. Als derselbe Mann am frühen Morgen erneut in der Zelle erscheint, tritt er an das Bett eines 23-jährigen Gefangenen, zieht ihm die Decke weg, tritt ihm mit dem Stiefel gegen das Bein und schreit ihn an, daß er aufstehen solle.

    Als sich ein Mitgefangener als Zeuge diese Vorfalls anbietet, redet der Wachmann auf den 23-Jährigen ein, eine Dienstaufsichtsbeschwerde zu unterlassen – was dieser aus Angst auch vorerst tut. Auch meldet er sich mit seinem verletzten Bein nicht beim polizeiärztlichen Dienst, weil er davon ausgeht, daß ihm dort nicht geglaubt wird.

    Der Asylantrag des jungen Kosovaren, der seit zwei Jahren in der Bundesrepublik ist, war in Nordrhein-Westfalen abgelehnt worden. Er kam am 20. August nach Berlin-Köpenick in Abschiebehaft und wird am 30. September vom Flughafen Tegel ausgeflogen.

    Kurz zuvor verfaßt er eine Beschwerde, so daß das Landeskriminalamt ein Verfahren gegen den Polizei-Angestellter wegen Körperverletzung im Amt einleitet.

    Da kurze Zeit später auch der Zeuge des Vorfalls, der Mitgefangene des Opfers, abgeschoben wird – kommt es zur Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft.

Initiative gegen Abschiebehaft Berlin;

BeZ 22.10.14; BM 22.10.14;

ND 23.10.14

 

15. September 14

 

Bundesland Bayern. Im Rückschiebefall eines somalischen Flüchtlings soll das Verwaltungsgericht Regensburg eine Zielstaatbestimmung vornehmen, nachdem das Bundesverwaltungsgericht die Abschiebeanordnung als rechtsmäßig bestätigt hatte.

    Der Somalier war im Jahre 2009 zunächst in den Sudan geflüchtet und dann später mit einem Boot über das Mittelmeer bis nach Lampedusa gekommen. Die über 400 Personen wurden "in Seenot gerettet". 350 Menschen wurden angewiesen gleich weiterzureisen, die anderen wurden als AsylbewerberInnen registriert.

    Der Somalier berichtet, daß er weder Arbeit noch Essen noch eine Wohnung bekam und im Freien leben mußte. Seine Tuberkulose wurde nicht behandelt. Aufenthaltspapiere, die es ihm unter anderem ermöglicht hätten zu arbeiten, hat er nie erhalten.

    Er zog weiter nach Schweden, dann nach Deutschland. Er verstümmelte sich seine Fingerkuppen, damit er nicht mehr identifiziert werden konnte. Bei einer Kontrolle an der deutsch-tschechischen Grenze wurde er von der Bundespolizei aufgegriffen und doch als ein in Italien registrierter Flüchtling erkannt.

    Da er nach der langen Zeit in Italien wahrscheinlich keinen Aufenthaltstitel mehr bekomme, so die Richterin des Verwaltungsgerichts, brauche er "keine Angst zu haben", daß "rein praktisch eine Abschiebung stattfindet." Derzeit hat er eine Aufenthaltsgestattung bis Anfang März 2015.

regensburg-digital.de 15.9.14

 

17. September 14

 

Vogtlandkreis im Bundesland Sachsen. Im Kultur- und Kommunikationszentrum "Malzhaus" in Plauen wird ein Asylbewerber von drei Männern rassistisch beschimpft und bedrängt. Als sich couragierte Gäste einmischen, lassen die Provokateure von dem Flüchtling ab.

    Kurz darauf steht der Mann den Angreifern jedoch alleine gegenüber, wird von ihnen zu Boden gebracht, geschlagen und mit Schnitten und Stichen an den Beinen verletzt. Der Verletzte kommt zur stationären Behandlung ins Krankenhaus. Die Polizei nimmt die Ermittungen auf.

RAA Sachsen

 

18. September 14

 

Berlin-Köpenick. Gegen 21.30 Uhr werfen Unbekannte ein faustgroßes Betonstück gegen eine Balkontür der Unterkunft für Flüchtlinge in der Salvador-Allende-Straße. Die Glasscheibe der Balkontür geht daraufhin zu Bruch. Die Polizei nimmt die Ermittlungen auf.

BZ 19.9.14

 

19. September 14

 

Bundesland Sachsen-Anhalt. Nach dem Fußballspiel des 1. FC Magdeburg gegen FSV Wacker Nordhausen werden vier jugendliche, somalische Flüchtlinge an der Straßenbahn-Haltestelle Allee-Center aus einer neunköpfigen Gruppe von Fußballfans heraus beschimpft, bedroht, geschubst und geschlagen. Als nach einem Pfiff weitere Unbekannte hinzukommen, flüchten die Angegriffenen in den Breiten Weg in Richtung Goldschmiedebrücke. Die Angreifer werfen Flaschen hinter ihnen her, die einige auch treffen.

    Ein 19-jähriger Flüchtling wird zu Boden gebracht, geschlagen und getreten. Er erleidet Kopf-, Arm- und Beinverletzungen und muß diese im Krankenhaus ambulant versorgen lassen.

    Der Staatsschutz nimmt die Ermittlungen nach den Tätern auf.

VM 24.9.14;

Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt

 

19. September 14

 

Bundesland Sachsen-Anhalt – Landkreis Wittenberg. Das Sozialamt verweigert der 26 Jahre alten Albanerin Dorela Rexha, Mutter von zwei kleinen Kindern, die Übernahme der Kosten für die operative Behandlung einer schweren Hüftschädigung.

    Sie hat eine angeborene Hüftgelenksdysplasie und zudem durch einen Unfall im Kindesalter, bei dem der linke Oberschenkel aus dem Gelenk sprang (Luxation), eine schwere Schiefstellung der Hüfte. Die ständige Fehlbelastung führte demzufolge zu einer Zerstörung des Gelenkes und verursacht große Schmerzen.

    Die aufwendige Operation, während der auch ein künstliches Hüftgelenk eingebracht werden soll, wird von der Orthopädie der Universitätsklinik Halle dringend empfohlen. Durch sie würden die Beweglichkeit gebessert und die Schmerzen ursächlich gemindert werden.

    In der Ablehnung der Kostenübernahme für die Operation wird vonseiten des Amtes auf eine Steigerung der Schmerz-Medikamente verwiesen, die eher im Sinne einer Behandlung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sei.

    In den zwei Monaten von der Antragstellung auf Kostenübernahme bis zur ablehnenden Entscheidung ist Frau Rexha nie (!) zu einer amtsärztlichen Untersuchung bestellt worden.

    Frau Rexha kann sich weder allein an- und auskleiden noch ohne Gehstützen gehen. Langes Stehen und Sitzen bereiten ihr trotz intensiver Medikation (auch Opioide) Schmerzen.

    Sie wird im Oktober wegen nicht beherrschbarer Schmerzzustände zweimal in die Notaufnahme des Krankenhauses Wittenberg gebracht. Aufgrund der Nebenwirkungen der hochdosierten Schmerzmittel leidet sie unter Schwindel und Ohnmachtsanfällen.

    Die Nebenwirkungen der Medikamente hatten bereits schon vor einem Jahr zu einer zu frühen Geburt ihrer Tochter geführt. Das Kind wurde mit 1300 g im 7. Schwangerschaftsmonat geboren.

    Auf einen neuen Antrag auf Kostenübernahme, der im Januar 2015 gestellt wird, erfolgt die Ablehnung nach vier Wochen – auch jetzt gibt es keine Vorladung für Frau Rexha zu einer amtsärztlichen Untersuchung.

    Die Familie mußte aufgrund einer Familienfehde und der damit verbundenen Morddrohungen im Jahre 2012 aus Albanien flüchten.

    Die Ausländerbehörde hatte Herrn Mirsad Rexha mehrmals verboten, Arbeitsangebote anzunehmen. Seitdem im Juli 2014 der gemeinsame Asylantrag abgelehnt wurde, müssen die Eltern mit dem 5-jährigen Enis und der 1-jährigen Agnesa mit der Abschiebung nach Albanien rechnen.

Medinetz Halle/Saale 25.11.14;

Medinetz Halle/Saale 27.2.15

 

20. September 14

 

Bundesland Nordrhein-Westfalen. Im Essener Flüchtlingsheim Opti-Park, einer ehemaligen psychiatrischen Klinik, will sich der 21 Jahre alte Badr Abboussi aus Marokko eine Tasse Kaffee aus der Kantine holen. An der Tür wird er von einem Wachmann mit der Begründung "geschlossen" abgewiesen. Kurz danach ist allerdings die Tür offen und der Wachmann weg, so daß Badr Abboussi in den Raum hineingeht. Da wird die Tür hinter ihm geschlossen, und er befindet sich in der Falle. Vier Security-Angestellte bedrohen ihn, ziehen sich Handschuhe an, dann trifft ihn schon eine Faust im Gesicht, und er spürt einen Tritt in den Leib. Zwei Wachmänner drücken ihn mit dem Kopf gegen die Wand, ein dritter und vierter kommen hinzu und schlagen auf ihn ein. Dann gehen sie weg.

    Als Badr Abboussi die Polizei rufen will, raten ihm die Sozialarbeiter davon ab. Er wird mit starken Schmerzen in das katholische Klinikum Essen gebracht. Dort diagnostiziert man eine Prellung des linken Brustkorbs und eine geschwollene Oberlippe.

    Im November 2014 hat Herr Abboussi trotz mehrmaligen Nachfragens immer noch keine psychologische Betreuung zur Bewältigung dieser traumatischen Erlebnisse bekommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung.

    Die Asylunterkunft wird von dem Unternehmen European Homecare betrieben, das bundesweit weitere Flüchtlingsunterkünfte verwaltet. Im Herbst gerät die Firma unter öffentlichen Druck, als Mißhandlungen der HeimbewohnerInnen durch Wachmänner der Firma SKI in ihren Heimen Essen und Burbach bekannt werden.

(siehe auch: 28. Juli 14, 15. August 14, 9. September 14)

Zeit 9.10.14; WDR 9.11.14;

Deutschlandfunk 9.11.14

 

23. September 14

 

Sonsbeck am Niederrhein in Nordrhein-Westfalen. Ein 26 Jahre alter Aserbaidschaner hat seinen Termin im Rathaus hinter sich und verläßt die Räume des Amtes für Ordnung und Soziales gegen 10.15 Uhr, wo er sein wöchentliches Taschengeld abgeholt hat. Auf dem Flur des Erdgeschosses übergießt er sich mit Benzin aus einem mitgebrachten Kanister und setzt sich vor den Augen vieler Menschen in Flammen. Dann läuft er hinaus auf die Herrenstraße vor das Gebäude.

    Ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes und erfahrener Feuerwehrmann erstickt mit einem Feuerlöscher zunächst die Flammen im Flur und folgt dem Flüchtling dann auf die Straße. Hier löscht er dessen brennende Kleidung und ruft Rettungskräfte. Der 26-Jährige kommt mit Verbrennungen III. Grades per Hubschrauber in die Unfallklinik nach Duisburg.

    Der Mann war am 29. Juli 13 in die Bundesrepublik eingereist und hatte Asyl beantragt. Polizei und Stadtverwaltung vermuten, daß die Verzweiflungstat direkt mit der Ablehnung seines Asylantrags vor zwei Wochen zu tun hat.

    Am 24. September befindet sich der Schwerverletzte außer Lebensgefahr und kann nach einigen Tagen Aufenthalt wieder entlassen werden.

Polizei Wesel 23.9.14;

Ruhr Nachrichten 23.9.14; RP 23.9.14;

WAZ 23.9.14; RP 24.9.14; WAZ 25.9.14;

Kreis Wesel 11.11.14

 

25. September 14

 

Guben in Brandenburg. Auf dem Weg zu ihrer Unterkunft werden zwei Flüchtlinge aus Eritrea (22 und 24 Jahre alt) nacheinander durch einen Mann bedroht. Er stellt sich ihnen in den Weg, schubst sie und will einen der Eritreer mit einer Flasche schlagen. Die Angegriffenen können unverletzt fliehen.

    Der Täter hatte den beiden Flüchtlingen – zusammen mit anderen Männern – in einem Auto aufgelauert.

Opferperspektive

 

28. September 14

 

Kreis Günzburg im Bundesland Bayern. Der 16 Jahre alte Siwar Jouma schreibt einen Abschiedsbrief, trinkt eine Flasche Schampoo und springt aus einem Fenster der ersten Etage der Flüchtlingsunterkunft in Kötz. Den Sturz aus sieben Metern Höhe übersteht er leicht verletzt und kommt zur Beobachtung in die Kinder- und Jugendpsychiatrie des Augsburger Josefinums. Als seine Mutter Nazlia Jouma davon erfährt, versucht sie, sich vor ein Auto zu werfen, kann daran gehindert werden und kommt ins Bezirkskrankenhaus.

    Die yezidische Familie, Nazlia und Taisir Jouma, deren Söhne Kawa (17 Jahre alt) und Siwar (16 Jahre alt) und die Tochter Gulhan (15 Jahre), sind Flüchtlinge aus Syrien und bekamen bereits in Bulgarien einen Flüchtlingsstatus. Da sie dort aber keinerlei Chancen und Lebensperspektiven für sich sahen, reisten sie nach Deutschland und hoffen, daß sie hier mit ihrem ältesten Sohn Abdo (22) leben dürfen, der anerkannter Flüchtling ist. Die Familienmitglieder in Kötz haben nur eine Duldung – die Abschiebung nach Bulgarien, die für den 2. Oktober geplant war, ist durch die zwei Suizidversuche zunächst ausgesetzt.

     Die durch Krieg und Flucht traumatisierte Nazlia Jouma (45 Jahre alt) steht unter Medikation von Antidepressiva, Gulhan leidet an Blutarmut, Kawa wird wegen eines Vitamin-D-Mangels behandelt und sein Bruder Siwar benötigte nach dem Sturz aus dem Fenster Physiotherapie. Vater Taisir Jouma ist infolge einer Kinderlähmung durch ein 6-Zentimeter kürzeres Bein gehandicapt. Trotzdem haben alle klare berufliche Perspektiven, die sie in Deutschland gerne verwirklichen wollen.

AA 25.9.14;

AA 30.9.14; br 6.10.14;

AA 11.11.14; AA 12.11.14;

Christiane Waldmann - Helferkreis

 

29. September 14

 

Münchberg im Landkreis Hof – Bundesland Bayern. Am Abend wird die Unterkunft für Flüchtlinge in der Helmbrechtser Straße von drei unbekannten AngreiferInnen mit Steinen beworfen.

    Bereits einen Tag vorher warfen Unbekannte weiße Farbe gegen die Fassade des Gebäudes und flüchteten anschließend.

Polizei Bayreuth 2.10.14

 

September 14

 

Werra-Meißner-Kreis in Hessen. In der Flüchtlingsunterkunft von Weißenborn sind mehrere Räume des von 30 Personen bewohnten Hauses von Schimmel befallen, so daß eine 24 Jahre alte Bewohnerin deshalb gemeinsam mit ihrer 2-jährigen Tochter auf die Benutzung von Asthma-Spray angewiesen ist.

    Die Gemeindeverwaltung, die für den Betrieb des Hauses verantwortlich ist, berichtet, daß die "Ursache" das unregelmäßige Lüften und das Wäschetrocknen in den Zimmer sei und auch Reste von Müll und Essen, die dort gelagert würden.

HNA 16.8.14;

Werra-Rundschau 16.9.14

 

September 14

 

Bundesland Nordrhein-Westfalen. Nachdem der Bewohner der Essener Flüchtlingsunterkunft Opti-Park Ibrahim Diallo aus Guinea dem WDR ein Interview gegeben hat, wird ihm von Mitarbeitern damit gedroht, er erhalte keine Registrierung und keinen Ausweis.

WDR 9.11.14;

Deutschlandfunk 9.11.14

 

September 14

 

Hamburg. Im Erstaufnahmelager Schnackenburgallee im Stadtteil Stellingen wird der Syrer Hasem Masid aus Aleppo von einem Wachmann auf den Boden geworfen und getreten. Auch nachdem er auf dem Boden liegt, tritt der Wachmann weiter auf ihn ein. Dabei zerreißt seine Jacke und er erleidet einen Bluterguß am Fuß. Weitere Wachleute beobachten die Situation, schreiten jedoch nicht ein. Herr Masid sagt später aus, daß er schon zuvor von dem gleichen Wachmann geschubst und geschlagen worden war.

    Auch zwei weitere Flüchtlinge berichten von Mißhandlungen. Einer sei von den Wachleuten zu Boden geworfen und noch drei Meter weit geschleift worden. Die Polizei ermittelt in insgesamt drei Fällen.

ndr 2.10.14; HA 2.10.14;

taz 3.10.14; Zeit 9.10.14;

ND 23.10.14

 

1. Oktober 14

 

Vogtlandkreis im Bundesland Sachsen. Auf dem Weg zu seiner Unterkunft in der Plauener Kasernenstraße wird ein Asylbewerber mit einer Flasche angegriffen. Der Verletzte flüchtet zunächst zu einem Bekannten und ruft von hier aus die Polizei. Die Beamten veranlassen seine medizinische Versorgung im Krankenhaus.

RAA Sachsen (Betroffener)

 

1. Oktober 14

 

Vogtlandkreis im Bundesland Sachsen. Im Umfeld der Plauener Flüchtlingsunterkunft Kasernenstraße wird ein Bewohner von drei oder vier Männern mit einer Flasche an Hals und Brustkorb verletzt. Er kommt zur Versorgung seiner Wunden in die Helios-Klinik. Die Polizei nimmt die Ermittlungen auf.

RAA Sachsen

 

1. Oktober 14

 

Bundesland Thüringen. In einem Regionalexpreß aus Richtung Nürnberg kommend werden gegen 11.00 Uhr zwei syrische Flüchtlinge von der Bundespolizei auf dem Bahnhof Saalfeld angehalten und kontrolliert. Nach den Befragungen der beiden Männer im Alter von 20 und 33 Jahren wird der ältere mit starken Bauchschmerzen in das Krankenhaus Saalfeld gebracht.

    Die Flüchtlinge waren mit dem Schiff nach Italien und dann mit einem Auto nach München gereist und befanden sich jetzt auf dem Weg nach Berlin, um dort Asyl zu beantragen.

BPol Erfurt 1.10.14

 

3. Oktober 14

 

Gotha in Thüringen. Gegen Abend wird ein jugendlicher Flüchtling an der Haustür seiner Unterkunft von einem deutschen Mann mit einem Schlagring angegriffen. Der Jugendliche wehrt sich so heftig, daß er den Angreifer schwer verletzt – selbst jedoch auch Verletzungen davon trägt.

    Schon Stunden zuvor und bei anderer Gelegenheit hatte der Mann den Jugendlichen und seine Familie attackiert. Um die direkte Konfrontation zu vermeiden, hatte der Jugendliche die Polizei gerufen, die allerdings so lange auf sich warten ließ und letztlich auch nicht verhindern konnte, daß der Mann immer wieder Streit anfing.

    Aussagen von mehreren ZeugInnen verstärken den Verdacht auf eine rassistische Motivation des Täters. Strafverfahren werden gegen beide Beteiligte eröffnet.

ezra

 

7. Oktober 14

 

Bundesland Bayern. Der somalische Flüchtling Ahmed A. soll im Auftrag der Zentralen Rückführungsstelle Nordbayern (ZRS) von Würzburg über München nach Rom rückgeschoben werden. Die Polizei muß das Ehepaar, das sich aneinanderklammert, mit Gewalt auseinanderreißen. Die schwangere Frau versucht sich zu strangulieren, um die Abschiebung zu verhindern. Danach erleidet sie einen Zusammenbruch, so daß ein Notarzt per Rettungshubschrauber geholt werden muß. Die Frau wird nach einer Erstversorgung in der Psychiatrie untergebracht.

    Selbst die Polizisten, die die Abschiebung durchsetzen sollten, fragen dreimal bei der ZRS nach, ob sie unter den gegebenen Umständen fortgesetzt werden soll. Erst als die Beamten einen schriftlichen Bescheid in Händen halten, setzen sie ihre Arbeit fort. Letztlich wird die Abschiebung auf dem Flughafen München abgebrochen, und die Bundespolizei setzt Herrn A. auf freien Fuß.

    Ein Richter vom Verwaltungsgericht Würzburg hatte einen Eilantrag gegen die Abschiebung mit der Begründung abgewiesen, daß entweder die Frau auch nach Italien abgeschoben würde oder, falls sie bleiben dürfe, daß der Ehemann zurückgeholt werden könne. Dies ungeachtet der tatsächlichen Situation von Flüchtlingen in Italien, die meistens obdachlos und ohne Hilfe sind – und dies angesichts des menschlichen Leids, das durch die unnötige Trennung der Ehepartner entsteht.

FRat Bayern 7.10.14;

Mainpost 7.10.14

 

9. Oktober 14

 

Bundesland Bayern. Im Münchener Flüchtlingslager Bayernkaserne wird ein palästinensischer Flüchtling von Wachmännern zu Boden gebracht und getreten. Er hatte zuvor versucht, einen Streit zwischen zwei Syrern zu schlichten.

    Ein 17 Jahre altes palästinensisches Mädchen will ihrem Verwandten helfen und wird daraufhin ebenfalls von einem Wachmann mit einem Schlagstock verletzt. Sie wird zur Versorgung ihrer Verletzungen in das Rot-Kreuz-Klinikum gebracht.

München TV 17.10.14;

OVB 18.10.14

 

10. Oktober 14

 

Berlin-Hellersdorf. Fünf deutsche Männer verfolgen einen Flüchtling, der auf dem Weg zu seiner Unterkunft in der Maxi-Wander-Straße ist. Der Flüchtling kann die Unterkunft erreichen – die Verfolger werden vom Wachschutz des Gebäudes vor der Eingangstür aufgehalten, nachdem sie rechte Parolen gerufen und Anstalten gemacht hatten, den Flüchtling tätlich anzugreifen.

    Die herbeigerufene Polizei erteilt den fünf – bereits polizeibekannten – Männern Platzverweise.

    Drei Tage zuvor versuchten gut 12 Personen der rechten ''Bürgerbewegung Hellersdorf'', am Abend die Begegnungsstätte LaLoKa auf dem Kastanienboulevard zu stürmen. Trotz herbeigerufener Polizei, die Platzverbote ausspricht, kommt die Gruppe wieder und belagert das Gebäude, in dem die Polizei ZeugInnenaussagen aufnimmt (siehe auch: 1. Januar 14; 27. Januar 14; 14. März 14;

30. August 14).

suburbanhell.org

 

12. Oktober 14

 

Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, Groß Lüsewitz in der Gemeinde Sanitz. Gegen 0.45 Uhr werden zwei mit einer brennbaren Flüssigkeit gefüllte Bierflaschen gegen die Hauswand eines Wohnhauses in der Straße Am Moorweg 28 geworfen. Das entstandene Feuer erlischt von selbst.

    Die Polizei geht von einem politischen Hintergrund aus und ist in Folge des Anschlags dauerhaft vor dem Haus präsent. Auch acht Wochen nach dem Anschlag sind noch keine TäterInnen ermittelt.

    In dem Haus leben acht Familien unterschiedlicher Nationalität. Bereits bevor dort Flüchtlinge eingezogen sind, wurden Mitte Dezember 13 an Eingangstür bzw. Gebäude ein Hakenkreuz, die Drohung ''Der Block wird brennen'' sowie die Parole ''Das deutsche Volk vor'' geschmiert.

Polizei Schwerin 5.5.12; OZ 12.10.14;

 jW 13.10.14; Polizei Rostock 12.10.14;

Polizei Rostock 8.12.14

 

16. Oktober 14

 

Landkreis Uckermark in Brandenburg. Ein Deutscher verhandelt mit zwei somalischen Flüchtlingen über den Kauf eines Handys. Da er mit dem vorgeschlagenen Preis nicht einverstanden ist, schlägt er einem der beiden mit der Faust ins Gesicht.

    Bei der Überprüfung des Täters stellt die Polizei bei ihm ein Hakenkreuz und den Schriftzug "White Power" als Tätowierungen fest.

Opferperspektive

 

18. Oktober 14

 

Sachsen – Olbernhau im Erzgebirgskreis. Gegen 4.25 Uhr wird ein Fenster der Unterkunft für Flüchtlinge in der Grünthaler Straße von Unbekannten mit Schottersteinen beworfen. Ein Stein durchschlägt ein Doppelfenster und landet im Zimmer einer 49- und einer 27-jährigen Bewohnerin. Beide Frauen, die aus dem Irak und Serbien kommen, erleiden einen Schock – die 49-Jährige muß in ein Krankenhaus gebracht werden.

    Nach ersten Erkenntnissen der Polizei haben zwei Männer, die auch das Eingangstor des Gebäudes beschädigten, den Anschlag verübt.

Polizei Chemnitz 18.10.14;

Polizei Chemnitz 19.1.15

 

19. Oktober 14

 

Lappersdorf im Landkreis Regensburg – Bundesland Bayern. Gegen 4.45 Uhr wirft eine unbekannte Person einen Stein gegen ein Fenster der Unterkunft für Flüchtlinge in der Pfarrstraße. Der Stein beschädigt einen der beiden Fensterflügel der Gemeinschaftsküche des Hauses, in dem 15 Männer und Frauen aus verschiedenen Ländern leben

Polizei Regensburg 21.10.14;

BT DS 18/3964

 

21. Oktober 14

 

Vogtlandkreis im Bundesland Sachsen. Im Plauener Ortsteil Neundorf wird gegen 22.30 Uhr die Fensterscheibe einer Flüchtlingswohnung mit einer Flasche eingeworfen. Danach hören die Bewohner Rufe wie "Willkommen, ihr scheiß Ausländer" und "Wir bringen euch um". Die vier Flüchtlinge aus Tunesien und Libyen sind gerade erst in diesen Tagen in diese dezentrale Flüchtlingsunterkunft eingezogen.

    In der nächsten Nacht kommt es erneut zu Beleidigungen und Morddrohungen.

    Die Polizei hat auch knapp zwei Monate nach dem Angriff noch keine TäterInnen ermitteln können.

Vogtland-Anzeiger 27.10.14;

Polizei Zwickau 11.12.14

 

22. Oktober 14

 

Erzgebirgskreis im Bundesland Sachsen. Im Stadtgebiet Aue, zwischen Chemnitzer Straße / Alberodaer Straße und dem Asylheim, wird ein 28 Jahre alter Flüchtling aus Libyen von mehreren Personen überfallen. Die Angreifer schlagen auf ihn ein, mindestens zwei haben Messer dabei – dann stehlen sie sein Portemonnaie mit wenig Geld und sein Handy.

    Der Überfallene erleidet leichte Verletzungen. Der Staatsschutz nimmt der Ermittlungen auf.

RAA Sachsen (Polizei Zwickau)

 

25. Oktober 14

 

Hansestadt Hamburg. Ein 15-jähriger Flüchtling wird auf Sankt Pauli in der Herbertstraße morgens gegen 3.05 Uhr von zwei Männern angegriffen und mit Faustschlägen und Schlagstöcken traktiert. Der Junge erleidet diverse Platzwunden am Kopf, im Gesicht und eine Rißwunde an der Lippe. Er wird ins Krankenhaus eingeliefert.

    Zur gleichen Zeit greifen fünf Männer zwei 16-jährige Flüchtlinge auf der Reeperbahn an, schlagen und treten sie. Einer der Jugendlichen wird mit einem Schlagstock solange malträtiert, bis er bewußtslos zu Boden geht. Polizeibeamte finden ihn. Er ist nicht ansprechbar und hat stark blutende Gesichtsverletzungen. Die beiden Jugendlichen kommen ins Krankenhaus.

    Um 7.00 Uhr morgens finden Passanten einen am Kopf heftig blutenden Jugendlichen in der Nähe der Davidswache der Polizei. Die Rettungskräfte stellen schwere Gesichtsverletzungen vor allem im Bereich des Mundes fest. Der Junge kommt mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus.

    In der nächsten Nacht wird ein 15-jähriger Flüchtling um 2.26 Uhr auf der Reeperbahn von fünf Männern mit Schlagstock und Fäusten zusammengeschlagen. Der Jugendliche erleidet diverse Verletzungen am ganzen Körper. Auch er kommt ins nächste Krankenhaus.

    Der Verdacht einer vorbereiteten Racheaktion von Kiez-Größen mit Hilfe von angeheuerten Schlägertrupps gegen die minderjährigen Flüchtlinge wird offensichtlich, als im Kiez bekannt gemacht wird, daß einige jugendliche Flüchtlinge möglicherweise Freier bestohlen haben sollen. Auch soll die Polizei von den mutmaßlichen Tätern oder deren Auftraggebern vorher "gewarnt" worden sein: Die Beamten sollten die Diebstähle unterbinden, sonst würden sie selbst sich "darum kümmern".

    Die Jugendlichen, die aus Libyen, Algerien und Marokko stammen, sind in der Einrichtung für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in der Feuerbergstraße untergebracht. Einige befinden sich erst seit kurzem in der Hansestadt.

    Von den Schlägern fehlt vorerst jede Spur. Nachdem zunächst die örtliche Kriminalpolizei die Fälle bearbeitet hat,  übernimmt nach einigen Tagen das für Mileu-Delikte zuständige Landeskriminalamt 65 die Ermittlungen.

Polizei Hamburg 26.10.14; HA 26.10.14; HM 26.10.14;

SHZ 27.10.14; Spiegel 27.10.14;

ndr 90,3 27.10.14; SZ 27.10.14;

Welt 30.10.14

 

26. Oktober 14

 

Franzburg – Lankreis Vorpommern-Rügen im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. In der Nacht zündet eine Gruppe von fünf Jugendlichen Silversterknaller auf dem Vorplatz der Flüchtlingsunterkunft in der Karl-Marx-Straße. Ein Böller wird auch in den Eingangsbereich des Gebäudes geworfen. Als zwei Bewohner Kontakt zu den Jugendlichen aufnehmen, geben sie an, den Böller ''aus Spaß'' in das Gebäude geworfen zu haben. Anschließend verläßt die Gruppe die Örtlichkeit.

    In dem ehemaligen Internat leben seit Mitte Oktober 23 Personen aus Kroatien, Serbien und der Ukraine – unter ihnen auch Kinder.

    Der Landkreis Rügen-Vorpommern eröffnet wegen des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz ein Ordnungswidrigkeitsverfahren.

Polizei Neubrandenburg 26.10.14;

Polizei Neubrandenburg 8.1.15

 

28. Oktober 2014

 

Oschatz im Landkreis Nordsachsen – Bundesland Sachsen. In der Nacht werfen mehrere Unbekannte Steine auf die Unterkunft für Flüchtlinge. Sie entfernen sich mit den Rufen ''Scheiß Kanaken''.

    Gut drei Monate nach dem Angriff konnte der Staatsschutz noch keine TäterInnen ermitteln.

RAA Dresden; Polizei Leipzig 30.1.15;

BT DS 18/3964

 

29. Oktober 14

 

Bundesland Nordrhein-Westfalen. Gegen 19.30 Uhr wird die Polizei ins Neusser Lukaskrankenhaus gerufen, weil ein Pa

tient eine Ärztin und zwei Schwestern bedroht und ihrer Anweisung nicht folgt, in sein Zimmer zu gehen. Der Asylbewerber aus Marokko war schon bei seiner Einweisung psychisch auffällig – nun befindet er sich in einer psychischen Ausnahme-Situation: Er entkleidet sich vollkommen, spricht laut in französicher Sprache, droht mehrmals, aus dem Fenster der in der 4. Etage gelegenen Station zu springen, zerschlägt Glasflaschen und bedroht damit die ersten eintreffenden Polizisten. Diese rufen Verstärkung und nach ca. einer Stunde sind zehn Beamte vor Ort. Diese hält der Patient mit den Glasscherben in der Hand auf Distanz. Reizgas wird gegen ihn eingesetzt und als er schließlich bedrohlich auf die Polizisten zustürmt, wird er – nach zwei Warnschüssen – mit einem gezielten Pistolenschuß ins Bein niedergestreckt. Jetzt erfolgt seine Fesselung und die Übergabe ans medizinische Personal zur operativen Behandlung seiner Schußverletzung.

    Der Mann, der erst vor kurzem in die Bundesrepublik einreiste und seit vier Tagen im Asylheim Neuss untergebracht war, war wegen des Verdachts einer ansteckenden Tuberkulose-Erkrankung in die Klinik eingeliefert worden.

    Nach der Operation seines Beines stellt sich heraus, daß eine Ansteckungsgefahr von ihm nicht ausgeht und er daher nicht in eine Spezialklinik für Infektionskrankheiten transportiert werden muß. Stattdessen wird er im Fachkrankenhaus für Psychiatrie behandelt.

StA und Polizei Neuss 30.10.14;

RP 30.10.14; KStA 30.10.14;

RP 31.10.14; RP 1.11.14

 

Oktober 14

 

Bundesland Bayern. In der Münchener Bayernkaserne hat eine Frau, die erst vor wenigen Tagen entbunden hatte, Nachblutungen. Der Vater verlangt von den Wachmännern, einen Krankenwagen zu rufen. Als sich diese weigern, tritt der Mann in einen Sitzstreik. Daraufhin kommt es zu einer Rangelei, bei der die Windeltasche das Neugeborene am Kopf trifft. Die Familie wird daraufhin zur Entspannung der Situation in ein Hotel gebracht.

    Das bringt andere BewohnerInnen dazu, auch für einen Auszug aus der Kaserne zu demonstrieren. Sie  machen zu diesem Zweck außerhalb des Kasernengebäudes eine Sitzblockade. Nachdem die Blockade aufgelöst wurde, schlafen einige auf dem Boden und werden im Schlaf von Sicherheitsleuten getreten. Die Polizei ermittelt in beiden Fällen.

München TV 16.10.14; Nordbayern 17.10.14;

jW 17.10.14; OVB 18.10.14

 

1. November 14

 

Berlin-Spandau. Gegen 0.40 Uhr wird das Flüchtlingsheim am Rohrdamm von Unbekannten mit Stahlkugeln attackiert. Ein 16-jähriger Bewohner wird dabei von einer der beiden Stahlkugeln, die in das offene Fenster geschleudert wurden, getroffen und verletzt. Der Staatsschutz nimmt die Ermittlungen auf.

Polizei Berlin 1.11.14;

TS 1.11.14;

berliner-register.de; BT DS 18/3964

 

2. November 14

 

Münchberg im Landkreis Hof – Bundesland Bayern. Gegen 22.20 Uhr werfen Unbekannte mehrere Steine gegen die Unterkunft für Asylsuchende in der Helmbrechtser Straße, wodurch drei Fensterscheiben zu Bruch gehen. Auf das Fenster der Küche, in der sich zu diesem Zeitpunkt mehrere BewohnerInnen aufhalten, werfen die AngreiferInnen mindestens zwei Steine. Anschließend flüchten sie.

    Dies ist bereits der dritte Angriff auf das Gebäude innerhalb eines Monats (siehe auch: 29. September 14).

Polizei Bayreuth 4.11.14;

aida-archiv; BT DS 18/3964

 

7. November 14

 

Landkreis Unna in Nordrhein-Westfalen. Auf dem Parkplatz am Mausegatt in Kamen wird um 4.30 Uhr ein schwer verletzter Asylbewerber aufgefunden. Der 32-Jährige kommt umgehend zur Notversorgung ins Krankenhaus.

    Nach vorläufiger Begutachtung durch einen Rechtsmediziner ist der Patient alkoholisiert, und es handelt sich um eine "selbst beigebrachte Verletzung".

Polizei Unna 7.11.14;

Rundschau Unna 7.11.14

 

8. November 14

 

Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Auf dem Busbahnhof in Neubrandenburg werden fünf eritreische Asylbewerber aus dem Lager Friedland aus einer Gruppe Deutscher heraus rassistisch beleidigt. Dann schlägt ein Mann auf einen 23-jährigen Flüchtling direkt ein, so daß dieser am Bein durch eine Schürfwunde leicht verletzt wird.

    Der Täter flüchtet anschließend. Er gehört zu einer Gruppe von vier Männern und einer Frau, die im Raum Neubrandenburg wohnen. Der Staatsschutz nimmt die Ermittlungen auf.

Welt 10.11.14; NK 10.11.14;

Polizei Neubrandenburg 10.11.14

 

8. November 14

 

Berlin-Marzahn. In der Nacht wird eine Scheibe einer Unterkunft für Flüchtlinge und Wohnungslose in der Otto-Rosenberg-Straße durch einen Steinwurf beschädigt. AugenzeugInnen geben an, zuvor drei Jugendliche vor der Unterkunft gesehen zu haben.

Polizei Berlin 8.11.14;

suburbanhall.de

 

10. November 14

 

Anklam im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Drei Asylbewerber, die auf dem Wege zu ihrer Unterkunft sind, werden gegen 21.30 Uhr in der Nähe des Busbahnhofs aus einer Gruppe heraus (fünf Männer und drei Frauen) rassistisch beleidigt und mit einem Messser bedroht. Dann beginnen die AngreiferInnen brutal auf die Flüchtlinge einzuschlagen. Ein 28-jähriger Mann aus dem Iran und ein 21 Jahre alter Afghane können entkommen und setzen ihren Weg fort. Allein ihr 27-jähriger Begleiter, auch Flüchtling aus Afghanistan, geht zurück, um die Fahrräder, die sie am Bahnhof zurücklassen mußten, abzuholen.

    Auf seinem Weg fährt mehrmals ein roter Ford Ka direkt auf ihn zu, so daß er sich nur mit einem Sprung zur Seite retten

kann. Als er sich schließlich – zwei Fahrräder schiebend – auf den Weg zu seiner Unterkunft macht, fällt er einer Polizeistreife auf, die ihn überprüft.

    Den Beamten berichtet er von dem Überfall, die daraufhin dafür sorgen, daß sowohl er als auch seine beiden Begleiter zur ambulanten Behandlung ihrer Verletzungen ins Krankenhaus kommen.

    Die betroffenen Flüchtlinge haben in der Folge große Angst und Schwierigkeiten, den Überfall zu verarbeiten – und als einer von ihnen beim Einkauf erneut rassistisch beschimpft wird, verlassen sie ihre Asylunterkunft gar nicht mehr.

    Eine Woche nach dem Überfall sind alle Täter und Täterinnen identifiziert. Die Hauptverdächtigen sind ein 26 Jahre alter Mann, der den Ford Ka fuhr, ein 21-jähriger Komplize und eine 19-jährige Frau – alle aus Anklam und polizeibekannt. Gegen sie wird wegen Bedrohung, Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ermittelt. Zudem waren noch fünf weitere Kinder bzw. Jugendliche im Alter von 13 bis 20 Jahren an dem Überfall beteiligt.

ndr 11.11.14; Welt 11.11.14; NK 11.11.14;

Polizei Neubrandenburg 11.11.14;

Welt 12.11.14; Polizei Neubrandenburg 12.11.14;

NK 13.11.14; NK 14.11.14; Welt 17.1.14;

Polizei Neubrandenburg 17.11.14;

ND 11.12.14

 

15. November 14

 

Berliner Bezirk Kreuzberg. Um 1.50 Uhr werden in der Skalitzer Straße zwei jugendliche Flüchtlinge aus Guinea von dem Betreiber einer Shisha-Bar und dessen Bekannten nach einer verbalen Auseinandersetzung niedergestochen. Die beiden 16 und 17 Jahre alten Schwerverletzten schleppen sich auf den Gehweg und brechen dort zusammen. Sie kommen in Lebensgefahr ins Krankenhaus und müssen notoperiert werden.

    Der Tatort liegt in unmittelbarer Nähe zum Görlitzer Park, der als Drogen-Umschlagplatz vor allem in der letzten Zeit für viel Unruhe bei AnwohnerInnen und Geschäftsleuten sorgte. Auch der Wirt begründet seinen Angriff auf die Jugendlichen damit, daß er ständig mit Klein-Dealern Ärger habe, weil sie seine Gäste belästigen oder in der Fassade seiner im Souterrain liegenden Bar Drogen deponierten.

    Die 1. Mordkommission des LKA ermittelt gegen den Betreiber der Bar und seinen Bekannten wegen versuchten Totschlags. Gegen den Wirt wird Haftbefehl erlassen und zugleich Haftverschonung gewährt, weil er einen festen Wohnsitz vorweisen kann.

    Gegen die zwei Jugendlichen ermittelt die Polizei wegen Drogenhandels.

    Gegen Morgen um 9.00 Uhr überfallen fünf bis zehn Männer die Bar, zerstören Scheiben, verwüsten die Einrichtung und werfen Teile davon auf die Straße. Kurz danach nimmt die Polizei zwei Männer im Alter von 17 und 22 Jahren als Verdächtige fest.

    Bei einem zweiten Überfall gegen 13.45 Uhr, bei dem in der Bar Feuer gelegt wird, gelingt es der Polizei, sieben Personen im Alter von 16 bis 22 Jahren als Tatverdächtige festzunehmen. Gegen sie beginnen die Ermittlungen wegen Landfriedensbruchs und versuchter schwerer Brandstiftung.

TS 15.11.14; BeZ 16.11.14;

taz 17.11.14;

BeZ 18.11.14; TS 18.11.14

 

15. November 14

 

Bundesland Sachsen-Anhalt. Auf seinem Heimweg von einer Diskothek in Halle-Neustadt wird ein 35 Jahre alter Kameruner von zwei Männern verfolgt und unter anderem mit "Ebola"-Rufen beleidigt. Als sich an einer Straßenbahnhalte

stelle auf der gegenüberliegenden Seite eine Bahn nähert, stößt einer der Täter den Flüchtling auf die Gleise. Dieser kommt schnell wieder auf die Füße, kann den Mann in die Straßenbahn hinein verfolgen und hält ihn fest, bis Sicherheitspersonal eintrifft und die Polizei ruft.

    Der Kameruner, der durch den Stoß auf die Gleise Schürfwunden an Hand und Ellenbogen erlitt, erfährt kurze Zeit später, daß die Polizei ausschließlich gegen ihn ermittelt, so daß er jetzt erst Anzeige wegen Körperverletzung und Beleidigung erstattet.

Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt

 

16. November 14

 

Zwickau im Bundesland Sachsen. Gegen 23.50 Uhr dringen drei vermummte Personen durch das Aufdrücken der Wohnungstür in die Wohnung eines libanesischen Ehepaares. Eine Person begibt sich in das Wohnzimmer, schlägt der Frau auf den Brustbereich, dem Mann ins Gesicht und bedroht ihn mit einem Messer. Anschließend verlassen die Angreifer die Wohnung.

    Der Libanese erleidet durch den Angriff Nasenbluten und eine angeschwollene Nase – seine Verletzungen werden in einem Krankenhaus ambulant behandelt. Die Libanesin wird leicht verletzt.

    Die drei Angreifer können nicht ermittelt werden.

StA Zwickau 16.3.15;

BT DS 18/3964

 

17. November 14

 

Bundesland Bayern – Lindau am Bodensee. Nachdem eine Scheibe mit einem Stein eingeworfen wurde, dringt eine unbekannte Person am Morgen in den Heizungsraum der Unterkunft für Flüchtlinge in der Schöngartenstraße ein. Im Heizungsraum wird Dämm-Material der Warmwasserspeicheranlage herausgerissen.

    Die Polizei sucht nach der unbekannten Person, hat aber auch drei Wochen nach dem 'Vorfall' noch keinen konkreten Hinweis.

allgaeuhit.de 19.11.14;

Polizei Kempten 9.12.14

 

19. November 14

 

Bundesland Bayern – Rötz im Oberpfälzer Landkreis Cham. In der Nacht vom 18. auf den 19. November werden von mehreren unbekannten Personen fünf Fensterscheiben eines Gasthofes mit Steinen eingeworfen. In dem Gasthof sind Flüchtlinge verschiedener Länder untergebracht.

    Die TäterInnen konnten auch vier Monate nach dem Angriff noch nicht ermittelt werden.

StA Regensburg 11.3.14;

BT DS 18/3964

 

20. November 14

 

Neustadt / Orla in Thüringen. Eine Tschetschenin und allein erziehende Mutter von vier Kindern wird zum Zwecke ihrer Abschiebung aus ihrer Unterkunft abgeholt und in Abschiebehaft nach Eisenhüttenstadt gebracht. Ihre Kinder im Alter von vier bis 14 Jahren kommen ins Kinder- und Jugendheim nach Ranis – ihr 18-jähriger Sohn wird nach Polen zurückgeschoben. Damit ist die Familie getrennt.

    Aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustands wird sie am 27. November als haftunfähig aus der Gefangenschaft entlassen.

FRat Thür 28.11.14

 

20. November 14

 

Parchim in Mecklenburg-Vorpommern. BewohnerInnen der Flüchtlingsunterkunft Ludwigsluster Chaussee versuchen morgens um 7.00 Uhr mit Feuerlöschern einen Zimmerbrand selbst zu löschen. Letztlich gelingt es der Parchimer Feuerwehr mit ihren Spezialgeräten. Wegen der starken Rauchentwicklung evakuiert sie den Gebäudetrakt und rät der Kreisverwaltung, aufgrund der gemessenen hohen Kohlenmonoxid-Werte, die Räume vorerst nicht wieder zu belegen.

    Die Kreisverwaltung beauftragt daraufhin eine Schweriner Sanierungsfirma, eine neue Einschätzung zu geben. Ein Mitarbeiter dieser Firma begutachtet die Räumlichkeiten und empfiehlt, ohne aktuelle Messungen gemacht zu haben, daß der betroffene Gebäudeteil weiterhin belegt werden kann. Die ca. 40 evakuierten Flüchtlinge kommen daraufhin wieder zurück in ihre Räume.

    Die Polizei ermittelt wegen Brandstiftung gegen einen 46 Jahre alten Bewohner aus Ägypten. Dieser wird nachmittags einer Amtsärztin vorgeführt, die seine Einweisung in eine psychiatrische Einrichtung veranlaßt.

Polizei Ludwigslust 20.11.14;

Welt 20.11.14; SVZ 20.11.14;

SVZ 21.11.14

 

22. November 14

 

Schwedt in Brandenburg. Als gegen 0.40 Uhr ein Kenianer und ein Syrer die McDonald-Filiale in der Handelsstraße betreten, werden sie von einem deutschen Rassisten mit "Verpiss dich du Bimbo" beschimpft. Während sie sich noch verbal wehren, bekommt der 23 Jahre alte Syrer einen Faustschlag ins Gesicht und geht zu Boden. Während die anwesenden männlichen Gäste dem Geschehen passiv zuschauen, beginnen drei angestellte Frauen, den Täter vor die Tür zu drängen. Dabei zeigt dieser den Hitlergruß und ruft "Heil Hitler".

    Der 25 Jahre alte Martin K. aus Schwedt ist polizeibekannt und stellt sich selbst auf Facebook als NPD-Sympathisanten dar. Er wird noch in der Nähe von der Polizei festgenommen und kommt wegen Alkoholisierung über Nacht in Gewahrsam.

    Er wird sich wegen Beleidigung, Körperverletzung und dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vor Gericht verantworten müssen.

gegenrede.info 25.11.14

 

23. November 14

 

Strasburg (Uckermark) im Bundesland Mecklenburg- Vorpommern. Gegen 0.10 Uhr wird ein Feuerwerkskörper auf den sich im Erdgeschoß befindlichen Balkon der Wohnung eines 4-stöckigen Neubaublocks in der Thomas-Müntzer-Straße geworfen. Dabei entsteht Sachschaden am Bodenbelag des Balkons. In der Wohnung leben zu diesem Zeitpunkt zwei Flüchtlinge, 29- und 33-jährig, aus Mauretanien, die erst vor gut drei Wochen dort eingezogen sind.

    Dies ist bereits der zweite Angriff innerhalb weniger Tage: Bereits am 14. November wurde gegen 21.50 Uhr ein Silvesterknaller durch ein offenes Küchenfenster in dieselbe Wohnung geworfen.

    Die Polizei kann Tatverdächtige ermitteln, die die beiden Angriffe verübt haben.

NK 15.11.14; Polizei Neubrandenburg 15.11.14;

Polizei Neubrandenburg 24.11.14;

Polizei Neubrandenburg 29.12.14 ; LOBBI

 

23. November 14

 

Landkreis Märkisch-Oderland in Brandenburg. Beim Aussteigen aus der Regionalbahn in Rehfelde wird ein 23 Jahre alter Flüchtling aus Kamerun von einem Mann angerempelt und rassistisch beleidigt. Dann schlägt dieser ihm die Faust ins Gesicht, so daß er eine Rißwunde an der Oberlippe und eine Jochbeinprellung erleidet.

Opferperspektive

 

24. November 14

 

Bundesland Bayern. Es ist der dritte Tag eines Hungerstreiks in der Münchner Innenstadt am Sendlinger-Tor-Platz, an dem über 30 Flüchtlinge teilnehmen. Gegen 23.00 Uhr wird ein Notarzt gerufen, der einen Mann mit hohem Fieber ins Krankenhaus bringen läßt. Kurz danach kommt erneut der Rettungswagen und bringt einen der Flüchtlingssprecher ins Hospital.

    Die Flüchtlinge aus Afrika, Asien und arabischen Ländern fordern ein Bleiberecht und protestieren mit dem Hungerstreik gegen die schlechte Behandlung und gegen den Zwang, über lange Zeit in Lagern leben zu müssen. Ein Großteil der Streikenden ist aus der Bayernkaserne in München – andere sind aus Flüchtlingsunterkünften anderer Orte, einer von ihnen ist aus Nordrhein-Westfalen. Mindestens einer von ihnen hatte sich vor einem Jahr an dem Hungerstreik auf dem Münchner Rindermarkt beteiligt.

    Am folgenden Mittag kollabiert ein weiterer Streikender. Er kollabiert, als er versucht aufzustehen, ringt nach Luft und ist nicht mehr ansprechbar. Auch er kommt zur medizinischen Behandlung in ein Krankenhaus.

    Am Morgen des 26. November werden mehrere Protestierende wegen Nierenschmerzen und Schwäche aus dem Camp abgeholt und in Krankenhäuser gebracht. Gegen Mittag geben die Flüchtlinge bekannt, daß sie ihren Protest in der Form eines "trockenen" Hungerstreiks verschärfen – sie nehmen keine Flüssigkeit mehr zu sich.

    Gegen 21.42 Uhr wird die "Versammlung" ab sofort verboten, bei Zuwiderhandlung wird Zwang angedroht. 500 Polizisten sind im Einsatz, sperren den Bezirk großräumig ab und beginnen, das Protest-Camp zu räumen, weil "Gefahr für Leib und Leben" durch den Durststreik bestehe.

    Sechs Personen flüchten in die Bäume und bleiben dort – teilweise in schwindelnder Höhe – auch die Nacht über. Einer droht, sofort zu springen, sollten sich ihm Polizisten nähern ("Wenn einer mich anfaßt, begehe ich Selbstmord!").

    Am nächsten Morgen gegen 8.00 Uhr beginnen der Oberbürgermeister Dieter Reiter und die bayerische Sozialministerin Emilia Müller Verhandlungen mit den beiden Sprechern der Protestierenden: Sie schlagen Gespräche an einem andern Ort vor. Die Sprecher gehen auf das Angebot ein und erklären den Streik für beendet. Sie erreichen auch, daß die völlig erschöpften Menschen in den Bäumen sich in die von der Feuerwehr vorbereiteten Luftkissen fallen lassen. Einer von ihnen kommt wegen Unterkühlung in ein Krankenhaus.

    Am 19. Dezember löst der Oberbürgermeister Dieter Reiter sein Versprechen ein, und es findet der sogenannte "Asyl-Gipfel" im Rathaus statt. Einige Politiker, Vertreter der Stadt und der Staatskanzlei, ein Vetreter des Flüchtlingsrates Bayern und zwei Flüchtlinge reden zwei Stunden lang über Gemeinschaftsunterkünfte, Beschleunigung der Asylverfahren und Arbeitserlaubnisse. Nichts wird konkret zugesagt – die Flüchtlinge sind von dem ergebnislosen Gespräch enttäuscht und stellen weitere Protest-Aktionen in Aussicht.

SZ 22.11.14; SZ 24.11.14;

AZ München 25.11.14; SZ 25.11.14;

AZ München 26.11.14; Welt 27.11.14;

AZ München 27.11.14; SZ 27.11.14;

tz 20.12.14

 

24. November 14

 

Bundesland Sachsen-Anhalt. Auf der Fahrt mit der Burgenlandbahn von Merseburg nach Krumpa wird gegen 17.00 Uhr eine Gruppe von Flüchtlingen von einem Mann lautstark als "Scheiß Ausländer" beleidigt. Sämtliche anwesende Fahrgäste bleiben passiv. Kurz vor der Haltestelle stößt der Angreifer einen 23 Jahre alten Mann aus Guinea-Bissau zu Boden und beginnt auf ihn einzuschlagen, so daß dessen Nase zu bluten beginnt. Auch zerrt er dermaßen an dem Mann, daß dessen Jacke und Kopfhörer kaputt gehen.

    Die Polizei stellt den 22-jährigen Tatverdächtigen später in Mücheln.

Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt

 

24. November 14

 

Bundesland Sachsen. In einer Straßenbahn in Dresden-Gorbitz wird ein syrischer Flüchtling von drei jungen Männern angepöbelt, mit einem Messer bedroht, geschlagen und getreten.

    Der ca. 20-jährige Syrer kommt mit leichten Verletzungen davon.

RAA Sachsen

 

25 November 14

 

Bundesland Sachsen. In Bad Schandau beleidigen zwei deutsche Männer ein Flüchtlingsehepaar aus Libyen und schlagen und treten auf den Mann ein.

    Der Mitte 30-Jährige muß seine Verletzungen im Krankenhaus ambulant versorgen lassen.

RAA Sachsen

 

26. November 14

 

Bundesland Bayern – Mühldorf am Inn. Gegen 4.13 Uhr entsteht ein Feuer in der Unterkunft für Flüchtlinge ''King Dom Park'', das noch vor Eintreffen der Feuerwehr von den BewohnerInnen gelöscht werden kann. Die BewohnerInnen berichten von zwei weiteren Bränden zwischen 2.15 Uhr und 3.00 Uhr auf der Herrentoilette, wo Papierhandtücher angezündet wurden, sowie in einer Mülltonne. Beide Brände konnten gelöscht werden.

    Die Polizei nimmt zunächst einen 24-jährigen Mitbewohner fest. Weil sich der Verdacht gegen ihn nicht erhärtet, wird er wieder auf freien Fuß gesetzt, allerdings in Absprache mit dem Landratsamts Mühldorf in eine andere Unterkunft verlegt.

    Acht Wochen nach dem Brand hat die Polizei noch keine Täter ermitteln können.

AA 26.11.14;

Polizei Rosenheim 28.11.14;

Polizei Rosenheim 20.1.15

 

27. November 14

 

Bundesland Sachsen. Brand in der Flüchtlingsunterkunft in Niesky, im Landkreis Görlitz. Als die Feuerwehr gegen 17.20 Uhr am Ort eintrifft, steht ein Teil des Gebäudes in Flammen.

    Nach polizeilichen Ermittlungen steckte ein 20-jähriger Bewohner aus dem Irak die Einrichtung seines Zimmers im zweiten Obergeschoß an, weil sein Asylantrag abgelehnt wurde. Er hatte vorher gedroht, sich selbst anzuzünden, sollte sein Asylantrag abgelehnt werden. Der Iraker kommt mit Rauchgasvergiftung in ein Krankenhaus.

    Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wird der 20-Jährige am 29. November inhaftiert.

mdr 17.11.14; shortnews.de 28.11.14;

LR 1.12.14

 

30. November 14

 

Zepernick bei Berlin im Bundesland Brandenburg. Das Übergangswohnheim ''Wohnverbund Zepernick'' wird mit einem Stein attackiert, wobei die äußere Scheibe eines doppelverglasten Fensters beschädigt wird. Der Angriff ereignete sich am Vorabend oder in den Morgenstunden des 30. Novembers.

    In dem Gebäude leben 22 Flüchtlinge aus Kenia, Somalia, der Russischen Föderation, Serbien und Afghanistan. Es sind ausschließlich Familien und Frauen.

    Auch knapp drei Monate nach dem Angriff konnten keine Tatverdächtigen von der Polizei ermittelt werden.

Polizei Frankfurt/Oder 20.2.15;

BT DS 18/3964

 

1. Dezember 14

 

Berliner Bezirk Charlottenburg. Kurz nach Mitternacht wird die Polizei in das Flüchtlingsheim in der Soorstraße gerufen, weil ein syrischer Bewohner mit einem Messer in der Hand droht, aus dem Fenster zu springen. Die Beamten treffen in der 3. Etage der Unterkunft auf einen 26 Jahre alten Mann, der sich in einer psychischen Ausnahme-Situation befindet, gegen die Wände läuft und – mit einem gelben Cutter-Messer in der Hand – immer wieder auf den äußeren Fenstersims klettert. Er schreit laut und versucht, die Polizisten auf Distanz zu halten.

    Da jegliche Kontaktaufnahmen und Beschwichtigungsversuche scheitern, wird ein Sondereinsatzkommando (SEK) der Polizei geordert. Nachdem die Feuerwehr ein Sprungkissen positioniert hat, gelingt es den SEK-Beamten mit einem Taser, einer Elektropistole, den Syrer kurzfristig handlungsunfähig zu machen und ihn dann zu überwältigen. Er kommt ins Krankenhaus und soll unter anderm einem Psychiater vorgestellt werden.

BeZ 1.12.14

 

3. Dezember 14

 

Bundesland Sachsen. Am frühen Morgen werden Adem G., seine Frau und ihr 7-jähriger Sohn Resul in ihrer Dresdener Unterkunft von Polizisten abgeholt, zum Hamburger Flughafen gefahren und in den Kosovo abgeschoben. Der 17 Jahre alte Sohn und die 21-jährige Tochter sind nicht dabei, denn sie haben noch keinen Abschiebe-Bescheid bekommen. Damit ist die Familie getrennt.

    Circa 30 DemonstrantInnen, die spontan die Abschiebung mit einer Sitzblockade auf dem Parkplatz vor der Bundespolizei verhindern wollen, werden von der Polizei mit Gewalt und Pfefferspray vertrieben.

HM 4.12.14

 

4. Dezember 14

 

Bundesland Schleswig-Holstein – Kreis Nordfriesland. Gegen 18.15 Uhr wird in der Husumer Altstadt vor einem Wohnhaus in der Langenharmstraße ein 24 Jahre alter Flüchtling aus Somalia von einem Polizisten niedergeschossen. Er ist von mehreren Schüssen im Bauch getroffen und stirbt vor Ort an inneren Blutungen.

    Der Mann, der erst seit kurzem – gemeinsam mit einem Ehepaar aus Somalia – in einer von der Stadt zugewiesenen Wohnung wohnte, hatte zuvor in einem Streit das Ehepaar mit einem Messer verletzt. Nachdem die beiden auf die Straße geflüchtet waren, trafen Polizisten ein, die das Areal um den Einsatzort großräumig abriegelten und den Mann aufforderten, aus dem Haus herauszukommen.

    Als dies geschah, lief er mit dem Messer in der Hand auf einen Beamten zu, der ihn mit mindestens fünf Schüssen niederstreckte.

    Knapp 12 Stunden später gibt die Staatsanwaltschaft Flensburg bekannt, daß im Moment "zwingend" von einer Notwehrsituation ausgegangen wird.

    Mitte Februar 2015 stellt die Staatsanwältin das Ermittlungsverfahren gegen den Polizei-Beamten ein, weil sie zu dem Schluß kommt, daß er vor Ort keine Ausweichmöglichkeiten hatte und deshalb in Notwehr gehandelt hat.

Polizei Felnsburg 4.12.14;

Husumer Nachrichten 5.12.14;

ndr 6.12.14; SHZ 7.12.14;

linksunten.de 21.12.14;

Husumer Nachrichten 12.2.15;

Welt 12.2.15

 

5. Dezember 14

 

Großröhrsdorf in Sachsen. In einer zur Notunterkunft umgebauten Turnhalle am Schulzentrum verletzt sich ein 34 Jahre alter Tunesier mit einem Messer selbst. Polizei und Rettungskräfte liefern ihn in ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie ein. Er stand "wahrscheinlich unter Drogenkonsum und hatte gesundheitliche Probleme".

    Der Mann war erst am Tage zuvor mit 16 weiteren Tunesiern hier untergebracht worden. Die Polizei wurde von diesem Tag an oft in die Unterkunft gerufen und nach vier Tagen beschließt der Landrat Michael Harig, sie wieder zu schließen: "Unabhängig davon, dass noch nicht alle konkreten Vorfälle aufgeklärt sind, muss eingeschätzt werden, dass die räumlichen Bedingungen von Notunterkünften geeignet sind, Konflikte zu verschärfen."

SäZ 6.12.14; mopo24 8.12.14;

Wochenkurier 8.12.14;

mdr. 9.12.14; mdr 10.12.14

 

6. Dezember 14

 

Bundesland Sachsen. In Dresden-Neustadt auf dem Bischofsweg treffen am Abend zwei jugendliche Flüchtlinge aus Afghanistan auf zwei oder drei Männer, die sie als "Scheiß Ausländer" beleidigen und ihnen ins Gesicht schlagen.

RAA Sachsen

 

10. Dezember 14

 

Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Ein Asylbewerber in Begleitung befindet sich gegen 16.55 Uhr auf dem Gehweg vor einem Einkaufsmarkt, als ihnen zwei Männer entgegen kommen, die einen größeren Hund mit sich führen. Als die vier Personen auf gleicher Höhe sind, beißt der Hund dem Flüchtling in die rechte Hand.

    Kurz vor dem Eintreffen der Polizei allerdings verschwinden die Männer mit dem Hund in unbekannte Richtung. Der Verletzte wird ins Klinikum zur ambulanten medizinischen Versorgung gebracht.

Polizei Neubrandenburg 11.12.14

 

11. Dezember 14

 

Bundesland Niedersachsen - Refugee Protest Camp auf dem Weißekreuzplatz in Hannover. Ein Passant bemerkt gegen 2.20 Uhr Rauch an dem Versammlungszelt des Camps und alarmiert die Feuerwehr. Als die Rettungskräfte fünf Minuten später eintreffen, schlagen bereits meterhohe Flammen aus dem Zelt und haben auch schon auf das Nachbarzelt übergegriffen. Den Polizisten gelingt es, drei dort schlafende Männer im Alter von 34, 35 und 37 Jahren herauszuholen. Der Älteste von ihnen, der immer wieder versucht, seine Habseligkeiten aus dem brennenden Zelt zu holen, muß schließlich mit dem Verdacht auf eine Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden.

    Die Ermittler schließen einen technischen Defekt als Brandursache aus und gehen somit von vorsätzlicher oder fahrlässiger Brandstiftung aus.

    Zwei Tage nach dem Brand bei einer Kundgebung auf dem Platz bedanken sich die Flüchtlinge für die Geld- und Sachspenden von solidarischen Menschen und kündigen an, daß sie ihren Protest in dem Camp weiterführen werden – trotz der winterlichen Temperaturen.

    Seit dem 24. Mai dieses Jahres protestieren circa 80 sudanesische Flüchtlinge in Form einer Dauer-Demonstration als Zeltlager an der Friesenstraße gegen die bundesdeutsche und europäische Asylpolitik und fordern Bleiberecht. Speziell fordern sie von der Landesregierung eine Aufenthaltserlaubnis nach dem § 23 des Aufenthaltsgesetzes. Dieser Paragraph ermöglicht es einer Landesregierung, ein Bleiberecht auf Zeit samt Arbeitserlaubnis zu erteilen, wie es derzeit bei syrischen Flüchtlingen gehandhabt wird.

    "Wir könnten endlich unabhängig und in Würde leben. Mit der Möglichkeit, arbeiten zu können, stünden wir auf eigenen Beinen, könnten Teil der Gesellschaft sein, könnten uns z. B. eine eigene Wohnung und Krankenversicherung leisten. Wir könnten unseren Protest beenden", so Maissara Saeed, einer der Protestierenden.

Pressemitteilung vom Camp 4.9.14;

Polizei Hannover 11.12.14; HAZ 11.12.14;

taz 11.12.14; Wk 11.12.14;

jW 12.12.14; ndr 13.12.14;

fluechtlingscamphannover.wordpress.com

 

12. Dezember 14

 

Bundesland Sachsen. Die 18-jährige Tschetschenin Tamara S. kann daran gehindert werden, sich aus einem Fenster der Leipziger Gemeinschaftsunterkunft Markranstädter Straße 16/18 zu stürzen. Rettungsdienste und Feuerwehrleute, die bereits ein Sprungtuch in Position gebracht haben, können wieder abziehen. Die junge Frau jedoch wird von der Polizei gewaltsam mitgenommen, in einen Polizeiwagen gezwungen und noch am selben Tag den polnischen Behörden übergeben. Damit ist sie von ihren Eltern und ihren zwei jüngeren Brüdern getrennt.

    Zwischen 3.00 Uhr und 4.00 Uhr hatten Polizisten sämtliche BewohnerInnen der dreistöckigen Flüchtlingsunterkunft wachgeklingelt und "durch lautes aggressives Auftreten verschreckt" – einzig in der Absicht und ohne Vorankündigung, die junge Tamara S. abzuholen.

    Die herbeieilenden MitbewohnerInnen wurden von der Polizei abgesperrt, und ihre Mutter flehte die Polizei an, auch sie mitzunehmen – ohne Erfolg.

    Der Abschiebegrund ist an diesem Morgen, daß Tamara S. nach ihrem 18. Geburtstag offensichtlich aus Unkenntnis der deutschen Aufenthaltsgesetze versäumt hatte, einen eigenen Antrag auf "einstweiligen Rechtsschutz" zu stellen. Der Antrag der Rest-Familie ist noch nicht entschieden, weshalb Eltern und Brüder noch nicht von der Rückschiebung betroffen sind.

    Am nächsten Tag beschließt die Familie, der rückgeschobenen Tochter bzw. Schwester nachzureisen. Kurze Zeit später befinden sie sich alle zusammen in einem Zimmer eines abgeschotteten Abschiebelagers in Polen. Auf Antrag wird ihnen eine Stunde Ausgang am Tag in Begleitung gewährt.

LVZ 27.12.14; LVZ 30.12.14;

ND 31.12.14; LVZ 15.1.15;

BI Offene Nachbarschaft Leipzig-Südwest für Flüchtlinge 13.1.2015;

LT DS Sachsen 6/616

 

16. Dezember 14

 

Rhein-Sieg-Kreis im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Die Feuerwehr von Sankt Augustin wird zur Obdachlosen-Unterkunft im Stadtteil Meindorf in die Bahnhofstraße gerufen. Als die Rettungskräfte eintreffen, schlagen die Flammen von der ersten Etage direkt bis ins Dach hoch. Die elf BewohnerInnen der Unterkunft sind jedoch bereits unverletzt im Freien.

    Das Feuer war im Badezimmer einer Wohneinheit ausgebrochen, die von einer dreiköpfigen Flüchtlingsfamilie bewohnt wurde. Da die Räume zerstört sind, stellt die Stadtverwaltung eine andere Unterkunft zur Verfügung. Alle anderen BewohnerInnen können später in das Gebäude zurückkehren.

    Als Brandursache wird ein technischer Defekt vermutet.

Freiwillige Feuerwehr St. Augustin 16.12.14;

GA 16.12.14;

Polizei Rhein-Sieg-Kreis 14.1.15

 

16. Dezember 14

 

Bundesland Bayern. Während eines Besuchstermins am Vormittag in der Erlanger Ausländerbehörde zieht ein 31 Jahre alter Armenier ein Messer und droht, sich damit zu töten. Dann flüchtet er aus dem Büro.

    Die Folge dieser Suizid-Androhung ist ein Großeinsatz der Polizei. Das gesamte Rathaus mit seinen 600 Mitarbeitern wird über drei Stunden evakuiert und durchsucht, bis klar ist, daß der Flüchtling sich nicht mehr im Hause aufhält.

    Dieser meldet sich kurze Zeit später in der Psychiatrie einer Erlanger Klinik. Er zeigt akute Symptome von psychischen Problemen und wird in eine Fachklinik eingewiesen.

SZ 16.12.14; AA 16.12.14;

SZ 17.12.14; nordbayern.de 17.12.14;

 

18. Dezember 14

 

Wackersdorf im Bundesland Bayern. Auf einem Waldweg am Wackersdorfer Weiher im Süden der Stadt wird ein 49 Jahre alter syrischer Flüchtling gegen 10.30 Uhr mit einem Ast von hinten niedergeschlagen und verletzt. Er kommt mit dem Verdacht einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus.

    Die Kriminalpolizei Amberg nimmt die Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung auf.

Polizei Oberpfalz 19.12.14;
MbZ 19.12.14

 

18. Dezember 14

 

Bundesland Nordrhein-Westfalen – Landkreis Warendorf. Gegen 18.40 Uhr ruft der 26 Jahre alte Elhadj Sidiki Fofana, Flüchtling aus Guinea, die Polizei, weil er um sein Leben fürchtet. Ein 39 Jahre alter tunesischer Mitbewohner aus dem Flüchtlingsheim Drensteinfurt (Ortsteil Ameke) traktiert ihn nach einem Streit um den WLAN-Router mit Fäusten. Die Polizei kommt jedoch nicht. Um 19.06 Uhr zieht der Tunesier ein Messer und sticht dreimal auf Herrn Fofana ein. Weitere Messer-Attacken können in der Küche anwesende Mitbewohner verhindern.

    Herr Fofana schleppt sich auf die Straße und findet Hilfe in einer nahe gelegenen Schmiedewerkstatt, deren Besitzer zunächst Erste Hilfe leistet und die Polizei ruft. Mit einer "schwerwiegenden Verletzung der Halsschlagader", so der Chefarzt des Krankenhauses, wird Herr Fofana in einer "akut lebensbedrohlichen Situation" eingeliefert und sofort not- operiert.

    Der Täter wird noch am Abend auf der Straße verhaftet. Die Mordkommission Münster ermittelt gegen ihn wegen versuchten Totschlags und schwerer Körperverletzung.

    Herr Fofana berichtet einem Journalisten des Westfälischen Anzeigers, der ihn am Krankenbett interviewt, daß er wegen vorheriger Auseinandersetzungen die zuständige Stadtverwaltung auf die Gefährlichkeit des Tunesiers hingewie-

sen hat.

    Aber auch zwei Wochen zuvor, als bei einem ähnlichen Vorfall im Heim, an dem der jetzige Täter auch beteiligt war, die Polizei kam, wurde er nicht als "tickende Zeitbombe" eingeschätzt, so der Bürgermeister Carsten Grawunder. Jedoch sagt er auch: "Nach Einschätzung der Polizei und auf Grund des Raummangels hatten wir keine Handhabe, den Straftäter bereits vorher zu verlegen."

    Elhadj Sidiki Fofana erhebt schwere Vorwürfe gegen die Polizei, daß sie auf seinen Notruf hin nicht gekommen ist. Er wird nach seinem Krankenhaus-Aufenthalt dezentral untergebracht werden, so plant es die Stadtverwaltung.

    Seine 13 Mitbewohner im Haus sind erleichtert, als sie erfahren, daß der Täter in Untersuchungshaft sitzt.

Polizei Warendorf und Münster 19.12.14;

Münster Journal 19.12.14;

Westfälischer Anzeiger 25.12.14;

Westfälischer Anzeiger 25.12.14

 

20. Dezember 14

 

Rottenburg in Baden-Württemberg. Gegen 22.30 Uhr werden zwei Asylbewerberinnen aus Gambia von einem betrunkenen Deutschen in der Poststraße angepöbelt und tätlich angegriffen. Der betrunkene Mann schlägt zunächst auf die 27-Jährige ein, danach auf ihre 36 Jahre alte Begleiterin. Als diese zu Boden stürzt, attakiert er sie mit Tritten solange, bis er von zwei jungen Männern, die den Frauen zu Hilfe kommen, von seinem Opfer weggezogen wird. Die Männer halten ihn auch fest und hindern ihn an der Flucht, bis die Polizei kommt.

    Beide Frauen werden verletzt ins Krankenhaus gebracht. Während die Jüngere leicht verletzt ist und nach medizinischer Versorgung wieder entlassen wird, bleibt ihre Begleiterin wegen Kopfverletzungen und einer knöchernen Verletzung am Knie zunächst stationär.

    Wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung nehmen die Staatsanwaltschaft Tübingen und die Kriminalpolizei Esslingen die Ermittlungen gegen den 21-jährigen Täter auf. Er wird der rechten Szene zugeordnet und ist bereits wegen Gewalttaten verurteilt. Er steht unter Bewährungsauflagen und kommt jetzt zunächst in Untersuchungshaft.

    Aufgrund dieser erneuten rassistischen Attacke gehen am 23. Dezember bis zu 800 Menschen auf die Straße und demonstrieren gegen "Fremdenfeindlichkeit" in Rottenburg.

Polizei Reutlingen 21.12.14;

StN 21.12.14;

Polizei Reutlingen 23.12.14;

SWP 23.12.14

 

20. Dezember 14

 

Bundesland Bayern. Als ein 18-jähriger Asylbewerber aus Mali gegen 21.50 Uhr aus dem Regionalzug (Straubing Richtung Mallersdorf-Pfaffenberg) am Bahnhof Niederlindhart aussteigen will, betreten zwei Männer den Zug und versperren ihm den Weg. Zusammen mit einem Dritten, der bereits im Waggon ist, ziehen sie dem Flüchtling seine Jacke über den Kopf und schlagen mit einem Gegenstand auf seinen Kopf ein.

Dieser erleidet mehrere Platzwunden und wird ins Krankenhaus eingeliefert.

    Als die Polizei eintrifft, sind die Täter bereits verschwunden. Nach Aussagen von ZeugInnen hätten zwei der zwischen 25 und 30 Jahre alten Täter kurzgeschorene Haare gehabt – ein Dritter trug eine Glatze.

    Mitte März 2015 sind zwei Täter im Alter von 18 und 23 Jahren ermittelt und werden per Haftbefehl festgenommen.

Polizei Niederbayern 21.12.14;

TVaktuell.com 21.12.14; SZ 21.12.14;

AZ 21.12.14; Welt 22.12.14; br 22.12.14;

AA 17.3.15; MM 17.3.15

 

20. Dezember 14

 

Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Gegen 15.00 Uhr fahren zwei syrische Flüchtlinge (20 und 24 Jahre alt) mit ihren Fahrrädern in Plöwen auf dem Hohenfelder Weg in Richtung ihrer Asylunterkunft. Da bemerken sie einen silberfarbenen PKW Skoda, der mit hoher Geschwindigkeit und ungebremst auf sie zufährt, so daß sie sich nur retten können, indem sie rechts von der Fahrbahn abweichen. Trotzdem wird einer von ihnen noch vom Außenspiegel des PKW getroffen.

Polizei Neubrandenburg 21.12.14;

Zeit 21.12.14;

LOBBI

 

20. Dezember 14

 

Bundesland Bayern – Pilsting-Großkölnbach im Landkreis Dingolfing-Landau. Gegen 3.00 Uhr hören BewohnerInnen der Flüchtlingsunterkunft in der Frauenhoferstraße an ihrer Haustür Geräusche und können vier ca. 25 Jahre alte Personen erkennen, die mit einem PKW wegfahren. Kurze Zeit später wird festgestellt, daß die Unbekannten gegen die Haustür traten. Die Polizei nimmt die Ermittlungen auf.

Polizei Straubing 22.12.14

 

20. Dezember 14

 

Radevormwald im Oberbergischen Kreis – Bundesland Nordrhein-Westfalen. Gegen 23.40 Uhr wird eine ehemalige Grundschule, die als Unterkunft für Flüchtlinge genutzt wird, angegriffen. Unbekannte werfen Steine gegen die Eingangstür, deren Glas daraufhin zu Bruch geht.

    In dem Gebäude leben 30 Flüchtlinge, die überwiegend aus Somalia kommen.

    Die TäterInnen können nicht ermittelt werden.

Polizei Gummersbach 16.3.14;

BT DS 18/3964

 

21. Dezember 14

 

Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Im Schweriner Stadtteil Mueßer Holz wird ein 20-jähriger Ghanaer in den Morgenstunden an der Straßenbahnhaltestelle Hegelstraße von

drei Männern überfallen. Sie schlagen mit einem Baseballschläger auf ihn ein und rauben sein Portemonnaie. Nur durch das zufällige Erscheinen eines Passanten lassen die Täter von dem Flüchtling ab und verschwinden.

    Der Überfallene kommt mit Blutergüssen und Prellungen ins Krankenhaus. Nach seiner körperlichen Genesung soll er eine Trauma-Therapie in der Schweriner Heliosklinik beginnen.

    Noch während der laufenden Ermittlungen der Staatsschutz-Abteilung der Schweriner Polizei wird der Mann – und werdende Vater – in einer Nacht-und-Nebelaktion am 20. Januar 15 morgens um 5.00 Uhr von drei Polizisten und einem Mitarbeiter der Schweriner Ausländerbehörde in seiner Wohnung abgeholt und über Berlin nach Italien ausgeflogen.

    Damit ist der wichtigste und möglicherweise einzige Zeuge des Raubüberfalls nicht mehr in Deutschland, wodurch die Aufklärung des Verbrechens deutlich in Frage gestellt wird.

    Aufgrund der laut werdenden heftigen Kritik an der Abschiebung des Überfall-Opfers veröffentlicht die Staatsanwaltschaft Anfang Februar, daß weiter wegen des Überfalls ermittelt wird – allerdings nun gegen den Betroffenen wegen Vortäuschung einer Straftat.

NK 21.1.15; LOBBI 21.1.15;

antifaschwerin.blogsport.de 22.1.15;

Polizei Rostock 23.1.15;

LOBBI 6.2.15

 

22. Dezember 14

 

Moosach im Bundesland Bayern. Gegen 4.00 Uhr trifft ein 16 Jahre alter Flüchtling aus Algerien bei einem Spaziergang im Alten Botanischen Garten auf vier Männer, die ihm den Weg verstellen. Einer von ihnen bedroht den Jugendlichen mit einem messerähnlichen Gegenstand, hält ihn fest und nimmt dessen Handy und Tasche. Danach verscheuchen die Täter ihr Opfer aus dem Park.

    Der Jugendliche, der erst vor kurzem in München angekommen ist, läuft planlos durch die Stadt, bis er am Hauptbahnhof eine Polizeiwache findet. Hier erstattet er Anzeige.

tz 23.12.14

 

27. Dezember 14

 

Erftstadt-Blessem in Nordrhein-Westfalen. In der Flüchtlingsunterkunft Rademacherstraße entsteht gegen 18.30 Uhr ein Feuer im sogenannten Versorgungstrakt. Als die ersten Feuerwehrkräfte eintreffen, brennt dieser Container lichterloh. Alle 124 BewohnerInnen können rechtzeitig und unverletzt evakuiert werden und kommen zunächst in einer Aula der Liblarer Realschule unter.

    Da in dem fast vollständig abgebrannten Gebäude die Stromversorgung für alle 21 Gebäude untergebracht war, fallen im gesamten Komplex Strom und Heizung aus. Erst als die Versorgung mit Strom wiederhergestellt ist, können einige Tage später die Menschen zurück in ihre Unterkünfte.

    Die Polizei geht von einem technischen Defekt als Brandursache aus.

Express.de 27.12.14; KStA 27.12.14;

Welt 28.12.14; RP 28.12.14; RP 29.12.14;

Polizei Rhein-Erft-Kreis 14.1.15; KStA 27.1.15

 

31. Dezember 14

 

Landkreis Landshut in Bayern. Im Erdgeschoß der Flüchtlingsunterkunft von Geisenhausen bricht gegen 23.00 Uhr ein Feuer aus. Noch vor dem Eintreffen der Feuerwehr gelingt es dem Hausmeister, die Flammen zu löschen. Ein Mann und eine Frau kommen mit leichten Rauchgasvergiftungen ins Krankenhaus.

    Neben dem Sachschaden von ca. 5000 Euro sind 15 Kinderwagen verbrannt, die hier abgestellt waren.

    Als Brandursache werden abgebrannte Feuerwerkskörper ausgemacht. Die Polizei Landshut nimmt die Ermittlungen auf und schließt schon am nächsten Tag einen "fremdenfeindlichen Hintergrund" aus.

dpa 31.12.14;

Polizei Niederbayern 1.1.15;

gumola.de 1.1.15;

Polizei Niederbayern 2.2.15

 

31. Dezember 14

 

Bundesland Sachsen – Brand-Erbisdorf, Landkreis Mittelsachsen. In der Nacht wird die Unterkunft für Flüchtlinge in der Dr.-Wilhelm-Külz-Straße von Unbekannten mit einem Böller attackiert. Der selbstgebaute Böller wird aus einem fahrenden Auto geworfen und zerstört bei der Explosion zwei Kellerfenster.

    Bereits am 19. Dezember 14 – am Tag der Eröffnung der Einrichtung – wurden von Unbekannten gegen 23:30 Farbbeutel auf das Gebäude sowie eine Stunde später eine Zaunlatte gegen die Haustür geworfen.

    In dem Gebäude leben ca. 56 BewohnerInnen aus u.a. Libyen, Syrien, Irak, Libanon und Georgien, darunter auch einige Familien.

    Der Staatsschutz nimmt die Ermittlungen auf.

FP 19.12.14; FP 21.12.14;

 jW 31.12.14; FP 31.12.14;

FP 8.1.15; BT DS 18/3964

 

 

 

 

Im Jahre 2014

 

Im Zusammenhang mit ihrem unerlaubten Grenzübertritt werden zwei Personen durch Beamte der Bundespolizei oder durch Zollbeamte verletzt.

    Ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung gegen einen Bundespolizisten stellt die Staatsanwaltschaft Offenburg am 22. Dezember 14 ein – das Disziplinarverfahren wird nach Abschluß des Strafverfahrens wieder aufgenommen und ist im Februar 2015 noch nicht entschieden.

BT DS 18/4032